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Die Pseudo-Aufarbeitung

Die Pseudo-Aufarbeitung

Die Schweiz exportiert Waffen in die ganze Welt, möchte sich aber gleichzeitig symbolisch der rassistischen Überbleibsel ihrer Geschichte entledigen.

Neokoloniale Praktiken von Schweizer Konzernen und Banken

Wird der Stadtrat Zürichs auch gegen den Neokolonialismus Zeichen setzen? Wird er gegen die Schweizerische Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen in Zürich vorgehen, die Milliarden in Firmen investieren, die sich in armen Länder im Verein mit korrupten Regierungen wie Kolonialherren gebärden und sich bereichern, mit Kinderarbeit im Kakaosektor, der Plünderung des Amazonasgebietes durch den Schweizer Konzern Gunvor? Werden die Behörden Zürichs Investitionen in den Agrochemie-Konzern Syngenta ins Visier nehmen, eine Firma, die den Profit über die Produktionssicherheit setzt und Tausende Tote toleriert? Die Organisation Public Eye (2) dokumentiert laufend die neokolonialen Praktiken von Schweizer Konzernen und Banken.

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Inschriften und Bilder, die im Niederdorf in Zürich entfernt werden sollen, Fotos: Heinrich Frei

Den guten Steuerzahlern Zürichs nie in die Suppe spucken?

Wird die Regierung der Stadt Zürich auch einmal ein Auge darauf werfen, in welche Firmen die Milliarden investiert werden, die in die Steueroase Schweiz transferiert wurden? Anlagen in Rüstungskonzerne, Investitionen in ausbeuterische Unternehmen? Investitionen in ausländische Waffenfabriken, die sogar verbotene Waffen herstellen wie Streubomben, Antipersonenminen und Atombomben? Oder weiterhin „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“? Den guten Steuerzahlern Zürichs nie in die Suppe spucken?

Die Schweiz steht heute auf Platz 1 der Länder, die ausländische private Vermögen verwalten. Auf 2.400 Milliarden US-Dollar werden diese Vermögen von ausländischen Kunden geschätzt, deren Geld im „Paradies“ Switzerland Asyl gefunden hat. Zum Vergleich: In den USA wurden nur ausländische Vermögen im Wert von 900 Milliarden US-Dollar in Sicherheit gebracht (3).

Schweizer Kanonen schützen die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar

Wird der Stadtrat Zürichs versuchen zu verhindern, dass der in Zürich-Oerlikon ansässige deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall Air Defence AG für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 Flugabwehrsysteme im Wert von 210 Millionen Franken (193 Millionen Euro) nach Katar exportiert (4, 5)?

Die Rheinmetall Air Defence AG ist eine Division des deutschen Rüstungsherstellers Rheinmetall, die mit der Umbenennung der Oerlikon-Contraves-Einheit am 1. Januar 2009 entstanden ist und in die anderen Luftverteidigungsprodukte von Rheinmetall integriert wurde.

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Schweizer Kanonen schützen WM-Stadien, Blick, 4. Juni 2021, Fotos: Heinrich Frei

Stellung nehmen gegen neokoloniale Deals und mörderische Geschäfte

Mit Recht werden die Stadträte Zürichs und die Gemeinderäte sagen, es liegt nicht in unserer Kompetenz, die neokolonialen Deals von Banken und die mörderischen Geschäfte von Rüstungskonzernen zu überwachen. Das ist Sache von Bern, das ist das Bier des Bundesrates, des National- und Ständerates, der Justiz. Immerhin könnten die Behörden und die kommunalen Parlamentarier Zürichs ihre Stimme erheben, gegen all diese kriminellen Machenschaften. Das wäre wichtiger, als jetzt „koloniale und rassistische Inschriften und Bilder“ von Hausfassaden in der Zürcher Altstadt entfernen zu lassen.

Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) zur Situation in Katar (6)

Wie die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) schreibt, „regiert in Katar ein autokratisches, diskriminierendes Regime. Menschenrechte zählen wenig. Männliche Vormundschaft schränkt Frauenrechte stark ein. Frauen sind vollständig von ihren Ehemännern abhängig und oft jahrelang in Beziehungen mit gewalttätigen Partnern gefangen (7). Wiederholt wurde Katar beschuldigt, internationale Terrororganisationen finanziell zu unterstützen (8). Auf den Baustellen für die Fußball-WM 2022 sind schon über 6.500 Gastarbeiter aufgrund der miserablen Arbeitsbedingungen ums Leben gekommen (9). Amnesty International spricht zu Recht von einer ‚WM der Schande‘ (10). Diverse Fußballverbände rufen zu Recht zum Boykott der Veranstaltung auf.

