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Das Skripal-Märchen

Das Skripal-Märchen

Großbritannien legt zu Propagandazwecken alte Kriegsmärchen neu auf.

von Mikhail Evstyugov-Babaev

Wie so oft kommt die Inspiration für einen Artikel meist spontan. Vor einigen Tagen bin ich bei Spiegel Online auf den Artikel mit dem Titel „Fall Skripal – wie Russlands stümperhafte Agenten Wladimir Putin blamieren“ gestoßen. Selbstverständlich habe ich nicht weitergelesen, denn ich habe mir schon vor Jahren abgewöhnt, den Spiegel zu lesen. Dennoch veranlasste mich dieser Titel dazu, ein altes russisches Märchen in meinem Gedächtnis aufzufrischen.

Das Märchen heißt „Brei aus einer Axt“. Darin geht es um einen einfachen Soldaten, der auf seinem Weg nach Hause an der Tür eines Hauses klopft und um eine Mahlzeit bittet. Die alte Frau, die das Haus bewohnt, erweist sich als ziemlich geizig, und so versucht es der Soldat mit einer List.

Er verspricht der Frau, einen Brei einzig und allein aus ihrer Axt zu kochen, wenn sie ihm nur einen großen Topf und heißes Wasser gibt. Als die Axt dann kocht, bittet der Soldat zuerst noch um ein wenig Salz, dann um eine Handvoll Grütze, schließlich um ein Stück Butter. Am Ende löffeln die Beiden den Brei aus, und die alte Frau wundert sich, wie man denn aus einer Axt so etwas Leckeres kochen könne.

Ich weiß nicht, ob in Großbritannien irgendjemand dieses Märchen kennt. Vielleicht gibt es aber auch eine eigene britische Entsprechung dazu. Das Rezept des Breis aus einer Axt ähnelt jedenfalls ziemlich der Kochanleitung für das seit März von der britischen Regierung aufgetischte Gericht Skripal. Einzig die Zutaten des letzteren sind nicht sonderlich frisch.

Man nehme einen abgelaufenen Doppelagenten, eine seit 2010 offiziell nicht mehr verwendete Bezeichnung eines Geheimdienstes (1) – geschenkt, dass die Chefin und die Gäste keine Ahnung haben, aber die Köche sollten es schon wissen –, dazu ein wenig von nichts als Beweis, ganz viel von fehlender Logik und eine nicht näher identifizierbare Soße. Dann das Ganze hochkochen und das Gericht schließlich überall servieren lassen – von Fast Food Joints wie der Sun oder der Bild bis zu selbsternannten Drei-Sterne-Restaurants wie der Times oder eben dem Spiegel.

Gleicher Ursprung, gleiche Verpackung, gleicher Inhalt oder, genau genommen, dessen Abwesenheit – politisch-mediales Franchising in Perfektion, auf das die meist eher desinteressierten Leser genauso reinfallen wie auf etwaige, nachweislich ungesunde Burger und Chicken Wings.

Übrigens, am Ende des russischen Märchens nahm der Soldat die Axt mit. Sergej Skripal wurde seit dem ersten Kochvorgang am 4. März auch nicht mehr gesehen. Seltsam, seltsam …


Mikhail Evstyugov-Babaev, Jahrgang 1984, studierte Angewandte Sprachwissenschaft in Saarbrücken und ist nach einigen Zwischenstationen als Projektmanager bei Übersetzungsagenturen als freiberuflicher Übersetzer, Dolmetscher und Lektor tätig. Unter anderem übersetzte er für arte die Drehbücher der sowjetischen Klassiker „Die Heldentat eines Kundschafters“ und „Iwan der Schreckliche“ und wirkte an der deutsch-russischen Klanginstallation „Horchposten 1941“ sowie dem dazugehörigen Hörspiel mit. Er versteht sich als Bindeglied zwischen deutscher und russischer Mentalität und organisiert nebenberuflich Stadtführungen durch seine Heimatstadt Moskau – jenseits des Massentourismus.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Bis 2010: Главное разведывательное управление (ГРУ ГШ ВС РФ) – Hauptverwaltung für Aufklärung des Generalstabs der Streitkräfte der Russischen Föderation.
Seit 2010: Главное управление (ГУ ГШ ВС РФ) – Hauptverwaltung des Generalstabs der Streitkräfte der Russischen Föderation.


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