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Kulturindustrie reloaded

Kulturindustrie reloaded

Wie die Medien die Welt verändern und sich dabei selbst zerstören.

Medienkritiker lieben die „Dialektik der Aufklärung“, immer noch. Nur: Adorno und Horkheimer gehen längst nicht weit genug. Sie konnten nicht weit genug gehen, weil sie nur den Anfang kannten. Hollywood, das US-Kommerzradio der 1930er, Goebbels.

Und sie haben den gleichen Fehler gemacht wie die allermeisten Medienwirkungsforscher: Auch die Frankfurter Schule starrt auf den Reiz und fragt nach der Reaktion. Was passiert mit uns, wenn wir einen Trickfilm sehen, Schlager hören, Nachrichten einschalten? Wählen wir dann morgen anders, kaufen wir anders ein, denken wir wenigstens ein bisschen anders?

Mag schon sein, dass das so funktioniert. Warum sonst sollten sich die Menschen aufregen über das, was sie gerade über Syrien erfahren, über Russland, über Geflüchtete. Die eigentliche Gefahr geht aber nicht von konkreten Inhalten aus, wie gut oder schlecht die Berichterstattung auch sein mag. Vielleicht wirken solche Inhalte auf uns, wer weiß.

Sie lösen Emotionen aus, das sicher. Sie erweitern unseren Horizont und unser Wissen, das auch. Vielleicht verändern sie sogar unsere Einstellungen und unser Verhalten, im Supermarkt, im Familienalltag, an der Wahlurne. So raffiniert die Methoden der Medienforscher aber auch geworden sein mögen, der letzte Nachweis fehlt. Zum Glück. Sonst wäre Orwell schnell Wirklichkeit.

Third-Person-Effekt: immer nur die anderen

Die Medienrealität wirkt über einen Umweg, und das gleich doppelt. Zuerst zum Umweg, der da beginnt, wo wir unterstellen, dass Medien mächtig sind. Immer wieder nachgewiesen, auch und gerade bei Menschen in Spitzenpositionen. Minister treten zurück, Topmanager, Bundesligatrainer – weil sie befürchten, dass negative Berichte etwas machen mit ihrem Ansehen, ihrer Reputation, ihrem Handlungsspielraum.

Wir alle nehmen an, dass Medieninhalte Folgen haben – wenn vielleicht auch nicht für uns, so doch für andere. Die Forschung nennt das Third-Person-Effekt. Wir überschätzen, was Medien mit den Einstellungen und dem Verhalten unserer Mitmenschen machen. Ob und wie Massenmedien wirken, ist folglich genauso egal wie das, was die Wissenschaft zu diesem Thema weiß. Entscheidend ist, dass wir an solche Wirkungen glauben. Das Thomas-Theorem: „If men define situations as real, they are real in their consequences.“ Das heißt:

Wir verändern unser Verhalten, weil wir davon ausgehen, dass die anderen es ebenfalls verändern werden, und zwar so, wie es der Medientenor vorgibt, den wir beobachten.

Die Untersuchungen, die es zum Third-Person-Effekt gibt, konzentrieren sich in aller Regel auf sehr konkrete Medieninhalte. Gewalt im Fernsehen, Kampagnen gegen Rauchen, Trinken, Kiffen oder Berichte über die Versorgung.

Wenn ich glaube, dass Blut im Tatort die Gesellschaft verroht, bin ich wahrscheinlich eher für Kameras an öffentlichen Orten, und wenn ich denke, dass all meine Nachbarn jetzt Bier horten, weil in der Zeitung etwas über Wasserknappheit in den Brauereien stand, dann laufe ich in den Supermarkt und stelle fest, dass Bier in der Tat knapp geworden ist. So ist sie, die Medienwirkungsforschung.

Die Metabotschaft wirkt – auf uns alle

Dabei müsste diese Forschung eigentlich fragen, was die Metabotschaft mit uns macht (die Botschaft hinter den konkreten Inhalten) – der Imperativ der Aufmerksamkeit, dem die Massenmedien heute folgen.

