Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Kriegsminister gibt’s nicht mehr

Kriegsminister gibt’s nicht mehr

Nenas Klassiker „99 Luftballons“ malte hellsichtig die Gefahr eines Krieges aus Versehen an die Wand.

„Neunundneunzig Kriegsminister
Streichholz und Benzinkanister
Hielten sich für schlaue Leute
Witterten schon fette Beute
Riefen: ‚Krieg!‘ und wollten Macht
Mann, wer hätte das gedacht
Dass es einmal so weit kommt.“

„Wegen 99 Luftballons.“ Die Sängerin Nena war eine der ganz wenigen Künstlerinnen im deutschen Sprachraum, die sich im Corona-Regime auf die Seite des Friedens gestellt hat. Sie begriff, dass der vorgebliche Kampf gegen die Pandemie kriegerische Ausmaße gegen das Volk angenommen hatte. Folgerichtig verweigerte sie sich Aufrufen zum „Krieg gegen das Virus“, wie sie von den Toten Hosen bis Roland Kaiser lanciert wurden. Im Gegenteil: Anlässlich einer Großkundgebung in Kassel gegen die Corona-Maßnahmen bedankte sich Nena bei den Aktivisten und Aktivistinnen.

Mit ihrer klaren Positionierung schlug die Sängerin einen Bogen von den Massendemonstrationen gegen die NATO-Aufrüstung der frühen 1980er Jahre zu den Hunderttausenden, die in den vergangenen zwei Jahren für Grundrechte und gegen Impfzwang auf die Straße gingen.

Der Song „99 Luftballons“ erschien Anfang Januar 1983. Er war Nenas Antwort auf den sogenannten NATO-Doppelbeschluss, der atomar bestückbare Mittelstreckenraketen (Pershing II) und Marschflugkörper (Cruise-Missiles) auf den europäischen Kontinent, insbesondere nach Deutschland und Italien brachte. Mit dem NATO-Doppelbeschluss verstärkten die USA mittels der von ihr geführten nordatlantischen Allianz ihre militärische Präsenz in Westeuropa. Die Cruise-Missiles sollten in der Folge eine der meisteingesetzten Waffen in allen Kriegen werden, die das Pentagon in den vergangenen 40 Jahren führte.

Seit der Auflösung der Sowjetunion und der Warschauer Vertragsorganisation im Jahre 1991 erweitert das transatlantische Militärbündnis Schritt für Schritt seinen Aktionsradius. Immer mehr Länder werden in die NATO-Struktur inkorporiert. Noch vor dem ersten Out-of-Area-Einsatz gegen Jugoslawien im März 1999 wuchs die Anzahl der Mitgliedsstaaten von 16 auf 19; Polen, Tschechien und Ungarn sahen sich nur ein Jahrzehnt nach dem Ende der kommunistischen Regime im Krieg — gegen Belgrad. Im Jahr 2004 nahm die NATO-Osterweiterung dann enormen Schwung auf: Sieben neue Länder aus Osteuropa wurden der Kriegsallianz beigetreten. Ende 2022 waren es vier weitere, sodass die Allianz mittlerweile auf 30 Staaten angewachsen ist.

Der große Ausgriff bis an die Grenzen der Russländischen Föderation war bereits im April 2008 geplant, als beim NATO-Gipfel in Bukarest die Aufnahme Georgiens und der Ukraine beschlossen wurde.

Es war insbesondere Deutschland unter Kanzlerin Angela Merkel, die auf diesen Erweiterungsschritt bremsend einwirkte. Nach dem Ende ihrer Amtszeit — sowie dem zeitgleich stattfindenden Personalwechsel in Washington — übernahmen Bellizisten und Bellizistinnen die Ministerstühle in Berlin. Dem nun von Joe Biden neuerlich dynamisierten Vormarsch der NATO in Richtung Russland wollten sie nichts mehr entgegensetzen. Eine von Moskau geforderte Garantieerklärung für eine neutrale Ukraine fand im deutschen Kanzleramt kein Gehör. Und die deutsche Chefdiplomatin – bei dieser Bezeichnung sträubt sich fast die Tastatur — ließ auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Amtskollegen die Regierung in Kiew zwei Wochen vor (!) dem völkerrechtswidrigen russischen Einmarsch wissen: „Wir stehen an der Seite der Ukraine.“

In der Zwischenzeit fluten Waffen aus fast allen NATO-Staaten – mit der Ausnahme Ungarns – die ukrainischen Schlachtfelder, wo sie gegen russische Truppen zum Einsatz kommen. Monat für Monat werden neue Pakete mit immer mehr und immer tödlicherem Militärgerät geschnürt; US-Geheimdienstinformationen und Kämpfer aus NATO-Ländern ergänzen die westliche Kriegsmaschine.

