Zum Inhalt:
Kostenpflichtige Dauerpropaganda

Kostenpflichtige Dauerpropaganda

Wer von „Zwangsbeiträgen“ spricht und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen will, wird schnell als rechts geframt — von jenen, die ihre Pfründe sichern wollen.

Die richtige Haltung kennt Georg Restle, Leiter und Moderator des ARD-Politmagazins Monitor und eine Weile lang aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Intendanten des WDR. Restle verteidigt diese Haltung tagtäglich bei X. Neulich positionierte er sich gegen Kulturstaatsminister Wolfgang Weimer. Jener kritisiert nämlich das Beitragsmodell der Öffentlich-Rechtlichen. Restles genauer Wortlaut bei X: „Zwangsbeitrag ist der zentrale Kampfbegriff einer Kampagne, die nichts anderes im Schilde führt, als den ÖRR abzuschaffen. Das weiß Wolfram Weimer natürlich — und verwendet diesen Begriff trotzdem oder gerade deshalb. Das macht ihn als Kulturstaatsminister untragbar.“ Ist das jetzt ein Missverständnis vom Monitor-Moderator – oder doch nur eine Gegenkampagne?

Die Finanzierung der Pressefreiheit hat keinen Verfassungsrang

Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein im Grundgesetz ausdrücklich genanntes Verfassungsorgan, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Dieses hat aus Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Rundfunkfreiheit schützt, Leitprinzipien entwickelt: Der Rundfunk in Deutschland muss demnach staatsfern organisiert, funktionsfähig und in der Lage sein, die Vielfalt der gesellschaftlichen Meinungen abzubilden. Damit soll gewährleistet werden, dass sich die Bürger ein unabhängiges Bild von politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Themen machen können. Wie diese Grundprinzipien praktisch umgesetzt werden, obliegt dem Gesetzgeber, das gibt keine Verfassung vor. Das heute bestehende Modell – mit ARD, ZDF, Dritten Programmen, Deutschlandradio, Spartensendern und Online-Angeboten, finanziert über den Rundfunkbeitrag – ist nur eine von mehreren möglichen Ausgestaltungen.

Dieses Modell hat zwar eine vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Bestands- und Entwicklungsgarantie, die den ÖRR vor willkürlicher Abschaffung schützen soll — Alternativen, wie man mit dem öffentlich-rechtlichen Angebot weiterverfährt, sollten also vorab bekannt sein, wenn man den Komplex angehen möchte —, aber es ist nicht unantastbar, wie Georg Restle es in seinem Tweet suggerieren und wie die Claqueure seines Beitrages es vermitteln möchten, denn es sind überwiegend solche, die eine gewisse Nähe zum beitragsfinanzierten Medienbetrieb aufweisen.

Reformüberlegungen oder alternative Modelle verstoßen also nicht per se gegen das Grundgesetz, solange die verfassungsrechtlichen Kernanforderungen eingehalten werden.

Die Rundfunkbeiträge, die umgangssprachlich häufig als „Zwangsgebühren” bezeichnet werden, sind ein Finanzierungsmechanismus, den das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen gebilligt hat. Hauptargument ist dabei, dass eine allgemeine Beitragspflicht sowohl die finanzielle Unabhängigkeit der Sender von staatlichen Haushaltsentscheidungen als auch die Gleichbehandlung der Bevölkerung sichert.

Dennoch bedeutet die verfassungsrechtliche Zulässigkeit nicht, dass Kritik daran unzulässig oder gar verfassungsfeindlich wäre. Im Gegenteil: Finanzierungsmodelle zu hinterfragen, fiele unter die Meinungsfreiheit — und jene, die ihren Teil dazu entrichten, haben sicherlich jedes Recht dazu, die von ihnen finanzierte Veranstaltung kritisieren zu dürfen.

Die eigentlich einst vom Bundesverfassungsgericht postulierte Effizienz des Beitragsmodelles anzuzweifeln: Wer das als das Teufelswerk rechter Populisten deklariert, scheint nicht verstanden zu haben, in welchem juristischen Korsett sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bewegt. Es ist kein Naturgesetz, dass er so finanziert werden muss, wie es heute geschieht. Das Bundesverfassungsgericht könnte im Laufe der Zeit auch seine Auffassung ändern — an dieser Stelle würden Apologeten des Ist-Zustandes, wie eben jener Restle einer ist, einhaken und monieren:

*Ja, sicher, wenn die AfD noch stärker wird, nominiert sie doch eines Tages Verfassungsrichter und wirkt so auf das Ende des aktuellen Finanzierungsmodelles — und die Reform — des Öffentlich-Rechtlichen hin. * Und ja, das ist zweifellos vorstellbar, nur gilt es einen ganz wesentlichen Punkt zu bedenken: Die Nominierung von Verfassungsrichtern soll immer auch die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegeln. Das bedeutet: Wenn die AfD so viele Wähler mobilisiert, scheinen die gesellschaftlichen Verhältnisse sind doch so verändert zu haben, dass letztlich auch ein Verfassungsrichter aus diesem Lager kommen sollte, um der politischen Vielfalt im Lande gerecht zu werden. In diesem wahrscheinlichen Szenario wird um einen Umgang mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gerungen werden müssen. Warum sollte das Bundesverfassungsgericht dann einst getroffene Rechtsnormen nicht an die Aktualität anpassen dürfen?