David Altheide und Robert Snow haben schon Ende der 1970er Jahre von der „Medienlogik“ gesprochen und damit die Perspektive gemeint, mit der seinerzeit vor allem das Fernsehen in den USA Realität konstruiert hat: Welche Themen werden ausgewählt, wie wird das Material zusammengestellt, in welchem Stil wird es präsentiert, was wird betont und was eher nicht?

Kurz: Medienlogik ist die Grammatik der Medienkommunikation, die schon deshalb Folgen hat, weil wir den entsprechenden Angeboten kaum entkommen können. Wenn man so will: eine Art Gewöhnungseffekt, der uns alle betrifft. Allein durch die Dauer der Mediennutzung (für den Durchschnittsdeutschen knapp zehn Stunden am Tag) verinnerlichen wir das Konstruktionsprinzip der Medienrealität als „normale Form“ der Kommunikation.

Zugespitzt: Medienlogik bestimmt, wie wir miteinander umgehen, wie wir uns im Alltag bewegen und wie wir Organisationen und Institutionen gestalten. Medienrealität ist nicht nur in den Massenmedien, sondern überall. Der Imperativ der Aufmerksamkeit regiert unser Leben.

Dieses neue Leben besteht keineswegs nur daraus, dass nicht wenige von uns ihre Erlebnisse, ihre Ansichten und Urteile, ihre Emotionen in sozialen Netzwerken teilen und sich dabei selbst dem Imperativ der Aufmerksamkeit unterwerfen (müssen), wenn sie nicht wie einst Oma und Opa einfach nur ein Tagebuch führen wollen, das unter dem Kopfkissen verstaubt und erst bei der Haushaltsauflösung von anderen gelesen wird.

Auch jenseits von Facebook, Instagram und Twitter sieht Realität heute oft so aus wie das, was wir vom Bildschirm kennen: Wir feiern anders, als es bei unseren Eltern und Großeltern üblich war, wir machen anders Urlaub und erziehen unsere Kinder anders, wir richten unsere Wohnungen anders ein, und, man wagt es kaum zu glauben, wir werden tatsächlich schöner. Zumindest investieren wir mehr in unser Aussehen.

David Altheide und Robert Snow würden wissen, woran das liegt: an der Fernsehlogik oder an der Logik der bewegten Bilder, die neben Dynamik, Spannung und einer Geschichte auch und vor allem Menschen verlangt – schöne Menschen, gut trainierte Menschen. Hollywoodstars, Pep Guardiola, wenigstens Til Schweiger. Selbst wer es nie ins Fernsehen schafft und auch keine Lust hat, Livestreams zu posten, selbst diese Zeitgenossen erleben das Konstruktionsprinzip der Medienrealität als so „normal“, dass sie ihm verfallen.

Wir alle kennen Risiken und Nebenwirkungen der Droge Aufmerksamkeit. Hochzeiten an ausgefallenen Orten, drei Tage lang. Junggesellenabschiede, noch verrückter. Der Wunsch, einzigartig zu sein – daheim, auf Reisen oder wenigstens beim Geburtstagsbrunch. Der Wettbewerb im Kindergarten, in der Schule, in der Nachbarschaft. Das klügste Kind, die glücklichste Familie, das ausgefallenste Wochenende. Brauchen wir das, brauchen wir den Imperativ der Aufmerksamkeit, um zufrieden zu sein oder sogar glücklich?

Der Mythos vom medialisierten Zentrum

Was wie eine rhetorische Frage klingt (nein, natürlich nicht), würde Nick Couldry vermutlich mit Ja beantworten. Was auch immer im Fernsehen laufen mag oder sonst berichtet wird: Es soll etwas mit unserem Leben zu tun haben, obwohl eigentlich niemand wissen kann, wovon dieses Leben im Detail abhängt.

Bei Nick Couldry wird daraus der Mythos vom medialisierten Zentrum. Genau genommen handelt es sich um zwei Mythen, die miteinander verwoben sind, weil Medienleute genauso daran stricken wie Politiker und andere Eliten.

Erstens behauptet allein das Format, in dem Medien daherkommen, dass es so etwas wie eine ‚Wahrheit‘ oder ein ‚natürliches Zentrum‘ gibt. Warum sonst sollten wir alles stehen und liegen lassen, wenn Liveübertragungen beginnen? Warum sollten wir Platz für VIPs machen, Fernsehteams bewundern oder zu Orten pilgern, an denen Serien gedreht wurden?

