Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Ein prahlerisches Eingeständnis

Ein prahlerisches Eingeständnis

Bei einem Staatsbesuch von Friedrich Merz gab Donald Trump zu, die Gaspipeline Nord Stream 2 „gestoppt“ zu haben — nicht schuldbewusst, sondern in völliger Selbstverständlichkeit.

Am 5. Juni 2025 traf Bundeskanzler Friedrich März zum ersten Mal mit US-Präsident Donald Trump im Oval Office zusammen und musste sich nach einer halben Stunde (33:33) folgendes anhören:

Trump: „Aber ich bin derjenige, der die Pipeline Nord Stream 2 gestoppt hat. Bis ich auftauchte, hatte niemand in diesem Raum jemals von Nord Stream 2 gehört.“

Zu Merz: „Sie wahrscheinlich schon, denn die Pipeline ging ja nach Deutschland.“

(Alle lachen.) Merz wirft ein: „Es war ein Fehler.“

Trump fährt fort: „Ich habe sie gestoppt. Ja, und Sie haben offen gesagt, dass Nord Stream ein Fehler war. Wir haben so viel Öl und Gas. Sie werden gar nicht alles kaufen können.“

Hier erleben wir live, wie die USA einen sogenannten Verbündeten behandeln: Der US-Präsident prahlt vor laufender Kamera damit, das Projekt, das einst die Energieversorgung Deutschlands auf viele Jahre sichern sollte, gestoppt zu haben – um damit Europa von amerikanischem LNG (Liquefied Natural Gas) abhängig zu machen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bestätigte dies am 27. Juli bei einem Treffen mit US-Präsident Trump in seinem schottischen Golf-Ressort Turnberry, indem sie den Kauf von amerikanischer Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zusagte.

Die Nord Stream Pipelines

Die seit Baubeginn umstrittene Pipeline Nord Stream 2 ist das Nachfolgeprojekt der im November 2011 in Betrieb genommenen Pipeline Nord Stream; ein privatwirtschaftliches Projekt auch für Unternehmen in Frankreich und in den Niederlanden, das günstiges Erdgas aus Russland direkt nach Deutschland liefern und dazu beitragen sollte, Deutschlands Wirtschaftsmacht zu sichern. Knapp zehn Jahre nach Nord Stream 1 wurde Nord Stream 2 fertiggestellt, ging jedoch trotz jahrelanger Planung und Investitionen von Milliarden von Steuergeld nie in Betrieb.

Am 24. Februar 2022 greift Russland die Ukraine an. Zunächst liefen die Gaslieferungen über Nord Stream 1 weiter, doch ab dem 11. Juli 2022 wurde der Betrieb wegen Wartungsarbeiten eingestellt.. Am 21. Juli berichtete die „Tagesschau“: „Das Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 fließt wieder, sogar mehr als zunächst erwartet. Die Auslastung liegt bei etwa 40 Prozent und ist damit so hoch wie vor den Wartungsarbeiten. Das bestätigte die Bundesnetzagentur.“ Nach der Wiederaufnahme der Gaslieferungen fielen sogleich die Gaspreise.

Am 26. September 2022 wird der Anschlag auf die Nord Stream Pipelines verübt. Dabei werden beide Leitungen von Nord Stream 1 und einer von zwei Strängen von Nord Stream 2 beschädigt, wobei große Mengen von Methangas entweichen. Der polnische Politiker Radosław Sikorski – damals EU-Abgeordneter, seit Dezember 2023 polnischer Außenminister – war der erste, der kurz danach den Vereinigten Staaten mit seinem Tweet „Thank you, USA.“ dankte, den er allerdings später löschte und den seine Frau Anne Applebaum – Preisträgerinals Witz bezeichnete.

Ob sich Sikorski an das Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden am 7. Februar 2022 erinnert hat? Der Kanzler war damals ohne Delegation und ohne Pressebegleitung in die USA zitiert worden, um sich mit Präsident Biden unter vier Augen über den Russland-Ukraine-Konflikt auszutauschen. Während einer gemeinsamen Pressekonferenz hatte der US-Präsident bereits die Absichten der US-Regierung wie folgt deutlich gemacht: „Wenn Russland erneut einmarschiert, das heißt Panzer oder Truppen die Grenze überqueren, wird es keine Nord Stream 2 Pipeline mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.“ Auf die Frage einer Journalistin: „Wie genau werden Sie das machen, wo das Projekt und die Kontrolle doch in deutscher Hand liegen?“ antwortete der US-Präsident: „Wir werden es schaffen, das verspreche ich Ihnen.“

Was sagte der Bundeskanzler dazu? Nichts! Er betont wieder einmal die „unverbrüchliche Freundschaft“ mit den Verbündeten. Bei jeder Gelegenheit wiederholte er, dass er generell keine Entscheidungen ohne die USA treffe: „We always act together with our allies and friends. We are never going alone.“

Wer war es?

