Die Versicherungspflichtgrenze. Das Wort klingt, als gebe es eine Wahl: nämlich die, sich zu versichern oder es bleiben zu lassen. Doch das ist nicht gemeint, denn in Deutschland besteht eine Krankenversicherungspflicht. Die Tatsache, dass es dennoch Menschen ohne Krankenversicherung in Deutschland gibt, steht auf einem anderen Blatt.
Die Versicherungspflichtgrenze legt fest, wer die Wahl zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung (PKV) hat. Sie bezieht sich allerdings auf Angestellte. Selbstständige sind grundsätzlich in ihrer Versicherung frei, sie können also in die GKV oder die PKV gehen. Einen eigenen Artikel wert wäre die Frage, ob und wann es überhaupt Sinn ergibt, sich privat zu versichern; das soll hier aber nicht das Thema sein, ebenso wenig wie die zahlreichen Ausnahmen und Besonderheiten, die für bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater gelten. Auch hier muss zwischen Kranken- und Rentenversicherung unterschieden werden.
Bärbel Bas plant, die Versicherungspflichtgrenze für die private Krankenversicherung 2026 anzuheben, und zwar von 6.150 Euro brutto auf 6.450 Euro brutto. Wer also im kommenden Jahr weniger als die besagten 6.450 Euro brutto verdient, wird keine Wahl haben, er muss in der GKV bleiben. Alle anderen können aus dem Vollen schöpfen und sich versichern, wo sie wollen, privat oder gesetzlich.
Wenn Bas nun argumentiert, sie wolle Gutverdienende stärker in die Sozialversicherung einbeziehen, ist das allerdings in erster Linie Rhetorik.
Denn die Versicherungspflichtgrenze wird jedes Jahr angepasst, und sie steigt in jedem Jahr. Insofern ist Bas‘ Ankündigung zwar nett fürs Publikum — zumindest, wenn sich dieses steigende Beiträge wünscht, um die Kassen zu füllen —, aber ein Vorgang, der nicht weiter erwähnenswert ist. Ein Blick auf die folgende Tabelle zeigt, dass sich die Anhebung für 2026 nicht wesentlich von den Anpassungen der Vorjahre unterscheidet.
Der angekündigte „große Wurf“ ist also unterm Strich nichts anderes als ein ziemlich langweiliger, sich jedes Jahr wiederholender Prozess.
Die Krux mit der Beitragsbemessungsgrenze
Während die Versicherungspflichtgrenze in erster Linie Arbeitnehmer betrifft, für die deren Höhe die Frage nach der Pflichtversicherung in der GKV beantwortet, hat die Beitragsbemessungsgrenze Auswirkungen, die auch die Arbeitgeber betreffen. Immerhin zahlen Unternehmen für ihre Angestellten einen Teil der Sozialversicherungsbeiträge ein. Früher war das einmal paritätisch geregelt, Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilten sich also die Beiträge „brüderlich“. Heute gilt das zumindest für die Pflegeversicherung nicht mehr: Kinderlose müssen einen extra Beitrag von 0,6 Prozent entrichten, mit denen die Arbeitgeber nichts zu tun haben.
Wir lesen beim Deutschlandfunk, was Bas sich für 2026 ausgedacht hat:
„Die SPD-Politikerin schlägt nun vor, dass die Grenze in der gesetzlichen Rentenversicherung 2026 auf 8.450 Euro monatlich steigt. Derzeit liegt der Wert bei 8.050 Euro. Wer mehr verdient, müsste also in Zukunft auf einen größeren Teil des Einkommens Abgaben zahlen. Für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung sind ebenfalls Veränderungen geplant. Aktuell beträgt hier die Beitragsbemessungsgrenze 5.512,50 Euro im Monat. Sie soll 2026 auf 5.812,50 Euro steigen.“
Vermutlich wird es tatsächlich zu diesen Anpassungen kommen; aber daraus eine große Sache zu machen, die die Renten- und Krankenversicherung aus der Krise hebt, ist absurd, denn derlei Anhebungen der jeweiligen Bemessungsgrenzen haben auch in der Vergangenheit nicht dazu geführt, das Drama der Sozialversicherung zu beenden.
