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Im Würgegriff

Im Würgegriff

Mit ihrer Sanktionspolitik bringen die USA Not und Elend über die iranische Bevölkerung.

von Medea Benjamin

Jüngst durften wir auf einer Delegationsreise in den Iran die iranische Gastfreundschaft aus erster Hand erleben. Iraner sind besonders begeistert, wenn sie US-Amerikaner treffen — wir haben aber leider erfahren, dass die Politik unserer Regierung genau den Menschen schadet, die unsere Freunde sein wollen.

„Friede mit dem Iran“

Als unsere 28-köpfige Delegation durch das Land reiste — auf unseren Jacken stand auf englisch und persisch „Friede mit dem Iran“ —, waren wir stets von Menschen umringt, die ihr Englisch erproben und mit uns sprechen wollten, vom Schulkind bis zum Ladenbesitzer. Als sie hörten, dass wir aus den USA kamen, begannen ihre Augen zu leuchten. Wir posierten ununterbrochen für Fotos und tauschten Instagram-Accounts aus. Man bot uns ständig süßen Tee an und überschüttete uns mit mehr Geschenken, als in unsere Koffer passten.

Es trifft wieder die Falschen

Wir hörten immer wieder den Refrain „US-Amerikaner gut, Trump böse“. Wir trafen aber auch ein paar Trump-Unterstützer. An einem Straßenladen außerhalb Teherans stellten wir mit Entsetzen fest, dass hier sämtliche Bücher von Donald Trump auf persisch verkauft wurden. Ein Buchkäufer sagte, Trump sei gut, weil er dafür sorge, dass man die schrecklichen Kleriker, die das Land regierten, los werde. Die meisten Menschen jedoch, ob sie nun ihre Regierung mochten oder ablehnten, beklagten sich darüber, dass die US-Politik nicht die Regierung oder die Reichen träfe, sondern die Mittelklasse und die Armen.

Im Mai 2018 kündigte Präsident Trump einseitig das Nuklearabkommen mit dem Iran und verhängte daraufhin drakonische Sanktionen, die nicht nur US-Unternehmen untersagen, Geschäfte im Iran abzuwickeln, sondern alle ausländischen Unternehmen und Banken bedrohen, die Handel mit dem Iran betreiben. Die Sanktionen schränken auch Irans Möglichkeiten empfindlich ein, seine Haupteinnahmequelle, das Erdöl, zu verkaufen.

Straßenkinder

Durch die US-Sanktionen sowie durch Misswirtschaft und Korruption ist der Wert des Rial gefallen und hat die Preise für Gebrauchsgüter in Schwindel erregende Höhen steigen lassen. Einer unserer Führer erzählte uns:

„Unsere Ersparnisse auf der Bank sind weg, die Mieten steigen monatlich und die Preise für Lebensmittel täglich, während die Löhne größtenteils gleich bleiben.“ Bei einem Stand am Straßenrand, neben der Grabstätte von Kyros dem Großen, erzählte uns die Frau eines Teeverkäufers, wie dramatisch sich der Lebensstandard der Familie im letzten Jahr verschlechtert habe. „Früher konnten wir uns ein Auto leisten, heute ist nicht mal mehr ein Kühlschrank drin“, klagte sie. Als wir eine Schule für arme Kinder im Süden Teherans besuchten, erfuhren wir, dass die Zahl der Straßenkinder zugenommen hat — vor allem in den Haushalten, denen eine allein stehende Frau vorsteht.

Generation ohne Zukunft

Die Sanktionen machen die Zukunftspläne der Menschen zunichte. Eine junge Frau, die ein volles Stipendium für ein College in London zugesagt bekommen hatte, musste ablehnen, weil die Familie sich das Flugticket nicht mehr leisten konnte. „Ich hatte so viele Hoffnungen und Träume“, sagte sie. „Nun habe ich gar nichts mehr.“ Ein junger Mann erzählte davon, wie er seine Hochzeitspläne aufgeben musste, weil das Paar die Kosten dafür nicht aufbringen konnte. Damit steht er nicht alleine da. „Die Familien vieler junger Frauen können sich eine angemessene Mitgift, wie sie hier der Brauch ist, nicht leisten“, erklärte er, „während viele junge Männer zu dem Schluss kommen, dass ihr Einkommen heute nicht mehr für eine Familie ausreicht.“