Wer Widerworte gibt ist rechts

So eine Praxis wäre nicht etwa ein Schlag gegen den Rechtsstaat, sondern ist rechtsstaatliche Normalität in Deutschland. Gerichte kippen immer wieder eine Rechtsprechung, die früher mal als richtig betrachtet wurde, heute aber anders betrachtet werden muss. Es wäre fatal, wenn Gerichte einmal getroffene Rechtsnormen nicht mehr neu ausrichten könnten — so ein Prozedere erlaubte keine gesellschaftliche Mobilität mehr. Nehmen wir als Beispiel die Bewertung des Bundesverfassungsgerichts zu Paragraph 175 des Strafgesetzbuches, Strafbarkeit homosexueller Handlungen zwischen Männern. 1957 urteilte man in Karlsruhe, dass der Paragraph sehr wohl mit dem Grundgesetz vereinbar sei, die Richter sprachen dem Gesetzgeber damals einen Einschätzungsspielraum bei der Gestaltung von Moral- und Sittengesetzen zu. Im Laufe der 1970er- und 1980er Jahre veränderte sich der gesellschaftliche Umgang mit Schwulen und Lesben jedoch so sehr, dass auch der Gesetzgeber unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Wandel der verfassungsrechtlichen Wertung jenen Paragraphen aufhob. Das ist nur ein Beispiel von einigen, in denen das Bundesverfassungsgericht seine Sichtweise anpasste.

Daraus lässt sich folgern: Wer die heutige Rundfunkfinanzierung kritisiert oder ein anderes System vorschlägt — sei es steuerfinanziert, durch freiwillige Abonnements, durch Mischformen oder durch privat organisierte Stiftungen, wie auch immer – handelt nicht gegen das Grundgesetz. Verfassungsrechtlich entscheidend ist allein, dass das neue Modell den Rundfunk weiterhin staatsfern, vielfältig und funktionsfähig hält: Zumindest sah das Bundesverfassungsgericht das bis dato so. Ob das in 30 Jahren noch so gesehen wird, wenn Verfassungsrichter durch TikTok gesäugt und mit Twitch großgezogen wurden?

Ein Vorschlag, die Finanzierung anders zu gestalten, ist aber schon heute Ausdruck legitimer demokratischer Willensbildung und keineswegs automatisch verfassungsfeindlich. Erst wenn als Ziel erkennbar wäre, die freie Berichterstattung zu schwächen oder kritische Medienstrukturen auszuschalten, käme nach heutiger Auffassung Karlsruhes ein Konflikt mit den Grundwerten der Verfassung in Betracht.

Solange aber das Anliegen lautet, die Finanzierung neu aufzustellen oder gerechter zu gestalten, muss niemand sich von Georg Restle und Kollegen etwas unterstellen lassen.

Die Crux liegt freilich woanders: Zweimal fand sich in den letzten Absätzen das Wörtchen „staatsfern” — geben Sie es zu, werter Leser: Sie sind bei dem Wort zusammengezuckt, stimmt’s? Der Autor ist es jedenfalls, denn er wiederholte nur, was das Bundesverfassungsgericht über das öffentlich-rechtliche Rundfunkwesen zum Besten gab — und das in dem Wissen, dass staatsfern an diesem Betrieb nur eine Beschwörungsformel ist und keine Realität.

Die Staatsferne ist freilich nur ein Kniff, der mit der Wirklichkeit kaum vereinbar ist, denn schließlich verpflichtet der Staat seine Bürger, einen Beitrag zu entrichten und sperrt — im schlimmsten Falle — sogar Menschen ein, die diesen nicht bezahlen möchten.

In den Rundfunkräten sitzen außerdem Vertreter der Parteien, die starken Einfluss ausüben auf die Leitlinie der Anstalten und die, so vernimmt man immer wieder, auch Redaktionen in Beschlag nehmen, wenn diese „auf Abwege” geraten.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Bestand politischen Personals in solchen Gremien zwar beschränkt, ob dieses Limit jedoch wirkt, ist eine andere Sache. Für Restle mag es, wie für viele andere, die dieses Modell für unantastbar erklären, ein Schock sein, dass ein Politiker wie Weimer — zwar parteilos, aber mit starker Nähe zu Friedrich Merz und dessen CDU — etwas kundtut, was die schöne Kontinuität stören könnte. So einer muss ja zwangsläufig mit den Rechten in Verbindung gebracht werden. Denn wer Widerworte findet in dieser Zeit, in der es doch so wichtig ist, zusammenzuhalten und die Harmonie zu sichern, der kann doch nur rechts zu verorten sein.

