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Das kommende Mittelalter

Das kommende Mittelalter

Unfähige Eliten und der Bildungsverfall der Massen erschaffen zusammen eine neue, finstere Epoche — Voraussetzung ist die Auslöschung der Freiheit.

Zurück ins Mittelalter. Auf leisen Sohlen vollzieht sich die Reise. Mit großer Heimlichkeit und zumeist unbemerkt wurde die Überführung der europäischen Gesellschaften in eine religiös organisierte Ordnung vorbereitet und wird nun tatkräftig umgesetzt. Dabei dachten die dafür Verantwortlichen ebenso wie der alte Adel und die Kirchenfürsten nie national, selbst nicht einmal kontinental, sondern global, freuten sich an den neuen Vernetzungen der Macht.

Die Vorteile des alten feudalen Kleriker- und Hofstaates wurden bewusst nicht länger ignoriert. Erneut bildete sich deshalb ein Klerus, sich selbst dabei als Elite etikettierend, der sich auch heute dem Profanen, dem Allzumenschlichen enthoben und ausgestattet mit Sonderrechten und Privilegien im Stand der Gnade weiß. Es sei dabei „egal, was meine deutschen Wähler denken“, wird Annalena Baerbock unmissverständlich äußern. Und wie dereinst fühlt sich auch der neue klerikale Zusammenschluss nur sich selbst und dem steten Ausbau der eigenen Vormachtstellung verpflichtet. Zur jüngsten Klerusbildung führt der Journalist Thomas Röper aus:

„Das Bundeswirtschaftsministerium wird von einem Kinderbuchautor geleitet, der zwar keine Ahnung von Wirtschaft, dafür aber von Vetternwirtschaft hat. Als seine wichtigsten Zuarbeiter hat er verschwägerte Freunde als Staatssekretäre eingesetzt, die zwar auch keine wirkliche Erfahrung in der Wirtschaft haben, dafür aber Erfahrung als Lobbyisten der Branchen, die an dem angeblichen Kampf gegen den Klimawandel verdienen. Und diese Staatssekretäre vergeben Förder- und Forschungsgelder des Ministeriums an ihre Familienmitglieder (Ehefrauen und Brüder).“

Natürlich gehören auch im neuen Mittelalter Ketzerverfolgung und Inquisition zur Tagesordnung. Die Scheiterhaufen unserer Zeit heißen Klima, Gender, Gleichstellung, Politische Korrektheit, Diskriminierung, Chancengleichheit, Rassismus, Trans- und Homophobie.

Nahezu identisch geblieben sind über die Jahrhunderte hinweg die Mittel und Methoden der Machtdurchsetzung: Günstlingsherrschaft und Vetternwirtschaft, Androhung gesellschaftlicher Ächtung. Allererst aber vertrauen die Herrschenden zur Sicherung ihrer Macht auf das Schüren und Wachhalten von Ängsten. Denn immer schon wussten sie, wie Christian Ahnsehl in seinem Roman „Der Ofensetzer“ schreibt:

„Die Angst war allmächtig. Sie thronte über allem. Sie machte das Liebste zum Feind.“

Die Medien widmen sich dem Beiwerk von Wunderglauben, Ablass, Erpressung, Entmündigung und Entfremdung. Alexander Wendt findet im Roman „Incompetence“ von Rob Grant, „2003 erschienen und leider nie ins Deutsche übersetzt“, eine wunderbare „Begleitlektüre“, wie diese Fahrt ins Mittelalter aussehen könnte.

Denn „in den Vereinigten Staaten von Europa“ könnte bald die neue gesellschaftliche Ordnung installiert sein, „in denen qua Gesetz keinem der Zugang zu einem Beruf aufgrund von Alter, Rasse, Glaube oder Inkompetenz verweigert werden darf (where no-one can be ‚prejudiced from employment for reason of age, race, creed or incompetence‘). Für den Ermittler Harry Salt, der einen Mordfall aufklären will, ergeben sich daraus Alltagsprobleme, die schon mit dem Reisen beginnen. Denn kaum ein Flugzeug kommt an, wie es soll, Gepäck verschwindet, im Hotel fehlt das Bett, und es gibt niemanden, der auf Beschwerden reagiert. ‚Der Flug war unspektakulär‘, beginnt der Roman, ‚abgesehen von der Tatsache, dass der Pilot auf dem geringfügig falschen Airport aufsetzte und vergaß, das Fahrwerk auszuklappen, also verließen wir die Maschine über die Notrutsche, und ich verlor meine Schuhe.‘ Das stellt ein ernsthaftes Problem dar, denn in Grants Vereinigten Staaten Europas sind nicht nur Inkompetentendiskriminierung, das Rauchen und unstatthafte sexuelle Annäherung verboten, sondern auch lederne Fußbekleidung. Der Detektiv muss sich fortan mit einem frisch angeschafften veganen Ersatzpaar auf den Weg machen, das, wie es heißt, ‚aus Karottenleder und Pappe‘ besteht.“