Man darf nicht vergessen, dass die Beitragsbemessungsgrenze auch die Arbeitgeber betrifft, die für ihre Angestellten die entsprechenden Beiträge fast zur Hälfte tragen müssen. Und die sind alles andere als erpicht darauf, die Beitragsbemessung auf einem zu hohen Niveau berechnen zu lassen, schließlich müssen sie die Hälfte zahlen. Hinzu kommen die Beiträge für die gesetzliche Unfallversicherung und die Umlagen, wie zum Beispiel die Kosten für die Lohnfortzahlung, die die Unternehmen allein aufbringen müssen.
Das Problem mit der Beitragsbemessungsgrenze
Was Bärbel Bas als großen Wurf verkauft, ist langweiliger und routinierter Alltag in der Sozialversicherung. Jahr für Jahr werden die Versicherungspflichtgrenzen — auch Jahresarbeitsentgeltgrenze, JAEG, genannt — angepasst, Gleiches gilt für die Beitragsbemessungsgrenzen. Letztlich stellt sich für die GKV und die GRV nicht die Frage, wie hoch eine angemessene Beitragsbemessung wäre, sondern die, was die künstlich erzeugte Begrenzung der Beiträge überhaupt soll.
Nehmen wir ein simples Beispiel: Ein Arbeitnehmer verdient 5.500 Euro brutto im Monat. Bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 5.512,50 Euro zahlt er also auf sein volles Gehalt den Anteil an die Sozialversicherung, der Arbeitgeber trägt seinen Anteil.
Gehen wir jetzt von einem anderen Arbeitnehmer aus, der 10.000 Euro verdient. Er zahlt für seine Sozialversicherung den Beitrag bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze, also 5.512,50 Euro. Mit anderen Worten: Dieser Arbeitnehmer zahlt genauso viel ein wie sein Kollege, der nur halb so viel verdient. Ziehen wir nun einen dritten Arbeitnehmer hinzu, der satte 25.000 Euro nach Hause bringt, zahlt auch er nur den Beitrag bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um zu erkennen, dass der Sozialversicherung durch die Beitragsbemessungsgrenze eine Menge Geld entgeht, das den Versicherten fehlt.
Doch an diese magische Beitragsbemessungsgrenze traut sich niemand heran — von den jährlichen Anpassungen, die nicht viel mehr als Folklore sind, einmal abgesehen.
Rente gut, alles gut?
Gern wird von Verfechtern des Umlagesystems, das es sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern, beispielsweise in Österreich, gibt, ein deutscher Umstieg auf das österreichische Modell gefordert. Meist kursiert die Zahl der Differenz von circa 800 Euro zwischen Deutschland und Österreich: Deutsche Rentner erhalten also im Schnitt 800 Euro weniger Rente als österreichische.
Nun lassen sich die Rentensysteme verschiedener Länder schlecht eins zu eins miteinander vergleichen, aber Fakt ist, dass die Pensionen in Österreich deutlich höher sind als in Deutschland. In Anbetracht der Tatsache, dass die Systeme ähnlich sind, ergibt ein Vergleich der beiden Prinzipien durchaus Sinn.
In Österreich zahlen beispielsweise alle in das Rentensystem ein, also auch Selbstständige und seit einigen Jahren sogar Beamte. Eine Beitragsbemessungsgrenze gibt es nicht, dafür die sogenannte Höchstbeitragsgrundlage. Diese liegt für 2025 bei 90.300 Euro im Jahr; sie gilt für die Rente und die Krankenversicherung gleichermaßen und wird jährlich an die Preisentwicklung angepasst. Allein die Beitragsbemessungsgrenze kann also nicht die Lösung sein, denn während sie in Deutschland für die Rente und die Arbeitslosenversicherung mit 96.600 Euro sogar über der von Österreich liegt, ist sie im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung deutlich niedriger angesiedelt. Die Lösung scheint eher darin zu liegen, wer einzahlt und wer nicht.
Was geht?
Es wird sich zeigen, wie lange der doch gravierende Unterschied zwischen Österreich und Deutschland bestehen bleibt, aber die Zahl der Beitragszahler ist nicht zu unterschätzen. Das gilt natürlich auch für die Krankenversicherung, die in Deutschland allerdings eine Art „heilige Kuh“ ist, weil eine mächtige Lobby dahintersteht.
