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Gefährliches Lavieren

Gefährliches Lavieren

Halbherzige Maßnahmen und beschönigende Polit-PR werden den Planeten und unseren Lebensraum nicht retten.

Die Volkswirte der Deutschen Bank haben vor ein paar Wochen ein lesenswertes Stück über „Mythen der Verkehrswende“ geschrieben, in dem sie einige Öko-Luftballons anstechen, etwa den Hype um die Elektromobilität. Wenn so getan wird, als seien E-Autos klimaneutral, dann ist das Augenwischerei.

Wenn man alle Emissionen über die Nutzungsdauer eines Autos hinweg berücksichtigt, dann scheinen E-Autos ein bisschen besser abzuschneiden als konventionelle, jedenfalls wenn der Strom zu einem hohen Anteil an regenerativen Quellen kommt — was wegen deren Schwankungsanfälligkeit nicht leicht möglich ist. Ein bisschen besser ist etwas anderes als klimaneutral. Und wenn dann die Regeln für die Autokonzerne noch so gesetzt werden, dass diese mit vermeintlich klimaneutralen E-Autos die hohen Emissionen der übermotorisierten Pseudo-Geländewagen ausgleichen können, von denen sie immer mehr bauen, dann schadet zunehmende E-Mobilität wahrscheinlich mehr als sie nutzt. Aber es klingt halt nach ökologischer Aktivität, wenn man eine derartige Verkehrswende beschwört und — zumindest mit Worten — vorantreibt.

Ähnliche Beiträge könnte man auch über die Energiewende schreiben, die voller Hypes, Widersprüchlichkeiten und Pseudo-Maßnahmen ist.

Die selektive Besteuerung des CO2-Ausstoßes bestimmter Aktivitäten, noch dazu mit einem viel zu niedrigen Tarif, wird absehbar ebenfalls nichts bringen, außer politischen Fleißkärtchen für die regierenden Parteien.

Wenn CO2 wirklich das Hauptproblem ist, dann sollte man beim CO2 ansetzen, und zwar möglichst weit vorne. Anstatt ewig darüber zu streiten, welche Branche und welche Aktivität für geschätzte CO2-Emissionen wie viel zahlen soll, wäre die Verteuerung der Energieträger sinnvoll. Es ist bekannt, wie viel CO2 jeweils freigesetzt wird, wenn Diesel, Benzin oder Gas verbrannt wird. Und es gibt nur eine sehr begrenzte Anzahl von Produzenten und vor allem Importeuren solcher Energiequellen. Die Eintreibung und korrekte Bemessung einer solchen Steuer ist also viel einfacher als bei den bisher praktizierten oder diskutierten Verfahren, die erst bei den Nutzern der Energiequellen ansetzen.

Wenn die Energieträger viel teurer werden, dann bestimmt nicht mehr die Polit-PR, was wie gut wegkommt und sich durchsetzt.

Wenn es stimmt, dass E-Autos viel fossile Energie sparen, wird ihnen das helfen, wenn nicht, dann nicht. Das Fliegen wird dann teurer und das Autofahren, generell die Mobilität. SUV werden weniger werden. Energieintensiv hergestellte Güter werden auch teurer.

Bei allem Vertrauen in die Lenkungswirkung der Marktwirtschaft, darf man sich allerdings nicht der Illusion hingeben, der Markt könne es allein oder fast allein richten. Bei einer derart durchgreifenden Reorientierung der Wirtschaft käme es ohne die intensive planende Mitwirkung des Staates zu massiven Verwerfungen. Die würden jede Regierung, die so etwas versuchte, schnell wegfegen.

Zunächst müsste natürlich etwas tun, damit eine massive Verteuerung des Energieeinsatzes nicht zu berechtigtem sozialen Widerstand führt.

Ein guter Ausgleich für hohe Einnahmen und Belastungen durch die CO2-Abgabe wäre eine Senkung oder Abschaffung der Umsatzsteuer. Denn wie eine Energiesteuer trifft die Umsatzsteuer Menschen mit geringem Einkommen härter, weil diese einen größeren Anteil ihres Einkommens für Konsum ausgeben als Bezieher hoher Einkommen. Ersatzweise oder zusätzlich könnte man die Steuerbelastung von Arbeitseinkommen senken und diejenige von Vermögen und Vermögenseinkommen erhöhen.

Kritisch sind die Pendler, vor allem im ländlichen Raum, denn diesen kann man die hohe Belastung aus einer hohen allgemeinen CO2-Abgabe kaum zumuten. Sie müssten mindestens durch volle Absetzbarkeit ihrer Pendelkosten teilweise von den Zusatzkosten entlastet werden. Das wird allerdings kaum reichen, vor allem bei Menschen mit relativ geringem Einkommen. Eine Pauschale, die für sparsame Kleinwagen sehr großzügig, für große und luxuriöse Autos aber deutlich zu knapp ist, unter Wegfall der Möglichkeit, die tatsächlichen Kosten des großen Autos anzusetzen, wäre ein Fortschritt.

Außerdem ist eine integrierte Planung von Stromerzeugung, Verteilung und Verbrauch nötig. Damit nicht einerseits weiterhin konventionelle Kraftwerke in ähnlichem Umfang wie früher gebraucht werden, um die schwankende und nicht mit dem Bedarf variierende Energieerzeugung aus Wind und Sonne bei Bedarf zu ergänzen. Damit zum anderen Kraftwerke dort gebaut werden, wo sie gebraucht werden und zum dritten dafür gesorgt wird, dass sich große Verbraucher soweit möglich zeitlich mit ihrem Verbrauch nach der Stromproduktion richten.

Die größte Herausforderung ist aber die industrielle Umwälzung, die damit verbunden wäre, ernsthaft energieintensive Produktion und Produkte deutlich teurer zu machen. Man denke nur an die vielen Arbeitsplätze und Einkommen, die an der Automobilindustrie und verbundenen Branchen hängen. Wenn man bedenkt, wie schwer sich die Politik tut, die Umstrukturierung der Kohleregionen zu bezahlen und zu organisieren, und wie viel Zeit sie sich damit lässt, bekommt man eine Vorstellung davon, wie groß die Aufgabe ist. Dann versteht man auch sehr leicht, warum die Politik sich lieber in gut aussehende aber letztlich entweder wirkungslose oder viel zu bescheidene Maßnahmen flüchtet.

Der Markt wird nicht in der Lage sein, die komplette industrielle Umstrukturierung auf eine für die meisten Bürger in den meisten Regionen akzeptable Weise zu bewerkstelligen. Der Staat wird sich auch sehr schwer tun. Aber einen Dritten, der es tun könnte, gibt es nicht.

Wenn man nicht wenigstens mal anfängt, entschlossen in die richtige Richtung zu gehen und zu lernen, mit den Schmerzen umzugehen, die dann auftreten, dann kann man es auch gleich lassen. Mit dieser Teilaussage haben Kritiker der Klimapolitik Recht.

Die derzeitige Klimapolitik gleicht der mittelalterlichen Medizin, die sich auf das Schröpfen verlegte, weil man Besseres nicht kannte und kennen durfte, und weil es den Patienten wenigstens das Gefühl gab, behandelt zu werden, ohne ihnen allzu sehr weh zu tun. Dass es sie sinnlos schwächte, merkten sie nicht, weil es so unmerklich stattfand.



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