Bildungsarmut als Trend

Inkompetenz befördert das Bildungssystem der Bunten Republik Deutschland seit Jahren und bereitet der Rückreise ins Mittelalter den Boden. Die Misere ist inzwischen gut ausgewiesen. Laut IQB-Bildungstrend 2021, der besser „Unbildungstrend“ hieße, verfehlen in Bremen 31 und in Berlin 27,2 Prozent der Viertklässler die Mindeststandards im Lesen. In Berlin und Brandenburg hapert es sogar bei fast jedem zweiten Kind hinsichtlich der Orthographie an den Mindeststandards, 46,1 Prozent beträgt die Versagensquote. Besorgniserregend ebenfalls das Scheitern beim Rechnen. Für Berlin wird ausgeführt: 34,5 Prozent der Viertklässler verfehlen hier den Mindeststandard. 41,6 Prozent erreichen den Regelstandard und 6,7 Prozent den Optimalstandard.

Es ist das schlechteste Ergebnis deutschlandweit. Nur Bremen ist hier um Niveauanschluss bemüht. Für 35,6 Prozent der Kinder bedeutet dort die Mindestanforderung im Rechnen bereits schlichtes Unvermögen. Nicht genug herausgestellt werden kann: Es handelt sich um Mindeststandards, was naturgemäß bedeutet, sie sind ohnehin auf niedrigem Niveau angesiedelt. Wer hier scheitert, dem wird das Lesen schwer bis unmöglich, dem bleiben Textzusammenhänge bestenfalls kryptisch, die Grundrechenarten ein Mysterium. Ob das Versäumte in den kommenden Schuljahren durch diese Schüler aufgeholt wird, scheint mindestens fragwürdig, natürlich sind 360-Grad-Wendungen immer möglich.

Bildung — Quelle des Glücks?

Überhaupt — wird Bildung nicht überschätzt? Bildung als die essentielle Quelle des Glücks und der Freiheit? Nur der Gebildete kann die Chancen nutzen, um ein erfülltes, gelingendes und selbstbestimmtes Leben zu führen. So hieß es und heißt es gelegentlich immer noch. Bildung dazu als Bedürfnisbefriedigung der Wirtschaft. Der sich hochqualifizierende Spezialist und Experte macht gar soziale Unterschiede vergessen und hilft über etwaige Nachteile der Migration hinweg. Doch welche Bildung ist bei solchem Reden eigentlich gemeint?

Die klassische Bildung, die in Musik und bildender Kunst eine Herzensbildung erblickte? Oder die klassische Bildung etwa, die den Wert alter, toter Sprachen betonte, die einen Kanon klassischer Literatur kannte und umfassendes historisches Wissen nicht für überflüssig oder gar ein „Übel“ hält? Ist die Bildung gemeint, der an einer Wertschätzung der Sprache gelegen ist, der Rhetorik und Stil bedeutsam scheinen? Immerhin wären dies Instrumente, um den Phrasen und Euphemismen in Werbung, Medien und der Politik wirksam zu begegnen, sie letztlich desavouieren zu können.

Dem Gebildeten allerdings, so konstatierte und spürte Friedrich Nietzsche, stellt sich von selbst ein „physischer Ekel“ ein angesichts der Falschheiten dieser Welt und der journalistischen Sprache. Einer Sprache also, der niemand mehr entkommt und die aktuell zusätzlich malträtiert wird, durch Gebote vermeintlich politischer Korrektheit.

Ist ein Mensch glücklich, wenn er alltäglich von „physischem Ekel“ befallen wird?

