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Die Unkultur der freien Welt

Die Unkultur der freien Welt

Der Tod von Charlie Kirk und das ihm folgende Medienecho zeigen eine Sache überdeutlich: Der Westen ist hysterisch und steht irgendwo zwischen Welt- und Bürgerkrieg.

Man hat den Eindruck, als sei Deutschland immer schon eine Expertennation in Sachen Charlie Kirk gewesen. Die in den Netzwerken geführten „Debatten” waren und sind keine — jeder instrumentalisiert das Attentat lediglich für die eigenen ideologischen Zwecke und sucht die Konfrontation im Kulturkampf. Und das aus einer gewissen Ahnungslosigkeit heraus, mit dem Namen eines Mannes, den man einige Tage, ja sogar nur wenige Stunden zuvor, noch nicht mal kannte. Kulturkampf: So nennt man das gemeinhin. Aber Kultur steckt in dieser Konfrontation zwischen zwei unversöhnlich wirkenden, sich gegenseitig beharkenden Gruppen nur sehr wenig.

Wir müssen unsere Werte verteidigen

Die Bilder gingen um die Welt. Der konservative Aktivist Charlie Kirk, verheiratet, Vater zweier Kinder, wurde am 10. September 2025 um 12:23 Uhr auf dem Campus der Utah Valley University in Orem erschossen — das entsprach 20:23 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Die Bilder der Hinrichtung auf offener Bühne gingen sofort viral. Kirk sitzt und hält ein Mikrofon in der Hand, dann zuckt er kurz zusammen, kippt unmittelbar seitlich weg. Ein Schwall Blutes spritzt aus seiner Halsschlagader.

Kirk wurde tödlich von einem Projektil getroffen. Panik bricht unter den Zuschauern aus, einige versuchen, sich hinter der Bühne zu verschanzen. Viele Anwesende liefen jedoch unkontrolliert auseinander, die meisten bewegten sich jedoch instinktiv weg von der Bühne. Der Schütze hatte von einem Dach aus geschossen. Wenige Minuten später wusste die ganze Welt, dass sich in den Vereinigten Staaten abermals die Fronten der nationalen Spaltung verhärten.

Kirk galt als konservativer Influencer. Daraus wird im heutigen Kulturkampf sofort, dass er ein rechter oder gar rechtsextremer Einflussagent war. Er pflegte persönliche Kontakte zu Donald Trump und sprach sich für traditionelle Werte des Konservatismus aus — zudem war er starker Befürworter des freien Waffenbesitzes, was viele Kritiker in Deutschland sofort als ausgewiesen rechts interpretieren.

Wahr ist, dass die Frage des Waffenbesitzes die Nation spaltet, dass aber per se Republikaner oder gar rechtsradikale Kreise Waffenbesitz verteidigen, ist absolut falsch. Zwar sind es mehrheitlich die US-Demokraten, die mit der Freiheit des Waffenbesitzes hadern, aber sie wollen den zweiten Verfassungszusatz, der das regelt, nicht gleich abschaffen, sondern lediglich strengere Regeln dafür beschließen — auch das nur in der Theorie, denn wo immer Democrats im Amt sind, lassen sie die Finger davon, um die Wählerschaft nicht zu verprellen: Denn die legt großen Wert auf die Freiheit des Waffenbesitzes, der für sie auch eine Sicherheitsgarantie gegen eine tyrannische Regierung darstellt. Kirk war in dieser Frage also nur ein ganz „normaler“ Amerikaner — weswegen viele seiner Kritiker Aussagen von ihm zitierten, die belegen sollten, dass er ein schlimmer Finger war und zu Recht vom Antlitz der Erde verschwand.

Die Netzwerke zeigten Bilder von Leuten, die jubelten und feierten — auch die Linksjugend in Deutschland fühlte sich bemüßigt klarzumachen, dass rechte Politik eben zu blutigen Patronen führt.

Andere wiederum behaupteten, dass die präsentierten Aussagen Kirks, die darlegen sollten, dass er wirklich ein rechtsextremer Charakter war, stark aus dem Kontext gerissen wurden. Selbst das ZDF musste klarstellen, dass die Einschätzung ihres Universalexperten Elmar Theveßen verzerrt war.

Für andere wiederum wurde Kirk zu einer Heilsfigur. Sein Tod ließ ihn für viele zum Märtyrer werden — womit er als Person unantastbar sein sollte. So tragisch das ist: Kirks Ermordung war nur der Aufhänger für eine weitere Folge, die belegt, wie gespalten die Gesellschaften der USA und der Bundesrepublik mittlerweile sind. Da wird auf offener Bühne ein Familienvater erschossen und in vollkommener Pietätlosigkeit nutzt man den Vorfall, um die eigenen politischen Positionen zu forcieren — und das nicht nur in Unkenntnis der Hintergründe, sondern auch ohne überhaupt so ganz genau zu wissen, wer dieser Charlie Kirk letztlich war — das soll auch in diesem Artikel gar nicht geklärt werden. Plötzlich tun alle so, als hätten sie dessen Werk schon über Jahre verfolgt und könnten genau taxieren, welche Absichten er in Wahrheit hatte.

