Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Der Fake-News-Krieg

Der Fake-News-Krieg

Fake News werden als Waffen benutzt: Algorithmen blasen Profile auf, verbreiten Fehlinformationen und zerstören die Demokratie.

Fake News und bewaffnete Bots
von T.J. Coles

Algorithmen werden so ausgeklügelt, dass zunehmend schwieriger zu unterscheiden ist, welche Online-Kommentare echt sind und welche von „Bots“ erstellt wurden, welche Seiten wirklich beliebt sind und welche falsche Treffer generieren. In meinem neuen Buch Real Fake News (Red Pill Press) lege ich dar, dass Fake News sich – mindestens – bis ins antike Babylon zurückverfolgen lassen. Ich zeige darin, dass die heutigen Hightech-Fälschungen lediglich eine Fortführung von Strategien sind, die entworfen wurden, um die Herrschaft von Eliten zu stärken, sei die bestehende Elite nun „rechts“ oder „links“.

Beeinflussen Bots die Wahrnehmung?

Online-Fake-News sind zum Phänomen geworden. Bis Präsident Trump an die Macht kam, hatten nur wenige Amerikaner von „Alt-Right“ gehört, der ideologischen Gruppierung, die in Teilen für Trumps Wahlerfolg verantwortlich ist. Trump hatte 2,6 Millionen weniger Wählerstimmen, doch er gewann mehr Wahlmänner. Mit anderen Worten, „Alt-Right“-Wähler waren zahlreich genug, um Trump eine Mehrheit beim Gesamtergebnis und damit im Wahlmännerkollegium zu verschaffen. Wie erklären wir die Diskrepanz, dass Online-Fake-News ein Phänomen sind, und doch ihre Hauptverfechter den meisten Amerikanern verborgen bleiben?

Es zeigt sich, dass Bots Fake News vorantreiben, um Geschichten „viral“ werden zu lassen, indem sie diese in den sozialen Medien unter Fake-Bot-Accounts – auch „Sockenpuppen“ genannt – verbreiten. Im Jahr 2011 hat ein Team der Texas A&M University Twitter-Accounts erstellt, die Kauderwelsch ausspuckten. Ihr Nonsens kann beim besten Willen niemanden interessiert haben, doch in kürzester Zeit hatten sie tausende Follower. Es erwies sich, dass ihre Twitter-„Follower“ in Wahrheit Bots waren.

Im Jahr 2017 haben Shao et al. mit Förderung des Pentagons 14 Millionen Tweets analysiert, die 2016 während des US-Präsidentschaftswahlkampfes 4.000 politische Botschaften verbreitet haben. Sie fanden heraus, dass „Accounts, die aktiv Fehlinformationen verbreiten, mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit Bots sind“. Laut Shao et al. beinhalten Fake News „Falschmeldungen, Gerüchte, Verschwörungstheorien, erfundene Berichte, lockende Clickbait-Überschriften und sogar Satire“. Anreize sind unter anderem das Senden „von Datenverkehr an Fake-News-Seiten, der durch Werbeanzeigen einfach zu Geld gemacht wird, doch politische Motive können ebenso stark oder noch stärker sein“. Es wurde herausgefunden, dass während des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 die Beliebtheitsprofile von Fake News von faktenprüfenden Artikeln nicht zu unterscheiden sind.

Die Autoren bemerken, dass „bei den Behauptungen, die am stärksten viral gingen, ein Großteil der Verbreitungsaktivität von einer kleinen Zahl an Accounts herrührte“. Die sogenannten „Super-Spreader“ von Fake News sind wahrscheinlich „soziale Bots, die automatisch Links zu Artikeln posten, andere Accounts retweeten oder anspruchsvollere autonome Aufgaben ausführen“. Regionale Stimmanteile für Trump stimmten nicht mit dem geographischen Standpunkt von – vermutlichen – Bot-Accounts überein. Obwohl es dafür keine Bestätigung gibt, ist es wahrscheinlich, „dass Bundesstaaten, auf die Fehlinformationen-verbreitende Bots am aktivsten abzielten, zu überraschenderen Wahlergebnissen neigten“.

Ratkiewicz et al. argumentieren, dass Twitter eine strukturelle Tendenz zu Fake News habe, da seine „140-Zeichen-O-Töne mundgerechtes Titel-Material für den 24-Stunden-Nachrichtenkreislauf bieten“. Ferrara et al. berichten, das Bots fähig sind, „sich an komplexen Arten von Interaktionen zu beteiligen, etwa Unterhaltungen mit anderen Personen zu führen, deren Posts zu kommentieren und deren Fragen zu beantworten“. Weiterhin bemerken die Autoren, dass Bots „das Internet nach Informationen und Medien durchsuchen können, um ihre Profile zu füllen, und das gesammelte Material zu bestimmten Zeiten zu posten, wodurch sie das für Menschen typische zeitliche Muster des Erstellens und Konsumierens von Inhalten nachahmen“, darunter auch die Tageszeit, zu der die Bot-Aktivität ihren Höhepunkt hat.