Selbst ein entschlackter Bildungsbegriff, der nurmehr auf die Aneignung notwendiger Kenntnisse zur Berufsausbildung abzielte, bleibt problematisch. Denn was nützen alle erlernten Fähigkeiten und alle Bildungsbemühungen, wenn so offensichtlich wird, die einträglichen und großen Karrieren sind auch ohne Bildung möglich? Die Unterhaltungsindustrie, der Sport, die Wirtschaft und vor allem die Politik liefern Beispiele zuhauf. Oder sollte nun gar eine Bildung gemeint sein, die es fertigbrachte, den mündigen Bürger hervorzubringen, der kritisch und verantwortungsvoll seine Mitwelt gestaltet?

Es wäre der Bürger, der seine Urteilskraft entwickelt und dann bewahrt, der sich dann gefeit zeigt gegenüber den ideologischen Verführungen, Verlockungen und Erpressungen. Bildung bedeutete dann Zweifel — „Zweifel ist die Triebkraft freiheitlicher Gesellschaften“, so urteilt Ralf Schuler, ehemaliger Leiter der Parlamentsredaktion bei der Bild-Zeitung. Bedeutete zudem Selbstzweifel und überdies die aktive Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit.

„Es ist nicht erlaubt, den Schüler — mit welchen Mitteln auch immer — im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‚Gewinnung eines selbständigen Urteils’ zu hindern“, so hieß es 1976 im sogenannten Beutelsbacher Konsens, der sich der Gestaltung des politischen Unterrichtens widmete. Zudem forderte man seinerzeit:

„Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“

Doch Vorsicht, Bescheidenheit und Skepsis stehen durch selbsternannte, geldschwere und auftrumpfende Eliten schon länger unter Generalverdacht, die mittlerweile gar prüfen, ob solches Verhalten einhergeht mit einer „Delegitimierung der Herrschaft“, die dann zum Straftatbestand erklärt werden könne.

Wer Bildung und Glück heute noch immer miteinander verkuppeln möchte, der denkt wohl an den griechischen Philosophen Aristoteles, der da schrieb von der Freiheit und Lust am Denken, der Freiheit und Lust am Erkennen, der Freiheit und Lust am Verstehen und überhaupt auch von der Freiheit und Lust am Schönen. Ein solcher Denker ist freilich ein Solitär. Bildungsexperten, Bildungspolitiker, Bildungsforscher verkünden bestenfalls ein Abziehbild von Bildung, propagieren deren Karikatur.

Hochzeiten für Gespenster

Doch wer braucht schon Bildung, verfügt er über Gespenster und Heilande? Gespenster gehen schließlich wieder um, so liest man. Vom „Gespenst der libertären Revolte“ ist die Rede, aus den USA kommend und da offensichtlich auch Gespenster ungern allein reisen, wird es begleitet vom „Gespenst der Cancel Culture“. Gemeinsam mit dem in die Jahre gekommenen und gebrechlich wirkenden „Gespenst des Kommunismus“ und dem frisch eingekleideten „Gespenst der Pandemie“ feiert man Freudenfeste des Erscheinens. Dazu: Heilande überall. Gefühlvolle Seelen retten die Tiere. Weniger gefühlvolle metzeln sie durch die Flügel der Windräder, verschreiben sich dabei aber einer errettenden Energiepolitik.

Die Zukunft, lange genug unbeachtet geblieben, müsse gerettet werden, schreit es aus jungen Kehlen. Eine damals 16-jährige tapfere Schulschwänzerin trat urplötzlich ins Rampenlicht und hatte reichlich Drohbotschaften in ihr Gepäck geladen. Aus Untergangsszenarien und der Beschwörung der Apokalypse erwuchs ihr der Heilandsstatus. Die lutherische Fakultät der Universität zu Helsinki konnte sich in Anbetung nicht genug ergehen und schritt zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an die Heilige Greta, die Schulschwänzerin. Die sich noch immer lutherisch nennende Fakultät hat ihren Namensgeber darüber völlig vergessen. Martin Luther jedenfalls erklärte einst:

„Wer immer und überall mit Gott lachen kann, der ist ein wahrer Doktor der Theologie. Der Himmel ist uns umsonst gegeben und geschenkt. Sei guter Dinge und freue Dich!“

Können Gegensätze noch größer sein? Greta Thunberg erhebt den Zeigefinger, er wird ihr zum Symbol: „How dare you!“ — „Wie könnt ihr es wagen!“ Den Lutheranern ist das Lachen, die Freude, der Humor und vor allem ihr Glaube an den Schöpfer des Himmels und der Erde offensichtlich vergangen. Diese Würdigung freilich ist der endgültige Ausverkauf des reformatorischen Glaubens an den grünen Zeitgeist.

