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Zwischen Diplomatie und Scheitern

Zwischen Diplomatie und Scheitern

Mit Ihrem Kriegseintritt lassen die USA ein neues Atomabkommen mit dem Iran in weite Ferne rücken.

Ausgangslage der Verhandlungen: Die zerrüttete Grundlage

Seit dem einseitigen Ausstieg der USA unter Präsident Donald Trump aus dem JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) im Jahr 2018 ist das Vertrauen zwischen Teheran und Washington tief erschüttert. Der Iran hat seither Schritt für Schritt seine Verpflichtungen ausgesetzt, während die USA weiterhin auf maximale Transparenz und internationale Inspektionen pochen. Die gegenwärtigen Gespräche in Maskat und zuvor in Wien, Doha und Rom stehen unter dem Eindruck wachsender Gewalt und wechselseitiger Provokationen.

Völkerrechtliche Implikationen: Der Präzedenzfall israelischer Luftangriffe

Der israelische Angriff auf iranische Atomanlagen stellt einen gravierenden Bruch mit den Prinzipien des Völkerrechts dar.

Als Nichtmitglied des Atomwaffensperrvertrags (NPT) hat Israel selbst keinerlei internationale Kontrolle oder Verpflichtungen akzeptiert, bombardiert jedoch Einrichtungen eines NPT-Mitgliedsstaates — in diesem Fall des Iran.

Die gezielten Angriffe auf nukleare Infrastruktur verstoßen gegen Artikel 2 der UN-Charta, der Gewaltanwendung verbietet, sofern kein UN-Mandat oder Selbstverteidigung vorliegt. Die IAEA verurteilte die Angriffe implizit, da sie die nukleare Sicherheit gefährden und internationale Inspektionen unterminieren (IAEA, 13. Juni 2025).

Rolle der USA: Trumps gespaltene Strategie im Nahen Osten

Präsident Donald Trump verfolgt in seiner zweiten Amtszeit eine inkonsistente Nahostpolitik: Einerseits signalisierte er Offenheit für neue Verhandlungen, andererseits unterstützt er offen Israels harte Linie gegen den Iran. Interne Machtkämpfe in Washington und der Einfluss rechtskonservativer Netzwerke sowie der Israel-Lobby blockieren eine konsistente diplomatische Strategie. Trump nutzt Nahostpolitik zunehmend innenpolitisch, insbesondere zur Mobilisierung seiner Basis und zur Marginalisierung demokratischer Gegenstimmen.

USA und Israel: Eine vorbereitete Eskalation

Verschiedene Berichte von Axios, Politico, Foreign Affairs aus dem Juni 2025 deuten darauf hin, dass die israelischen Angriffe in enger Absprache mit den USA vorbereitet wurden. Bereits im Frühjahr 2025 begannen gemeinsame Manöver und Geheimdienstkooperationen, die auf ein abgestimmtes Vorgehen hindeuten. Während Washington offiziell eine diplomatische Lösung betont, liefern US-Militärbasen logistische Unterstützung, und innenpolitischer Druck von Republikanern und der Israel-Lobby erschwert jede Annäherung an Teheran.

Die Rolle Israels: Eskalation als Strategie und politische Überlebensversicherung für Netanjahu und seine extrem rechtsstehende Regierung

Benjamin Netanjahus Regierung betrachtet den Iran als existenzielle Bedrohung. Der militärische Angriff auf iranische Atomanlagen war nicht nur ein sicherheitspolitischer Schritt, sondern auch Teil eines größeren strategischen Ziels: die Atomverhandlungen zwischen Teheran und Washington zu torpedieren. Diese Strategie ist auch innenpolitisch motiviert: Die permanente Konfrontation dient der Ablenkung von Korruptionsvorwürfen und der Stärkung des rechten Regierungsbündnisses, so Haaretz, am 15. Juni 2025. Kritiker sprechen von einem „Krieg zur politischen Selbsterhaltung“, der Israel langfristig destabilisieren könnte.

Das Ende der Verhandlungen: Täuschung oder Fehleinschätzung?

