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Bus nach Berlin

Bus nach Berlin

Der 29. August 2020, als die Großdemo in der Hauptstadt stattfand, war ein Tag, an dem vieles auferstand und vieles erstarb — eine Hoffnung bleibt in jedem Fall.

Als die erste Großdemo am 1. August 2020 in Berlin stattfinden sollte, war ich begeistert und wäre am liebsten dort hingefahren. Leider konnte ich nicht, da ich mich bei meinen Eltern in Ungarn aufgehalten habe.

Wie jedes Jahr kamen auch mein Bruder und seine Familie aus Irland in die Puszta. Die Sonne strahlte so kraftvoll, als wäre sie die Hölle selbst. Um uns herum ließ sich die Natur von der Menschheit nicht beeindrucken. Der Theiß-Fluss unmittelbar vor dem Haus ernährte die vielen Fische in diesem bezaubernden Naturschutzgebiet. Die Vögel flogen hoch und machten Lärm. Die Natur kommunizierte, lebte und liebte.

Trotz der Menschen und ihrer unendlichen Dummheit ging das Leben weiter, genauso wie vor hunderten, ja vor tausenden von Jahren.

Die hungrigen Mücken flogen immer noch konspirativ um Körper und Köpfe herum. Sie stachen, wie nur Puszta-Schnaken beißen können: blutig. Und ich hatte Pech: Die Schnaken fühlten sich insbesondere zu mir hingezogen. Es ist nicht so, dass sie das Blut der anderen nicht gerne in sich saugten, nein, sie taten es bereitwillig, aber mich, das heißt mein Blut, mochten sie am liebsten. Ich war der Mücken erste Wahl. Leider.

Gutes Blut oder schlechtes Blut?
Süßes Blut?

Die Einheimischen hatten nur einen ernstzunehmenden Vorschlag dagegen: Schnaps. Der gute alte Pálinka. Oder der Magenbitter Unicum. Mir konnten nicht einmal diese „Medikamente“ helfen.

Stets musste ich auf der Hut sein, mich vor den Bestien verstecken. Früher oder später musste aber doch Blut fließen. Meistens floss mein Blut in die Monster hinein — und sie flogen vollgetankt weg. Ich blieb mit roten Flecken zurück. Die Natur hat eben nicht nur eine schöne, sondern auch eine blutige Seite — die Puszta-Schnaken!

Prost!

Dieses Jahr verlief das Familientreffen ganz normal, einerseits, andererseits konnte keiner von uns das Weltgeschehen ignorieren. Die Pandemie fungierte als wichtiges Thema, da sie die Abläufe des alltäglichen Lebens, und zwar weltweit, seit Monaten beeinflusste.

In meiner Familie gab es kaum Meinungsverschiedenheiten bezüglich Corona. Alle — ohne Ausnahme — wussten, dass die Pandemie doch gar keine war, dass es sich um eine geplante Pandemie handelte, also um eine Plandemie.

Täglich informierten wir uns über die Geschehnisse, aber ließen den Wahnsinn unser Leben nicht bestimmen. Im Elternhaus herrschte die übliche liebevolle Familienatmosphäre.

Zum ersten Mal konnte ich meine einjährige Nichte in die Arme nehmen. Auch meine Eltern hatten ihr Enkelkind bis dahin noch nicht gesehen. Wir genossen das Leben, so gut es ging, und wussten schon damals, dass das, was wir gerade erlebten, „historische Zeiten“ waren. Wir wussten auch, dass die politisch initiierte Pandemie nicht so schnell vorbei sein würde. Uns wurde klar, dass es um eine ganze Menge ging, um die Freiheit, um Alles.

Einige Monate zuvor lebten wir unser Leben so wie immer, ohne zu wissen, dass wir uns bald in einem Super-Grauen befinden werden.

Meine Familie und ich haben in einigen Monaten einiges gelernt; was mich betrifft: so viel wie nie zuvor. Politisch interessiert waren wir zwar schon davor. Da wir aber die Dinge nicht zu Ende gedacht haben und oft mit Nebensächlichkeiten beschäftigt waren, konnten wir den Horror nicht in dieser Weise kommen sehen. Er stand plötzlich da und wollte nicht weggehen. Jeder Tag wurde gewissermaßen zu einem Alptraum, einem, der nicht enden wollte.

Nach mehreren Monaten Plandemie konnten wir die Richtung des weltweiten Schreckens sehen. Und diese Richtung bescherte uns Kopfschmerzen, denn eine neue Entfaltung des Faschismus wurde mehr und mehr sichtbar. Fünf Jahre war meine Großmutter, die den Holocaust überlebt hatte, tot — und es ging wieder los. Die Nazis schienen ein Comeback zu geben oder sie waren nie wirklich weg gewesen.