In Deutschland gibt es aber neben der Versicherungs-Lobby eine mit ihr eng verknüpfte, und das ist die Finanzbranche, die zahlreiche Überschneidungen mit der Versicherungsbranche aufweist. Die PKV wird perspektivisch unangetastet bleiben, und selbst wenn es anders wäre, gäbe es keine Gewähr, dass sich die Lage verbessert.
Abgesehen von den rechtlichen Voraussetzungen — Bestandsschutz, Rücklagen et cetera —, die es erschweren, einfach mal so die PKV abzuschaffen, kämen mit den ehemals privat Versicherten ja nicht nur Beitragszahler in die GKV, sondern auch Menschen mit entsprechenden Vorerkrankungen. Ob diese Kalkulation aufgeht, ist also ein Buch mit sieben Siegeln. Es gibt hier keine einfachen Lösungen, aber ein paar Ansätze sind eben doch vorhanden:
- Der Beitragssatz: In Deutschland legt die Politik großen Wert darauf, den Beitragssatz konstant zu halten, besonders bei der Rente. Damit wird suggeriert, dass die Bürger ein verlässliches Modell haben, mit dem sie kalkulieren können.
- Die Lohnentwicklung: Spätestens mit der Einführung der Agenda 2010 durch die Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) muss die Lohnentwicklung in einem Atemzug mit dem Beitragssatz genannt werden.
Der Beitragssatz der Rentenversicherung gibt nur teilweise Auskunft über die Belastungen für die Bürger und die Erträge, mit denen sie aufgrund ihrer Einzahlungen rechnen können. Denn die Zahl — prozentual oder in harter Währung — des Beitragssatzes kann nur im Zusammenspiel mit den Löhnen betrachtet werden. Um es plump zu sagen: 10 Prozent von 1.000 Euro sind nun einmal weniger als 10 Prozent von 2.000 Euro.
Je geringer also die Einkommen sind, desto weniger wird in die Sozialversicherungssysteme eingezahlt. Bei über Jahre und Jahrzehnte sinkenden Einkommen nützt also ein konstanter Beitragssatz nichts, weil einfach zu wenig eingezahlt wird. Und wenn wenig eingezahlt wird, kann auch nur wenig ausbezahlt werden.
Die Löhne und Gehälter müssen also rauf. Wer mehr verdient, zahlt mehr ein und bekommt am Ende mehr raus. Die Krankenversicherung funktioniert da ähnlich, auch wenn am Ende keine Renten oder Ähnliches ausgezahlt werden. Doch die Krankenkassen können nur mit dem wirtschaften, was sie einnehmen, und wenn die Arbeitnehmer geringere Einkommen und Löhne haben und die Beitragssätze gleich hoch bleiben, bedeutet das für die GKV geringere Einnahmen. Das geht jetzt schon seit vielen Jahren so, und so kann es kaum verwundern, dass die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung immer leerer werden.
Und überhaupt: Die GKV mit ihren Krankenkassen. Im Oktober 2025 gibt es in Deutschland 94 gesetzliche Krankenkassen, davon allein 69 Betriebskrankenkassen. Diese sind heute längst für alle Versicherten offen und kommen zu den AOKs, den Innungs- und den Ersatzkrankenkassen hinzu. Wettbewerb belebt das Geschäft — das war die Grundidee hinter dieser Vielzahl von Krankenkassen. Tatsächlich aber belebt diese Konkurrenz gar nichts; vielmehr plündern die Krankenversicherungen nicht nur ihre Kassen gegenseitig, sondern buhlen auch um die Mitglieder. Wenn man bedenkt, dass der überwiegende Teil der Krankenkassen identische Leistungen erbringt — diese sind gesetzlich festgeschrieben und zeigen nur bedingt Unterschiede, etwa bei der Homöopathie und anderen Leistungen —, ist dieser Konkurrenzgedanke wenig sinnvoll. Einige wenige Kassen würden völlig ausreichen, um eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Genau genommen würde für die GKV sogar eine einzige Krankenkasse ausreichen, schließlich sind die Leistungen ohnehin durchweg über das Sozialgesetzbuch (SGB) geregelt.