Die sechste Runde der Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den USA, geplant für den 15. Juni 2025 in Maskat, wurde von iranischer Seite abgesagt. Die Regierung in Teheran erklärte die Gespräche für obsolet, da die militärischen Angriffe die Vertrauensbasis zerstört hätten. Es mehren sich Hinweise, dass Israel in den bisherigen fünf Gesprächsrunden indirekt über amerikanische Unterhändler oder Geheimdienste vertreten war — ohne dass dies dem Iran bewusst war, so Foreign Policy und Axios. Aus iranischer Sicht stellt dies eine strategische Täuschung dar.

Doch ebenso lässt sich fragen, ob das iranische Regime selbst seine Position überschätzt und auf ein Entgegenkommen der USA gesetzt hatte, das niemals realistisch war.

Die IAEA: Technokrat oder politischer Akteur?

Die Internationale Atomenergiebehörde versucht, ihre Rolle als neutraler technischer Überwacher zu wahren, steht jedoch zunehmend im politischen Kreuzfeuer. Ihre Resolutionen wertet der Iran als Instrument westlicher Interessen, während Israel ihre Warnungen ignoriert. Generaldirektor Rafael Grossi warnte mehrfach vor den Risiken eines offenen Krieges und forderte den Schutz nuklearer Infrastruktur als völkerrechtliche Verpflichtung aller Staaten.

Die europäischen Mächte: Getriebene ohne Einfluss

Die europäischen Mächte haben sich in den Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den USA als intermediäre Instanz etabliert. Bereits im Jahr 2015 waren Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich maßgeblich an den Verhandlungen des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) beteiligt, dessen Ziel die Einschränkung des iranischen Atomprogramms war.

Nach dem einseitigen Austritt der USA aus dem Abkommen im Jahr 2018 unternahmen die europäischen Staaten den Versuch, das Abkommen zu retten, indem sie diplomatische Kanäle offenhielten und wirtschaftliche Mechanismen wie den europäischen Handelsfonds INSTEX einführten, um den Handel mit dem Iran trotz US-Sanktionen zu ermöglichen. Dieser Versuch scheiterte jedoch aufgrund des Drucks, den die US-Regierung und die israelische Lobby in den USA ausübten.

In der aktuellen Situation, in der ein militärischer Konflikt zwischen dem Iran und Israel bereits stattfindet, stehen die europäischen Mächte vor einer schwierigen Herausforderung. Die Vereinigten Staaten von Amerika unternahmen den Versuch, unmittelbar mit der Islamischen Republik Iran zu verhandeln, während die Europäische Union in dieser Angelegenheit eine eher passive Rolle einnahm. Dies hatte ihre Fähigkeit eingeschränkt, aktiv Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen und eine Eskalation zu verhindern.

In diesem Kontext kommt dem sogenannten Snapback-Mechanismus für Europäer eine entscheidende Rolle zu. Gemäß dem JCPOA ist es jedem der ursprünglichen Vertragspartner gestattet, alle UN-Sanktionen gegen den Iran automatisch wieder in Kraft zu setzen, sofern Teheran gegen die Vereinbarungen verstößt.

Eine Ausnahme bilden hierbei die USA, die aufgrund ihres Austritts aus dem Abkommen nicht mehr zur Teilnahme berechtigt sind.

Da dieser Mechanismus nicht durch ein Veto im Sicherheitsrat blockiert werden kann, könnten Europäer diesen in der aktuellen Lage als Druckmittel gegen den Iran nutzen.

Eine vollständige Aktivierung des Snapback-Mechanismus hätte schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für den Iran, insbesondere im Öl- und Finanzsektor.

Teheran hat bereits Gegenmaßnahmen angekündigt, zu denen unter anderem ein möglicher Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) sowie eine Neubewertung der eigenen Haltung zu Atomwaffen zählen.

Die europäischen Mächte sehen sich folglich mit der Frage konfrontiert, ob sie sich stärker in die Verhandlungen einbringen oder sich weiterhin auf diplomatische Appelle beschränken sollten. In Anbetracht der geopolitischen Spannungen und ihrer unmittelbaren Auswirkungen auf Europa sollte die EU eine aktivere Rolle als Vermittler übernehmen, um Stabilität in der Region zu gewährleisten.

