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Alles ist gut

Alles ist gut

Erst wenn die Schleier der Illusion fallen, wird eine neue Welt sichtbar.

Stellen wir uns vor: Wir treten aus dem Haus. Kaum ist die Tür zu, rempelt uns jemand an. Er entschuldigt sich nicht und geht einfach weiter, den Blick auf seinen Bildschirm gesenkt. Auf der Straße hasten die Menschen aneinander vorbei, ohne sich anzuschauen. Hunderte, Tausende einzelne Wesen, die sich in der Masse verlieren. Täglich gehen sie mehr oder weniger sinnlosen Tätigkeiten nach, die vor allem darauf ausgerichtet sind, andere zu bereichern.

Ich brauche diese Bilder nicht weiter zu zeichnen. Wir kennen sie alle. Vor allem diejenigen von uns, die in Städten leben, haben in den vergangenen Jahren eine zunehmende Gleichgültigkeit, Verrohung und Aggressivität erlebt. Wir alle haben mehr oder weniger deutlich vor Augen, wie die Welt um uns herum immer hässlicher wird, immer härter, immer kämpferischer. Darüber täuschen auch ein paar neue Technologien oder der Erfolg des neuen Barbie-Films nicht hinweg.

Trügerischer Fortschritt

Ärger und Ängste wachsen, und mit ihnen Stress, Einsamkeit und Frust. Wir sind zu einer Gesellschaft der Unglücklichen geworden. Die Privilegierteren hangeln sich von Amüsement zu Amüsement, der Rest versucht zu überleben, so gut es geht. Dennoch halten die meisten von uns am alten Lebensmodell fest. Sie wollen das Weltbild nicht lassen, wonach wir auf dem Weg des Fortschritts sind. Da muss nur noch ein wenig nachgestellt werden, dann wird das schon.

Tief hat sich der Gedanke, dass unser Leben im Laufe der Zeit immer besser geworden ist, oder doch zumindest für die meisten bequemer, in unseren Köpfen verankert. So wähnen wir uns grundsätzlich auf dem richtigen Weg. So kann es also auch weitergehen.

Die Wucht, die dem entgegenschlägt, der das in Frage stellt, ist kaum auszuhalten. Wer vermeintliche Sicherheiten antastet, Dinge, die als gegeben gelten, hinterfragt, dem schlägt eine Wut entgegen, die an die Reaktion denen gegenüber erinnert, die vor nicht allzu langer Zeit behaupteten, alle Menschen hätten dieselben Rechte. Wer an dem rüttelt, was als vereinbart gilt, der muss damit rechnen, wie einer behandelt zu werden, der sagt, die Erde sei eine Scheibe.

Programmierte Selbstzerstörung

So ist es möglich, dass heute friedensbewegte Menschen zu gefallenen Engeln werden, ohne dass protestiert wird. Wer die Vision einer Welt zeichnet, in der sich die Menschen nicht gegenseitig anrempeln, sondern harmonisch zusammenleben, wird zum Abschaum einer Gesellschaft, die sich nicht von einem Denken trennen will, wonach das Leben ein Konkurrenzkampf ist und der Stärkere das letzte Wort hat.

Sanfte und kluge Menschen werden zu Furien, wenn die aktuellen Feindbilder in Frage gestellt werden.

Es ist, als fänden sie Halt in dem Glauben an böse Russen, tödliche Viren oder einen menschengemachten Klimawandel. Man weiß, von wo die Gefahr kommt – und damit auch, wer die mögliche Rettung bringen kann.

An irgendetwas muss man ja glauben. Irgendwo muss die Linie gezogen werden. Einer muss ja angefangen haben. Etwas muss ja gewiss und unumstößlich sein.

Feindbilder vermitteln eine gewisse Sicherheit. Wenn einem auch die Dinge über den Kopf wachsen: Man weiß, worüber man sich empören kann. Das Schlimmste ist ja, das wissen wir aus Kinderzeiten, wenn die Angst im Nebel bleibt und das Monster unterm Bett. Mit einem konkreten Feindbild haben wir ganz klar etwas vor Augen, wo wir unsere diffusen Ängste, unsere Wut und unseren Hass abladen können.

Hand aufs Herz

So halten die meisten von uns fest an der Idee, genau zu wissen, wo die Guten und wo die Bösen stehen. Wenn dann einer kommt, der an diesem Weltbild kratzt und andeutet, dass die Guten vielleicht nicht die Guten und die Bösen vielleicht nicht die Bösen sind, wird er als Bedrohung wahrgenommen, und das, was er von sich gibt, als haltloser Quatsch. Auch wenn wir kaum noch durch das durchsteigen, was in der Welt geschieht: Jeder nimmt für sich in Anspruch, die Dinge richtig verstanden zu haben.

Hierbei bilden wir uns ein, unsere Gedanken kämen allein aus uns heraus. Auch wenn wir uns heute kollektiv mit Themen beschäftigen, nach denen bis vor Kurzem noch kein Hahn krähte, meinen wir, eine eigene Sicht auf die Dinge zu haben, einen Verstand, also das, was uns vom Affen unterscheidet, und halten uns für immun gegenüber äußerer Einflussnahme und Manipulation.

