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Der Morgen nach der Revolution

Der Morgen nach der Revolution

Nellie Bowles‘ Buch „Morning after the revolution“ hat einen Nerv getroffen und wurde binnen Kurzem zu einem heißen Gesprächsthema in der englischsprachigen Welt.

Sie steht, wie ihre Kollegen sagen, auf der falschen Seite der Geschichte. Denn Kritik an der guten Sache nutzt den Bösen. Und wer will schon den Bösen helfen? Doch sie berichtet weiter — über den Umgang mit Drogenabhängigen in San Francisco, der viel kostet, vielen zu schaden und kaum jemandem zu helfen scheint, über den Niedergang der Schulen gegen den Willen der Eltern, wie progressive Politik oft den Armen schadet und einiges andere mehr.

Damit wird sie reif zum Canceln. Die Beschreibung ist umso interessanter, als Bowles auch schildert, mit welcher Überzeugung und dem warmen Gefühl, das Richtige zu tun, sie selbst früher andere Leute gecancelt hatte. In diesem Kapitel erscheint die New York Times als ein Haifischbecken, in dem keiner mehr sicher sein kann, nicht selbst bei kleinster Abweichung von der Meinungslinie als Rassist — nein, natürlich „Rassist*in“, gebrandmarkt zu werden.

Eines kann Nellie Bowles ohne Frage: schreiben. Obwohl der Inhalt an sich keine leichte Kost ist, liest sich das Buch fast wie von selbst. Oft ist es lustig, manchmal bleibt man staunend mit offenem Mund zurück. Doch immer kommt sie scharfsinnig auf den Punkt. Die Aufsätze haben einen dünnen roten Faden, doch man kann sie auch einzeln lesen. Insofern eignet sich das Buch durchaus auch als Ferienlektüre.

Die Kritiken sind gemischt. Während die Leserschaft sehr positiv reagiert und das Buch die Hitliste der New York Times stürmte, sehen das die offiziellen Kritiker sowohl von links als auch von rechts merklich verhaltener.

Der deutlich nach rechts tendierende Federalist zum Beispiel hat Bowles die beißenden Kritiken konservativer Helden wie Jordan Peterson noch lange nicht verziehen. Er hält die Auseinandersetzung mit den Linken für zu wenig ernsthaft. Das Buch würde wenig zum Diskurs beitragen außer Unterhaltung.

Dass die New York Times keine grandiose Kritik schreiben würde, war vorhersehbar. Auch sie beklagt die amüsante Seite des Buchs. Bowles würde sich haltlos über wohlmeinende progressive Aktivisten lustig machen und keine tiefe Debatte suchen, an welcher Stelle es Verbesserungspotenzial gäbe. Außerdem würde sie zielsicher die extremen Beispiele suchen, um die Absurdität des Systems aufzuzeigen, nicht die moderaten.

Von beiden Seiten also der Vorwurf: einfach zu lustig. Und beide Lager würden sich eine tiefe Auseinandersetzung mit den einzelnen Themen wünschen, also etwa: Wie bekommt man das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in der schwarzen Bevölkerung hoch?

Das eigentliche Thema des Buches ist aber nicht die Frage, ob die linke oder die rechte Position richtig ist, sondern welche Mechanismen in Teilen der Linken dazu führen, den gesunden Menschenverstand gegen vor sich hergetragene moralische Überlegenheit einzutauschen. Und diese Analyse ist durchaus profund.

Nellie Bowles hat, nachdem sie die Times verlassen hatte, auf Substack die „Free Press“ gegründet. Sie bietet ein Meinungsspektrum etwas abseits vom Mainstream und hat mittlerweile über 600.000 Abonnenten. Dort bekommt man zum Beispiel Analysen zu lesen, warum kein einziges Pressemitglied zu wissen schien, dass Joe Biden alt wird — bis es alle gleichzeitig natürlich schon lange gewusst haben.

Lesen lohnenswert.


Hier können Sie das Buch bestellen:Morning After the Revolution: Dispatches from the Wrong Side of History


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