Russland und China: Strategische Profiteure

In einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats am Freitag, dem 13. Juni, verurteilten China und Russland die israelischen Militärschläge scharf und forderten ein sofortiges Ende der Eskalation. Zudem warnten sie vor schwerwiegenden globalen Folgen der Angriffe. Die Analyse der aktuellen geopolitischen Lage im Nahen Osten zeigt jedoch, dass die genannten Länder das westliche Scheitern strategisch zur Stärkung ihrer Positionen in der Region nutzen. Russland bietet dem Iran rhetorische Unterstützung gegen Israel und bietet sich gleichzeitig über ein Telefonat zwischen Putin und Trump als Vermittler an. Auch China präsentiert sich als neutraler Vermittler und sichert sich gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile im Iran. Die beiden Mächte verfolgen das Ziel, den Iran in ihre geopolitischen Allianzen zu integrieren.

Die arabischen Nachbarn: Zwischen Konfrontation und Koexistenz

Die arabischen Nachbarstaaten des Iran, insbesondere Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar, haben in den Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den USA eine komplexe und oft indirekte Rolle gespielt. Einige dieser Staaten haben zwar diplomatische Kanäle zur Vermittlung genutzt, verfolgten jedoch gleichzeitig eigene sicherheitspolitische Interessen. Historisch betrachtet haben die Golfstaaten das iranische Atomprogramm mit Skepsis betrachtet und sich für eine harte Linie gegenüber Teheran eingesetzt.

Wiederholt haben Saudi-Arabien und die VAE darauf hingewiesen, dass sie die nukleare Bewaffnung des Iran als eine substanzielle Gefährdung ihrer eigenen Existenz erachten. Gleichzeitig versuchten sie durch diplomatische Initiativen — etwa über Oman — , eine Eskalation der Situation zu verhindern.

In der aktuellen Situation, in der Krieg zwischen dem Iran und Israel bereits herrscht, sehen sich die arabischen Staaten einer schwierigen Herausforderung gegenüber. Einerseits befürchten sie eine weitere Destabilisierung der Region, andererseits könnten sie von einer geschwächten iranischen Position profitieren. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien haben ihr Sicherheitskooperationsabkommen mit den USA intensiviert, während Katar als Vermittler zwischen den Konfliktparteien agiert.

Die Golfstaaten könnten potenziell durch wirtschaftlichen Druck auch Einfluss auf die Verhandlungen ausüben, insbesondere durch ihre Rolle im globalen Ölmarkt.

Eine weitere Eskalation der Situation könnte zu einer signifikanten Steigerung der Energiepreise führen, was sowohl für den Iran als auch für die westlichen Staaten beträchtliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich zöge.

Innenpolitische Faktoren im Iran: Machtkampf im Schatten der Nachfolge

Die bereits entfachte bevorstehende Nachfolgediskussion von Ayatollah Khamenei aufgrund seines hohen Alters (85) verstärkt den innenpolitischen Druck in Teheran.

Hardliner versuchen, sich durch konfrontative Rhetorik und kriegerische Mobilisierung zu profilieren, während moderatere Lager auf diplomatische Erfolge hoffen. Die Angriffe Israels könnten den Hardlinern kurzfristig nutzen, langfristig jedoch die Legitimität des gesamten Systems untergraben.

Konsequenzen für das iranische Regime: Zerfall oder Zäsur?

Ein großflächiger Krieg könnte im Iran zu massiven innenpolitischen Verwerfungen führen. Die wirtschaftlichen Folgen der Bombardierungen und der Repression gegen Proteste könnten einen Volksaufstand auslösen — insbesondere, wenn sich herausstellt, dass das Regime das Land in eine Falle manövriert hat. Erste Proteste in Teheran, Isfahan und Shiraz zeigen, dass die Bevölkerung zunehmend kriegs- und regimemüde ist. Ein Regimewechsel ist denkbar, aber nicht wahrscheinlich — die Revolutionsgarden haben bislang jede Bewegung brutal unterdrückt. Doch die Krise könnte das Ende des politischen Status quo einläuten.