Die Tücken der privaten Krankenversicherung
Den „kleinen Mann“ soll’s freuen, wenn er liest:
„Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) plant spürbare Änderungen bei den Sozialabgaben: Ab 2026 sollen Gutverdiener stärker zur Kasse gebeten werden.“
Da erwächst ein Gefühl der Gerechtigkeit: Endlich, mag sich der „kleine Mann“ denken, wird es auch mal die Gutverdienenden treffen. Dabei „trifft“ es sie jedes Jahr aufs Neue, nur, dass aus den Anpassungen der Versicherungspflicht- und der Beitragsbemessungsgrenze keine wirkliche Änderung erzeugt wird. Das, was dadurch zusätzlich an Geld reinkommt, muss schließlich noch preisbereinigt werden, und dann bleibt unterm Strich nicht mehr viel übrig.
Sollen „Gutverdiener stärker zur Kasse gebeten werden“, wie gerade nachgelesen, müssten die beiden Grenzen der Versicherungspflicht und der Beitragsbemessung spürbar angehoben werden, also weit über das hinaus, was seit Jahrzehnten praktiziert wird. Das hätte erhebliche Konsequenzen, die sich auf die Kassenlage der Renten- und der Krankenversicherung auswirken würden.
Es gibt zwar auch die Forderung nach der vollständigen Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze, doch ob dies den gewünschten Effekt haben würde, darf bezweifelt werden. Denn — Versicherungspflicht hin oder her — würde die Grenze der Beitragsbemessung abgeschafft werden, würden die Betroffenen sicherlich jede Menge Kreativität an den Tag legen, um diesen hohen Ausgaben zu entgehen. Im Zweifel zahlt der Millionär seine Arzt- oder Krankenhausrechnung halt aus der Portokasse, in die er eingezahlt hat, während er sich durch Kniffe und Tricks von der Versicherungspflicht „selbst befreit“ hat, mit welchen windigen Methoden das auch gelungen sein mag. Es ist schon fast eine Binse, dass mit der Menge der finanziellen Mittel auch die der kreativen Gestaltung einhergeht, wenn es um persönliche Vorteile geht.
Dennoch: Eine spürbare Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze würde sowohl die Renten- als auch die Krankenversicherung deutlich entlasten; über die Höhe müsste separat gesprochen werden.
Auch die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze hätte positive Auswirkungen, denn durch sie wird eine gewisse Anzahl der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung gehalten. Jedes Jahr verlassen Tausende Gutverdienende die GKV und wechseln in die PKV. Sie können das, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Sie verdienen mehr, als die Versicherungspflichtgrenze vorsieht (siehe oben).
- Sie haben eine gute gesundheitliche Prognose.
Der zweite Punkt hat Folgen, die über die bloße Mitgliedschaft in der einen oder anderen Versicherung hinausgehen. Denn die privaten Versicherungsgesellschaften kalkulieren anders als die gesetzlichen.
Um sich privat krankenversichern zu können, muss ein Katalog an Gesundheitsfragen beantwortet werden, die bei der Antragstellung gestellt werden. Geschickte Versicherungsvertreter fragen die wichtigsten Punkte der Gesundheitsbefragung sogar schon am Telefon ab, während sie die Kaltakquise für die Terminvereinbarung gestalten. Die PKV lehnt Anträge ab, die befürchten lassen, dass der Kunde bereits mit Vorerkrankungen in den Vertrag einsteigt, und sie sind bei der Entscheidung über Zu- oder Absage ziemlich humorlos.
Das kann kaum verwundern, denn die große Kalkulation der PKV beruht auf möglichst vielen jungen und gesunden Versicherten. Das senkt die Kosten, die für ältere Versicherte zu tragen sind. Klingt fast ein bisschen wie das Umlageverfahren in der GKV, ist es aber nicht, denn die Rückstellungen in der PKV bildet jeder Versicherte selbst; er greift also nicht in den Topf derer, die schon vor ihm versichert waren, sondern füllt mit seinen Beiträgen seinen eigenen.
Das klingt herrlich egoistisch und so, als würde es mit Sicherheit funktionieren. Dem ist aber nicht so. Denn die Kosten für Privatversicherte gehen seit Jahren, seit Jahrzehnten, regelmäßig durch die Decke, und viele Versicherungsbüros schließen gern ihre Türen, um Urlaub zu machen, wenn die privaten Krankenversicherungen die Briefe für die Beiträge des kommenden Jahres verschicken. So entgehen sie wütenden Anrufen oder sogar Besuchen von Kunden, die nicht fassen können, wie sich die Beiträge ihrer Krankenversicherung in den letzten Jahren entwickelt haben, und das, obwohl doch im Verkaufsgespräch die PKV-Prämien als verlässlich gering angegeben wurden.
