De Lapuente: Die Europäische Zentralbank arbeitet nach wie vor an einem digitalen Euro. Wie kämpft man als Initiative gegen diese Goliaths, die sich da formieren?
von Holst: Indem man den Kampf meidet. Digitales staatliches Geld kann dem analogen staatlichen Geld, dem Bargeld, gefährlich werden. Vor allem deshalb, weil der geplante digitale Euro die größere politische Unterstützung besitzt als Banknoten und Münzen. Das berichten mir Menschen, die an den Verhandlungen beteiligt sind. Aber das ist auch offensichtlich, wenn man vergleicht, welche Privilegien die EU-Kommission für den digitalen Euro vorgesehen hat und welche sie dem Bargeld vorenthält. Wir fordern die Gleichbehandlung des Bargelds, setzen uns also für das Bargeld ein, nicht gegen den Digital-Euro. Vergangenes Jahr haben wir deshalb eine Petition an EU-Parlament und EU-Ministerrat gestartet. Fast 200.000 Menschen haben sich schon angeschlossen, darunter prominente Stimmen wie der Ex-Bundesbank-Vizepräsident Franz-Christoph Zeitler.
Sie streben also eine Gleichstellung zwischen digitalem und fassbarem Geld an?
Ja, es kann nicht sein, dass die Banken jedem Bürger digitale Euros für Zahlungszwecke bereitstellen müssen, während sie weiterhin nicht verpflichtet sind, ein Geldautomatennetz zu unterhalten oder Ladenbetreiber mit Bargeld zu versorgen. Außerdem dürften Händler den digitalen Euro nicht ablehnen, wenn der Kunde damit bezahlen will. Das steht klipp und klar in Artikel 10 der Digital-Euro-Verordnung.
Beim Bargeld dagegen bleibt es eine Frage der Rechtsprechung, ob Apotheken, Bäckereien oder Cafés Münzen und Geldscheine mit einem Schild an der Tür ablehnen können.
Viele Juristen sehen das als legitim an. Das EU-Parlament hat aktuell die seltene Chance, das Bargeld zu schützen. Ich hoffe, dass mein Buch „Krieg gegen das Bargeld“ mediale Aufmerksamkeit erzeugt, sodass seine Botschaft die Gesellschaft erreicht und die Ungleichbehandlung des Bargelds zu offensichtlich wird. Das Buch erscheint am 30. Juni 2025.
Wie oft haben Sie schon gehört, dass Sie eigentlich nur ein Fortschrittsverweigerer sind?
Durch die Blume wird mir manchmal nahegelegt, den Teufel nicht an die Wand zu malen und besser daran zu glauben, dass die Digitalisierung ein ganz natürlicher Entwicklungsprozess ist. Aber das ist sie nicht.
Die Finanz- und Digitalindustrie möchte uns glauben machen, dass es Fortschritt ist, wenn wir von ihr abhängig werden und sie mit jeder digital erfassbaren Handlung unseres Lebens bereichern. Echter Fortschritt ist innere menschliche Entwicklung.
Welche drei Schlagworte würden Sie nennen, wenn ich nach den Motiven frage, die diejenigen antreiben, die eine Gesellschaft ohne Cash für wünschenswert halten?
Es sind nur zwei: Profit und Kontrolle. Ein Mensch will wirkungsvoller in seinem Leben sein. Genauso sind große Institutionen darauf aus, ihren Einfluss auszubauen. Die Konzerne wollen wissen, wofür Menschen ihr Geld ausgeben. Und die Finanzwirtschaft möchte überall die Hand aufmachen, wo zwei Menschen Ware gegen Geld tauschen. Auch der Staat ist mit von der Partie. Vorgeblich will er die Kriminalität bekämpfen und fördert deshalb digitale Zahlungen, während er Barzahlungen immer weiter beschränkt. In Griechenland muss man ab 500 Euro mit Karte bezahlen. Auch 200 Euro waren bereits angedacht. Regierungen wollen tendenziell einen folgsamen Bürger, der alles mitträgt. Sein Leben wird immer besser überwacht. Sie haben nicht verstanden, dass ein Volk von obrigkeitshörigen Bürgern unregierbar ist.