Szenarien und Folgen bei einem endgültigen Scheitern der Verhandlungen und einer Ausweitung der kriegerischen Aktionen

  1. Militärische Eskalation: Noch weitergehende US-amerikanische und israelische Angriffe und iranische Vergeltungsaktionen drohen.
  2. Regionale Destabilisierung: Stellvertreterkonflikte in Libanon, Syrien, Irak und Jemen könnten eskalieren.
  3. Nukleare Schwelle: Der Iran könnte weiterhin offen ein atomwaffenfähiges Programm anstreben.
  4. Regimekrise: Wirtschaftlicher Kollaps, Unruhen und ein möglicher Zusammenbruch des herrschenden iranischen Regimes.

Rationale und realpolitische Strategien zum Ausstieg aus der Krise

  • Waffenstillstand: Unter UN-Vermittlung müsste ein sofortiger Waffenstillstand vereinbart werden.
  • Sicherheitsgarantien: Gegenseitige Nichtangriffspakte und internationale Sicherheitszonen für Nuklearanlagen.
  • Regionaldialog: Ein multilaterales Sicherheitsforum für den Nahen Osten mit Beteiligung aller Regionalmächte.
  • Schrittweise Rückkehr zum JCPOA: Beginnend mit Transparenzinitiativen, Überwachung oder Verzicht der Iraner auf Uran-Anreicherung und Sanktionsabbau.

Gibt es noch Hoffnung für ein Abkommen?

Die Aussichten für ein neues Atomabkommen sind so schlecht wie lange nicht. Die Positionen sind verhärtet, und das militärische Momentum spricht gegen diplomatische Kompromisse. Dennoch gibt es Kräfte, die eine Rückkehr an den Verhandlungstisch anstreben — allen voran arabische Nachbarstaaten und Teile der US-Demokraten. Auch aus europäischer Sicht wären eigene Initiativen in diese Richtung dringend nötig. Voraussetzung wäre ein sofortiger Waffenstillstand, ein glaubwürdiges internationales Überwachungssystem und Sicherheitsgarantien für beide Seiten. Solche Voraussetzungen erscheinen derzeit utopisch — aber nicht unmöglich.

Optionen für die iranische Opposition: Im Schatten der Gewalt

Die iranische Opposition, sowohl im Inland als auch im Exil, steht vor einem Dilemma. Einerseits könnte der Krieg ein Machtvakuum schaffen, das politische Veränderungen ermöglicht.

Andererseits schweißt ein externer Feind das Regime und Teile der Bevölkerung zusammen. Der Westen ist seit Trump völlig gespalten und hat bisher keine kohärente Strategie zur Unterstützung demokratischer Kräfte im Iran entwickelt. Dennoch: Sollte es zu einem nachhaltigen Bruch zwischen Bevölkerung und Regime kommen, könnten säkulare, demokratische und reformorientierte Kräfte neue Dynamik gewinnen — sofern sie sich international legitimieren und organisieren können.

Fazit: Letzte Chance oder Vorabend des Desasters?

Der offene Ausbruch kriegerischer Aktionen und die bereits abgebrochenen Atomverhandlungen markieren einen geopolitischen Kipppunkt.

Die Zukunft des Abkommens hängt nicht nur von der diplomatischen Geschicklichkeit der Beteiligten ab, sondern auch von deren Bereitschaft, kurzfristige politische Gewinne zugunsten langfristiger Stabilität aufzugeben.

Ein Scheitern des Prozesses könnte den gesamten Nahen Osten in eine neue Phase der Instabilität stürzen und belastet das Verhältnis zwischen der EU und den USA weiter. Die Eskalation zwischen Israel, den USA und dem Iran veranschaulicht nicht nur die Defizite des multilateralen Systems, sondern illustriert auch die Begrenzungen der Durchsetzung des internationalen Völkerrechts. Ohne nachhaltige diplomatische Bemühungen besteht das Risiko eines atomaren Flächenbrandes mit unvorhersehbaren Konsequenzen.


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