Es ist nicht überraschend, dass auch das Militär hierbei mitmischt. Zusätzlich zu der oben erwähnten, vom Pentagon finanzierten Analyse hat der Guardian 2014 enthüllt, dass das britische Verteidigungsministerium über 60.000 Pfund an Steuergeldern für ein Projekt mit dem Namen „Full Spectrum Targeting“ ausgegeben hat. Das Projekt wurde gemeinsam mit Detica – einer Tochterfirma von BAE Systems –, dem in London ansässigen Change Institute sowie dem Rüstungs- und Sicherheitsunternehmen Montvieux ausgeführt. „Der Schwerpunkt liegt darauf, einflussreiche Individuen zu identifizieren und nutzbar zu machen, Informationskanäle zu kontrollieren und Ziele auf der Grundlage ethischer Gesichtspunkte anstatt aufgrund militärischer Notwendigkeit zu zerstören.“ Das „Cognitive and Behaviour Concepts of Cyber Activities Project“, an dem die Marketingfirma Baines Associates, das Beratungsunternehmen i to i Research sowie mehrere Universitäten beteiligt waren – darunter Northumbria, Kent und das University College London –, kostete mehr als 310.000 Pfund.

Bots als psychologische Waffen

Es waren ernste grundlegende Strukturprobleme, die dazu geführt haben, dass Donald J. Trump Präsident der USA geworden ist. Doch Fake News und die „Alt-Right“ fungierten als ein Auslöser dieser grundlegenden Probleme. Soziale Medien und Bots beförderten Trumps Sache. Wissenschaftler behaupten, dass das schiere Volumen an Nutzern von sozialen Medien dazu führt, dass sich der vergleichsweise geringe Einfluss von psychologischem Targeting in signifikante Zahlen von betroffenen Nutzern übersetzen lässt.

Im Jahr 2014 haben Wissenschaftler des Center for Tobacco Control Research and Education der University of California in San Francisco nahezu 700.000 Facebook-User benutzt, indem sie diese ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung an einem Experiment beteiligten. „Das Experiment manipulierte das Ausmaß, in dem Menschen emotionalen Ausdrücken in ihrem News Feed ausgesetzt waren“, wird im zugehörigen Forschungsbericht erläutert.

Das Experiment „testete, ob die Konfrontation mit Gefühlen die Menschen dazu brachte, ihr eigenes Posting-Verhalten zu ändern“. Die zwei parallelen Experimente beinhalteten zum einen, dass man Freunden weniger positive Inhalten präsentierte und zum anderen sie weniger negativen Inhalten aussetzte:

„Für eine Person, für die 10 Prozent der Posts mit positivem Inhalt ausgelassen wurden, hielt ein entsprechender Kontrollmechanismus 10 von 46,8 Prozent, das heißt 4,68 Prozent, zufällig ausgewählter Posts zurück. Dagegen wurde in der Kontrollgruppe, bei der man negative Inhalte reduzierte, lediglich 2,24 Prozent des News Feeds eingeschränkt. Als sekundäre Maßnahme testeten wir auf gegenläufige emotionale Ansteckung, bei der die gegenteilige Emotion eine umgekehrte Wirkung haben sollte: Personen, bei denen positive Eindrücke reduziert wurden, sollten sich zunehmend negativ äußern, während sich Personen, bei denen negative Eindrücke reduziert wurden, zunehmend positiv äußern sollten.“

Die Ergebnisse zur emotionalen Ansteckung waren statistisch unbedeutend: 0,001.

Doch, wie die Autoren der Studie betonen, „können bei der gewaltigen Dimension von sozialen Netzwerken wie Facebook selbst geringe Effekte in der Summe große Auswirkungen haben“.

Dies entspricht ihrer Theorie nach „Hunderttausenden Gefühlsäußerungen in Status-Updates pro Tag.“

Dieser Umstand ist relevant für Fake News, denn er zeigt, wie Bots diese verbreiten und auf viele potentielle Wähler Emotionen übertragen können.

Fake News, Bots und die Erschaffung eines Präsidenten?

