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Die Vorwurfs-Falle

Die Vorwurfs-Falle

Wir können andere nicht zwingen, sich zu ändern; aber wir können sie durch unser Vorbild dazu einladen.

von Hannes Kerska

„Man kann andere Menschen nicht erziehen, aber man kann sie einladen“ (1).

„Sie können keinen Menschen bilden. Hirntechnisch geht das nicht. Der kann sich nur selber bilden, aber der bildet sich nur selber, wenn er will und Sie können keinen zwingen, dass er sich bilden will, sondern Sie können ihn nur einladen. Und das ist Erziehungskunst“ (2).

Seit ich diese Sätze des Hirnforschers und Buchautors Gerald Hüther zum ersten Mal hörte, gehen sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Sie haben meine Sicht auf das Leben, vor allem darauf, wie man zu Veränderungen anregt, nachhaltig verändert. Inzwischen ist es sogar meine feste Überzeugung, dass in den Menschen nur das Einladen dauerhafte Veränderungen bewirken kann.

Warum kann es anders nicht klappen? Inzwischen ist auch in der Psychologie anerkannt, dass man erst einmal allen Dingen mit Skepsis begegnet, die mit den eigenen Überzeugungen nicht übereinstimmen. Wird unser Lebensstil kritisiert, machen wir innerlich alle Türen und Fenster zu, denn wir fürchten um unseren inneren Halt, unsere Glaubwürdigkeit und alles, was daran hängt. Wer einen Beweis dafür braucht, der schaue nur in Politikdebatten, in denen sich die Grenzen zunehmend verhärten. Aber jeder noch so kleine Alltagsstreit, wenn jemand keine Kritik verträgt, kann es genauso zeigen.

Eine Einladung wiederum steht einfach im Raum und wird meist dann wahrgenommen, wenn man mit Freude darauf eingehen möchte. Und es ist gerade die Freude, die uns den besten inneren Antrieb zu etwas gibt, sei es zum Lernen, Arbeiten oder auch, um das eigene Leben nachhaltig neuzugestalten. Zu dieser intuitiven Feststellung ist inzwischen auch die Hirn- und Lernforschung gekommen.

Wie kann man aber wahrhaftig einladen?

Um jemanden einladen zu können, muss man selber bereits dort sein, wohin man die Leute einlädt. Sprich, wenn unsere Art oder unsere Ausstrahlung einladend wirken, dann lässt man sich auch gerne auf uns ein.

Dazu gehört zunächst einmal, dass wir selbst die Freude ausstrahlen, nach der sich andere Leute sehnen. Eine Freude, die erfüllt, an der man teilhaben möchte und die gerne geteilt wird, weil sie stets nachfließt. Es ist die Freude, einem hohen Ziele nachzueifern, die von jeder noch so kleinen guten Veränderung, die wir wahrnehmen, genährt wird.

Freude jedoch bedingt Lebendigkeit und Lebendigkeit wiederum Beweglichkeit. Dogma, Eintönigkeit und Routine lassen jede Freude schnell verebben. Sie sind die Feinde von Lebendigkeit und Freude. Wer möchte denn auch Leuten folgen, die ständig nur mit allem hadern aus einer Furcht heraus, bestimmte Regeln nicht aufs Ganze einhalten zu können. Solche Menschen wirken meist auch nicht wirklich glücklich.

Diese Lebensweise ähnelt einem Reiter, der seinem Pferd nicht das kleinste Abweichen erlaubt und es nach und nach blutig reißt. Er erwirkt zwar Gehorsam, aber nie Ergebenheit, weil er dem Pferd stets den eigenen Willen gewaltsam entgegensetzt. Der Frust staut sich auf und das Pferd gleicht dann einem Pulverfass. Anders aber ein Reiter, der mit Tieren umzugehen weiß und sie versteht: Er wird ab und an nachgeben, weil er die Bedürfnisse kennt und das Lebewesen sieht, das ihn trägt, und nicht nur seinen eigenen Willen. Beide arbeiten zusammen und kommen froh ans Ziel. Das Pferd trägt ihn gerne und ist ihm treu ergeben.

