„Die Partei hat dir gesagt, du sollst den Beweisen deiner Augen und Ohren nicht trauen. Das war ihr letzter und wichtigster Befehl“ (George Orwell).
Auf die Covidkrise, den „menschengemachten“ Klimawandel, den Ukrainekrieg, die sogenannte Zeitenwende und die Kriegsvorbereitungen gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Aber noch nie habe ich erlebt, dass bei einer Parteinahme derart eklatante und leicht widerlegbare Unwahrheiten verbreitet werden wie beim Israel-Palästina-Konflikt.
Keiner kann heute sagen, er habe nichts gewusst
Ein Blick auf die Bilder des völlig zerstörten Gazastreifens müsste genügen, um zu wissen, was geschieht, sieht es dort doch genauso aus wie nach den Atombombenabwürfen am 6. und 9. August vor 80 Jahren auf Hiroshima und Nagasaki, an die gerade wieder erinnert wurde. Andauerndes Drohnengesirr über den Köpfen; kein Wasser, kein Essen, keine Toiletten, kein Strom, kein Kraftstoff, keine Medikamente, kein Schutz, keinerlei Privatsphäre. Die Menschen in Gaza sind praktisch all ihrer Rechte und ihrer Würde beraubt, degradiert zu „menschlichen Tieren“ und „Untermenschen“.
Jeder, der will, kann wissen, was in Gaza passiert: Zum Beispiel dass sieben Mitarbeiter der Hilfsorganisation „World Central Kitchen“, fünfzehn Sanitäter des Roten Halbmonds, viele Ärzte und mehr als 200 Journalisten nicht von der Hamas, wie behauptet wird, sondern von IDF-Soldaten getötet wurden und muss sich dann nicht mehr fragen, warum kein westlicher Reporter von dort berichten darf. Sogar das ARD-Politmagazins „Monitor“ hat schon vor einem Jahr Schreckliches über Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Israels Haftlagern berichtet.
Von den ursprünglich 400 Essensverteilungszentren sind nur noch vier zugelassen, die in Kampfzonen im südlichen Gazastreifen liegen. Augenzeugen berichten, dass auf diesem Gebiet schon Hunderte von Palästinensern erschossen wurden. Ärzte versuchen — oft vergeblich — Kindern zu helfen, die von dort mit furchtbaren Schusswunden zurückkehren.
Wie Internetforen, Mainstream-Medien, Wissenschaftler und Politiker über den Konflikt berichten
Alle, die zuallererst und ausschließlich über die Verbrechen der Hamas, die „an allem“ schuld sei, berichten, verdecken damit vieles von dem, was wirklich geschieht.
YouTuber, Journalisten und Politiker übernehmen dabei einseitig und ungeprüft das Israel-Narrativ und brüsten sich mit ihren Geschichtskenntnissen, ohne auch nur eine blasse Ahnung von der Historie zu haben.
Und was erfahren wir nun von ihnen. Hören wir einmal einem zu:
Allzu viele ließen sich auf die falschen Fährten einer Pro-Hamas-Propaganda führen und vergäßen, dass die wahren Verbrecher die islamistischen Terroristen seien. Die Abneigung gegen Muslime kommt unter dem Eindruck der seit 2015 vermehrt stattfindenden Einwanderungsbewegungen und ihren Folgen immer mehr an die Oberfläche und überdeckt alles andere mit den üblichen Mainstream-Erzählungen: Weder in Gaza noch im Westjordanland gebe es den Willen zu einer Co-Existenz. Oder:
„Hätten die Palästinenser nur einen Bruchteil des Geldes, das von der internationalen Staatengemeinschaft dorthin geflossen ist, in den letzten siebenunddreißig Jahren benutzt, um eine Infrastruktur aufzubauen und damit ihr eigenes Land voranzubringen, dann wäre Gaza möglicherweise das, was Singapur oder was sogar Dubai ist.“
Die Nakbar (Katastrophe), die Enteignung und Vertreibung von 700.000 bis 750.000 Palästinensern während des bei der Gründung ausgebrochenen Unabhängigkeitskriegs sei eine der größten Propagandalügen der Palästinenser. Absurd sei auch, dass „hier irgendjemandem Land weggenommen worden ist.“
Das war mir allerdings neu, denn es kann doch niemandem entgangen sein, dass Israel im sogenannten Sechstagekrieg 1967 den Gazastreifen, das Westjordanland, die Golanhöhen und Ost-Jerusalem erobert hat und zum Besatzungsland wurde, auf dessen Grund und Boden sich im Lauf der letzten Jahrzehnte immer mehr militante nationalreligiöse Siedler völkerrechtswidrig breitgemacht haben. Bei der Besetzung wurden nochmals 200.000 Palästinenser aus der Westbank nach Jordanien vertrieben. Also hat sich das palästinensische Gebiet beständig verkleinert.