Größenwahnsinnige treten jedenfalls erneut an, die ganze Welt zu retten. Doch zeigten sich viele nicht nur ein paar Jahrzehnte zuvor bereits politisch enthemmt — dabei die Intentionen des Dichters Emanuel Geibel missachtend: „Und es mag am deutschen Wesen / Einmal noch die Welt genesen“? Maßlose Übergriffigkeit spricht von „Wahrheit“. „Wahrheiten“ verkündete man freilich immer schon, auch verzichtete man nie auf Attitüde. Die Schriftstellerin Brigitte Reimann trug am 29. Mai 1961 mit einer gehörigen Portion Skepsis in ihr Tagebuch:

„Wir sind zu schulmeisterlich, weil wir mit dem Marxismus den Anspruch auf letzte Erkenntnis gepachtet haben.“

Der Marxismus-Leninismus verstand sich eben als „wissenschaftliche Weltanschauung“. Es ist darum kein großer Schritt nötig — jedenfalls für einen ehemaligen Bürger der DDR —, um erschreckt zu sein ob der bildungsfernen Predigt einer Greta Thunberg: Folge der Wissenschaft! — „Follow the science!“. Eine begeisterte Anhängerschaft in Medien und Politik wird diese Phrase, die nun neuerlich mit dem „Anspruch auf letzte Erkenntnis“ fungiert, während der dann bald herbeifantasierten Pandemie lauthals rauf und runter beten. Dabei wähnte Brigitte Reimann damals noch: „… und die Westdeutschen halten uns für primitiv, weil sie in ihren Köpfen die Weisheit und Freiheit und Ästhetik des Abendlandes gestapelt haben.“

Ein Lebewohl dem Abendland

Der Westen, das Abendland. Einst starker Begriff. Symbol der Freiheit, Symbol der Weite. Zugleich immer aber auch eine Verengung, eine Reduktion. Der Westen, das Abendland verkürzt im Osten freilich immer auf die Bundesrepublik Deutschland. Der Teil stand für das Ganze — wurde zum Schielobjekt und Sehnsuchtsort. Denn spätestens mit der Errichtung des „Antifaschistischen Schutzwalls“ blieb dem Bürger der Deutschen Demokratischen Republik nur das Schielen in den anderen Teil des geteilten Deutschland. Dem Ost-Berliner verblieb immerhin noch manch gerader und direkter Blick, der Trennungsschmerz war dadurch ungleich stärker zu verspüren. Noch die schlechteste Sicht aber, das schlechteste Sehen beließ Hoffnung — eine Hoffnung auf Freiheit.

Doch heute? Die biblischen „vierzig Jahre der Ruhe“ für das Land gibt es nicht.

Das Wort Freiheit wird seit ein paar Jahren in den Medien mit Anführungszeichen versehen, im Jahre 2022 sogar zum „Unwort des Jahres“ erklärt.

Es scheint, der alten Bundesrepublik ist daraufhin ein Valet zu wünschen. Überhaupt gilt das Lebewohl dem gesamten alten Westen, denn auch unsere europäischen Nachbarn lassen sich am Nasenring durch die Manege ziehen.

Der alte Westen jedenfalls war sich noch sicher in seiner Skepsis gegenüber den Autoritäten, mögen diese Experten, Journalisten, Politiker, Wissenschaftler heißen. Zu insistieren wusste man und zu beharren auf dem Recht, über das eigene Leben selbst zu entscheiden. Und auch an Mut fehlte es nicht, sich gegen die zeitgeistliche Meinung — das heißt die Meinung der Herrschenden — zu stellen. Es war die Zeit, da noch nicht „umstritten“ war, wer quer dachte, wer über einen wachen Geist und eine scharfe Zunge verfügte.