Da meine Familie die Geschehnisse durchschaute, mussten wir uns stets die Frage stellen, wie es möglich war, dass so viele ein anderes Bild der Wirklichkeit hatten als wir. Über die Menschen, die ähnlich dachten wie wir, waren wir dankbar. Dass wir einer kleinen Minderheit angehörten, wussten wir ebenso. Die Familie meiner Großmutter hatte ebenfalls einer Minderheit angehört — und sie wurde ermordet. Wird man die neue Minderheit der Selbstdenker diskriminieren, so, wie damals die Juden diskriminiert wurden? Sind die kritischen Menschen die neuen Juden?

Nach Berlin konnte ich, wie gesagt, nicht fahren. Dennoch spürte ich den Drang, etwas für die gute Sache zu tun. Weiterhin postete ich um die hundert Beiträge am Tag auf Facebook — im Namen der Aufklärung und der Freiheit. Ich nahm mir vor, bei der nächsten Demo am 29. August dabei zu sein.

Es bereitete mir großes Vergnügen, die vielen Fotos und Videos von Facebook-Freunden und Fremden zu teilen, die am 1. August an der ersten Großdemo teilgenommen hatten. Mein Herz schlug für Berlin. Könnte diesmal die deutsche Hauptstadt ein Vorbild für die Welt sein? Wäre eine Wende hier möglich? Erst Berlin, dann die Welt? Licht nach der Dunkelheit?

Ich postete und träumte …

Rückblickend war es wohl naiv, grundsätzliche Änderungen nach der Demo zu erwarten. Dennoch gab es Hochstimmung, Optimismus und Begeisterung bei vielen Freiheitsliebenden.

Deutschland schien zu diesem Zeitpunkt Vorreiter einer möglichen friedlichen Revolution zu sein. Die Welt blickte in Richtung Berlin und hoffte. Die weltweite Freiheitsfamilie hielt den Atem an. Könnte Deutschland das Beispiel für die ganze Welt sein? Die friedliche Revolution: Wirklichkeit oder Wunschdenken?

Nach der Demo teilte ich weiterhin große Mengen an Posts bei Facebook. Noch mehr als sonst. Meine Finger fühlten sich verkrampft an von dem vielen Drücken. Trotz der ernster Lage war die Stimmung hoch. Hoffnung lag in der Luft.

Daumendrücken für die Freiheit.

Einige Tage vor der zweiten Großdemo kehrte ich nach Deutschland zurück. Eine nette Facebook-Freundin aus Rottenburg organisierte einen Bus, der aus Reutlingen nach Berlin fahren sollte.

Die Fahrt kostete 50 Euro, aber was ist schon Geld gegen Freiheit, was ist Geld gegen Frieden? Keiner der im Bus Sitzenden wollte eine Diktatur. Die Fahrt durch die Nacht konnte losgehen!

Der Bus war voll mit wunderbaren Menschen, die laut riefen: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ Natürlich ohne Maske. Denn diese Menschen haben den Schwindel, den Tausch von Pseudo-Sicherheit auf Kosten der Freiheit, durchschaut. Die vortreffliche Atmosphäre begleitete uns im Schlaf- und Wachzustand, bis wir unserem Ziel näher und näher kamen. Im Morgengrauen erreichten wir die Hauptstadt. Mit einer Gruppe bin ich Richtung Brandenburger Tor gelaufen. Wir setzten uns in ein Lokal und tranken Kaffee.

Die Freiheitskämpfer kamen ins Gespräch miteinander. Jeder erzählte etwas über sich, Freiheitskämpferin zu Freiheitskämpfer und umgekehrt. Mit großen Augen schauten sie mich an, als ich sagte, ich sei ein Schriftsteller aus Tübingen. Ob ich auf Deutsch schreibe?

Mit meinem ungarischen Akzent sagte ich klar und deutlich: „Ich bin ein deutscher Schriftsteller!“Dann sagte ich, moi: „An diesem Tag sind wir aber alle Berliner!“

Viele Menschen versammelten sich, ein Meer von Individuen. Sie kamen aus allen Ecken Deutschlands und sogar aus dem Ausland. Es herrschte eine feierliche und friedliche Stimmung. Weit und breit nur liebevolle Seelen, alle nett zueinander, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Ja, sie alle wusste es: Es handelte sich um einen historischen Tag. Es fühlte sich wundervoll an, hier zu sein. Mein Herz flatterte.

Sogar die Sonne hatte sich entschieden, ihre prachtvolle Strahlung zu zeigen. Das Berlin-Graue wurde zu einer Mischung von Gold und Diamanten. Jawohl, selbst die Naturgewalten glänzten für die Freiheit, für uns, für die Welt, für den Kosmos.