Die einen üben sich in gekonnter Menschenverachtung und erklärten Kirk zum Opfer seiner selbst, weil er seine Ermordung gewissermaßen heraufbeschworen und damit auch verdient habe — die anderen steigen in diese Menschenverachtung mit ein, indem sie nicht nur auf die pietätlose Selbstgerechtigkeit hinweisen, sondern auf dem Rücken des Toten diesen Kulturkampf forcieren und jemanden zu einer Ikone erklären, den sie gar nicht kennen.

Beide Seiten hantieren mit Beleidigungen, Schmähungen und Hass. Das ist die Grundhaltung, die Morde begünstigt.

Kalter Bürgerkrieg

Was wir in den Vereinigten Staaten erleben und wohin auch dieses Deutschland sich bewegt, scheint ganz offenbar: Die Gesellschaft wird — man muss annehmen gewollt und gezielt, das scheint die eigentliche Aufgabe sogenannter NGOs zu sein — gegeneinander in Stellung gebracht. Das Prinzip ist ein alter Hut: Teilen und herrschen. Erst wenn es keine Aussicht mehr auf ein halbwegs einiges Gemeinwesen gibt, lässt sich Herrschaft in einem Zustand relativer Unkontrolliertheit ausüben. Vereinfacht gesagt: Wenn sich die Gruppen über einen US-amerikanischen Influencer, den sie vormals noch nicht mal kannten, bis aufs Blut streiten, interessieren sie sich deutlich weniger für Rentensparpläne und Sozialabbau.

Längst hat die Spaltung aber so tiefe Gräben verursacht, dass auch das Wort Kulturkampf nicht mehr passend erscheint. Während der Virusjahre ging man dazu über, die Spaltung beim Namen zu nennen. Es gab sie schon vorher, Deutschland bewegte sich seit den Reformjahren der frühen 2000er-Jahren auf die innere Zerrissenheit zu. Wer damals gegen den Sozialabbau demonstrierte, der wurde zwar noch nicht in die rechte Rolle gedrängt, diesen Kniff ersann man erst etwas später, aber er machte sich verdächtig: Schnell galten solche Kritiker als Sozialromantiker, als Leute, die an gestrigen Ideen festhielten und dem Fortschritt im Wege stünden — der spätere Bundespräsident Joachim Gauck monierte zudem, dass immer montags gegen Sozialabbau demonstriert würde. Er stieß sich seinerzeit daran, dass die Gegner der Agenda 2010 mit Kalkül den Montag als Demonstrationstag wählten, um sich in die Nähe der friedlichen Revolution zu rücken und damit Ruhm für sich in Anspruch zu nehmen, der solchen Leuten nicht gebührte. Die Finanzkrise vertiefte die Spaltung, für einen kurzen Augenblick kam Kritik an den Gepflogenheiten des Neoliberalismus auf — aber danach ging das Casino weiter und die Menschen erkannten, dass Leistung sich sicher nicht lohnt.

Die Flüchtlingskrise machte diese Spaltung dann erstmals für breite Teile der Öffentlichkeit offensichtlich. Mit ihr kam das Brandmarken von kritischen Geistern als „rechtsoffen” in Mode. Aber dennoch versuchten Politik und Medien die Spaltung noch zu kaschieren, man sei als Gesellschaft unteilbar, wie die Politik eine Weile lang mit freundlicher Mithilfe von NGOs skandieren ließ. Mit Corona fiel dieser Anspruch, nun setzte man radikal darauf, die Gesellschaft zu zerreißen. Was auch gelang. Seither gibt es kein Thema mehr, das sich noch gelassen gesellschaftsübergreifend diskutieren ließe.

Kulturkampf: So bezeichnen es einige. Aber welche Kultur soll das sein? Meinungen werden nur noch plakativ vorgetragen, Andersdenkende per se verurteilt — man beleidigt sich, hasst aus voller Inbrunst heraus. Keiner will mehr mit keinem sprechen. Das Land führt Monologe, der Dialog wird zunehmend ausgeschlossen.

NGOs sorgen dafür, dass immer wieder nachgelegt wird, sie bringen Debattenbeiträge ein, die darauf abzielen, die Gesellschaft mit neuerlichen Diskursen zu beschäftigen und zu zerreißen. In den Vereinigten Staaten sind viele längst — und viel stärker als hierzulande — zu physischen Übergriffen übergegangen. Dort herrscht eine Art kalter Bürgerkrieg. Der ist noch nicht vollkommen ausgebrochen, zeichnet sich aber ab. Donald Trump ist dabei nicht die Ursache, sondern das Symptom einer Zeit, die tatsächlich reif scheint, in einem Bürgerkrieg zu enden.

