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Die undankbaren Palästinenser

Die undankbaren Palästinenser

Im Mittleren Osten werden Opfer zu Tätern erklärt.

Kushners zynischer „Jahrhundert-Deal“ für Palästinenser ist in Kraft
von Robert Fisk

Hinterher ist man immer klüger — wenngleich das unfair sein mag. Zuerst erklärt Donald Trump Jerusalem zur Hauptstadt von Israel und beraubt damit die Palästinenser ihrer Hauptstadt im Osten der Stadt. Die Palästinenser sind entsetzt.

Mahmoud Abbas sagt, er werde nicht mehr mit den USA sprechen. Daher wütet Trump, dass „wir den Palästinensern Hunderte Millionen Dollar jährlich bezahlen und weder Wertschätzung noch Respekt gezollt bekommen“. Es war nur ein Tweet, aber ein ernst gemeinter. Dieses undankbare palästinensische Pack!

Und er kürzt die US-Flüchtlingshilfe um 300 Millionen US-Dollar, was sich so auswirkt, dass die unterdrückten, belagerten und enteigneten Palästinenser nur noch bloße 60 Millionen US-Dollar bekommen.

Kürzungen beim UNRWA

Bereits jetzt muss das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), das internationale Hilfsleistungen für 5,3 Millionen palästinensische Flüchtlinge erhält, Mitarbeiter entlassen — alleine in Gaza 113 Angestellte in der letzten Woche.

Das UNRWA sorgt seit 1949 für die Palästinenser und verzeichnet bereits jetzt ein Minus von 49 Millionen US-Dollar. Seinen 30.000 palästinensischen Ärzten, Krankenpflegern, Lehrern und anderen Mitarbeitern droht die Arbeitslosigkeit.

Somit sind noch mehr der erschöpften, armen und zusammengedrängten Massen in Gaza vom Hunger bedroht. Einem 53-jährigen sechsfachen Vater wurde gerade eröffnet, er habe nach 32 Jahren Arbeit bei der UNRWA keinen Job mehr.

Aber halt! Es gibt Abhilfe! Hatte nicht Jared Kushner, Schwiegersohn des vorgenannten Trump und Spender eines Friedens-„Jahrhundertdeals“ für Palästinenser und Israelis gleichermaßen, der Verliererseite ein besseres Leben versprochen?

Geld statt Land für Frieden

Doch, das hat er tatsächlich. Vor nur einem Monat. Lassen Sie mich zitieren:

„Ich glaube, die palästinensischen Bürger sind weniger an den Argumenten der Politiker interessiert als an der Frage, wie ein Deal ihnen und ihren künftigen Generationen neue Möglichkeiten, mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze und Aussichten auf ein besseres Leben erschließen könnte.“

Ich habe schon früher angemerkt, dass dies Geld für Frieden statt Land für Frieden bedeutet – US-Dollars statt einer Hauptstadt in Jerusalem, statt der Beendigung jüdischer Kolonisation, statt eines „Rückkehrrechts“ und so weiter. Eine wahrhaft Trump‘sche Lösung.

Zuckerbrot und Peitsche

Die chronologische Rückschau der Ereignisse lässt den „Deal“ sogar noch zynischer erscheinen. Zuerst gibt Trump den Israelis Jerusalem. Dann, als die Palästinenser es wagen, sich zu beschweren, kürzt er ihre Hilfsleistungen und treibt sie in die Verzweiflung.

Danach bietet er ihnen an – mit freundlicher Empfehlung Jareds –, sie mit Geld in Form des „ultimativen Deals“ zu überschütten, wenn sie nur endlich mit ihren maßlosen, irrationalen, antisemitischen, naziartigen und rassistischen Forderungen nach Eigenstaatlichkeit, Würde und einem Ende der Kolonisation aufhörten.

Ihre Herzen mögen leer sein, aber ihre Mägen werden gefüllt. Ihre Hoffnungen mögen tot sein, dafür aber ihre Bankkonten in den schwarzen Zahlen. Statt all des Trübsinns und der Gewalt, die ihre korrupte politische Führung begünstigt hat, welche ihre eigenen Leute weder bezahlen noch mit Nahrung versorgen kann, können die Palästinenser nun aufrecht durchs Leben gehen – mit „neuen Chancen … besser bezahlten Arbeitsplätzen und Aussichten auf ein besseres Leben“. Ja, schauen Sie sich den Teil mit den „Aussichten“ mal genauer an.