Zu diesem Zentrum führt zweitens für die meisten von uns nur ein einziger Weg – über die Massenmedien. Dort wird definiert, was ist. Was als Realität durchgeht. Wie wir die Welt ordnen und beschreiben können. Was Alltag ist (all das, was es nicht in die Massemedien schafft). Medienpräsenz heißt: Ich gehöre zum Zentrum. Couldry vermutet deshalb, dass die Massenmedien im Feld der Macht inzwischen eine ähnliche Position haben wie der Staat, der zum Beispiel bestimmen kann, was akademische Abschlüsse wert sind oder welches Ansehen viele Berufe und Tätigkeiten haben (über die Bezahlung).

Couldry sagt, dass Medienpräsenz eine Art Metakapital geworden ist. Kapital, das fast überall gewinnbringend eingesetzt werden kann. Die Schauspielerin, die plötzlich auch Kinderbücher schreibt, ein Autohaus führt oder für den Landtag kandidiert – und damit erfolgreicher ist als diejenigen, die das Handwerk von der Pike auf gelernt haben.

Wer dieses Metakapital nicht hat, wer es nicht schafft, prominent zu werden und so zum Zentrum zu gehören, der ist erst einmal enttäuscht. Warum die, warum nicht ich? Was viele von uns auf Facebook versuchen oder auf YouTube, wenn sie erzählen, was sie essen, wo sie trainieren und wie sie die coolsten Mädels oder Jungs abschleppen, zielt auf dieses Zentrum.

Vielleicht geht dieser Tweet viral, vielleicht werde ich jetzt entdeckt. Nick Couldry meint, dass Medienpräsenz die „versteckten Verletzungen“ heilt, die entstehen, wenn das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit nicht befriedigt wird. Und alle anderen, alle, die nicht auf der Mattscheibe erscheinen, würden wenigstens die Art und Weise übernehmen, wie in den Massenmedien Realität konstruiert wird. Couldry nennt das „naturalization“. Die Massenmedien produzieren Kategorien und ‚Fakten‘, die wir in unseren Alltag und in unsere Weltanschauungen einbauen, ohne es zu merken.

Medialisierung

Realität wird allerdings nicht nur im persönlichen Alltag Medienrealität. Die Handlungslogik des Systems Massenmedien ist längst überall – in der Politik und in der Wirtschaft, in Kunst, Wissenschaft, Justiz und Sport, in der Erziehung, in der Religion und in der Gastronomie. Ich nenne diesen Wandel Medialisierung, obwohl ich weiß, dass dieser Begriff oft anders verwendet wird und deshalb falsch verstanden werden kann.

Es gibt Medienforscher, die Medialisierung (oder Mediatisierung) überall dort am Werk sehen, wo zwischenmenschliche Kommunikation über Technik läuft. Smartphone, Facebook, Skype. Der Bildschirm in der U-Bahn, die Kameras im Parkhaus, im Supermarkt, auf dem Alexanderplatz. Die riesigen Leinwände auf den Bühnen von Frank Castorf, Videos auf der Documenta. Mediatisierter Alltag, mediatisiertes Theater, mediatisierte Kunst. Medien, Medien, Medien.

Ich spreche von Medialisierung, wenn Akteure (bewusst oder unbewusst) ihre Strategien an die Medienlogik anpassen, ihre Ressourcen entsprechend umschichten oder die Programme von sozialen Funktionssystemen umschreiben – wenn der Imperativ der Aufmerksamkeit also auch jenseits der Massenmedien gilt und die Gesellschaft verändert. Sozialer Wandel ist immer dann Medialisierung (und nicht Globalisierung, Kommerzialisierung, Individualisierung), wenn er durch die Orientierung an der Handlungslogik der Massenmedien ausgelöst wird – genauer: durch die Annahme, dass Massenmedien wirken.

Politikerinnen und CEOs, Fußballmanager und Hochschulpräsidentinnen, Intendanten und Richterinnen wissen, nach welcher Logik die Massenmedien funktionieren. Und sie wissen, dass Medien sie daran hindern können, die eigenen Interessen durchzusetzen – jedenfalls eher, als das zum Beispiel Kunst, Religion oder Wissenschaft im Moment können.