Doch genau für diese Fußball-WM in Katar sollen die Flugabwehrsysteme von Rheinmetall Air Defence AG eingesetzt werden — und leider auch darüber hinaus. Deshalb rufen auch wir zum Boykott auf: Keine Schweizer Flugabwehrsysteme für Katar!“

Die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) hat jetzt eine Petition lanciert, um den Export von Flugabwehrsystemen nach Katar zu verhindern (11):

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Rheinmetall Air Defence AG in Zürich-Oerlikon, Fotos: Heinrich Frei

Die Geschäftspolitik der Rheinmetall AG in Deutschland

Die Rüstungssparte Rheinmetall Defence erwirtschaftete im Krisenjahr 2020 mit Kanonen, Munition, Bomben, Elektronik, gepanzerten Fahrzeugen und Ausrüstung neue Rekorde: Der Umsatz stieg um mehr als 5 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro, der operative Gewinn gar um mehr als 20 Prozent auf 414 Millionen Euro! Der Preis für dieses Ergebnis wird von der Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten wie dem Jemen bezahlt.

In Deutschland umschifft der Rüstungskonzern Rheinmetall AG Exportrestriktionen mithilfe seiner Tochtergesellschaften im Ausland und seinen Beteiligungen an anderen Firmen in der weiten Welt. Damit kann die Firma elegant Waffen, Bomben und Munition an kriegführende Staaten liefern, zum Beispiel nach Saudiarabien, das im Jemen Krieg führt. Waffenexporte an die ständig irgendwo kriegführenden NATO-Alliierten Deutschlands, die USA, Großbritannien, Frankreich, sind sowieso erlaubt.

Die Organisation Ohne Rüstung Leben e.V. dokumentierte mit der BITS-Studie „Hemmungslos in alle Welt“, an der sie mit der Herausgabe beteiligt war, die Geschäfte von Rheinmetall (12). Auch in der ARD-Dokumentation „Bomben für die Welt“ wird gezeigt, wie dieser Rüstungskonzern operiert: Rheinmetall — das skrupellose Geschäft mit dem Tod, ARD-Fernsehfilm, 2018 (13).

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Bild aus dem ARD-Film „Rheinmetall — das skrupellose Geschäft mit dem Tod“, Foto: Screenshot

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Armin Papperger, Diplom-Ingenieur, Jahrgang 1963, Nationalität: deutsch, Vorsitzender des Vorstands Rheinmetall seit 1. Januar 2013. Hier nur als Maske, Foto: Ohne Rüstung Leben e.V.

Rheinmetall — seit 1889 im Geschäft mit dem Krieg

Seit ihrer Gründung 1889 gehört die Rheinmetall zu den führenden Herstellern von Waffen und Militärgerät in Deutschland. 1889 begann auch die Produktion von Geschossen. „Bereits ein knappes Jahr später zählt das junge Unternehmen 1.400 Mitarbeiter und liefert pro Tag 800.000 Geschosse. Bis Ende 1891 werden es insgesamt 120 Millionen sein“, war auf der Website von Rheinmetall vor einigen Jahren noch zu lesen (inzwischen gelöscht). Wie viele Menschen durch Rheinmetall-Geschosse schon getötet und verletzt worden waren, war auf dieser Website nicht vermerkt. Nach den beiden Weltkriegen kam es jeweils vorübergehend bei Rheinmetall zur Produktion ziviler Güter, doch im Kern blieb das Unternehmen ein Rüstungskonzern.