Nach dem Kaffee verbanden wir uns mit dem gewaltigen Menschenstrom. Unzählige von uns liefen gutgelaunt die Straßen entlang, eine bunte Mischung für die Freiheit. Es fühlte sich an wie in einem herrlichen Traum, aus dem man nie erwachen wollte. Berlin leuchtete, Berlin funkelte.

Um mich zu vergewissern, dass ich nicht träumte, biss ich mich auf die Lippen.
Traumhaft, sagte ich mir, aber kein Traum!

Im wunderschönen Wetter liefen fremde Menschen eng nebeneinander wie Brüder und Schwestern. Die unvergesslichen Momente — mir war es klar — werden später in den Geschichtsbüchern zu finden sein. Was in diesen zukünftigen Büchern stehen wird, habe ich erlebt, dachte ich mir.

Leider sahen die Polizisten die Wirklichkeit anders. Sie kesselten uns friedliche Menschen ein und führten einige ab. Ich konnte es nicht glauben, was ich da sah. Die schwarzgekleideten Polizisten wirkten wie Nazis aus einer Dystopie. Sie provozierten uns und wollten nicht, dass wir weiterliefen. Die Menschen waren von der Brutalität der Berliner Polizei entsetzt. Die Unterdrückung konnten wir alle live erleben. Die Seelen zitterten und weinten.

Auch ich hätte weggeführt werden können. Wir saßen auf dem Boden, und die Polizisten zerrten wahllos Menschen heraus und führten sie weg. Die Schamlosigkeit der Macht. Ich war schockiert, ja traumatisiert. Die Menschen blieben standhaft und friedlich. Trotz allem.

Es war klar: Die Polizisten dienten nicht den Menschen, sondern dem korrupten System, welches uns Menschen Lügen erzählt und unsere Freiheit beschneiden will.

Die Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Menschen werden diese Szenen nicht vergessen. Solche Polizisten zu erleben, verursachte ein Beben in meinem Bauch. Ich wollte mich übergeben. Was ich sah, waren keine Polizisten — sie schützen nicht uns Menschen.

Es wirkte alles surreal, als wäre ich in einen Horrorfilm gelandet. Der schöne Traum einer möglichen Utopie kippte und wurde zu einem dystopischen Alptraum. Die Korruption und Bosheit der Machthaber konnte ich vor meinen Augen sehen — und es waren furchtbare Szenen.

Mir wurde klar, dass diese Polizisten ein Teil des Problems waren. Auch, dass diese Polizisten für die Freiheit nicht zu gewinnen waren. Hier prallten zwei Kräfte aufeinander: Freiheit und Anti-Freiheit. Die Polizisten interessierten die Rechte der Bürger und die Freiheit nicht. Sie agierten wie ihre Großeltern und Urgroßeltern in den dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte. Die Polizisten waren durch und durch braun, auch wenn sie pechschwarze Uniformen trugen.

Fünfzehn Monate nach diesem Geschehen fällt es mir schwer, über die Gewaltszenen der Polizei zu schreiben. Ich spüre, was ich damals spürte — mich würgt es.

Ich kriege keine Luft.

Irgendwann werden diese Szenen aufgeklärt sein. Die Unterstützer der Anti-Freiheit sollen bekommen, was sie verdient haben. Es stehen spannenden Zeiten vor uns. Und wir werden nicht vergessen.

Nach mehreren unschönen Stunden erreichten wir die Siegessäule. Hier wurden Reden gehalten. Die Menschen saßen auf dem Boden oder standen. Die himmlisch-bunten Farben eines historischen Tages drohten in Grau zu wechseln. Der Berliner Abend war wunderschön, die Menschen noch schöner. Die friedliche Atmosphäre und die Herzlichkeit vibrierten sagenhaft. Als es bereits dunkel war, kamen wir zum Bus und fuhren nach Hause.

Auch wenn diese Demonstration am 29. August 2020 keine wirkliche Wende im Kampf gegen das Böse brachte, war sie doch ein bestimmender Moment im Leben von vielen Millionen Menschen. In Berlin habe ich keine Nazis oder Rechte gesehen, dafür aber Israel-Fahnen. Und viele wundervolle Seelen, die schon damals verstanden hatten, worum es eigentlich geht. Diese Menschen ließen sich nicht spalten, und sie werden sich von den Bösen nicht spalten lassen. An diesem Tag sind Anti-Freiheit und Freiheit aufeinandergeprallt. Vorübergehend haben die Bösen die Schlacht vielleicht gewonnen, aber den Krieg gewinnen wir.


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