Ein weiteres Problem der PKV ist die Antragsstellung. Nun, eigentlich weniger die Antragsstellung, sondern eher die „traute Zweisamkeit“ von Kunden und Versicherungsvertreter und deren Gestaltung des Antrages. Es würde den Rahmen dieses Textes sprengen, über die verschiedenen Formen von Versicherungsagenten zu sprechen, aber man kann sich ein erstes Bild machen, wenn man den Unterschied zwischen Ausschließlichkeitsvertretern und Mehrfachvertretern beziehungsweise Maklern kennt.
Der Ausschließlichkeitsvertreter arbeitet und vermittelt nur für eine bestimmte Versicherungsgruppe, etwa die ERGO. Der Vertreter kann also mehrere Produkte anbieten, allerdings nur die Krankenversicherung, die dem Verbund angehört. Gleiches gilt für andere Produkte, also Hausrat, Haftpflicht et cetera, die nur von ausgewählten Versicherern angeboten werden.
Der Mehrfachvertreter — und noch viel mehr der Makler — kann hier freier agieren, weil er eine größere Auswahl hat. Wenn beispielsweise der angebotene Tarif der Deutschen Krankenversicherung (DKV) nicht passt, könnte vielleicht die HUK-COBURG eine Alternative sein. Diese Karte wird oft gezogen, denn bei der Gesundheitsprüfung sind die privaten Krankenversicherer unterschiedlich streng.
Während Versicherer A sehr genau prüft, was im Antrag steht, und im Zweifel lieber eine Absage ausspricht, ist Versicherer B deutlich „entspannter“ und sieht bei der Antragsstellung schon mal über das eine oder andere hinweg. Mittel- und langfristig wird das den Antragsteller nicht freuen, denn es ist gerade diese Kalkulation bei der Antragsstellung, die maßgeblichen Einfluss auf die Höhe zukünftiger Beiträge hat.
Werden also zu viele Kunden aufgenommen, die im Antrag nicht alles angeben, was anzugeben wäre, steigert das die Ausgaben der Zukunft. Für den Fall, dass der Kunde nachweislich falsche Angaben im Antrag gemacht hat und überführt wird, hat das größte Problem er selbst. Denn seinen Versicherungsschutz kann er in diesem Fall vergessen: Er steht nun nicht mehr als strahlender Privatpatient, sondern als „dummer August“ da.
Kommen wir auf die oben genannte „traute Zweisamkeit“ von Vertreter und potenziellem Kunden zurück. Sitzen diese beiden nun also zur Antragsstellung zusammen, könnte das eine oder andere Leiden des Kunden schon mal unter den Tisch fallen. Der Kunde selbst trägt dafür in aller Regel nicht die Verantwortung, sondern der Vertreter. Aus dessen Sicht ist die „Kreativität“ bei der Antragsstellung nachvollziehbar, denn in der Versicherungsbranche gibt es nur wenige Produkte, die so hoch verprovisioniert werden wie private Krankenversicherungen. Jeder Kunde, der abspringt oder sich gegen die PKV entscheidet, ist ein Kunde, mit dem nichts verdient wird. Und da sich die Provisionen bei der PKV zwischen zwei und bis zu zehn Monatsbeiträgen bewegen, kann man sich leicht ausrechnen, wie scharf Vertreter darauf sind, Abschlüsse zu machen. Da wird dann womöglich auch bei der Antragsstellung die Rücken-OP vor ein paar Jahren oder die Psychotherapie nach einer schweren Trennung verschwiegen. Das Risiko trägt der Kunde.
Lösungsansätze
Die Versicherungspflicht- und die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben, und zwar um einen Faktor, der Gutverdienenden auch wirklich etwas Zählbares abverlangt, ist sicher sinnvoll. Oder besser: wäre sinnvoll, denn es wird nicht so weit kommen. Beide Grenzen werden auch in Zukunft moderat angehoben werden, Bärbel Bas kann da vorschlagen und fordern, bis der Arzt kommt. Zu stark sind die Lobbys der Versicherungswirtschaft auf der einen und der Arbeitgeber auf der anderen Seite. Erschwerend hinzu kommt, dass man die PKV nicht einfach so „dichtmachen“ kann, denn die verwaltet sämtliche Kundengelder, zu denen auch Rückstellungen gehören. Die Versichertenstruktur der PKV ist zudem ebenfalls in die Jahre gekommen; der Wechsel speziell älterer Versicherter von der PKV in die GKV könnte durchaus Folgen haben, die man sich vorher so nicht ausgemalt hatte.