„Eine Bargeldabschaffung wäre Bestandteil einer neuen totalitären Sicherheitsstruktur.“
Das müssen Sie erläutern.
Käme ein Minister auf die Idee, mit behördlicher Hilfe die Anti-Bargeld-Kampagnen der Finanzkonzerne zu widerlegen, für das Bargeld zu werben und die Banken zu einer kostenlosen flächendeckenden Bargeldversorgung zu verpflichten, müsste er mit Gegendruck rechnen. Vielleicht dauert es nicht lange und er stolpert über einen öffentlich ausgetragenen Skandal. Das funktioniert dann aber nur aus einem Grund: weil der Bürger darauf hört, was andere sagen, anstatt die Dinge selbst in aller Ruhe zu durchdenken, die Konsequenzen daraus zu ziehen und für eine wünschenswerte Zukunft einzustehen.
Die Bürger sehen aber natürlich auch die Vorteile von bargeldlosen Angeboten — womit wir beim Punkt wären: Mit welchem Pfund kann denn das Bargeld wuchern?
Als ich mein Buch schrieb, hatte ich mich mit gut 15 Studien zum Konsumverhalten auseinandergesetzt. Die Forschungslage ist eindeutig: Wer bar bezahlt, erinnert sich besser an seine Einkäufe, an die Kosten und entwickelt ein Gefühl, wie viel er sich noch leisten kann. Kartenzahler geben deutlich mehr Geld aus. Kampagnen wie „Deutschland zahlt digital“ bewerben das Schlechte als das Gute. Nicht gegenüber uns, sondern gegenüber dem Handel und der Gastronomie. Schon auf deren Internetseite steht, dass Unternehmen mit mehr Umsatz und mehr Spontaneinkäufen rechnen dürfen, sobald sie ein Kartenbezahlgerät anbieten.
Herr von Holst, wie würden Sie einem unbedarften Bürger denn eine Gesellschaft ausmalen, die komplett bargeldlos arbeitet?
Denken Sie an ein Kind mit einer Kreditkarte in der Hand. Es lernt das Konsumieren, aber nicht den guten Umgang mit Geld. Die Eltern verhängen Taschengeld-Sanktionen, wenn zu viele Süßigkeiten abgebucht werden. Papa Staat, später dann, hat die Ausgaben auch fest im Blick, aber damit ist man ja aufgewachsen.
Um zu überleben, muss man den ganzen Tag für Großkonzerne schuften. Die Entlohnung für die eingebrachte Lebenszeit darf man nicht in eigenen Händen halten. Die gehört den Banken, die für ihre Dienste kräftig zulangen.
Dann kommt der Tag, an dem Sie den Menschen in sich spüren und sich das alles nicht mehr gefallen lassen wollen. Sie gehen zum Bäcker, aber der Bezahlvorgang scheitert. Auch beim Supermarkt gegenüber: keine Chance. Ob Sie kaufen oder verkaufen können, entscheiden nicht mehr Sie, sondern die Technik, die Banken und der Staat.
Sprich, die Digitalität der Bezahlvorgänge ist Bestandteil einer neuen totalitären Sicherheitsstruktur, die jetzt überall ins Auge gefasst wird und mal „Zeitenwende“, mal „Transformation“ heißt?
Sie wird deren Bestandteil sein, wenn wir unsere Freiheit nicht nutzen. Darum appelliere ich: Wenn Sie an der Ladenkasse stehen, greifen Sie zu Bargeld. Und sprechen Sie mit Ihren Mitmenschen. In meinem Buch „Krieg gegen das Bargeld“ lege ich dar, warum wir Bargeld brauchen. Reichen Sie die Botschaft weiter, damit eine echte Entwicklung in Gang kommt und eine gute Zukunft gelingt.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Bargeldabschaffung: ‘Regierungen wollen tendenziell folgsame Bürger’“ im Overton Magazin.
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