Was fehlt, ist ein breiter Protest gegen diesen Krieg. Die Friedensbewegung schwächelt. Zu der Zeit, als Nena ihren Song „99 Luftballons“ schrieb, gingen Hunderttausende auf die Straße.

Selbst im neutralen Österreich versammelten sich 70.000 Menschen vor dem Wiener Rathaus, und die Bewegung wirkte tief in die politischen Strukturen der etablierten Parteien hinein. Von der „Jungen Generation“ der damals noch „Sozialistischen Partei Österreichs“ über die „Katholische Jugend“, christliche Frauenverbände und Gewerkschaftsgruppen bis hin zu den sich in Gründung befindlichen alternativen und grünen Bewegungen waren viele Menschen auf den Beinen, um „Nein“ gegen die von der NATO angezogene Rüstungsspirale zu sagen.

Damals hießen die Führungsfiguren der deutschen Grünen Petra Kelly und Gert Bastian, und sie verstanden sich ganz selbstverständlich als Teil der Friedensbewegung. Heute stehen an ihrer Stelle Robert Habeck und Annalena Baerbock, die nicht nur zum Teil der NATO-Kriegsmaschine geworden sind, sondern diese entscheidend antreiben. CDU/CSU sowie Liberale würden es ohne diese grüne Triebkraft nicht schaffen, das jahrzehntelang dem Frieden zugeneigte deutsche Publikum auf Kriegskurs zu bringen.

Die Sozialdemokraten wiederum folgen den Spuren ihrer russophoben Altvorderen, die immer dann Russland und Dden Russen“ als Feindbild reaktivieren, wenn es genau darauf ankäme, dies nicht zu tun. „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich“, mit dieser Losung stimmte die SPD-Reichstagsfraktion am 4. August 1914 der kaiserlichen Kriegserklärung gegen Russland zu. Das sozialdemokratische Urgestein August Bebel gab schon Jahre zuvor die Linie vor.

Während eines Parteitages in Essen Mitte September 1907 stellte er sich hinter eine russenfeindliche Rede seines Parteifreundes Gustav Noske, dem späteren Schlächter von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, und meinte:

„Wenn es zu einem Kriege mit Russland käme, das ich als Feind aller Kultur und aller Unterdrückten nicht nur im eigenen Lande, sondern auch als den allergefährlichsten Feind von Europa und speziell für uns Deutsche ansehe, (...) dann sei ich alter Knabe noch bereit, die Flinte auf den Buckel zu nehmen und in den Krieg gegen Russland zu ziehen. Man mag darüber lachen, aber mir ist es mit dem Wort bitterernst.“

Bebel konnte seinen Worten keine Tat mehr folgen lassen, er starb ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Die heutigen Kriegstreiber aus dem Deutschen Bundestag haben es — bislang? — mit Aussagen zu persönlichem Kampfeinsatz im Kriegsgebiet fehlen lassen. Stattdessen sehen sie dabei zu, wie Tag für Tag junge ukrainische Männer auf dem Schlachtfeld für „ihre Werte“ sterben.

Ohne eine starke Friedensbewegung, die einen sofortigen Waffenstillstand, das Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und das Ende der Sanktionen gegen Russland fordert, geht das Sterben weiter.

„Neunundneunzig Jahre Krieg
Ließen keinen Platz für Sieger
Kriegsminister gibt's nicht mehr
Und auch keine Düsenflieger
Heute zieh′ ich meine Runden
Seh′ die Welt in Trümmern liegen.“


NENA - 99 Luftballons


Medienpartner

Nacktes Niveau (Paul Brandenburg), Punkt.preradovic, Kaiser TV,
Hinter den Schlagzeilen, Demokratischer Widerstand,
Eugen Zentner (Kulturzentner), rationalgalerie (Uli Gellermann), Protestnoten, Radio München (Eva Schmidt), Basta Berlin, Kontrafunk und Ständige Publikumskonferenz.

Weitere können folgen.