Der Sozialdemokrat wollte tatsächlich sozial und demokratisch sein und sich durchaus abgrenzen gegenüber den kommunistischen und anderweitig linksradikalen Genossen. Es war die Zeit als es noch Liberale gab, die das Wort Freiheit nicht in Anführungszeichen setzten und die für Freiheit tatsächlich stritten. Auch gab es dereinst Konservative, die für die Bewahrung ihrer Werte und ihrer Sprache stritten und die eine leichtfertige und gedankenlose Anpassung von Gesetzen und Regeln an einen flüchtigen und launischen Zeitgeist zu bremsen wussten, und selbst bodenständige Grüne ließen sich finden, die weitgehend auf ideologische Scheuklappen verzichteten und Fantasie nicht mit der Realität verwechselten. Wohin ist sie also, die „Weisheit und Freiheit und Ästhetik des Abendlandes“, die nicht nur von Brigitte Reimann vermutet wurde?

„Verbietet uns endlich etwas!“

„Das Land liegt in einem Dämmerschlaf“, schreibt Uwe Tellkamp im Roman Der Eisvogel „es scheint auf etwas zu warten.“ Währenddessen läuft die Propagandamaschinerie unablässig und arbeitet nicht zuletzt an der Umwandlung von Begrifflichkeiten.

Der Suhrkamp Verlag — unter anderen — liefert die Resultate solcher Propagandamühen mit Büchern wie „Freiheit oder Leben?“ und suggeriert einmal mehr Alternativlosigkeit. Ein anderes Werk „Gekränkte Freiheit — Aspekte des libertären Autoritarismus“, schafft es laut Amazon sogar, zur „Nr. 1 auf der Sachbuch-Bestenliste (DLF Kultur/ZDF/Die Zeit)“ zu werden. Auf der Verlagsseite bewirbt man zudem den Titel „Verbot und Verzicht“ und fragt zugleich ungeniert: „Woher kommt die Angst vor Verboten?“ Denn schließlich forderten klimahysterische Demonstranten der Fridays-for-Future-Sekte schon im September 2019: „Verbietet uns endlich etwas!“

Doch: Kein Aufschrei! Eine kurzzeitige Schockstarre der ehemaligen DDR-Einsitzenden wäre angesichts eines solchen abstrusen Wunsches vielleicht noch erklärbar, zu gegenwärtig ist noch die Vergangenheit. Aber im Westen!? Hätte es vielleicht doch ein Festhalten an „Schwarzer Pädagogik“ geben sollen? Kaum vernehmbar dort jedenfalls ein Widersprechen — „und was mich wundert, ist, wie friedlich es trotz allem zugeht in diesem Land, wie wenig sich die meisten Menschen trauen, ihre Gedanken zu äußern und das, was sie denken zu verteidigen“, wird Uwe Tellkamp im Eisvogel einen Akteur sagen lassen. Dabei, „alle (…) teilen meine Meinung, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann, aber niemand ist bereit, aus diesem Umstand die Konsequenzen zu ziehen“.

Hier bricht sie offenbar endemisch aus, die „Krankheit des Verwaltet-werden-Wollens“, die der Philosoph Norbert Bolz bereits in seinem Beitrag von 2010 „Die ungeliebte Freiheit“ diagnostizierte. Auch der Schriftsteller Thomas Brussig scheint von dieser seltsamen Krankheit befallen, fordert er doch in einem Gastbeitrag vom Februar 2021 — inmitten von Ausgangssperren, Betätigungs-, Reise-, Kontakt- und Versammlungsverboten — für die Süddeutsche Zeitung, bitte „Mehr Diktatur wagen“.

Und sogleich jubiliert die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: „Die Klimakrise wird uns noch viel mehr Einschränkungen abverlangen.“ Führt diese Krankheit also zum Erinnerungsverlust? Hat der von ihr Befallene komplett vergessen, dass eine jede Freiheit bedroht ist, wenn die Freiheit anderer eingeschränkt wird?

Wer für Freiheit eintritt, der ist schließlich nicht ledig von Verpflichtungen und Rücksichtnahmen auf Mensch und/oder Natur. Muss tatsächlich wieder gänzlich neu gelernt werden: Es gibt eine freiwillige Geselligkeit. Dieses Freiwillige aber kennt Anstand wie Fürsorge, kennt Rücksichtnahme und Solidarität. Warum versteht fast niemand mehr, dass die Freiheit nur beim jeweils einzelnen anfangen kann? … Auf leisen Sohlen vollzieht sich die Reise.


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