Israelis werden nicht bekämpft, weil sie Juden sind, sondern weil Israelis den Palästinensern sukzessive Land weggenommen haben, das ihnen der 1947 verabschiedete UN-Teilungsplan (Resolution 181 (II)) gar nicht zugesprochen hatte.
Auch Ulrich Reitz beschäftigt sich beim „Reitz-Thema des Tages“ vorrangig mit den fraglos grausamen Verbrechen der Hamas und sieht keine Alternative zu einer vollständigen Besetzung des Gazastreifens. Er beschuldigt Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Keir Starmer, durch ihre angekündigte Anerkennung der Zwei-Staaten-Lösung als „nützliche Idioten der Hamas“ dafür gesorgt zu haben, dass sich die Terrororganisation „sauwohl“ in ihrer Rolle fühlen könne und beklagt die „Liebedienerei“ der Linken. Bei dem Massaker vom 7. Oktober 2023 handele es sich um einen von den Palästinensern begangenen „reinrassigen Genozid“; die kürzlich veröffentlichten Geiselvideos seien ein Ausschnitt aus einem KZ. Der Journalist und Autor Godel Rosenberg stimmt zu und schreibt bei „Tichys Einblick“:
„Die jüngsten Bilder der halbverhungerten Geiseln zeigen, dass es um die systematische Vernichtung Israels und der Juden geht.“
„Sobald die Hamas die Waffen niederlegt, hört alles auf“, meint auch der Historiker und Autor Michael Wolffsohn, der dabei unterschlägt, dass Israel selber einst zum Aufstieg von Hamas beigetragen hat, um die PLO (Palestine Liberation Organisation) zu schwächen, und dass der brutale Terrorangriff mit 251 Geiseln nicht die kollektive Bestrafung und Vernichtung einer gesamten Zivilbevölkerung rechtfertigt. Erstaunlich ist, dass die Abonnenten und Leser den Aussagen der YouTuber, Journalisten und Politiker in der Mehrzahl „mit Respekt“ zustimmen und sie unhinterfragt für „differenziert, kompetent und faktenreich“ befinden.
Julian Reichelt, Chefredakteur von Nius, stellt wie viele andere Internetforen einen Zusammenhang mit der Einwanderungsbewegung her, nennt Friedrich Merz‘ Stopp von Waffenlieferungen an Israel „ein Einknicken vor dem islamistischen Mob und dessen Propaganda“ und interpretiert seine Entscheidung als eine fatale Rücksichtnahme auf die in Deutschland lebenden und noch erwarteten Migranten.
Frühe Warnungen und Vorzeichen
Wer den Blick vorrangig oder sogar ausschließlich auf die Verbrechen von Hamas richtet, verdeckt dahinterliegende Geschehnisse und Zustände.
Am 4. Dezember 1948 unterschrieben unter anderem Albert Einstein und Hannah Ahrendt einen Brief an die Redaktion der New York Times, der wie folgt beginnt:
„Zu den beunruhigendsten Phänomenen unserer Zeit gehört das Auftauchen der ‚Freiheitspartei‘ (Tnuat Haherut) im neu geschaffenen Staat Israel, einer politischen Partei, die in ihrer Organisation, ihren Methoden, ihrer Philosophie und ihrer sozialen Anziehungskraft den nazistischen und faschistischen Parteien sehr ähnlich ist. Sie ist aus den Mitgliedern und Anhängern der ehemaligen Irgun Zvai Leuni entstanden, einer terroristischen, rechtsgerichteten, chauvinistischen Organisation in Palästina.“
Anlässlich des Besuchs von Menachem Begin, Parteiführer der oben genannten „Freiheitspartei“ — Cherut (Freiheit), heute Likud-Partei — warnen die Unterzeichner davor, dass „durch finanzielle Zuwendungen, öffentliche Kundgebungen zugunsten Begins“ der Eindruck entstehen könnte, „dass ein großer Teil Amerikas faschistische Elemente in Israel unterstützt“. Derzeit spreche „die terroristische Partei“ von Freiheit, Demokratie und Antiimperialismus, „während sie bis vor kurzem noch offen die Doktrin des faschistischen Staates predigte“.
