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Freunde kämpfen nicht gegeneinander

Freunde kämpfen nicht gegeneinander

Die schrecklichen Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg mahnen uns, die Verständigung mit anderen Völkern zu suchen.

Aufgewachsen bin ich in der DDR. Zu dem, wozu wir damals erzogen wurden, gehörte, sich für den Frieden einzusetzen, füreinander da zu sein und Freundschaft mit anderen Völkern zu pflegen. Freundschaft mit Kindern aus kapitalistischen Ländern waren allerdings weniger gern gesehen, weshalb diese Freundschaften natürlich besonders anziehend für viele DDR-Jugendliche waren. Erwünscht waren jedoch die Freundschaften mit Kindern aus der Sowjetunion. Ich hatte eine Brieffreundschaft mit einem sowjetischen Kind und später auch mit einem französischen Jugendlichen. Es war spannend für mich, etwas über deren Lebensweise zu erfahren.

All den staatlichen Parolen, die meine Schulzeit begleiteten, habe ich mich schon frühzeitig, so gut es ging, entzogen. Dass ein Karl-May-Buch, das ich mir von meinen Westverwandten gewünscht hatte, aus einem Paket genommen wurde, weil die Bücher von Karl May in der DDR nicht erwünscht waren, führte früh dazu, dass ich aus meiner kindlichen Perspektive die staatliche Politik ablehnte.

Manches, was mir in der DDR anerzogen wurde, prägt mich noch heute. Geblieben sind mir vor allem Friedensliebe, Mitmenschlichkeit und das Interesse für das Leben der Menschen aus anderen Kulturen.

Der Krieg und meine Vorfahren

Bedingt durch den Ausgang des Zweiten Weltkriegs waren meine Eltern aus Schlesien vertrieben worden. Was sie nach Riesa verschlagen hatte — eine Industriestadt an der Elbe —, weiß ich nicht. Meine Mutti und mein Vati waren, als sie vertrieben wurden, beide 18 oder 19 Jahre alt. Außer Fotografien und ihren Erinnerungen besaßen sie nichts, das sie mit ihrer Heimat in Schlesien verband. Sie hatten alles verloren. Was ihnen während der Vertreibung widerfuhr, blieb verborgen. Nie haben meine Eltern darüber gesprochen. Sie lebten zurückgezogen. Offenbar wollten sie den Unmut der Einheimischen vermeiden und als Fremde nicht auffallen. Freunde hatten sie keine.

Viel Geld hatten wir nie. Es reichte für ein einfaches Leben und selten für den wenn auch nur ganz kleinen Luxus. An der Ostsee waren wir lediglich ein einziges Mal. Im Ausland waren wir nie. Fast immer war ich in den Ferien bei Tante und Onkel im Erzgebirge, wo ich mich sehr wohl fühlte. Meine Mutti starb bereits mit 53 Jahren.

Ich habe nur einen meiner Opas kennengelernt. Der war Bergmann gewesen, und das war wohl der Grund, warum er früh starb. Ich war damals nicht einmal zehn Jahre alt. Seine Frau, meine Oma, habe ich nicht kennengelernt. Sie starb vor meiner Geburt. Mein zweiter Opa war im Krieg geblieben. Eine wichtige Bezugsperson für mich war Onkel Walter. Ich bin noch heute dankbar, dass er für mich da war. Er war in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen. Auch er hat über die Kriegserlebnisse nie gesprochen und das, obwohl wir über vieles miteinander diskutiert haben. Wahrscheinlich war er in Sorge, dass seine seelischen Wunden aus der Kriegszeit hätten wieder aufbrechen können.

Sicherlich gingen die russischen Soldaten mit denen, die ihr Land überfallen hatten, Verwüstung und 27 Millionen tote Russen hinterließen, nicht zimperlich um (1).