Und so muss es auch mit unserem Leben sein — oder besser gesagt: mit unserer Lebensweise. Sie soll uns tragen, ohne dass wir mit starrer Gewalt auf unsere Freude hinarbeiten. Das heißt natürlich auch zu erkennen, dass man selbst nicht perfekt ist und nicht ständig alle Ideale aufs Ganze erfüllen kann. Doch wenn wir uns die Freude bewahren, so werden wir nicht müde, uns dem Ziel Stück für Stück zu nähern.

Sicher: die Angst, plötzlich nicht mehr als glaubwürdig oder wahrhaftig zu gelten, wenn man ab und an von einem Ideal abweicht, ist verständlich. Aber auch nur, wenn man sich vorher als jemand präsentiert hat, der alles richtig macht. Jemand, der sich nicht darum kümmert, wie er dasteht, sondern dem es vor allem um die Sache geht, der wird nicht versuchen, seine ganze Lebensart als scheinbar perfektes Bündel in die Welt zu tragen. Sondern er wird lebendig und beweglich die einzelnen Aspekte da anbieten, wo sie nützen können. An jemandem wie ihm wird man auch nicht so schnell die Fehler suchen, weil eine einladende Art niemandem auf die Füße tritt.

So wie das Gute niemandem die Türe eintritt, so wird eine wirklich einladende Art die Nebenmenschen nie persönlich angreifen oder ihnen Vorwürfe machen.

Einem solchen Menschen ist klar, dass er sein Umfeld den Verbesserungen nur näherbringen kann, wenn seine Art ein erstrebenswertes Ziel hierfür darstellt. Er sieht die Arbeit an sich selbst als eine Arbeit für die Anderen an. Deshalb müht er sich auch, zuallererst auf seine eigenen Fehler und Schwächen zu schauen, vor allem da, wo er an den Mitmenschen und der Umwelt aneckt. Er ist deshalb nicht zurückgezogen oder verbirgt seine Überzeugung. Im Gegenteil, er wird freudig dafür einstehen, was seine Überzeugung ist, wird diese niemandem aufzwingen, aber gerne Antwort geben, wenn man ihn darauf anspricht. Er wird sich selbstverständlich auch empören können dort, wo er großes Unrecht sieht.

Das Arbeiten an uns selbst ist sicherlich nichts Einfaches. Doch vielleicht fühlt es sich nur deshalb so an, weil wir uns dessen schon viel zu lange entwöhnt haben. Ähnlich wie ein Weg, der nicht benutzt wird und mit Dornengestrüpp zuwuchert. Wir haben kein Problem damit, Sport zu treiben und an unseren Körpern zu arbeiten. Warum nicht das gleiche für unseren Lebensstil als Ganzes tun? Ein jeder kann sich selbst fragen, welche Lebensart die Menschheit auf lange Sicht dem großen Ziel näherbringt, im Einklang mit der Natur und miteinander zu leben.
Im Ringschluss zu den einführenden Sätzen von Gerald Hüther sei abschließend noch ein Zitat von Rumi mit auf den Weg gegeben:

„Gestern war ich klug und wollte die Welt verändern. Heute bin ich weise und möchte mich verändern“ (3).


Quellen und Anmerkungen:

(1) Dokumentarfilm „Alphabet“, Erwin Wagenhofer, AUT 2013. Zeitstempel: 0:30:33.
(2) ebenda. Zeitstempel: 0:30:41.
(3) Großhans, M.: 365 Weisheiten der einflussreichsten Menschen aus Buddhismus, Philosophie, Psychologie und Stoizismus: Mit ausführlichen und verständlichen Erklärungen zur täglichen Reflexion und Veränderung, Norderstedt, 2018, S. 45.


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