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Kapitulation im Klassenkampf

Kapitulation im Klassenkampf

In der Kritik der Linken spielt die soziale Ungerechtigkeit infolge der Lockdown-Maßnahmen keinerlei Rolle. Teil 1/2.

von Darren Allen

Vor einem Jahr schrieb ich einen Beitrag zur Reaktion der Linken auf den Lockdown. Darin stellte ich fest, dass der größte Teil der Linken geschwiegen oder Lockdowns unterstützt hatte. Keiner von ihnen sorgte sich, dass Lockdowns einen gewaltigen Vermögenstransfer an die bereits aufgeblähte Schicht der Wohlhabenden nach sich ziehen, die Armen umbringen und weiter ruinieren oder uns tiefer in eine techno-totalitäre Dystopie führen würden.

Keiner von ihnen hat die sogenannten „Fakten“ auch nur in Frage gestellt, geschweige denn versucht, sie — und das ist das Entscheidende — in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Wir befanden uns in einer „Pandemie“, die ungewöhnlich tödlich war oder zumindest eine ausreichende Bedrohung darstellte, um Lockdowns, Masken, Impfstoffe und Impfpässe zu rechtfertigen. Ende der Diskussion.

Die Liste der Stimmen unter den Linken, die entweder schwiegen oder die Geschehnisse offen unterstützten, war lang: Noam Chomsky, David Graeber, Media Lens, Jonathan Cook, Caitlin Johnstone, Chris Hedges, John Pilger, John Zerzan, Paul Kingsnorth, Dougald Hine, Glenn Greenwald, Asa Winstanley, The Canary, Novara, Squarkbox, Libcom, Moon of Alabama, Matt Taibi, Aaron und Gabor Maté, George Monbiot, „Mr. Ethical“, Billy Bragg, Max Blumenthal, Slavoj Žižek, George Galloway, Rachael Swinden, Michael Rosen, Peter Joseph, CounterPunch ... und so weiter und so fort, und das ist auch heute größtenteils noch so.

Es ist wichtig zu verstehen, dass dies überhaupt nicht überraschend ist. Wer sich darüber wundert, hat nicht verstanden, was der linke Flügel eigentlich ist, wie er funktioniert und welche Interessen er verfolgt. Erlauben Sie mir, das zu erklären.

Manche glauben, die Linke zeichne sich in erster Linie dadurch aus, dass sie für marxistische Ideen, für Gewerkschaften, für das Eigentum an den Produktionsmitteln, für staatliche Unternehmen, für den Sturz des Faschismus, für die Abschaffung des Privateigentums, für die atomare Abrüstung oder für ein anderes hehres Ziel eintritt. Man könnte viel über diese Dinge sagen, aber das sind alles sekundäre Überzeugungen. Um die Linken zu verstehen, müssen wir begreifen, was sie tun und wie sie leben. Dadurch wird klar, warum sie die Dinge glauben, die sie tun, und, was noch viel wichtiger ist, warum sie so handeln, wie sie es tun; in diesem Fall, warum sie Lockdowns unterstützen.

Wenn wir damit beginnen, was die Linken tun und wie sie leben, sehen wir, dass sie die Managementklasse sind — sie sind die Fachleute, die das System oder „die Maschine der Welt“ organisieren, konzipieren, verwalten oder, im Falle der Schriftsteller, die uns hier interessieren, fördern und rechtfertigen. Die Macht der Managementklasse kommt nicht wie bei der Eigentümerklasse vom Eigentum, das heißt aus dem Kapital, daher „Kapitalismus“, sondern vom Management, von und durch die Gesellschaft, daher „Sozialismus“.

Das bedeutet nicht, dass die Linken nicht auch die gleiche Art von Macht haben wie Eigentümer, dass sie nicht auch manchmal rechte Ansichten vertreten, dass die beiden nicht auch ineinander übergehen und letztlich in ihrer impliziten Akzeptanz des Systems ununterscheidbar sind. Sie tun es und sie sind es.