Der Krieg und mein Leben

Krieg ist brutal und manchmal auch für jene, die den Krieg nicht selbst erlebt haben. Glücklicherweise blieben mir selbst Kriegserlebnisse erspart. Erst als es um den Armeedienst ging, wurde ich mit dem Thema Dienst an der Waffe konfrontiert. Fast meine gesamte Abiturklasse verweigerte damals die von der Staatsführung angestrebte dreijährige Armeezeit. Wenige Jahre später hätte uns das den Studienplatz gekostet. Ich diente anderthalb Jahre in der Volksarmee. Ein einziges Mal musste ich mit einem Maschinengewehr schießen. Das war in der Grundausbildung. Interesse, die Zielscheibe — ein angedeuteter Mensch — zu treffen, hatte ich nicht im Geringsten.

Ich konnte Schreibmaschine schreiben. Dieser Fähigkeit verdanke ich, dass ich meine Armeezeit als Bataillonsschreiber absolvieren konnte. Schießen musste ich in dieser Funktion nicht.

Existenzsorgen habe ich in der DDR nicht erfahren. Die kamen Jahre nach der Wiedervereinigung auf mich zu, als mich eine Erschöpfungsdepression in meiner Funktion als Abteilungsleiter ereilte.

Vor da an erlebte ich mehrfach depressive Phasen, in denen mich Existenz- und Verlustängste aus dem Berufsleben rissen. Das fühlte sich immer wieder bitter an. Ich war im Begriff, meine Selbstständigkeit aufzubauen, und verlor so immer wieder Aufträge und potenzielle Kunden. Therapeutische Begleitung und Aufenthalte in Rehakliniken waren die Folge meiner wiederholten Erkrankungen. Die Therapeuten vermochten mir nicht zu helfen, und die Kliniken sahen ihre Aufgabe allein darin, mich baldmöglichst wieder in den Arbeitsprozess zu drängen.

Die depressiven Episoden, wie sie die Fachleute nennen, empfand ich als zermürbend. Am Anfang einer solchen Episode war meine Zukunft meist ein undurchdringlich grauer Nebel, von dem ich meinte, er würde sich nie wieder lichten. Mein innerer Antrieb war dann nur noch ein kleines welkes Pflänzchen. Selbst mich ins Auto zu setzen, um im Wald spazieren zu gehen, fiel mir schwer. Meine Konzentrationsfähigkeit reichte nicht lange. Alle meine Pläne, Wünsche und Hoffnungen schienen vom Winde verweht. Ich sah mich gar als Straßenkehrer.

Es dauerte Jahre, bis ich begriff, dass die Existenz- und Verlustängste nicht meine waren, sondern die meiner Eltern. Heute weiß man, dass Traumata von Vorfahren übernommen werden können, ohne dass darüber je gesprochen wurde. Man nennt sie transgenerationale Traumata (2). Das zu erkennen und zu verstehen, half mir, die depressiven Phasen hinter mir zu lassen. Die Auseinandersetzung mit meinen Ängsten auf der Grundlage meiner Prägungen hat mir besonders bewusst gemacht, wie schlimm Krieg ist. Er kostet Menschen nicht nur das Leben, er fügt Menschen körperliche und seelische Wunden zu.

Und das auf beiden Seiten der Front. Hinterbliebene erfahren unermessliches Leid und nicht selten Traumata, die sie ihr weiteres Leben verfolgen, Traumata, die nicht selten auch die Nachkommen Leid erfahren lassen. Ich fühle mit mit den Menschen, in deren Ländern Krieg tobt, mit den Menschen in der Ukraine und Russland, mit den Menschen in Palästina, mit den unter Krieg leidenden Menschen anderswo. Manchmal kullern mir die Tränen über die Wangen, wenn ich mit ihrem Leid konfrontiert werde. Der Zweite und vielleicht auch der Erste Weltkrieg wirken noch heute nach in den Ländern, die betroffen waren. Kriegsfolgen aufs Neue zu riskieren, ist für mich Ausdruck von Wahnsinn.