Restle gegen Diabolos

Diese Taktik ist freilich keine Silbe mehr wert, denn man findet sie landauf landab in Dauerschleife. Täglich gibt es mehr Rechte in Deutschland. Nicht in der wirklichen Welt, wohl aber in den veröffentlichen Ausschnitten, die der Hauptstadt-Journalismus — das soll man übrigens auch nicht mehr sagen, weil dieses Kompositum den Stadt-Dorf-Mythos der Rechten bediene, las man neulich irgendwo — den Rezipienten vorsetzt. Dort tummeln sich immer mehr Menschen, über die als Rechte berichtet wird. Und das aus oft nichtigen Gründen. Natürlich würde Restle es nicht durchsetzen können, seine Sätze gegen den Kulturstaatsminister und dessen Umgang mit dem bösen Wort von den „Zwangsbeiträgen” in seine Sendung Monitor zu packen: Daher spricht er in den Netzwerken von einer Kampagne, die den ÖRR abschaffen möchte — was bekanntlich nur die Rechten wollen — und rückt so den Feind, der an die Pfründe und Privilegien gehen könnte, in die Ecke derer, die man bitte gesellschaftlich ächten und isolieren sollte.

Selbstverständlich weiß der Journalist Georg Restle, dass das öffentlich-rechtliche System, wie es sich im Laufe von Jahrzehnten etabliert hat, kein unantastbarer Zustand ist. Wenn Journalisten wie er derart polemisch auf Zeitgenossen reagieren, die — und sei es nur verbal — die Antastbarkeit dieses speziellen Medienbetriebes aufs Tapet bringen, ahnt man vielleicht, in welchem Besitzstandswahrungsmodus sich diese Leute befinden müssen. Sie fürchten ja nicht die Abschaffung des Öffentlich-Rechtlichen – das ist die Position, auf die sie sich zurückziehen, weil es ihnen leichter fällt, aus dieser Warte heraus gegen Angriffe zu polemisieren. Denn die ersatzlose Abschaffung ist verfassungsrechtlich tatsächlich weitaus schwieriger, da müsste Karlsruhe komplett umfallen und alles für unhaltbar erklären, was es in den letzten Jahrzehnten zu dieser Thematik geurteilt hat. Aber im Grunde fürchten sich die Restles schon vor jeder Veränderung, die dazu angetan sein könnte, den ÖRR-Way of Life anzutasten. Ja, bereits jede nicht gewährte Beitragserhöhung werten sie als Angriff auf die Planungssicherheit und damit auch als ganz persönlichen Affront gegen ihre Person.

Diese Kulturkämpfer für einen öffentlich-rechtlichen Sendebetrieb, der bitte so bleiben soll, wie er jetzt ist, über den man auf keinen Fall nachdenken soll, schon gar nicht reformieren oder finanziell anders gestalten, möchten für sich einfach nur Kontinuität in einer Gesellschaft sichern, die sich dauernd verändert — und deren Veränderungen sie, die Restles im Lande, ja immer wieder gerne als unbedingt notwendige Transformationen ihrem Publikum vorstellen.

Verändern sollen sich alle anderen – aber der beitragsfinanzierte Parallelkosmos soll bitte weiterhin wie im Jahr 2024 mit 8,74 Milliarden Euro jährlich ausgestattet werden. 2023 waren es gar 9,02 Milliarden.

Wer diese Finanzierung thematisiert, darf mit einer Kriegserklärung rechnen. Und damit es am Ende nicht so plump pekuniär klingt, geht es in den Kampfansagen nie um Geld, nie um das eigene Salär, sondern immer um die Demokratie, um den Fortbestand des Landes und darum, den Niedergang und damit die finale Katastrophe zu vereiteln.

Wer also die Beitragsfinanzierung nur für einen Moment anzweifelt, bestellt das Werk des Diabolos und möchte Deutschland von der Landkarte tilgen — mindestens.


Finden Sie Artikel wie diesen wichtig?
Dann unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende.

Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem kleinen Dauerauftrag oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder unterstützen Sie uns durch den Kauf eines Artikels aus unserer Manova-Kollektion .

VG-Wort Zählpixel

Weiterlesen

Mission der Menschlichkeit
Thematisch verwandter Artikel

Mission der Menschlichkeit

Die bisher größte zivile Seemission versucht, einen humanitären Korridor nach Gaza zu schaffen, und setzt sich dabei sowohl militärischen Gefahren als auch politischer Kriminalisierung aus.