Wenn wir jedoch von „den Linken“ sprechen, meinen wir jene Menschen, deren Macht auf der Anhäufung abstrakter Fakten und der Kontrolle von Informationen beruht und die daher Bildung und Geschmack über Moral und Sinn stellen und folglich niemals die Macht der geschmackvollen, gebildeten Klasse kritisieren.

Wenn wir von der „Linken“ sprechen, meinen wir diejenigen, die dazu berufen sind, die Maschine zu steuern, und die daher an die Macht der Maschine, der Technologie und, sofern die Maschine die Gesellschaft ist, an kollektivistische, staatliche, demokratische Lösungen für soziale Probleme glauben, die sie als „Toleranz“, „Inklusivität“, „Mitgefühl“, „Respekt“ und so weiter verpacken, die aber immer die heimliche, unausgesprochene Annahme enthalten, dass sie, die immer so nette Berufsklasse, diesen toleranten, mitfühlenden kollektiven Mechanismus irgendwie organisieren, oder erklären, oder bewerten oder reparieren werden.

Dies erklärt zum Teil auch die verhängnisvolle Hyperabhängigkeit der Linken von der Wissenschaft, vom Rationalismus, dessen religiöse Natur die Linke überhaupt nicht zu ergründen vermag. Alle Rationalisten sind blind für die Aspekte der Realität, die nicht abstrahiert oder begrifflich verwaltet werden können, aber die professionelle Klasse, die dafür bezahlt wird, der rationalen Maschine zu dienen, ist besonders militant, um nicht zu sagen selbstgefällig, in ihrem Festhalten an dem, was sie „Vernunft“ nennt, was aber, losgelöst von der irrationalen Gesamtheit des Lebens (hier erklärt), alles andere als vernünftig ist.

Apropos Erfahrung: Die Linken — und hier überschneiden sie sich mit den Rechten — üben nur selten handwerkliche Tätigkeiten aus und neigen daher dazu, die Form — intellektuelle Ideen und Theorien, Design, strukturelle Anpassungen und so weiter — gegenüber der Funktion und der tatsächlichen Auseinandersetzung mit der realen Welt zu bevorzugen.

Darüber hinaus sind sie fast immer wohlhabend, bequem, mit Eigentum ausgestattet und in einer Welt aufgewachsen, in der Unsicherheit, geschweige denn die Notwendigkeit, sich für ihr Überleben direkt auf andere Menschen zu verlassen, eine untergeordnete Rolle spielt. All dies führt zu einer qualitativen „Atmosphäre“, an der die Linken teilhaben — einer Borniertheit, einer Selbstgefälligkeit, einer Verklemmtheit —, auch wenn ihre spezifischen Meinungen variieren.

Die Linken haben so gut wie keine gelebte Erfahrung mit dem, was die Menschen — die Arbeiterklasse und die Armen — das „wahre Leben” nennen, und sie sind kaum in der Lage, dieses Leben so zu sehen, wie es ist oder wie es von denjenigen erlebt wird, die am äußersten Ende ihrer Gesellschaft stehen.

Stattdessen „sorgen“ sie sich — sie „sorgen“ sich um die Armen, insbesondere die Armen in fernen Ländern, und um die Ausgegrenzten und um die Regenwälder und um die tragischen hungernden Kinder. Dies führt zu zwei zentralen Merkmalen der Linken.

Das erste ist ihre moralische Heuchelei — der ausdrückliche Wunsch zu „helfen“, verbunden mit einem Gefühl der netten, ethischen Überlegenheit, aber ohne tatsächliches Interesse daran, jemals etwas zu tun, das sich tatsächlich mit dem Problem befasst, das tatsächlich das System, das sie reparieren und verwalten, auseinandernimmt. Das zweite Merkmal derjenigen, die wenig Lebenserfahrung haben — und auch das teilen sie mit den Rechten —, ist ihre große Angst vor dem wirklichen Leben mit all seinen Unwägbarkeiten und vor den Menschen, die auch nur annähernd ein solches Leben führen.