Brennpunkte, Sondersendungen, Talkshows, Expertenanhörungen – monatelang wurde diskutiert und gerätselt, wer die Pipelines zerstört haben könnte. Hier zwei der verbreitetsten Theorien: Nach der Recherche des bekannten Investigativjournalisten Seymour Hersh haben US-Tiefseetaucher in Zusammenarbeit mit der norwegischen Marine unter dem Deckmantel der NATO-Übung „BALTOPS 22“ entlang der Pipelines Sprengstoff angebracht, der später ferngesteuert zur Explosion gebracht wurde. Die US-Regierung und die CIA bestreiten seine Darstellung vehement. Man wirft ihm vor, als einzigen Beleg eine „ungenannte, fragwürdige Quelle“ anzuführen und somit die Überprüfung seiner Behauptungen zu verhindern. Zudem versucht man, ihn als alten Mann zu diskreditieren, der sich zunehmend „mit Verschwörungstheorien und Unsinn“ beschäftige, ohne dafür Belege zu nennen.

Unter Berufung auf europäische und US-Geheimdienstkreise bringt die „Washington Post“ am 6. Juni 2023 ukrainische Streitkräfte mit dem Sabotageakt auf die Pipelines in Verbindung und veröffentlicht die abstruse Geschichte von einer 15 Meter langen Segeljacht namens Andromeda. Diese soll am 6. September 2022 mit 400 Kilogramm Sprengstoff, mit schwerer Spezialausrüstung und mit einem Team bestehend aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin von Rostock aus aufgebrochen sein, um den Sprengstoff an den in 80 Meter Tiefe in völliger Dunkelheit liegenden Röhren in der bestüberwachten Ostsee anzubringen – die dann 20 Tage später explodierten. Diese Geschichte wurde mehrfach widerlegt – hier eine der Versionen.

Am 23. April 2023 befragt der Journalist Tucker Carlson bei „Fox News“ Donald Trump unverblümt nach den Tätern. Der will aber nicht so direkt antworten, da er, wie er sagt, Amerika nicht in noch größere Schwierigkeiten bringen möchte. Die Regierung verfüge natürlich über „Dinge, mit denen man alles tun kann“. „Aber ich kann Ihnen sagen, wer es nicht war: Es war nicht Russland.“ Und er fügt hinzu: „(…) ich glaube, die meisten Leute wissen, wer es getan hat.“

Ermittlungen

Russland scheiterte im März 2023 im UN-Sicherheitsrat mit einer Resolution für eine internationale Untersuchung der Anschläge auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2. Nur China, Brasilien und Russland stimmten dafür; die anderen 12 Staaten enthielten sich.

Die Ermittlungen der zuständigen dänischen und schwedischen Behörden wurden im Februar 2024 eingestellt. Niemand wurde angeklagt.

In Deutschland übernahm die Bundesanwaltschaft die Untersuchungen und unterstützte die Andromeda-Theorie. Der „Deutschlandfunk“ berichtete am 18. September 2023, dass „RTL“ „eindeutige Indizien“ dafür habe, dass Russen bei dem Sabotageakt auf die Pipelines eine Rolle gespielt hätten. Welche Rolle genau, bleibe jedoch unklar.

Gerade, während ich dies schreibe, geht die Meldung durch alle Zeitungen, dass die Bundesanwaltschaft in Italien Serhij K., einen Angehörigen der ukrainischen Spezialkräfte, festnehmen ließ. Dieser soll mit dem Segelschiff Andromeda hinaus auf die Ostsee gefahren sein, um den Pipelines den Garaus zu machen.. Ein zweiter Täter mit Namen Wolodymyr Z. soll bereits im Sommer 2024 mit einem Botschaftsfahrzeug aus Polen in die Ukraine entkommen sein.

Umweltfolgen

Die Folgen der Anschläge für die Umwelt werden als dramatisch eingeschätzt. Das tagelang aus den leckgeschlagenen Pipelines ausströmende Erdgas ist mit seinem Hauptbestandteil Methan extrem klimaschädlich. Gelangt dieses Gas in die Atmosphäre, ist das für das Klima über einen Zeitraum von 20 Jahren sogar 80-mal schädlicher als CO2, so die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

Infolge der widerspruchslos hingenommenen Zerstörung von Deutschlands günstiger und über Jahre zuverlässiger Energieversorgung setzt die Bundesrepublik verstärkt auf Flüssiggas aus den USA. Im Norden entstanden und entstehen die ersten LNG-Terminals des Landes, für die Milliarden an Steuergeld bereitgestellt werden.

