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Der Alpenfaschismus

Der Alpenfaschismus

An österreichischen Arbeitsplätzen gilt nun pauschal die 3G-Regel, deren Einhaltung vom Gesundheitsamt geprüft wird — es droht Massen-Denunziation.

Das kleine Alpen- und Donauland Österreich erlebt im Herbst 2021 eine strukturelle Faschisierung. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung ist davon betroffen. Per Gesetz werden die in der jeweiligen Betriebshierarchie höher Gestellten dazu verpflichtet, ihre untergeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz einem vorgeblich gesundheitlich argumentierten Unterwerfungsritual auszusetzen; bei den gegen Covid-19 Geimpften handelt es sich dabei um einen vorläufig einmaligen Vorgang, bei den Genesenen um eine regelmäßige Nachschau und bei den Getesteten um eine Kontrolle drei Mal die Woche.

Die Würde des Menschen — sowohl der Kontrolleure als auch der Kontrollierten — ist nicht bloß angetastet, ihr wird ins Gesicht geschlagen.

Der Staat treibt absichtlich einen Keil in die Arbeitswelt hinein, mit dem offensichtlichen Ziel, diejenigen, die passiven Widerstand gegen die Maßnahmen leisten, indem sie sich der Impfung verweigern, zu Ausgestoßenen zu machen.

Der seit eineinhalb Jahren immer wieder vorgebrachte Einwand, es handle sich bei allen bislang erlassenen Corona-Gesetzen um alternativlose Maßnahmen im Namen der Volksgesundheit, kann einmal mehr zerstreut werden. Wenn der österreichische Gesundheitsminister Mückstein freimütig zugibt, dass die 3G-Regel am Arbeitsplatz letztlich dazu dienen soll, die Durchimpfungsrate zu erhöhen, dann sagt er damit einerseits, dass ihm jedes Mittel Recht ist, um die mRNA-Spritzen von Big Pharma in Wert zu setzen, also dem menschlichen Körper zuzuführen, und wiederholt andererseits das Mantra genau dieser Industrie, die Impfung wäre der Weg aus der Pandemie.

Dass dem nicht so ist, dass also der bisher vorhandene Impfstoff kein Game Changer ist, dafür bräuchte der Mann nur auf die Zahlen des Robert Koch-Instituts zu schauen. Dort steht es im „Wöchentlichen Lagebericht“ (1) zu Covid-19 schwarz auf weiß. Die nimmermüde Journalistin Susan Bonath hat es wieder einmal perfekt recherchiert und für Rt.de das am 14. Oktober veröffentlichte Material ausgegraben. Auf den Seiten 23/24 des RKI-Dokuments weist eine Statistik die Anzahl der sogenannten Impfdurchbrüche — ein neudeutscher Begriff dafür, dass die Impfung nicht vor der Krankheit schützt — aus.

Demzufolge liegt in den bislang letzten erhobenen Kalenderwochen 37 bis 40, also vom 13. September bis 10. Oktober, der „Anteil wahrscheinlicher Impfdurchbrüche unter symptomatischen COVID-19-Fällen“ bei der Altersgruppe 18 bis 39 Jahre bei 31,6 Prozent, bei den über 60-Jährigen bei 55,4 Prozent. Von denen, die auf Intensivstationen liegen, sind von den unter 60-Jährigen 10 Prozent geimpft und bei den über 60-Jährigen knapp 30 Prozent. Mehr als ein Drittel der älteren Menschen über 60, die an oder mit Covid-19 gestorben sind, waren vollständig immunisiert.

Die österreichische Statistik der Ages (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) bestätigt die RKI-Zahlen. In ihrer Studie vom 19. Oktober 2021 (2) waren im selben Zeitraum, also vom 13. September bis 10. Oktober, bei den laborbestätigten Infektionsfällen 32 Prozent der 18- bis 59-Jährigen bereits geimpft, bei den über 60-Jährigen sind es 64 Prozent, Tendenz stark steigend. Der Hinweis, dass es sich dabei um eine relative Zahl handelt, die logischerweise steigt, je mehr Menschen geimpft sind, ist richtig. Solange allerdings gleichzeitig die absoluten Zahlen der Infizierten und schwer Erkrankten zunehmen, wie es aktuell der Fall ist, beweist das ja gerade, dass immer mehr Geimpfte in den Spitalsbetten liegen. Das bedeutet: Mit der vorliegenden Impfstrategie kann die Viruserkrankung nicht besiegt werden.

Wer ohne getestet, geimpft oder in letzter Zeit von einer Corona-Erkrankung genesen zu sein, auf seinen Arbeitsplatz kommt, muss laut österreichischem Gesetz rausgeschmissen werden. Kontrollen des Gesundheitsamtes erhöhen den Druck sowohl auf die Unternehmer wie die Angestellten und Arbeiter. Im Fall, dass jemand ohne 3G am Arbeitsplatz angetroffen wird, droht den Lohnabhängigen eine Geldstrafe von 500 Euro, dem kontrollunwilligen Unternehmer kostet das bis zu 3600 Euro.

Faschisierung?

