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White Supremacy

White Supremacy

Zur historischen Herkunft des US-amerikanischen Rassismus. Exklusivabdruck aus „Manifest Destiny und die Indigenenpolitik der USA“.

Als die europäische Kolonialisierung des nordamerikanischen Kontinents ihren Anfang nahm, war das riesige Gebiet jenseits des Atlantiks alles andere als menschenleer. Wie groß die autochthone Bevölkerung vor dem ersten Kontakt mit den Europäern aber tatsächlich war, ist heute umstritten. Einige Experten vermuten, dass es um die zehn Millionen Menschen gewesen sein müssten, allerdings handelt es sich dabei um reine Schätzungen.

Für diese Ureinwohner Nordamerikas war das Land aber nun keine Wildnis wie für die fremden Eindringlinge, sondern ihre Heimat. Sie waren auf ihre eigene Art zivilisiert, hatten fest etablierte Gebiete, stabile soziale Systeme und ausgedehnte Handelsnetzwerke. Genauso wie die Europäer führten auch sie Kriege gegen ihre Feinde, waren jedoch nie darauf aus, andere Stämme auszulöschen. Erst mit der Ankunft bzw. Invasion der europäischen Einwanderer wurden sie mit ihrer eigenen Auslöschung bedroht.

Das Voranschreiten der Neuankömmlinge, mit ihren Krankheiten und ihrer Gier nach Land, zwang die indigenen Menschen schließlich zu einem nachhaltigen Rückzug. Aus der Perspektive der Ureinwohner brachte daher vor allem die Westausdehnung der USA Verdrängung, Zerstörung und Tod.

In der Zeitspanne ab dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775–1783) bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden über fünf Millionen Quadratkilometer Land von der Hoheitsgewalt der nordamerikanischen indigenen Bevölkerung auf die US-Regierung übertragen. Bei einer derartigen Geschwindigkeit von durchschnittlich fünf Quadratkilometer pro Stunde kann kein Zweifel darin bestehen, dass dieser Besitzerwechsel zügig und gleichzeitig umfangreich vonstatten ging.

Fest verbunden mit dieser US-amerikanischen Gebietsausdehnung im 19. Jahrhundert war der Begriff des Manifest Destiny, das vielen US-Amerika¬nern wie auch euro-amerikanischen Siedlern die Vision eines unvermeidbaren Schicksals suggerierte, das eine US-Expansion bis zum Pazifik vorsah. Die Auswirkungen dieser machtvollen Doktrin können in ihrer Bedeutung im Zusammenhang mit den Geschehnissen in den USA im 19. Jahrhundert gar nicht überschätzt werden. (...)

Manifest Destiny

Obwohl Schlagwörter wie »Schicksal« (destiny) oder auch »Auftrag« (mission) lange in die Zeit vor der Formierung einer US-Nation zurückreichen, kam es erst im frühen 19. Jahrhundert zu tief greifenden Veränderungen im US-amerikanischen Leben. Der Idealismus der revolutionären Anfänge der Vereinigten Staaten verband sich in dieser Zeit mit der damals aufkommenden europäischen Romantik, um letztlich einen populären romantischen Nationalismus hervorzubringen, der den generellen Ideen des Fortschritts und der Überlegenheit gänzlich neue Bedeutung zuschreiben sollte.

Wesentlicher Bestandteil des Glaubens an eine nationale Überlegenheit war dabei die Überzeugung, dass die US-amerikanische Gebietserweiterung bis zum Pazifik unvermeidbar wäre, dass das »Schicksal« für die junge Nation – ihr Manifest Destiny – eine Ausweitung der Ideale ihrer Gründungsurkunde auf den ganzen Kontinent vorgesehen hatte.

Diese Auffassung war schließlich umso glaubwürdiger, als bereits unzählige euro-amerikanische Siedler, Händler und Missionare auf dem Weg zu weit entfernten Gebieten Nordamerikas waren. Genauer gesagt: Die territoriale Erweiterung begann dieser Ansicht nach im Prinzip fast zeitgleich, als die ersten englischen Siedler auf amerikanischen Boden trafen und setzte sich bis zur »Schließung« der Frontier im Jahr 1890 und – nach einer kurzen Pause – bis zur Annexion der pazifischen und karibischen US-Territorien 1898 fort.

Dieser Erfolg wurde durch unaufhörliche, diesbezügliche Mühen vonseiten der Politiker und Siedler, durch Verträge mit europäischen Nationalstaaten und indigenen Stämmen, aber auch durch die erzwungene Umsiedlung der amerikanischen Ureinwohner möglich gemacht. (...)