All das ist der Grund, warum die Linke — als eine Klasse von Fachleuten, Akademikern, Managern und Wortführern — die Lockdowns akzeptiert hat. Sie sind süchtig nach technokratischen Lösungen für kollektive Probleme, wie sie die „Pandemie“ bot, ihre Macht und Sicherheit beruhen auf professionellem Fachwissen, das die „Pandemie“ verstärkt hat, sie beten den Staat an, den die „Pandemie“ ebenfalls verstärkt hat und von dem die Linke absurderweise glaubt, dass er uns irgendwie „vor dem Neoliberalismus schützt“.

Sie haben Angst vor Unsicherheit, Tod und Krankheit, ganz zu schweigen von der Menschheit; sie sehen das Leben abstrakt, so wie die „Pandemie“ die Menschheit durch das Prisma der „Fälle“ betrachtete, sie sind unkritisch gegenüber der „Wissenschaft“ und gegenüber der Leichtigkeit, mit der die „Wissenschaft“ manipuliert werden kann.

Wie Hannah Arendt es formulierte, „zeichnet sich totalitäre Propaganda durch ihr fast ausschließliches Beharren auf wissenschaftlicher Prophezeiung aus“, und sie haben keine Erfahrung damit, was es bedeutet, arm zu sein, von seiner verhassten Arbeit abhängig zu sein, um zu überleben, in mikroskopisch kleinen Elendsvierteln zu leben und immer nur einen Gehaltsscheck vom Ruin entfernt zu sein; die Klagen, dass Schließungen die Armen ruinieren würden, klangen, in Caitlin Johnstones Worten, wie „hysterisches Geschrei“.

Einige der Linken sind vielleicht in Armut aufgewachsen und wissen noch, wie es war, sich an einen Ast über dem Abgrund zu klammern, aber sie können nur aufsteigen, wenn sie sich als gehorsam, unkreativ und schwach erweisen, was sie auch sind, wenn sie gut zwanzig oder dreißig Jahre in der Wissenschaft, im Journalismus, in der Medizin oder im Recht verbracht haben.

Sie sind nicht in der Lage, sich gegen eine maschinell verstärkende Lüge auszusprechen, die die Gesellschaft erfasst hat, und zwar aus demselben Grund, aus dem sie nicht in der Lage sind, das technokratische System zu kritisieren, das sie pflegen und an dem sie basteln; weil sie Angst haben, Leser einzubüßen oder ihren Status oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder — was am schlimmsten ist — das zu riskieren, was sie mit diesen Dingen versorgt.

Nun, und das versteht sich wohl von selbst, gibt es, wie immer in solchen Situationen, alle möglichen Ausnahmen von der oben skizzierten Situation. Wer sich auf dieses oder jenes Detail dessen, was ich gerade beschrieben habe, fokussiert, wird leicht Einwände und Ausnahmen finden. Außerdem, und das ist für uns hier wichtiger, gibt und gab es sicherlich viele Leute „auf der Linken“, die gegen die Lockdowns und den Mythos der Pandemie waren.

Unter den prominenten Kommentatoren der Linken schlugen Charles Eisenstein, CJ Hopkins, Dmitry Orlov, John Micheal Greer, Neil Clark, David Cayley, Giorgio Agamben, OffGuardian, Vanessa Beeley, Eva Bartlett, Patrick Henningsen, Daniel Fooks und andere mit unterschiedlicher Schärfe und Dringlichkeit Alarm. Ich hoffe, es ist jetzt ein wenig klarer, dass diese bewundernswerten Leute entweder keine Linken sind oder dass ihr Linkssein in gewisser Weise fehlgeleitet ist.


Darren Allen ist ein radikaler britischer Autor und Philosoph. Sein Werk widmet sich dem Wesen der Realität, dem Ursprung der Zivilisation, dem Schrecken von Arbeit, Tod, Gender, mentaler „Krankheit“, Miss Genius, bedingungsloser Liebe und Leben jenseits des Spektakels. Gottseidank verfügt er über keinerlei Qualifikation, die ihn dazu berechtigen würde, über all diese Dinge zu schreiben. Weitere Informationen — auf Englisch — unter expressiveegg.org.


Redaktionelle Anmerkung: Der Beitrag erschien am 28. November 2021 unter dem Titel „The Return of the Lockdown Left“. Er wurde von Max Stadler vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzerteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.


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