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Auf Kriegskurs

Auf Kriegskurs

Ministerin von der Leyen rüstet die Bundeswehr auf. Aber wozu?

„Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.“ Dieses zur Phrase gewordene Zitat konnte angesichts Deutschlands militärischer Auslandsbeteiligung der letzten Jahre nur noch müde belächelt werden; für Frau von der Leyen ist es, wie scheinbar auch Grundgesetz und Verfassungsrecht, jetzt gänzlich zur Makulatur verkommen.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, plant die Verteidigungsministerin eine bedeutsame Ausweitung des Aufgabenbereiches der Bundeswehr bei zeitgleicher militärischer Aufrüstung; dies geht aus dem Entwurf eines Grundsatzpapiers vor, welcher der SZ vorliegt.

So kündigt von der Leyen an, die „jahrelang vorherrschende Fokussierung auf Auslandseinsätze (…) zu beenden“. Wer sich jetzt freut, hat den nächsten Satz noch nicht gelesen: Man wolle sich nämlich „künftig ‚gleichrangig‘ wieder der Landes- und Bündnisverteidigung (…) widmen“. Als Grund dafür wird die angebliche Notwendigkeit heraufbeschworen, einen „‚Beitrag zur nationalen Sicherheitsvorsorge‘“ zu leisten.

Ja, schön daherreden kann sie, die Frau Verteidigungsministerin. Die Fokussierung auf die Auslandseinsätze zu beenden, heißt im Rahmen der „Landes- und Bündnisverteidigung“ nichts anderes, als sie zu normalisieren. Oder wie stellt sich Frau von der Leyen diese Verteidigung vor? Doch sicher nicht mit diplomatischen Mitteln?

Wovor müssen wir unser Land denn eigentlich „verteidigen“? Welche konkrete Gefahr besteht? Man ahnt es schon: Ein expliziter Grund wird nicht genannt. In den Krieg ziehen ohne Anlass, lautet wohl in Zukunft Deutschlands außenpolitische Devise.

Und was bedeutet die „Bündnisverteidigung“? Ja, das kann ich mir schon denken: Ausweitung der NATO-Grenzen, Beteiligung an NATO-Kriegseinsätzen, Verbreitung von NATO-Kriegspropaganda. Wo westliche Werte bedroht sind, da muss in Zukunft auch Deutschland zur Waffe greifen. Selbst, wenn das meilenweit entfernt vom Heimatland geschieht. Mit dem neuen Grundsatzpapier? Alles legal.

Augen zu und durch

Jetzt kommt ein weiterer Hammer. Im Grundsatzpapier wird die genannte „Landes- und Bündnisverteidigung“ als „anspruchsvollste Aufgabe mit dem höchsten Nachholbedarf“ betitelt. Im Wortlaut! Geht es dreister?

Wo bleibt denn die Rentenreform, die verhindert, dass Deutschlands „Ex-Arbeiter“ verarmen? Die Umstrukturierung des maroden Bildungssystems? Die Entprivatisierung des kapitalzerfressenen Gesundheitswesens? Der soziale Wohnungsbau? HARTZ-IV-Reformen? Ach, halt, dieses Problem zumindest ist gelöst, wenn es nach der CDU geht: Bald bezieht nämlich kein Unter-50-jähriger mehr Sozialhilfe.

Deutschlands Sozialwesen krepiert, aber unsere Verteidigungsministerin will für mehr Tod im Ausland sorgen. Das hat selbstverständlich den höchsten Nachholbedarf!

Mitbestimmungsrecht? Fehlanzeige!

„Ungeheuerlich!“, rufen Sie jetzt vielleicht empört aus. „Da muss man doch was tun können!“ Das denken sich vielleicht nicht nur Sie, sondern auch das deutsche Parlament – welches immerhin der rechtliche Auftraggeber unserer „Parlamentsarmee“ Bundeswehr ist. Aber die sind genauso angeschmiert wie Sie.

Um das Konzeptpapier in die Tat umzusetzen, bedarf es nämlich keiner Zustimmung des Parlaments. Es bedarf auch keiner Diskussion. Wenn sie will, kann Deutschlands Verteidigungsministerin die Aufrüstung im Alleingang durchsetzen: „Es genügt ein Erlass der Ministerin, um das Papier in Kraft zu setzen“, schreibt die SZ.

Was die Umstrukturierung kosten soll, ist noch nicht genau bekannt; das will sich von der Leyen in der parlamentarischen Sommerpause überlegen. Sicher ist nur, dass es teuer wird: Vorsorglich meldete die Ministerin für diese Legislaturperiode eine zusätzliche Etaterweiterung in Höhe von 12 Milliarden Euro an.

Der Haushaltsplan des Bundestages sieht dafür bislang aber „nicht einmal die Hälfte“ vor. Daher stimmte von der Leyen auch dagegen. Aufatmen wäre nun aber fehl am Platze: Wir hantieren noch immer mit Beträgen in Milliardenhöhe. Wie viel wird denn bewilligt? Zwei Milliarden? Drei? Fünf?