Und es ist ja ohnehin klar, was die neue Bundesregierung vorhat: Privatisieren, und zwar richtig. Kanzler Friedrich Merz (CDU) spricht denn auch gleich von einer verpflichtenden privaten Rente.
Die Berliner Zeitung schreibt zu Merz' Ideen:
„Er sei persönlich ein Befürworter ‚eines Pflichtbeitrags in eine kapitalgedeckte Altersversorgung‘, was viele heute ‚richtigerweise‘ schon machten.“
Der Mann weiß, wovon er redet. Und er weiß, dass bei den Deutschen nicht mehr viel zu holen ist. Die von der Politik verursachten Krisen der letzten Jahre haben Einkommen und Vermögen der meisten Menschen auf ein schmerzlich niedriges Niveau absinken lassen. Allerdings lässt uns die „Berliner Zeitung“ wissen:
„Private Sparer in Deutschland lassen auf Sparbüchern, Giro- und Tagesgeldkonten insgesamt rund 4,07 Billionen Euro brachliegen.“
An diese vier Billionen Euro will Merz ran. Der BlackRock-Mann verfügt über beste Beziehungen zu genau den Leuten und Firmen, die großen Spaß daran hätten, aus den Billionen mehr zu machen — nur halt nicht für die Rentner der Zukunft, die sich stolz „Investoren“ nennen dürfen, sondern für sich selbst.
Wie genau das alles aussehen soll, in welche Aktien oder sonstigen Papiere die Deutschen ihr Geld künftig einzahlen sollen, steht noch nicht fest, aber passende Produkte liegen sicher schon in verschlossenen Schubladen. Ob das Modell allerdings funktioniert, darf bezweifelt werden. Wenn Millionen von Menschen plötzlich ins Aktiengeschäft einsteigen, sind satte und stetig steigende Gewinne nämlich nicht garantiert.
Erstens nicht, weil ein solcher Run kleiner Leute auf die Aktienmärkte zu großflächigen Bewegungen und Verschiebungen führen könnte, die heute nicht absehbar sind. Steigt denn beispielsweise Aktie A weiter an, wenn eine Million Rentner in diese investieren? Oder bergen solche Investments nicht eher Gefahren, die heute in ihrer Bedeutung noch gar nicht absehbar sind? Fragen über Fragen.
Zweitens darf die Rente kein Investitions- oder gar Spekulationsobjekt werden! Das Gute am Umlagesystem ist die Tatsache, dass das Wirkprinzip lange bekannt ist und ausgesprochen gut funktioniert. Was kann schließlich die GRV dafür, wenn Politik und Wirtschaft die Löhne über Jahre und Jahrzehnte kontinuierlich absinken lassen, was wiederum zu ebenfalls sinkenden Einnahmen bei der Rentenversicherung führt?
Das Umlagesystem ist nach wie vor das Beste, was wir haben. Und wenn man es pflegen und sogar ausbauen würde, könnte es in neuem Glanz erstrahlen. Bedenkt man dann noch die deutlich gesteigerte Produktivität in der Wirtschaft und geht vernünftig und im Sinne der Menschen mit den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) um, sieht es mit der Rente gar nicht mehr so schlecht aus.
Alles in allem kann man sagen, dass die Themen Rente und Gesundheit zwar komplex sind, und unzählige Aspekte bei der Beurteilung eine Rolle spielen. Dass die Systeme gescheitert sind, ist allerdings schlicht falsch. Gescheitert — oder erfolgreich, je nach Perspektive—sind Politik und Unternehmen, die das Umlagesystem so lange malträtiert haben, bis von ihm nicht mehr viel übrigblieb. Heute stehen wir vor diesem Scherbenhaufen; doch angerichtet hat ihn weder die Demografie noch die gierigen Bundesbürger, sondern eine Politik, die nicht vorausschauend und planend agiert hat, sondern deren unausgesprochener Plan sowieso schon seit Jahren ist, die GRV — und die GKV gleich mit — gegen die Wand zu fahren, um Aktien und andere Investitionen an selbige als Rettung zu malen.

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