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Keine von euch

Keine von euch

Bei dem Bestreben, Ungeimpfte vor Diskriminierung zu schützen, gerät eines oft in Vergessenheit: Geimpfte sind ebenfalls Ausgrenzungen ausgesetzt.

Eins vorweg: Ich bin geimpft! Zweimal. Ich habe durch den mRNA-Impfstoff ein rechtswirksames „G“ erworben: den QR-Code generierten Beweis für meinen Gehorsam auf dem Handy. Meine Entscheidung, mich impfen zu lassen, war keine kraftvolle, aus der Eigenverantwortung heraus getroffene. Vielmehr erlag ich dem Schuldmechanismus. Wochenlang schämte ich mich mir selbst gegenüber. Inzwischen habe ich mir verziehen und einiges dazugelernt — über das Gefühl, weder zu den einen noch zu den anderen zu gehören, und das, was Verantwortung ausmacht.

Als im Februar 2020 die ersten Virusfälle in Deutschland bekannt wurden, habe ich kaum hingehört. Ich habe trotzdem Menschen umarmt und Kontakte gepflegt. „Eine ganz normale Virusgrippe!“, dachte ich. Doch dann irgendwann gab es kein Entkommen mehr. Alle sprachen von Corona, der Verdoppelungszahl, dem R-Wert, dann die Bilder aus Italien, der erste Lockdown in Deutschland. Längst sagte man nicht mehr „Tschüss“, sondern „Bleib gesund!“ zum Abschied. Stück für Stück zog es mich in eine Abwärtsspirale aus dem Widerstand gegen die Angst und der Angst vor dem eigenen Widerstand. Nischen suchen, Lücken finden in den plötzlich allgegenwärtigen Regeln und Verboten, das habe ich, schon allein für die Kinder, getan.

Die nackte Panik hat mich zu keinem Zeitpunkt erwischt. Unser Haus wurde zur informellen Shishabar für die Freunde meines damals 19-jährigen Sohnes und der Jüngste durfte sich bei uns auch mit mehreren Kindern gleichzeitig treffen. Aber schnell merkte ich, dass Freunde, Bekannte, andere Eltern, ja, sogar die eigene Familie regelkonform Gehorsam übten. Meine Sorglosigkeit eckte an. Nur noch einzeln eintreten beim Bäcker, Maske tragen und stets und überall die Mahnung nach mehr Abstand.

Ich merkte, dass ich anfing, mich zu beugen. Ich suchte an der Kassenschlange nach der Markierung, die mir meinem Platz zuwies — nicht aus Überzeugung, aber aus Konformitätsdruck.

Und dann war da auch noch das schlechte Gewissen, das jeden Widerstand schließlich lahmlegte: Meine Eltern, beide um die Achtzig und kränklich, meine beste Freundin mitten in der Chemotherapie und ich selbst tagtäglich in einem „Masken freien“ Job mit unmaskierten Kindern. Was, wenn ich mich anstecke und das Virus weitertrage? Wenn ich durch meine Unbekümmertheit oder meinen Ungehorsam Menschen, die ich liebe, gefährde? Als Verantwortliche einer großen Musikgruppe im Ort, musste ich plötzlich maßnahmegerechte Entscheidungen treffen, Verordnungen kennen und schließlich den Betrieb einstellen. Was passierte hier?

Mein Leben lag brach, ein Tag glich dem vorherigen. Rückblickend gesehen war der einsame Lockdown-Winter ein Segen. Denn er brachte mich zu mir selbst zurück. Zum Jahreswechsel bemerkte ich, dass die fehlenden Ablenkungen den Blick nach innen freimachten. Plötzlich waren die alten Dämonen wieder da: Vergrabene Ängste, alter Schmerz, nagende Selbstzweifel. War das Leben im Außen nicht gerade schwer genug? Warum konnte ich mich nicht wie andere mit Netflix betäuben oder wenigstens den Dachboden aufräumen? Stattdessen schmetterte mich die Spiegelung meiner eigenen Trostlosigkeit richtiggehend zu Boden.

Ich suchte und fand professionelle Hilfe bei einem Coach in meiner Heimatstadt. Und ich begann zu lernen, zu spüren, zu fühlen. Die ersten Wochen waren ein einziger Schmerz. Der „Piks“, der in diese Zeit fiel, war nur ein Pflichttermin.

Heute, nach acht intensiven Monaten innerer Arbeit, weiß ich, dass die Verantwortung für mein heutiges Leben ganz allein in meinen Händen liegt.

Ja, ich war ein Opfer: Opfer narzisstisch gestörter Eltern, Opfer eines Schulsystems, das angepasste, stromlinienförmige Objekte formt, Opfer einer kapitalistisch geprägten Konsumgesellschaft mit „Haste was, biste was“-Mentalität, Opfer des eigenen Anspruchs, Opfer der eigenen ungestillten Bedürftigkeit danach geliebt, gemocht und geschätzt zu werden.

Aber aus der Opferposition ist kein Handeln, kein wirkliches Leben möglich. Und es wurde Zeit, erwachsen zu werden.

Mit dem Erwachen erwachte auch mein Wissensdurst. Was genau hat es mit der Impfung und dem dahinterstehenden System auf sich? Ich begann, mich auf anderen Kanälen zu informieren, fand Erklärungen und erschloss mir Zusammenhänge. Was ich leider auch fand, waren Anfeindungen und Diffamierung auf „beiden Seiten“. Es gibt Facebook-Kontakte, die würden mich wohl hochkantig aus ihrer Freundesliste werfen, wenn sie wüssten, dass ich geimpft bin. Und dabei wären Schlafschaf und Lemming noch die harmlosen Betitelungen.

Ich habe es getan, weil ich dachte, es sei meine Pflicht meinen Nächsten gegenüber. Ich war es mir selbst nicht wert, zu hinterfragen oder zu widerstehen! Würdet ihr, die ihr schon lange das Erwachtsein für euch in Anspruch nehmt, diese Antwort gelten lassen oder mich als eine Schildbürgerin oder gar eine „willenlose Impfwurst“ bezeichnen und mir wünschen, dass mein Körper Rache nimmt?

Dabei bin ich eine von euch! Ich stehe auf gegen jede Art von Ausgrenzung und gegen Erpressung und Verleumdung. Mein Widerstand gilt denen, die jetzt die Daumenschrauben anlegen wollen und echte Werte wie Solidarität für ihr Denunziantentum missbrauchen.

Dass wir dem sonst eher schambesetzten Patriotismus nun durch eine Impfung darstellen sollen, macht mich genauso wütend wie euch, die ihr sagt: „Mein Ärmel bleibt unten!“

Das Impfen meiner Kinder wäre zu keinem Zeitpunkt für mich infrage gekommen und ich huldige keiner Partei und keinem System. Kurz: Ich bin keine Faschistin.

Aber ich wünsche mir, dass wir Bürger dieses Landes einander begegnen können — auch in unserer Diversität. Wir wissen nie, warum der jeweils andere sich für oder gegen etwas entschieden hat. Aber Seite an Seite aufstehen für die Freiheit einer eigenen Meinung, das können wir noch immer.


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