Geld, das man an anderen Stellen im „Sozialstaat“ Deutschland auch gut gebrauchen könnte – aber halt, ich vergaß: Die Aufrüstung hat ja den höchsten Nachholbedarf. Ich Dummerchen!

Und wer bezahlt den Spaß? Nicht etwa die mit allerlei Steuervergünstigungen besoldete Verteidigungsministerin, sondern Sie. Wir! Die Bürgerinnen und Bürger!

Und wie reagieren die Medien?

Als „vierte Gewalt“ im Staat stünden nun die Medien in der Pflicht, diesen überzogenen Finanzierungs-, Aufrüstungs- und Kriegsplan in aller Deutlichkeit als die absurde, verschwenderische und kriegstreiberische Monstrosität, die von der Leyens Vorstoß darstellt, zu entlarven.

Da sich die vierte Gewalt in Deutschland aber mit Vorliebe an die erste anbiedert, wird das wohl kaum zu erwarten sein. Im Gegenteil: Noch im selben Artikel fährt bereits die SZ diverse Maßnahmen auf, um von der Leyens Vorhaben zu untermauern.

So stellt das Blatt den Begriff des „‚dynamischen Verfügbarkeitsmanagements‘“, der in der Vergangenheit für die Abrüstung der Bundeswehr stand, als Euphemismus dar: Er stehe tatsächlich für „angeordnete Mangelwirtschaft“, mit der „die Truppe auszukommen hatte“. Oh, die arme Truppe!

Erzählt das mal einem Hartz-IV-Empfänger, der trotz ständiger Bemühungen seit Jahren keinen anständigen Job mehr findet, sozial geächtet wird, vom Staat in Billiglohnjobs gezwungen wird, Freunde verliert, keinen Zugang zu kulturellen Angeboten hat und kaum über die Runden kommt!

Weiter geht es mit schwammigen Legitimationsansätzen für den ausufernden Plan von der Leyens, im Wortlaut:

„Die anhaltende Krise um die Ostukraine hat jedoch wieder die Landes- und Bündnisverteidigung stärker in den Blick rücken lassen. Russlands Annexion der Krim veranschaulichte, dass auch die europäische Friedensordnung in Gefahr geraten kann.“

Die SZ zitiert hier nicht, sie behauptet. „Die europäische Friedensordnung“ sei in Gefahr. Achja? Mit Frieden haben die europäischen Staatsoberhäupter – so zum Beispiel Macron – aktuell doch ohnehin wenig am Hut, auch in Deutschland.

Zur Rechtfertigung und Feindbildetablierung strengt die SZ im Artikel ein altbekanntes, bemerkenswert banales Motiv an: „Der Russe steht vor der Tür!“ – Stimmt, aber wir klingeln.

Zudem wird mitten im Artikel ein kleiner Exkurs unternommen. Mitleidheischend greint die Zeitung: „Hubschrauberpiloten der Bundeswehr verlieren wegen mangelnder Flugstunden immer wieder ihre Lizenzen.“ Nicht einmal ein Drittel der verfügbaren Hubschrauber sei einsatzbereit (Brugger, B90/Die Grünen). Quelle des weinerlichen Propaganda-Exkurses: dpa.

Wo führt das alles hin?

Von der Leyens Vorhaben wird bei Inkrafttreten die Legitimation deutscher Auslandseinsätze erheblich erleichtern. Der Vorwand der Landes- und Bündnisverteidigung lässt sich bei Bedarf bekanntlich beliebig ausweiten: „Deutschlands Sicherheit wird am Hindukusch verteidigt“ (Struck, SPD).

Deutschland hat schon jetzt seine Finger handgelenktief in der Völkerrechtswidrigkeit. Welche Rolle haben wohl die von deutschen „Aufklärungs-“Tornados gesammelten Zieldaten beim jüngsten Beschuss der Alliierten in Syrien gespielt?

Unsere Kanzlerin bezeichnet den völkerrechtswidrigen, UNO-mandatslosen Raketenbeschuss des syrischen Staates derweil als „erforderlich und angemessen“ – zu einem Zeitpunkt, als weder bewiesen war, dass die syrische Regierung für den mutmaßlichen Giftgasangriff verantwortlich war, noch, ob dieser überhaupt stattgefunden hat. Bewiesen ist das bis heute nicht, im Gegenteil: Renommierte Journalisten vor Ort äußern zunehmend gravierende Zweifel.

Aber all das interessiert unsere politische Elite nicht. Statt zur Deeskalation beizutragen, befeuern Kriegstreiber im Parlament Konflikte, die es nicht geben müsste. Die Folge davon: Deutschland könnte bald offiziell in den Krieg ziehen. Angesichts unserer historischen Verantwortung ist das ungeheuerlich.

„Wir unterstützen es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in dieser Weise Verantwortung übernommen haben“, so Merkel zum Angriff auf Syrien. Unsere Bundesregierung heißt anlasslose, völkerrechtswidrige Anschläge gut und will bald selbst mitmischen.

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