Und mit so viel Kies im Umlauf braucht es dann ja auch keinen UNWRA mehr, oder? Denn dann gibt es ja keine verarmten Flüchtlinge mehr. Den Flüchtlingen geht es dann nämlich finanziell gut – wenn sie nicht sogar reich werden durch all die besser bezahlten Jobs und „Aussichten“. Tschüss Müllgruben von Gaza, tschüss Drohungen gegen Israel.

Und weil die gleiche finanzielle Erlösung auch den Palästinensern der Westbank zuteil wird – warum sollten sich diese Bewohner dann noch über den israelischen Landraub aufregen, der sie verschlingt? Erinnern wir uns nur an das Elend in den heißesten Tagen des Sommers 2018, als nicht einmal das UNRWA ihre Unterdrückung lindern konnte.

Die Gleichung lässt sich nicht verheimlichen. Als die Palästinenser gegen die Zerstörung ihrer politischen Bestrebungen protestierten – als sie sich weigerten, in der obszönen Semantik der US-Amerikaner und Israelis über „Frieden zu sprechen“ –, war man bereit, sie bewusst zu verarmen. „Wenn die Palästinenser nicht mehr bereit sind, über den Frieden zu sprechen“, sagte Trump, „warum sollten wir dann weiterhin diese enormen Zahlungen an sie veranlassen?“

Der Frieden: wirtschaftlich, nicht politisch

Mehr als die Hälfte der zwei Millionen Einwohner von Gaza sind, bei einer Arbeitslosigkeit von 44 Prozent, vom UNWRA abhängig. Mit anderen Worten: Die palästinensische Angelegenheit wird zu einer humanitären Angelegenheit – wie ein Mitarbeiter des UNWRA es ausdrückte. Der Frieden wird daher wirtschaftlicher und nicht politischer Art sein.

Die Saudis, Emiratis und Ägypter werden gerade dazu gedrängt, sich an diesem neuen levantinischen Goldregen zu beteiligen. Von Abu Dhabi bezahlte Elektrizitätswerke, ägyptische Duty-Free-Shops in Raffah, saudische Anteile an palästinensischen Unternehmen; Träume vielleicht, aber passend für die Massen.

Dubai in der Westbank, Singapur in Gaza

Irgendwie erinnert das alles an die alte Wunschvorstellung eines Dubai in der Westbank, eines Singapur in Gaza — was Shimon Peres befürwortet und sogar der bedauernswerte John Kerry vorgeschlagen hatte.

Wer erinnert sich schon heute noch an den vergessenen vier Milliarden Dollar schweren Wirtschafts-„Plan für Palästina“ des Außenministers, den er auf dem Weltwirtschaftsforum vor über fünf Jahren vorgestellt hatte?

Dem guten alten Abbas wurde damals auch gesagt, er „müsse“ die Verhandlungen mit Israel wieder ankurbeln, als Kerry von einem „bahnbrechenden Plan für die Entwicklung einer gesunden, nachhaltigen, vom privaten Sektor geführten palästinensischen Wirtschaft“ schwafelte, die „größer, kühner und ehrgeiziger als alles ist, was seit Oslo vor mehr als 20 Jahren vorgeschlagen wurde.“ Kerry bot wenigstens einen palästinensischen Staat als Gegenleistung für Abbas‘ Zustimmung an.

An dem heutigen Trump‘schen „Deal des Jahrhunderts“ ist jedoch nichts „bahnbrechend“ — außer dem fortdauernden Bahnbrechen für neue jüdische „Siedlungen“, wie wir sie noch immer nennen müssen, auf den Hügeln der Westbank.

Aber ich denke mal, die Palästinenser werden sich darauf besinnen – wenn sie weniger hungrig sind, etwas im Magen haben, sich auf bessere Jobs und „Aussichten“ für die Zukunft freuen und den Albtraum UNWRA abgeschüttelt haben –, um wieviel schlechter es ihnen ginge, wenn sie ihren eigenen Staat, eigene Grenzen, Sicherheit, Ost-Jerusalem und keine israelischen Kolonien auf besetztem palästinensischen Gebiet mehr hätten.


Robert Fisk ist Politikwissenschaftler und Journalist und lebt bereits seit 40 Jahren in der arabischen Welt. Seit 1989 ist er Korrespondent für den Mittleren Osten beim Independent in Beirut.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien unter dem Titel „Kushner’s Cynical 'Deal of the Century' for Palestinians in Action“. Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.**


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