Rheinmetall unter dem Naziregime

Wie produzierte Rheinmetall in der Nazizeit? Die Firma Rheinmetall beschäftigte unter Hitler Tausende Zwangsarbeiter in der Produktion von Rüstungsgütern. Der Boss von Rheinmetall, Hermann Röchling, gestorben 1955, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu zehn Jahren Haft verurteilt. Er hatte sich bei der Deportation von Zwangsarbeitern hervorgetan und war von Adolf Hitler zum Chef verschiedener Organisationen ernannt worden. Heute produziert Rheinmetall wieder für den Krieg, ebenso wie Daimler und viele andere deutsche Firmen. Grundlage des Wachstums der deutschen Rüstungsindustrie waren die Wiedermilitarisierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, auch die direkte Beteiligung der deutschen Bundeswehr am Krieg auf dem Balkan, später am Krieg in Afghanistan, und natürlich der weltweite Export von Rüstungsgütern.

20 Millionen Männer, Frauen und Kinder aus ganz Europa leisteten als „Fremdarbeiter“, Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge Zwangsarbeit

Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, auch Kinder, schufteten für Hitlers Reich, wie in der Ausstellung des Jüdischen Museum in Berlin dokumentiert wird (14). Im Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland auf nahezu jeder Baustelle und jedem Bauernhof, in jedem Industriebetrieb und auch in Privathaushalten Zwangsarbeiter ausgebeutet. Dort wie in den besetzen Gebieten mussten insgesamt über 20 Millionen Männer, Frauen und Kinder aus ganz Europa als „Fremdarbeiter“, Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge Zwangsarbeit leisten.

Die meisten Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen kamen aus militärisch besetzten oder in Abhängigkeit gehaltenen Ländern. Über ein Drittel von ihnen waren Frauen und Mädchen. 85 Prozent der Frauen, die manchmal auch Kinder mitbrachten oder im Lager gebaren, kamen aus der Sowjetunion und Polen. Viele der Verschleppten waren Jugendliche — nicht nur bei Daimler-Benz arbeiteten sogar Neunjährige, auch bei Rheinmetall arbeiteten unter den Nazis viele junge Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen.

Laut Wikipedia „arbeiteten während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Zwangsarbeiter in den Rheinmetall-Betrieben. Im Werk Unterlüß allein wurden am Kriegsende etwa 5.000 ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie Kriegsgefangene — circa 2.500 Polen, 1.000 aus der UdSSR, 500 Jugoslawen, 1.000 aus anderen Ländern — von den britischen Truppen befreit. Zeitweilig waren dort auch ungarische Jüdinnen in einem Außenlager des KZs Bergen-Belsen eingesetzt. Von den etwa 600.000 Arbeitern der Reichswerke Hermann Göring waren die Hälfte Zwangsarbeiter, verschleppt aus allen besetzten Gebieten“ (15).


Quellen und Anmerkungen:

(1) Der „Mohr“ hat ausgedient — Tagblatt der Stadt Zürich (tagblattzuerich.ch)
(2) www.publiceye.ch/de/
(3) Millionäre suchen Zuflucht in der Schweiz, von Albert Steck, NZZ am Sonntag, 13. Juni 2021.
(4) www.blick.ch/politik/ruestungsdeal-trotz-menschenrechtsverletzungen-schweizer-kanonen-schuetzen-wm-stadien-in-katar-id16570268.html
(5) www.beobachter.ch/wirtschaft/umstrittener-waffen-deal-schweizer-kanonen-fur-katar
(6) www.gsoa.ch/katar/
(7) Human Rights Watch (hrw.org), www.hrw.org/de/news/2021/03/29/katar-maennliche-vormundschaft-schraenkt-frauenrechte-stark-ein
(8) www.tagesspiegel.de/politik/katar-was-am-vorwurf-der-terrorhilfe-dran-ist/19898640.html
(9) Revealed: 6,500 migrant workers have died in Qatar since World Cup awarded | Qatar | The Guardian www.theguardian.com/global-development/2021/feb/23/revealed-migrant-worker-deaths-qatar-fifa-world-cup-2022
(10) www.amnesty.ch/de/ueber-amnesty/publikationen/magazin-amnesty/2016-2/katar-wm-der-schande.
(11) Petition: Keine Schweizer Flugabwehrsysteme für Katar! | GSoA - Gruppe für eine Schweiz ohne Armee
(12) brs-rheinmetall-2016.pdf (ohne-ruestung-leben.de)
(13) https://youtu.be/mlRT9ITkm7E
(14) http://de.wikipedia.org/wiki/Rheinmetall
(14) www.jmberlin.de
(15) de.wikipedia.org/wiki/NS-Zwangsarbeit


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