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Digitaler Vegetarismus

Digitaler Vegetarismus

Ein Aufruf, auf Geräte zu verzichten, deren Herstellung Umwelt und Menschen zerstört! Teil 2/6.

Wie im ersten Teil der Serie beschrieben, sind die Zustände bei der Gewinnung der Rohstoffe für digitale Geräte so katastrophal, dass der möglichst weitgehende Verzicht auf die Nutzung und die Beschaffung digitaler Geräte selbstverständlich sein sollte. Schaut man sich die zweite Phase des Lebenszyklus näher an, wird diese Einsicht leider noch vertieft.

Zwischen den Phasen liegen Transporte

Zunächst müssen die Rohstoffe zu den Chip-Fabriken transportiert werden, in denen die digitalen Schaltkreise hergestellt werden sollen. Transporte finden zwischen allen Phasen des Lebenszyklus statt, die Probleme sind immer die gleichen, die Darstellung an dieser Stelle ist also für alle Transporte gültig.

Alle Transportvorgänge – per Straße, See und Luft – finden wenig Beachtung, obwohl beispielsweise 95 Prozent der Konsumgüter, die in hiesigen Läden angeboten werden, irgendwann einmal mit einem Schiff transportiert wurden. Die Einzelteile mancher Produkte haben von der Rohstoffgewinnung bis zur fertigen Ware sogar bis zu dreimal den Globus umrundet.

Die Transportkosten verteilen sich sehr unterschiedlich, ein Beispiel: „Ein Laptop, Tablet oder Computer kommt in der Regel aus Asien auf einem Schiff nach Europa. Nimmt man einen Durchschnittspreis von etwa 600 Euro an, so belaufen sich die Transportkosten von Asien bis beispielsweise Rotterdam, Europas größtem Hafen, auf rund 0,80 Euro – der Weitertransport von Rotterdam via Schiene oder Lkw nach Frankfurt, Leipzig oder Nürnberg aber kostet 25 Euro“ (1).

Bei allen Transporten werden Treibstoffe verbraucht und Schadstoffe in die Umwelt eingebracht, die insbesondere beim Transport mit dem Schiff hochgiftig sind, da Altöl als Treibstoff verwendet wird. Eine vertiefte Darstellung findet sich auf Wikipedia unter „Emissionen durch die Schifffahrt“.

Wenig Aufmerksamkeit finden die Transporte, weil sie für die Nutzer der Geräte (fast) nicht sichtbar sind. Werden sie sichtbar, ist die Aufregung groß, wie sich beim kürzlichen Verlust von etwa 250 Containern in der Nordsee gezeigt hat. Da der Inhalt aus nur drei (!) Containern an die Strände von Nordsee-Inseln gespült wurde, konnte man den Seetransport nicht mehr ignorieren.

Ignoriert wird aber weiterhin die Größenordnung der Probleme: Jährlich gehen ungefähr 10.000 Container beim Transport verloren. Das geht zwar in den Verkaufspreis der Geräte ein, die dabei entstehenden Umweltschäden müssen aber die nachfolgenden Generationen übernehmen.

Die Arbeitsverhältnisse beim Transport auf der Straße (1, Seite 6)) und zur See sind oftmals mehr oder minder prekär, auf See gibt es auch Sklavenarbeit (1, Seite 11). Auch beim Transport wird also menschliche Arbeitskraft missbraucht und Raubbau an menschlicher Gesundheit betrieben. Bekannt ist, dass auch beim Transport auf der Straße und in der Luft große Umweltschäden entstehen.

Beim Transport entstehen also immer Umweltschäden sowie Schäden an Leib und auch Leben der Beschäftigten, die allerdings kaum dort wahrgenommen werden, wo die digitalen Geräte letztlich genutzt werden.

Umwelt und Menschen werden bei der Herstellung der integrierten Schaltkreise massiv geschädigt

Es ist sehr schwer, an Angaben über die Verhältnisse in der Chip-Produktion zu kommen. Das ist vermutlich so, weil sich dieser Arbeitsschritt besonders gut eignet, hinter der glänzenden Fassade der digitalen Geräte zu verschwinden: In Berichten sind überwiegend hochtechnische Fabrikhallen zu sehen, von Reinstraum ist die Rede, die Arbeiterinnen und Arbeiter erscheinen wie Wesen aus einer anderen Welt. Erschwert wird die Suche nach Informationen auch dadurch, dass die Schaltkreis-Hersteller ihre Fertigung beispielsweise von den USA weg oft in den asiatischen Raum verlegt haben.

Was bekannt ist, sind die hohen Baukosten für die Halbleiterwerke, die sogenannten Fabs, die mehrere Milliarden Dollar betragen können. Beispielsweise kostete das 2012 in Betrieb genommene Halbleiterwerk 15 von TSMC in Taiwan rund 9,3 Milliarden Dollar.

Die extrem hohen Kosten erzeugen einen enormen Druck, die Herstellerwerke auszulasten. Es sollen möglichst hohe Stückzahlen erzeugt und abgesetzt werden, was nur möglich ist, wenn die vorhandenen digitalen Geräte schnell durch neue ersetzt werden, obwohl sie noch voll funktionsfähig sind und die vorhandenen Funktionen auch für die anspruchsvolle Nutzung mehr als ausreichend sind.