Deutschland ist stramm auf dem Weg dorthin — nicht nur Deutschland: Ein Blick nach Großbritannien lässt erkennen, dass auch auf der Insel die Stimmung derart polarisiert ist, dass ein solcher Waffengang nicht mehr ausgeschlossen scheint. Frankreich brodelt — und in Spanien zündelt der Ministerpräsident mit der Einheit der Nation. Man kann freilich für die Souveränität eines palästinensischen Staates eintreten, keine Frage — aber doch nicht als Regierungschef eines Landes, in dem Volksgruppen immer wieder und mit verschieden starker Intensität auf Autonomie drängen. Pedro Sánchez Aussagen zu Palästina spielen den Katalanen, den Basken, den Galiciern und Kanaren in die Karten und ermutigen sie. Wem dient Sánchez also wirklich? Ist seine Agenda, das Land in einen Bruderkrieg zu stürzen?

Gegen den Russen oder den Bruder?

Die westlichen Gesellschaften sind zerrissen. Professor David Betz vom Londoner King’s College befasst sich mit allerlei Kriegsformen. Er forscht zu Hybrid- und Informationskriegen, aber legt ein besonderes Augenmerk auf Rebellionen, Aufstände und Bürgerkriege. Für den Briten ist es eine Frage der Zeit, bis die westliche Welt in Bürgerkriegen versinkt. Dafür gibt es markante Indizien, erklärt er. Wachsende Armut alleine genüge nicht, um ein Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen. Wesentlich bedeutender seien enttäuschte Erwartungen — über Jahrzehnte sei es üblich gewesen, den eigenen Kindern ein schöneres Leben zu ermöglichen, sie sollten es mal besser haben, als man es selbst hatte. Diese Entwicklung sei nun allerdings rückläufig, wenn die Kinder eines Tages einigermaßen über die Runden kämen, müsste man das heute schon als Erfolg betrachten. Außerdem sei die Spaltung in den Diskursen ein Indikator für eine Verschärfung der Bürgerkriegsgefahr: Niemand ringe mehr um bessere Argumente, sondern jeder werfe sich nur noch Meinung und Haltung an den Kopf. Massive Zuwanderung käme außerdem hinzu:

Die Angst vor dem „Downgrading” könne Aufstände begünstigen, wie Betz sagt. Befürworter starker Zuwanderung haben immer wieder erklärt, dass sich der alte weiße Mann überrumpelt fühle, und haben das pathologisiert und lächerlich gemacht — Betz erklärt, man müsse das ernstnehmen und dürfe es nicht als verwerflich einstufen, denn das birgt Gefahren. Dass außerdem die Politik als zunehmend unfähig erachtet wird, gesellschaftliche Probleme zu lösen: Auch das wirkt auf einen möglichen Bürgerkrieg hin.

In Deutschland ist man mittlerweile dazu übergegangen, alleine die Rede oder Warnung vor einem drohenden Bürgerkrieg als rechtslastig einzustufen. Der politisch-mediale Komplex hat die Gefahr offenbar erkannt. Statt den gefährlichen Entwicklungen entgegenzuwirken, wird nun versucht, all jene zu diskreditieren, die die Gefahr heraufdämmern sehen und es auch aussprechen. Dass speziell die Migration als ursächlich für eine solche Entwicklung betrachtet werden könnte, wird unmittelbar als rechtsextremer Reflex eingeordnet. Verbunden wird diese Diffamierung damit, dass jemand, der vor dem Bürgerkrieg warnt, ja ganz offensichtlich seine Gewaltbereitschaft zeigt. Logisch ist das nicht, es wirkt eher wie der verzweifelte Versuch, das Unabwendbare abzuwehren.

Vielleicht muss man die Kriegsertüchtigungspolitik der letzten Jahre auch in diesem Kontext sehen. Wenn man die zunehmende Gewaltbereitschaft und den Hass innerhalb der Gesellschaft nun eilends uniformiert und gegen einen äußeren Feind bündelt, dann lässt sich so ein Bruderkrieg vielleicht doch noch vermeiden und Europa rutscht nicht ins selbstgemachte Elend ab. Als Beobachter könnte man dieser Tage wirklich den Eindruck bekommen, dass wir mitten in einem Wettrennen sind: Schaffen es die europäischen Gesellschaften noch rechtzeitig, ihr Gewaltpotenzial Richtung Osteuropa zu wenden? Oder versinken ihre Nationen in einer Gewalt, die zuhause ausgetragen wird? Welchen Krieg hätten’s denn gerne?


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