Öffentliche Aufmerksamkeit und öffentliche Legitimation sind zu knappen Ressourcen geworden – zu Ressourcen, die jeder benötigt. Man muss dabei gar nicht an die Attentäter von Paris, Nizza, Las Vegas denken oder an Donald Trump, gewissermaßen die fleischgewordene Handlungslogik der Massenmedien. Immer noch eine Nummer größer, immer noch eins drauf.

Das Prinzip ist eine Etage tiefer ganz gleich. Ob Großvorhaben wie Stuttgart 21, Karrieren, politische Ideen oder wissenschaftliche Projekte: Über Erfolg und Misserfolg wird auch in der Arena der Öffentlichkeit entschieden. Entscheidungsträger haben mit den Folgen von Medienberichterstattung zu rechnen und können versuchen, diese zu unterbinden, oder aber sie bauen die Medienlogik in ihre Strategien ein.

Einerseits negative Schlagzeilen verhindern und andererseits Medienleute so ködern, dass sie entweder positiv berichten (und dann auch möglichst viel) oder nur über Dinge, die den eigenen Zielen nicht im Weg stehen – das ist Medialisierung. Im reichen Deutschland ist der Köder dabei eher selten Geld (Journalistinnen und Journalisten werden meist ordentlich bezahlt), sondern Stoff, der dem Imperativ der Aufmerksamkeit folgt. Exklusives, Unerhörtes, Spektakuläres. Menschen, die gut aussehen. Geschichten, die man so noch nicht gehört hat. Die Elbphilharmonie.

Die Handlungslogik der Massenmedien hat die Gesellschaft auch jenseits unseres Privatlebens und sagenumwobener Bauwerke verändert – und das ganz anders, als Adorno und Horkheimer es vorausgesagt haben. „Virtuelle“ Nazis überall? Ein „objektiver Ungeist“, der „Verdummung, psychologische Verkrüppelung und ideologische Umnebelung“ erzwingt? Eine Gesellschaft, die von „Autos, Bomben und Film“ zusammengehalten wird (in dieser Reihenfolge)? Mmh. Gut zu zitieren, aber schwer zu beweisen.

Sicher ist dagegen: Heute wird mehr Geld und mehr Personal in die Öffentlichkeitsarbeit gesteckt. Viel mehr Geld und viel mehr Personal. Es stehen andere Typen an der Spitze und überall da, wo man gesehen werden kann. Anders bedeutet: eloquent, sympathisch und schön, trainiert für den Umgang mit den Medien oder ein Naturtalent wie Thomas Müller. Gebäude, die kameratauglich sind und etwas hermachen, so oder so. Events, Events, Events und überhaupt ein neuer Takt im Jahresrhythmus. Herausstechen aus der Masse, anders sein – als Kneipe, als Gymnasium und als Basketballprofi, als Theater, als Museum, als Universität.

Was Medialisierung aus der Gesellschaft und aus dem Journalismus macht

Auf den ersten Blick ist das verlockend. Was könnte uns Besseres passieren als eine Realität, die nach dem Imperativ der Aufmerksamkeit umgebaut wird? Lehrer, die unterhalten wie einst Thomas Gottschalk, Chefs, die im Fernsehen auftreten könnten, und Orte, die ganz automatisch anziehen, weil uns die Geschichte gefällt, die sie erzählen, und wir wissen wollen, wie es weitergeht. Wohin wir uns auch wenden: Es hat etwas. Es spricht uns an. Sogar die Schule nebenan, die Kneipe um die Ecke und unsere Lieblingsmannschaft sowieso.

Auf den zweiten Blick allerdings bedroht Medialisierung das, was wir von den Massenmedien erwarten dürfen: Herstellung von Öffentlichkeit, Kritik und vor allem Kontrolle der Mächtigen. Das, was etwa Ulrich Wickert als guten Journalismus definiert hat: aufklären. Das Wichtige vom Unwichtigen trennen und so Orientierung liefern. Den Mut haben, gegen Denktabus anzuschreiben und anzusenden. Die Dinge beim Namen nennen.