Sanktionen töten

Die US-Regierung sagt zwar, Medikamente seien von den Sanktionen ausgeschlossen — da aber Banken sowie Transport- und Versicherungsunternehmen nicht das Risiko eingehen wollen, Handel mit dem Iran zu treiben, sind bestimmte lebenserhaltende Medikamente rar geworden. Unserem Übersetzer kamen die Tränen, als ein alter Mann auf dem Marktplatz erzählte, seine Frau habe Krebs und sie bekämen das Interferon, das sie so dringend benötige, nicht mehr. Ein Mann mit Diabetes hat keinen Zugang mehr zu Medikamenten zur Senkung des Blutzuckerspiegels und muss nun schmerzhafte Dialysen über sich ergehen lassen, um zu überleben.

„Wenn Trump denkt, er schade unserer Regierung, liegt er damit falsch. Rouhani wie auch die Kleriker können jeden Tag Fleisch essen“, meinte ein dreifacher Vater. „Wenn ich meinen Kindern eine ordentliche Mahlzeit pro Woche vorsetzen kann, habe ich schon Glück gehabt. Natürlich haben Regierungen auch Differenzen — warum aber müssen unschuldige Menschen darunter leiden?“

Das geringere Übel

Das riskante Spiel der Trump-Administration, mit den Sanktionen entweder die Regierung zu stürzen oder sie zu einem Wandel in ihren regionalen Strategien zu zwingen, funktioniert nicht. Es sieht im Gegenteil so aus, dass die islamische Regierung, die gerade ihr vierzigjähriges Machtjubiläum gefeiert hat, nicht scheitern wird. Im Spannungsfeld zwischen einem gut geschmierten Unterdrückungsapparat und der Angst, einen Aufruhr wie in Syrien zu erleben, zogen die meisten Menschen, die wir trafen, Reformen innerhalb des bestehenden Systems einem abrupten Regime Change vor, der das Land ins Chaos stürzen könnte.

Und ganz sicher wollten sie keine militärische Intervention der USA. Trumps Politik bindet den Reformern jedoch die Hände. Als sich unsere Gruppe mit Außenminister Javad Zarif traf — am 25. Februar, dem Tag vor seinem kurzlebigen Rücktritt —, betonte dieser, dass er unter starkem Druck stehe, positive Ergebnisse seines Zugehens auf den Westen vorzuweisen.

Trumps wirtschaftlicher Würgegriff schadet all jenen, die wie Zarif auf Verhandlungen gesetzt hatten und damit ihren Ruf riskierten. Rückenwind gibt er den Hardlinern, die immer darauf bestanden hatten, dass Gespräche mit dem Westen vergeblich seien. In den nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2020 könnten diese Hardliner an die Macht kommen. US-Kriegsfalken wie John Bolton sowie Trumps saudische und israelische Verbündeten könnten deren Rückkehr an die Macht als Vorwand nutzen, auf einen militärischen Angriff der USA gegen den Iran zu drängen.

Ein Wiedereinstieg in das Nuklearabkommen, die Aufhebung der Sanktionen und die Entwicklung normaler Handels- und diplomatischer Beziehungen mit dem Iran — all dies würde die Reformer stärken und dem Iran ermöglichen, die Probleme zu lösen, die die Region noch immer plagen. Und es würde die schwierigen Lebensbedingungen der außergewöhnlich liebenswürdigen Menschen verbessern, die uns mit solch offenen Armen empfangen haben.


Medea Benjamin ist Mitbegründerin der Friedensinitiative Codepink und der Menschenrechtsorganisation Global Exchange. Sie twittert unter @MedeaBenjamin.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „[How US Sanctions are Hurting Iran: A Firsthand Report] https://www.counterpunch.org/2019/03/12/how-us-sanctions-are-hurting-iran-a-firsthand-report/)“. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.


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