Die New York Daily News berichtet, dass Robert Mercer, einer von Trumps milliardenschweren Hedge-Fonds-Unterstützern, für IBM an Technologien gearbeitet hat, die für die Entwicklung des Supercomputers Watson –„Brown clustering“ – verwendet wurden, ebenso wie für Apples Siri-Technologie. Mercer ist einer der größten Geldgeber Trumps. Es gibt keine Beweise, die Robert Mercer direkt mit Pro-Trump-Bots in Verbindung bringen. Und doch gehört die Beeinflussung von Wahlen zu der Art von Technologien und Dienstleistungen, mit der mit Mercer in Verbindung stehende Unternehmen zu tun haben:

Trump hat 30 Millionen „Follower“ auf Twitter, von denen nur die Hälfte real sind; die anderen 50 Prozent sind Bots. Die New York Daily News sprach auch mit Simon Crosby vom Technologieunternehmen Bromium. Er erklärte, dass Teile der Watson-Technologie, die angeblich von Mercer entwickelt wurde, „in kürzester Zeit Bots oder virtuelle Akteure auf mobilen Geräten oder Messaging-Plattformen erstellen, testen und einsetzen können, um natürliche Konversationen zwischen Apps und Nutzern zu erzeugen“. Crosby erläutert weiter: „Beliebige und lächerliche Informationen werden sehr schnell verbreitet und zielen nun auf Nutzer ab“, die „empfänglicher dafür sind, diese zu glauben und weiterzuverbreiten.“

Einer von Trumps ersten „Unterstützern“ auf Twitter war ein Bot namens PatrioticPepe, in Anlehnung an Pepe den Frosch, die unglückliche Kreatur, derer sich „Alt-Right“ für ihre bigotte Agenda bedient haben. Ein ganzes Fünftel der Twitter-Accounts, die über die Wahlen von 2016 getweetet haben, waren Bots. Besonders amüsant wird es, wenn die Organisation, die darüber berichtet – nämlich die Washington Post –, gleichzeitig erklärt, die Daten über Trump-unterstützende Fake-Accounts stammten von Twitter Audit. Twitter Audit weist darauf hin, dass geschätzte 35 Prozent oder mehr der Twitter-Follower der Washington Post ebenfalls Bots sind! Der Reporter kommt dieser Heuchelei bei, indem er schreibt, dass der Anteil von Trumps Fake-Followern höher liege als der seiner eigenen Organisation – na, dann ist es ja nur halb so schlimm.

Wie ich selbst in The Great Brexit Swindle und andere, zum Beispiel Cadwalladr, dokumentiert haben, war der Brexit zum Teil eine auf die Öffentlichkeit abzielende psychologische Operation superreicher Hedge-Fonds-Manager, die Europa und seinen Finanzrichtlinien entkommen wollten. Carole Cadwalladr, Journalistin beim Guardian, hat mit Andy Wigmore gesprochen, dem Kommunikationsdirektor der „Leave.Eu“-Kampagne. Wigmore steckte hinter dem berühmten Treffen und dem arrangierten Fotoshooting von Trump und Nigel Farage – Farage ist ja ein rechter Hardliner, Befürworter eines „freien Marktes“ und der ehemalige Vorsitzende der UK Independence Party.

Erinnern Sie sich an den Ansteckungseffekt, von dem weiter oben die Rede war. Im Bezug auf den Brexit erklärte Wigmore, dass – in Cadwalladrs Worten – „Facebook der Schlüssel zu der gesamten Kampagne war“. Wigmore wird mit folgenden Worten zitiert: „Der Einsatz künstlicher Intelligenz, auf den wir gesetzt haben, verrät dir alles Mögliche über diesen oder jenen Menschen und wie man ihn mit welcher Art von Werbung überzeugen kann“. Das heißt, wie man bei Themen, die für die Wähler von Bedeutung sind, wie beispielsweise Immigration, für Verbreitung sorgen kann.

Fazit

Von Milliardären wie Mercer geht – unter dem Deckmantel von Online-Graswurzel-Organisationen, die in Wahrheit lediglich nur massenhafte Unterstützung vortäuschen –, ebenso wie vom Militär in bisher unbekannten Formen, psychologische Kriegsführung aus. Diese kann jedoch Politik nicht in einem Vakuum dirigieren. Stattdessen bietet sie einen subtilen Hintergrund und Auslöser für komplizierte grundlegende Faktoren, allen voran die weitverbreitete Unzufriedenheit mit derzeitigen politischen Systemen.

Fake News stecken die Zündschnur am Pulverfass der Unzufriedenheit an.

Doch wir sollten auch in Erinnerung behalten, dass Monarchen, Despoten, Großunternehmer und Werbetreibende sich im Laufe der Geschichte stets der neuesten Technologien bedient haben, um jene zu manipulieren, zu blenden und sogar in Schrecken zu versetzen, über die sie Macht ausüben.


Dr. T. J. Coles ist Direktor des Plymouth Institute for Peace Research und Autor mehrerer Bücher, darunter Voices for Peace (zusammen mit Noam Chomsky und anderen) und das in Kürze erscheinende Fire and Fury: How the US Isolates North Korea, Encircles China and Risks Nuclear War in Asia.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Fake News and Weaponized Bots: How Algorithms Inflate Profiles, Spread Disinfo and Disrupt Democracy“. Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.

Weiterlesen

Die besonnene Großmacht
Thematisch verwandter Artikel

Die besonnene Großmacht

Wenn der dritte Weltkrieg noch nicht ausgebrochen ist, so liegt das zum großen Teil an der Umsicht der russischen Führung.