Im Zusammenhang mit dem immer repressiver werdenden Corona-Regime von Faschismus zu sprechen, ist heikel. Denn Faschismus war eine historische Herrschaftsform mit allerdings sehr unterschiedlichen Erscheinungen. So gab es klerikal-faschistische Regierungen in der Slowakei und in Österreich — das übrigens vom deutschen Nationalsozialismus hinweggefegt wurde —, den anfangs mehr ethisch und später national definierten italienischen Faschismus, den Franquismus in Spanien, die ungarischen Pfeilkreuzler, die rumänische Legion des Erzengel Michael, die griechische Militärdiktatur und so weiter. Wenn ich also in den aktuellen Maßnahmen der Corona-Regierung in Österreich eine Faschisierung der Gesellschaft sehe, dann sehe ich strukturelle und freilich keine inhaltlichen Ähnlichkeiten zur historischen Herrschaftsform. Und ich lehne mich an die Faschismus-Definition des Soziologen und Politologen Reinhard Kühnl an. Nach ihm weist der Faschismus vier Charakterzüge auf:

  1. In seiner „sozialen Funktion“ erhält er die Klassenstruktur aufrecht, indem er die Eigentumsverhältnisse unangetastet lässt.
  2. Zugleich strebt er die „möglichst totale Erfassung aller Bevölkerungsgruppen an“, (3) die von den Führungskadern manipuliert werden können.
  3. Ideologisch beschwört er eine Volksgemeinschaft, der alle angehören, um sich gegen den jeweiligen Feind gemeinsam in Stellung bringen zu können, wobei dieser Feind eine Minderheit ist, die zum Sündenbock stilisiert wird, um von den wahren ökonomischen und sozialen Problemen ablenken zu können.
  4. Politisch wirft er die bürgerlich-parlamentarische Regierungsform über Bord und installiert stattdessen ein Terrorregime.

Von den vier Charakterzügen des Kühnl’schen Faschismus kann man im aktuellen Corona-Regime drei wiedererkennen: die Aufrechterhaltung der Eigentumsordnung (trotz Ausnahmezustand), die Totalität der Bevölkerungsüberwachung zwecks Manipulation und das Beschwören einer — diesmal nicht Volksgemeinschaft, sondern — Impfgemeinschaft gegen den viralen Feind.

Ein politisches Terrorregime ist (bislang) während der Corona-Zeit nicht installiert worden — außer vielleicht ansatzweise in Australien oder in China, weshalb ich nicht von Faschismus, sondern von Faschisierung spreche, also unsere aktuelle Regierung auf dem Weg dahin sehe.

Konkret überzieht die österreichische Regierung eine bereits bestehende sozial hierarchisierte Klassengesellschaft mit einer neuen Disziplinierungstechnik, der 3G-Regel am Arbeitsplatz. Diese Maßnahme gibt sich auf der ideologischen Seite klassenübergreifend nach dem Motto „Ich kenne nur noch Geimpfte (und Getestete)“. In sozio-ökonomischer Hinsicht nützt sie allerdings den Klassencharakter der Gesellschaft aus, indem den Unternehmen ein neues Instrument in die Hand gegeben wird, Lohnarbeiter und Lohnarbeiterinnen in gute und schlechte, „gesunde“ und „kranke“ zu unterteilen.

Zudem ist es — das ist allerdings nichts Neues — wieder einmal gelungen, die Gewerkschaften hinter den Kapitalinteressen (von Big Pharma) und die diese anschiebende Staatsmacht zu vereinen. Anstelle eines lautstarken Protestes gegen bevorstehende Kündigungen Ungeimpfter, finden sich Gewerkschaft und Sozialdemokratie in fest geschlossener Reihe mit der neuen, starken Allianz von Kapital und Staat.

Hunderttausende Blockwarte, die die 3G-Regeln am Arbeitsplatz überwachen beziehungsweise zum Überwachen gezwungen werden, stützen dabei das Corona-Regime. Die aufstrebenden Kapitalsektoren, der autoritärer werdende Staat und die Blockwartmentalität des „kleinen Mannes“ finden zusammen. Damit sind die Ingredienzen für eine Faschisierung erfüllt.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-10-14.pdf?__blob=publicationFile
(2) https://www.ages.at/download/0/0/7f48242ad84a0744535608b9a7ca7d2f3702eae2/fileadmin/AGES2015/Themen/Krankheitserreger_Dateien/Coronavirus/Impfdurchbruch/Impfdurchbr%C3%BCche_20211019.pdf
(3) Reinhard Kühnl, Deutschland zwischen Demokratie und Faschismus. München 1969, S. 149; siehe auch: Andreas Mittelmeier, Austrofaschismus contra Ständestaat. Magisterarbeit Univ. Wien 2009, S. 12f.

Hannes Hofbauer hat zuletzt den Beitrag „Welt wohin?“ im Band „Schöne Neue Welt 2030. Vom Fall der Demokratie und dem Aufstieg einer totalitären Ordnung“, herausgegeben von Ullrich Mies, Promedia Verlag, veröffentlicht.


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