Die Ampelregierung hat immer wieder betont, dass sie alles tut, um den sogenannten menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Doch die Realität sieht anders aus. Durch Prozesse der Herunterkühlung vor und auf dem langen Seeweg kämen nur noch 50 bis 70 Prozent des Gases an, so Professor und Methan-Forscher Robert Howarth von der Cornell University.

Auch die beim Fracking entweichenden großen Mengen von Methan zählen – neben dem Militär – mit zu den schlimmsten „Klimakillern“, was jedoch den damaligen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), keineswegs davon abhielt, sich sowohl für den Bau von LNG-Terminals als auch für Waffenlieferungen in die Ukraine stark zu machen.

Bei einem Besuch in Kiew meinte er sogar, er schäme sich zutiefst dafür, sich zu spät dafür entschieden zu haben.

Die einzige Weltmacht

In seinem 1997 veröffentlichten Buch „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ behandelt der Autor Zbigniew Brzezinski (1928-2017), langjähriger Berater der US-Präsidenten Lyndon B. Johnson und Jimmy Carter, Strategien zur Verhinderung des Aufstiegs einer konkurrierenden Supermacht, die die globale Vorherrschaft der USA herausfordern und den Hegemon Amerika bedrohen könnte. Er stützt sich dabei auf den britischen Geographen Halford Mackinder (1861-1947) und dessen „Heartland-Theorie“, die er wie folgt formulierte: Innerhalb der „Weltinsel“, die aus der Landmasse der Kontinente Europa, Asien und Afrika besteht, liegt das von ihm so genannte „Herzland“, bestehend aus Westsibirien und dem europäischen Russland, in dessen Zentrum die Ukraine liegt. Entwickelte sich nun dieses Herzland im Zusammenschluss mit Frankreich oder Deutschland zu einer mächtigen Wirtschaftsmacht, so könne das zu einer drohenden Gefahr für das US-Imperium werden, die es gelte, unter allen Umständen abzuwenden.

Schon die NATO wurde gegründet, um „die Amerikaner drin zu halten, die Russen draußen und die Deutschen unten“, so der oft zitierte Ausspruch des ersten NATO-Generalsekretärs Lord Ismay.

Der Gründer und Direktor der US-Denkfabrik Stratfor (Strategic Forecasting), George Friedman, drückte es am 3. Februar 2015 folgendermaßen aus: „Das primäre Interesse der USA, wofür wir seit einem Jahrhundert die Kriege führen – Erster und Zweiter Weltkrieg sowie der Kalte Krieg – waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann, und unser Interesse war es immer, sicherzustellen, dass das nicht eintritt.“

Und das ist gelungen. Wir sehen es am Schweigen von Bundeskanzler Olaf Scholz während US-Präsident Biden den Angriff auf die Wirtschaftsader Deutschlands ankündigt. Und zum zweiten Mal am Schweigen von Kanzler Merz, als US-Präsident Trump damit prahlt, den Stopp von Nord Stream 2 veranlasst zu haben.

Zwei Bundeskanzler, die es ohne Not geschehen lassen, dass Deutschland keine eigenständigen wirtschaftlichen Beziehungen, Entscheidungen und Projekte mehr zugestanden werden, und damit ein gesamtes Wirtschaftsmodell im Interesse eines fremden Landes auf Kosten der eigenen Bevölkerung zum Einsturz gebracht wurde.

Sogar die einflussreiche Denkfabrik „European Council of Foreign Relations“ diskutiert in einem „Policy Brief“ vom 4. April 2023 „Die Kunst der Vasallisierung. Wie Russlands Krieg gegen die Ukraine die transatlantischen Beziehungen verändert hat.“

Der pensionierte Oberst und frühere Stabschef von Außenminister Colin Powell, Lawrence Wilkerson, heute oft Gast in US-regierungskritischen Internet-Shows, beschreibt in einem Gespräch (Minute 16) Kanzler Friedrich Merz wie folgt: „Beobachten Sie Friedrich Merz. Es gibt kein besseres Beispiel für den Einzug des tiefen Staates in eine ordentliche Regierung.“


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder unterstützen Sie uns durch den Kauf eines Artikels aus unserer Manova-Kollektion .

Weiterlesen

Abendländisches Dämmerlicht
Thematisch verwandter Artikel

Abendländisches Dämmerlicht

Die europäischen Künste befinden sich im Niedergang, spätestens seit Seltsamkeit und Originalität wichtiger geworden sind als echte Schönheit.

Verblasster Friedenswille
Aktueller Artikel

Verblasster Friedenswille

Seit der „Zeitenwende“-Rede von Olaf Scholz kam es zu einer moralischen Umcodierung, die die ganze Gesellschaft erfasst hat. Exklusivauszug aus „Friedensbruch“.