Ablauf

Samstag 9.7.2022 SONG Fortunate Son (Creedence Clearwater Revival)
TEXT Marcus Klöckner, Die Doppelmoral der Kriegsmacher — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 15.7.2022 SONG Redemption Song (Bob Marley)
TEXT Jens Fischer Rodrian, Botschafter für eine gerechte Welt — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 23.7.2022 SONG Friedensbewegung (Kilez More)
TEXT Eugen Zentner, Liebe und Leidenschaft — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 30.7.2022 SONG Es ist an der Zeit (Hannes Wader)
TEXT Roland Rottenfußer, Der wirkliche Feind — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 6.8.2022 SONG War — what is it good for? (Edwin Starr)
TEXT Lüül, Wozu ist Krieg gut? — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 13.8.2022 SONG Another brick in the wall (Pink Floyd)
TEXT Alexa Rodrian, Der Ziegel in der Wand — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 20.8.2022 SONG Anthem (Leonard Cohen)
TEXT Madita Hampe, Durch alles geht ein Riss — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 27.8.2022 SONG Feeding off the love of the land (Stevie Wonder)
TEXT Nina Maleika, Zurück zur Verbundenheit — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 3.9.2022 SONG Drei Kreuze für Deutschland (Prinz Pi)
TEXT Nicolas Riedl, Der Sog des Krieges — zur Aktion Friedensnoten

Samstag 10.09.2022 SONG Masters of war (Bob Dylan)
TEXT Wolfgang Wodarg, Meister der Kriege — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 24.09.2022 SONG Die Welt im Fieber (Karat)
TEXT Maren Müller, Die Welt im Fieber — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 1.10.2022 SONG Wehre have all the flowers gone (Joan Baez)
TEXT Ulrike Guérot, Der Kreislauf des Krieges — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 8.10.2022 SONG Peace (Ajeet Kaur)
TEXT Philine Conrad Der Wunsch nach Frieden — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 15.10.2022 SONG Working Class Hero (John Lennon)
TEXT Tom-Oliver Regenauer Das Musik-Monument — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 29.10.2022 SONG Imagine (John Lennon)
TEXT Kenneth Anders Sich den Frieden ausmalen — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 5.11.2022 SONG (What’s So Funny ’Bout) Peace, Love and Understanding (Nick Lowe)
Text Sabrine Khalil Der unbequeme Weg des Fragens — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 12.11.2022 SONG I Can’t Write Left Handed (Bill Withers
Text Ulli Masuth Fragwürdiger Heldenmythos — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 19.11.2022 SONG Sag mir wo die Blumen sind (Marlene Dietrich)
TEXT Oli Ginsberg Vom Krieg verweht — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 26.11.2022 SONG Meinst du, die Russen wollen Krieg? (Jewgeni Jewtuschenko)
TEXT Ulli Gellermann Die Russen wollen keinen Krieg — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 3.12.2022 SONG Sympathy for the Devil (The Rolling Stones)
TEXT Paul Brandenburg Sympathie für den Teufel — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 10.12.2022 SONG Boom! (System of a Down)
TEXT Thomas Trares Der Zenit der Friedensbewegung — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 17.12.2022 SONG The human hearth (Coldplay)
TEXT Jens Lehrich Dir wird geholfen — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 24.12.2022 SONG Neu aufgenommenes Weihnachtslied (Alexa- und Jens-Fischer Rodrian)
TEXT Alexa- und Jens-Fischer Rodrian Leben im Vielklang — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 31.12.2022 SONG Wake me up when September Ends (Green Day)
TEXT Aaron Richter Feiert eure Menschlichkeit! — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 7.1.2023 SONG Draft Resister (Steppenwolf)
TEXT Jonny Rieder Ohne mich! — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 14.1.2023 SONG Falstaff (Verdi)
TEXT Martha Carli, Der heimliche Held — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 21.1.2023 SONG What’s going on (Marvin Gaye)
TEXT Christian Schubert Was in uns vorgeht — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 28.1.2023 SONG War is not am Woman‘s Game (Yael Deckelbaum)
TEXT Sandra Seelig Weiblichkeit kennt keinen Krieg — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 4.2.2023 SONG Nein, meine Söhne geb ich nicht (Reinhard Mey & Freunde)
TEXT Michael Karjalainen-Dräger Wie man einen Krieg beendet — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 11.2.2023 SONG Aabeglogge (Jodlerclub Balfrin)
TEXT Jeanette Fischer Das Leben neu entdecken — Zur Aktion Friedensnoten

Samstag 18.2.2023 SONG 99 Luftballons (Nena)
TEXT Hannes Hofbauer Kriegsminister gibt’s nicht mehr — Zur Aktion Friedensnoten


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.

Weiterlesen

Mit aller Gewalt
Thematisch verwandter Artikel

Mit aller Gewalt

In seiner Spätphase konzentriert sich der Kapitalismus auf die Organisation schöpferischer Zerstörung — sie macht auch vor der menschlichen Seele nicht Halt. Teil 1 von 4.

Gespaltene Staaten von Amerika
Aktueller Artikel

Gespaltene Staaten von Amerika

Im Manova-Exklusivgespräch diskutiert Walter van Rossum mit der Politologin Ulrike Guérot und dem Ökonomen Max Otte über die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Folgen der vergangenen Wahlnacht für den transatlantischen Raum.