In der medialisierten Gegenwart stoßen Wickerts Erben immerzu und überall auf Hochglanzfassaden und mundgerechte Bissen. Auf das, was Klicks bringt, Quote, Auflage. Hergerichtet und vorbereitet von PR-Profis, die um den Wert positiver Medienberichte wissen und unsere Aufmerksamkeit genau dahin lenken wollen. Schau da, eine Premiere mit Promi soundso und Sternchen immerdabei. Bilderbuchfotos, fast wie Obama und Merkel vor weiß-blauer Alpenkulisse. Und dort, Torjäger schimpft über Ex-Trainer. Innenminister über Bürgermeister. Oberpolizist über Gaffer. Und dann auch noch Krach bei dem Traumpaar, von dem wir so lange nichts gehört haben. Exklusiv für mich, drei Stunden vor der Konkurrenz.

Medialisierung erschwert nicht nur die Arbeit der Journalisten, sondern verändert auch die Ordnung der Dinge. Akteure, die mehr Ressourcen in die Öffentlichkeitsarbeit stecken können, in Medientrainings, in medientaugliches Personal, in Events, schicke Räume und spektakuläre Geschichten, gewinnen den Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit und öffentliche Legitimation. Reiche und mächtige Akteure, die nicht nur bestimmen, worüber Journalisten berichten und wie sie das tun, sondern auch, wie wir die Welt wahrnehmen.

Der Profifußball zum Beispiel – vielleicht ein Extremfall, aber der Trend geht nicht nur dort zu journalismusfreien Medienprodukten, die sich als Journalismus tarnen und dafür Menschen mitspielen lassen, die sich Journalisten nennen. Die Bilder kommen vom Veranstalter (von der FIFA, von der UEFA, von der DFL), Spieler, Trainer und Offizielle sind darauf geeicht, selbst auf die besten Fragen nichts zu sagen, und wenn doch etwas durchrutscht, was nicht im Skript stand, springen ihnen PR-Profis zur Seite, die die Veröffentlichung entweder verhindern oder die Folgen mildern.

Es gibt nur einen Thomas Müller. Und dass es nur einen Rudi Völler gibt, wussten die Fans schon, bevor Waldemar Hartmann vor laufender Kamera zum Säufer gemacht wurde. 2003. Auch deshalb unvergessen, weil der Bundestrainer damals zwar schon ein Original sein musste (anders als Jupp Derwall oder Berti Vogts), aber noch reden durfte, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

Allein das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Berlin beschäftigt heute mehr als 400 Menschen, die Apparate der einzelnen Ministerien und so weiter noch gar nicht mitgezählt. Wie groß die Sparwelle auch sein mag, die über den deutschen Redaktionsstuben zusammenbricht: Damit kann der Journalismus gar nicht mithalten.

Um nicht falsch verstanden zu werden: PR ist vollkommen legitim, für Fußballklubs genauso wie für Regierungen oder Universitäten. Jeder soll seine Interessen in der Öffentlichkeit artikulieren können und dort zur Not auch mit Zähnen und Klauen verteidigen. Medialisierung ist mehr. Medialisierung ist, wenn Politiker ihre Rede auf den einen Satz zuspitzen, der garantiert nicht durch das Selektionsraster der Journalisten fällt.

Wenn Bürokratien Fälle vorziehen oder sogar anders entscheiden, um in den Massenmedien gut dazustehen. Wenn Theater Leute auf die Bühne stellen, die zwar nicht sprechen können, aber so bekannt oder ungewöhnlich sind, dass die Kritiker in Scharen gelaufen kommen. Wenn Sportverbände ihre Wettbewerbe fernsehtauglich machen und dafür buchstäblich alles opfern. Andere Regeln, anderer Modus, andere Sieger. Medialisierung bedroht den Sport, die Politik, die Wissenschaft, wenn sie nicht mehr Sport, Politik und Wissenschaft sein wollen, sondern nur noch in den Medien.

Und die Medien selbst? Zerstören sich, wenn sie nur dem Imperativ der Aufmerksamkeit gehorchen.

Der Kick, viele Menschen anzuziehen, führt offenkundig nicht automatisch dazu, dass Journalisten das leisten, was eine demokratische Gesellschaft von ihnen erwartet. Wäre es anders, gäbe es Rubikon nicht.


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