Die, die skrupellos Kriege anzetteln und befeuern, gehören nicht zu jenen, die unter Kriegen leiden. Sie verdienen Unsummen am Krieg und versuchen, auf diese Weise ihren Machtanspruch durchzusetzen.

Wir ganz normalen Menschen auf der Welt, die wir die übergroße Mehrheit sind, wollen einfach nur gut leben, unsere menschenwürdigen Werte leben, Werte wie Gerechtigkeit, Sicherheit, Respekt, gegenseitige Unterstützung, Freundschaft, Wohlergehen, Wertschätzung und Frieden.

Wie wir Aufrüstung und Kriege stoppen können

Wenn wir friedliebenden Menschen dem Treiben der Mächtigen und Superreichen immer nur zusehen, treiben die es immer heftiger. Allein die Aufrüstung verschlingt Unsummen, die an anderer Stelle fehlen. Die Einkommen und die Kaufkraft der meisten sinken in Zeiten der Kriegsorientierung. Das schadet der Wirtschaft in ihrer Gesamtheit. In der Folge sinken staatliche Steuereinnahmen. Die Mittel für soziale Zwecke, die Gesundheit der Menschen, die Ausbildung der Kinder und die Pflege alter Menschen werden immer knapper. Ein Strudel des gesellschaftlichen Niedergangs entsteht, der unser Land, uns alle ruiniert.

Wir dürfen nicht zusehen, wie das Krieg das Glück unserer Kinder und Enkel verschlingt. Wir müssen den Kriegstreibern Einhalt gebieten.

Reinhard Mey veröffentlichte bereits 1986 das Lied „Nein, meine Söhne geb' ich nicht“ (3). Das Lied spricht mir noch heute aus dem Herzen.

Ausgehend von allem, was mich in meinem Leben geprägt hat, stehe ich dafür ein, dass meinen Töchtern, meinen Schwiegersöhnen und vor allem meinen Enkeln eine glückliche und friedvolle Zukunft vergönnt ist, dass Frieden einzieht überall auf unserem Planeten.

Ich würde mich unendlich glücklich schätzen, wenn wir Deutschen die Friedensstifter dieser Welt wären, vor allem weil von deutschem Boden schon zwei Weltkriege ausgegangen sind und viel zu viel Leid.

Frieden kann man nicht mit Waffen schaffen, weil Waffen nur neues Leid schaffen, den Zündstoff für neue Kriege. Frieden muss mit beharrlichen Verhandlungen geschaffen werden, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen. Nur solche Diplomatie ist es, die uns Menschen würdig ist.

Es wäre so wichtig, dass jeder sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für den Frieden einsetzt. Ich schreibe vor allem Artikel, die dem Frieden und einer menschenwürdigen Zukunft dienen; ich vermittle gemeinsam mit meiner Frau in Seminaren die Methode der gewaltfreien Kommunikation nach Marshal B. Rosenberg. Vielleicht magst du auf deine Art und im Rahmen deiner Möglichkeiten für den Frieden einstehen, vielleicht auch, indem du einen Verein unterstützt, der bereits an einer menschenwürdigen Zukunft mitbaut.

Unsere Kinder und Enkel dürfen nicht kriegstüchtig gemacht werden, um in naher Zukunft als „Kanonenfutter“ zu dienen. Stattdessen brauchen Kids Friedensliebe und geschützte Räume, damit sie ihre Interessen und Talente entfalten können, Rahmenbedingen, die sie glücklich sein lassen.

Aufrüstung schützt nicht vor Krieg. Das vermag nur ein freundschaftliches Miteinander der Völker.

Denn Freunde kämpfen nicht gegeneinander.

Vertiefen wir also ganz bewusst die völkerübergreifende Freundschaft der Menschen!


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Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321505/zweiter-weltkrieg/
(2) https://www.wicker.de/magazin/generational-trauma
(3) https://www.youtube.com/watch?v=1q-Ga3myTP4

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