Man kann davon ausgehen, dass sich die Verhältnisse inzwischen teilweise verbessert haben, da den Umweltschäden und den gesundheitlichen Belastungen eine größere Aufmerksamkeit zugekommen ist. Andererseits ist zu erwarten, dass sich insbesondere die Mengen der für die Herstellung verwendeten Rohstoffe erhöht haben, weil die laufende Verkleinerung der Strukturen auf den Schaltkreisen immer aufwändigere Verfahren erfordert. Diese Verkleinerung der Strukturen hat dazu geführt, dass die Baukosten für die Halbleiterwerke immer weiter angestiegen sind.

Die Herstellung der Chips ist zeit- und materialaufwendig. Für einen Chip dauert sie etwa zwei Monate und es werden ungefähr 300 verschiedene Materialien verwendet, die teilweise hochgiftig sind. Eine Übersicht über die zehn gefährlichsten Materialien und ihre Gefahren für die Gesundheit der Beschäftigten liefert die Plattform OpenStax (2). Dort ist auch nachzulesen, dass in einer Chip-Fabrik täglich etwa 20 Millionen Liter Wasser und etwa 300.000 Kilowattstunden elektrische Energie verbraucht werden.

Im Durchschnitt entstehen bei der Produktion eines Silikon-Wafers mit 200 Millimeter Durchmesser 16 Liter verschmutztes Wasser, 12 Kilogramm chemische Abfälle und etwa 0,85 Kubikmeter gefährliche Gase (2). Diese Abfälle müssten aufwendig gereinigt oder entsorgt werden, gehen aber zu einem sehr großen Teil in die Umwelt (2), was für den Hersteller mit Kostenreduktion verbunden ist.

Die Arbeit unter Reinstraumbedingungen ist sehr anstrengend, durch Stress, aber auch durch Kontakt mit Giften wird teilweise die Arbeitskraft der Beschäftigten ruiniert und ist damit vernichtet. Die Arbeitsanzüge der Beschäftigten dienen übrigens nicht in erster Linie dem Schutz der Beschäftigten, sie sind vielmehr ein Mittel, um die hohe Reinheit der Fabrikationshallen zu erreichen. Schon seit Jahren wurden immer wieder Prozesse geführt, um die Hersteller für die entstandenen Gesundheitsschäden der Beschäftigten zur Verantwortung zu ziehen.

Beispielsweise sind bei dem Elektronik-Konzern Samsung 320 Krankheitsfälle und 118 Tote dokumentiert, überwiegend sind diese Menschen an Krebs erkrankt und gestorben.

Jahrelang musste gegen Samsung geklagt werden, bis sich der Hersteller zu Entschädigungen und einer Entschuldigung bereit erklärt hat (3). Auch die Herstellung der integrierten Schaltkreise ist also mit der Schädigung der Umwelt und der Gesundheit bis hin zum Tod von Beschäftigten verbunden. Nimmt man die im ersten Teil dargestellten und die beim Transport entstehenden Schäden hinzu, sollte der möglichst weitreichende Verzicht auf die Beschaffung und Benutzung digitaler Geräte eigentlich selbstverständlich werden.

In einem Artikel bei Rubikon über eine Versammlung der Aufstehen-Bewegung heißt es: „Es ist ein unauflösbarer Widerspruch, sich als links zu bezeichnen, aber weiterhin Fleisch und Produkte aus Massentierhaltung zu konsumieren.“ Und wie sieht es mit dem Widerspruch zwischen der Nutzung von Digitaltechnik und Links-Sein aus? Hätte man nicht beispielsweise auf der Sitzung fragen können, wer ein Smartphone nutzt und wie alt es ist und welche Mitverantwortung die jeweiligen Nutzer damit an den beschriebenen Verbrechen an der Menschlichkeit und der Umwelt haben?

Was tun?

Und sonst? Digitaler Vegetarismus ist leider nicht so einfach zu haben wie der üblicherweise gemeinte Vegetarismus; bei dem man ja nur von einer wohlschmeckenden Ernährungsweise zu einer anderen wechseln muss und sich sofort moralisch überlegen fühlen kann.

Aber auf Smartphones verzichten, auf die digitale Heizungssteuerung, den Fernseher, die DVD-Anlage, auf das Internet im Auto, auf den Laptop als Schreibgerät, auf die digitale Kamera …? Soll ich alle meine Freunde auf Facebook, Instagram oder Twitter verlieren, auf die Möglichkeit, bekannt zu werden, verzichten, den Rubikon nicht mehr lesen können? Das wäre ungeheuer schmerzhaft bis unmöglich.

Es bleibt damit nur, so wenig digitale Geräte anzuschaffen wie möglich und die vorhandenen möglichst lange und verantwortungsvoll zu nutzen.


Quellen und Anmerkungen:

(1) http://www.waterkant.info/wp-content/uploads/2017/09/kampagnen-hintergrund_01.pdf (Seite 15)
(2) https://cnx.org/contents/7238FjUe@3/The-Environmental-Impact-of-the-Manufacturing-of-Seminconductors
(3) https://www.krone.at/1814123


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