Als schockierendes Beispiel schildern die Unterzeichner das Verhalten der Bewegung im arabischen Dorf Deir Jassin: „Am 9. April griffen Terrorbanden dieses friedliche Dorf an, das kein militärisches Ziel in den Kämpfen war, töteten die meisten seiner Bewohner (240 Männer, Frauen und Kinder) und ließen einige am Leben, um sie als Gefangene durch die Straßen Jerusalems zu führen“ Das Massaker von Deir Jassin sei ein Beispiel für den Charakter und die Handlungen der „Freiheitspartei“, die innerhalb der jüdischen Gemeinschaft eine Mischung aus Ultranationalismus, religiösem Mystizismus und rassischer Überlegenheit predige und auf die Zerstörung freier Gewerkschaften dränge.
Das Parteiprogramm von 1977 der heute von Benjamin Netanjahu geführten Likud-Partei beginnt mit folgendem Satz:
„Das Recht des jüdischen Volkes auf das Land Israel ist ewig und unbestreitbar und ist verbunden mit dem Recht auf Sicherheit und Frieden; aus diesem Grund werden Judäa und Samaria nicht in die Hände einer fremden Regierung gelangen; die Souveränität Israels zwischen dem Mittelmeer und dem Fluss Jordan ist unantastbar.“
Imperiales Denken
Seit Jahrhunderten sind westliche Machthaber verhaftet im kolonialistischen Denken und Handeln, einhergehend mit dem Glauben an ihre ethnische Überlegenheit, der auch auf ihre Bevölkerungen übergegangen ist. Von Winston Churchill gibt es eine ganze Reihe von entsprechenden Zitaten — hier nur eins:
„Ich bin nicht der Meinung, dass den Indianern in Amerika und den Ureinwohnern von Australien großes Unrecht angetan wurde. Ich stimme dem insofern nicht zu, weil eine stärkere Rasse, eine hochwertigere Rasse, eine welterfahrenere Rasse (…) gekommen ist und ihren Platz eingenommen hat.“
Die Bewohner der Imperien — auf das britische folgte das US-amerikanische — identifizieren sich — bewusst oder unbewusst — eher mit ihren westlichen imperialistischen Regierungen als mit den unterdrückten Völkern.
Durch die Mainstream-Medien und die immer weiter verfeinerten Propagandatechniken ist es gelungen, dieses Denken tief einzupflanzen und die Bevölkerungen der westlichen Länder letztlich blind für ihre Verbrechen zu machen. Aussagen von israelischen Politikern über die Menschen in Gaza passen in dieses Konzept. So Joaw Galant, Verteidigungsminister von Dezember 2022 bis November 2024:
„Wir bekämpfen menschliche Tiere und werden entsprechend handeln.“
Arieh King, stellvertretender Bürgermeister von Jerusalem steigerte das noch mit der Aussage:
„Das sind keine menschlichen Wesen und keine menschlichen Tiere. Das sind Untermenschen, und so sollte man sie auch behandeln.“
Die NATO-Kriege im Nahen und Mittleren Osten nach dem 11. September 2001 haben zu verheerenden Zerstörungen in den betroffenen Ländern mit Millionen von Toten geführt und Europa die Masseneinwanderung gebracht. Was in Abu Ghraib, in Guantanamo und in anderen geheimen Foltergefängnissen außerhalb der Vereinigten Staaten geschah, spottet jeder Rede von den sogenannten westlichen Werten. (Siehe die ARTE-Dokumentation 2010 über die brutalen Verhörmethoden der CIA nach 9/11: „Folter made in USA“.)
Die Verzweiflung, der Hass und die Wut dieser ihrer Heimat beraubten und entrechteten Völker müssen inzwischen unendlich sein.

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