Doch in Wirklichkeit weiß niemand von uns mit Sicherheit, ob er sich täuscht oder getäuscht wird. Wir alle sind fehlbare Wesen und niemand kann von sich behaupten, den Überblick zu haben und die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Anstatt also weiter unsere Ausrufezeichen wie Soldaten um uns herum zu positionieren, könnten wir ein paar grundsätzliche Fragen an uns heranlassen. Denn es könnte sein, dass wir etwas falsch verstanden haben.

Verankert

Wer sich ausschließlich auf seinen Kopf verlässt, der riskiert ein schmerzliches Erwachen. Wer vergisst, dass er auch ein Herz und einen Bauch hat, der bleibt in Hirngespinsten stecken und verliert den Kontakt mit dem Boden. Wie sehr wir individuell und kollektiv die Verbindung mit der Mutter Erde verloren haben, erkennen wir am Zustand unseres Planeten. Während wir uns für aufgeklärt und intelligent halten, richten wir zu Grunde, was uns Leben gibt.

Je mehr wir an Konzepten und Ideologien festhalten, desto mehr verlieren wir die Verankerung mit dem Boden unter unseren Füssen. Anstatt in unserer eigenen Aufrichtigkeit suchen wir Halt in unserem Weltbild, in alten Überzeugungen und Gedankenspielereien, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun haben, und machen uns angreifbar für die Kräfte, die es besser wissen als wir.

Verankerung finden wir, wenn wir Herz und Bauch mit einbeziehen. Wir können nicht nur denken, sondern auch fühlen, wollen, wünschen, begehren. Wir haben einen gesunden Menschenverstand, lateinisch sensus communis: Gemeinsinn. Dieser Gemeinsinn geht über das personengebundene Denken hinaus, das nur allzu oft in Eitelkeiten und Verletzungen verhaftet bleibt. Er ist umfassend und betrifft die Gemeinschaft, in der wir leben.

Enge Passage

Wenn wir nun erneut Kopf, Herz und Bauch miteinander verbinden, können wir den Grundstein für eine Zukunft legen, die anders ist als eine Welt, in der wir von anderen angerempelt werden, in der die Menschen aneinander vorbeihasten und den Kopf nicht vom Bildschirm erheben, in der der Einzelne nichts gilt und sich in der Masse verliert, in der alles darauf ausgerichtet ist, diejenigen zu bereichern, die in der Hierarchie höher stehen als man selbst.

Eine solche Welt wollen wir nicht. Wir träumen doch alle davon, in Frieden zusammenzuleben und unsere Liebsten gesund und glücklich zu sehen. Wir wollen uns nicht von Menschen regieren lassen, die Friedensbewegte als gefallene Engel bezeichnen, von Leuten, die jeden Kontakt mit dem Boden verloren haben und so tun, als läge ihnen das Wohl der Erde und ihrer Bewohner am Herzen.

Fassen wir uns ein Herz. Schauen wir dorthin, wo an unseren bisherigen Überzeugungen gerüttelt wird und wo es für uns unbequem wird. Sträuben wir uns nicht. Widmen wir uns unseren eigenen Ungereimtheiten wie die fürsorgliche Mutter dem ängstlichen Kind. Lassen wir uns wie Odysseus an den Masten unseres Lebensschiffes binden und nehmen wir wahr, was ist, ohne uns von den Sirenen in die Tiefe ziehen zu lassen.

Navigieren wir durch die enge Passage der Angustia hindurch und lassen die begrenzte Welt hinter uns, in der uns vorgegaukelt wird, dass es nicht anders möglich ist. Lassen wir uns triggern von denen, die uns vorleben, dass eine bessere Welt bereits existiert, und verurteilen wir sie dafür nicht. Finden wir in die Freiheit zurück, in die Liebe, in das Bewusstsein unserer Fähigkeiten.

Neuland

Legen wir die Waffen nieder. Kämpfen wir nicht mehr. Nicht gegen die, die anderer Meinung sind als wir, und nicht gegen das System. Wir können weder andere Menschen verändern noch das mächtige, zerstörerische System besiegen, das unser Leben bedroht. Doch wir können es überwinden und hinter uns lassen, indem wir beginnen, etwas Neues zu schaffen.

„Man kann die Dinge niemals verändern, indem man die bereits existierende Realität bekämpft. Wenn du etwas verändern willst, erschaffe ein neues Modell, welches das vorhandene obsolet macht und ersetzt“, schrieb der Visionär, Philosoph und Architekt Richard Buckminster Fuller. Wir können es anders machen. Wir können eine neue Vision entwickeln und eine Welt erschaffen, in der nicht das für Manipulation anfällige Denken die erste Geige spielt, sondern Kopf, Herz und Bauch zusammen eine gemeinsame Symphonie erschaffen.

Entwickeln wir so eine Welt, in der sich die Menschen in die Augen sehen und einander zuhören. Eine Welt, in der niemand den anderen beherrschen will, eine Welt, in der jeder weiß, wie einzigartig und unersetzlich er ist. Eine Welt, die nicht von der Angst vor dem Mangel regiert wird, sondern von dem Wissen um die Großzügigkeit dessen, was uns Leben gibt. Diese Welt gibt es bereits. Sie existiert schon. Sie ist da, vor unseren Augen, wenn wir nur den Schleier beiseiteschieben. Alles, was wir tun müssen, ist, daran zu glauben, dass diese Welt möglich ist, und uns in ihrem Sinne in Bewegung zu setzen.


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