Es gilt aber gleich zu Beginn festzuhalten, dass Manifest Destiny als die Spiegelung eines tief sitzenden Sinns von Überlegenheit, als Durchhalteparole und als ein Schleier für unmoralische und manchmal auch illegale Handlungen der Regierung und der Bevölkerung, eine der einflussreichsten Ideologien der US-amerikanischen Geschichte wurde.

Ursprung und Hintergrund der Doktrin

Die Ursprünge dieses Glaubens an eine territoriale Expansion, die einerseits vorherbestimmt und andererseits ebenso unvermeidbar wäre, gehen bis zu den ersten englischen Siedlern, den Puritanern, zurück. Die protestantischen Abweichler waren überzeugt, dass sie Gottes auserwähltes Volk im gelobten Land wären – genauso wie das israelitische Volk in der Bibel.

Die Welt als Gottes »Manifestation« und die historische Entwicklung als vorherbestimmtes »Schicksal« waren ideologische Grundlagen einer tief providenziell geprägten Periode in England zwischen 1620 und 1660, während derer die ersten Migrationen zum neu entdeckten Kontinent stattfanden.

Schon alleine ihre sichere Ankunft auf dem neuen Kontinent war in ihren Augen Zeichen genug, dass sie Gott auf ihrer Seite hätten. Sich selbst sahen die Engländer nämlich als »Freunde Gottes« und glaubten folglich, dass Gott sie mehr als andere Menschen lieben würde. Aus dieser Beanspruchung heraus leiteten sie schließlich auch ihr Überlegenheitsgefühl ab:

Gott will, dass Nordamerika von den Engländern kolonialisiert wird.

Eine historische Grundlage für die Doktrin lieferte dabei im Jahr 1630 John Winthrop, ein ausgebildeter Rechtsanwalt und Gouverneur der Massachusetts Bay Company, mit seiner verschriftlichten Rede »A Modell of Christian Charity«. Darin beschreibt er die Mission der Puritaner in Nordamerika als gottgewollt und von einer einzigartigen Wichtigkeit für das Wohl der Welt. Amerika begründet er als die heute weithin bekannte »citty upon a hill«, die Stadt auf einem Hügel, zu der die ganze Welt aufblicken würde. Dies war der Ursprung der bis heute gültigen amerikanischen Vorstellung, die USA hätte eine Vorbildfunktion allen anderen Nationen gegenüber.

Benjamin Franklin, einer der sogenannten Gründerväter der Vereinigten Staaten, lieferte im Jahr 1767 ein weiteres Dokument zur Legitimierung des späteren Manifest Destiny. In einem Brief an den schottischen Philosophen Lord Kames nimmt er Stellung zur Reaktion der Kolonien auf den Stamp Act, mit dem die britische Krone – ohne das Einverständnis der Kolonisten in Übersee – Steuern von ihren amerikanischen Kolonien einheben wollte. Noch vor der Revolution artikulierte Franklin hier seine Version von Amerikas möglicher Unabhängigkeit und wahrer Größe, die auf einem potenziellen territorialen Wachstum gründete.

In den Jahrzehnten, die die Amerikanische Revolution umspannten, wurde nicht nur der Sieg über die Briten als göttlicher Wille interpretiert, auch die Vorstellung, dass eine Gebietsausdehnung ein wesentlicher Bestandteil des amerikanischen Schicksals sei, bekam immer mehr Anhänger. So erklärte 1787 John Adams, ein weiterer Gründervater und späterer zweiter US-Präsident, in seiner Verteidigung der US-amerikanischen Verfassung, dass die 13 Regierungen (der ersten US-Bundesstaaten und früheren Kolonien) nur aufgrund der »natürlichen Autorität« jenes Volkes gegründet wurden, das dazu auserkoren war, sich über den gesamten nördlichen Teil des Kontinents auszubreiten.

Und Thomas Jefferson beschrieb die damaligen USA als ein »Nest«, von dem aus ganz Amerika, der Norden und der Süden, bevölkert werden müsste. Zeitgenössische Befürworter dieser Ansicht wagten sogar die Vorhersage, dass die Vereinigten Staaten sehr bald auf den Spuren des antiken Ägyptens, Griechenlands und Roms sowie des britischen Imperiums wandeln würden, somit die neue Antriebskraft für Fortschritt wären und folglich vom Schicksal dazu auserkoren, eine Weltmacht mit großem Einfluss zu werden.


Weitere Hintergründe zum Thema finden Sie im aktuellen Buch:

Manifest Destiny und die Indigenenpolitik der USA


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