So sagte der Psychoanalytiker Erich Fromm schon 1977: „Solange noch in Fragen des Lebens eine kleine Chance besteht, sagen wir von ein oder zwei Prozent, so lange darf man nicht aufgeben“ (1).
Ich möchte hiermit Möglichkeiten aufzeigen, wie wir es schaffen können, in diesen immer belastenderen Zeiten die Hoffnung nicht aufzugeben. Dabei möchte ich als Psychologe auch einige Strategien teilen, mit denen wir uns innerlich stärken können, damit wir überhaupt ausreichend Energie für politisches Handeln zur Verfügung haben.
Individuelle Gesundheit bedeutet gesellschaftliche Gesundheit
Unsere Gesellschaft ist krank — das beschrieb Erich Fromm 1955 in seinem Buch „Wege aus einer kranken Gesellschaft“ (2). Er sprach in diesem Zusammenhang von der „Pathologie der Normalität“ (3). Fromm ging davon aus, dass uns das, was wir für „normal“ halten, eigentlich krank macht. Damit meinte er die gesellschaftlichen Werte und Ziele, die unseren menschlichen Bedürfnissen widersprechen. Daraus entstand der „entfremdete Mensch“.
Seine Handlungen sind nicht wirklich die eigenen. Er hat zwar die Illusion, das zu tun, was er will, wird aber in Wirklichkeit von Kräften getrieben, die sich von ihm selbst losgetrennt haben und hinter seinem Rücken wirken.
Er ist sich selbst ein Fremder, genauso wie auch sein Nächster ihm fremd ist. Er erlebt den anderen und sich selbst nicht so, wie sie und er wirklich sind, sondern entstellt durch die unbewussten Kräfte, die in ihm arbeiten.
Der Geisteskranke ist der völlig entfremdete Mensch; er hat sich als Mittelpunkt seines Erlebens völlig verloren.
Die Entfremdung von uns selbst ist seit der Zeit von Erich Fromm immer stärker geworden und hat uns als Gesellschaft tief geschädigt. Wir erleben ständig neue Krisen, und der wirtschaftliche und berufliche Druck wächst und wächst. Von 2001 bis 2024 haben sich beispielsweise die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen verdreifacht (4). Und trotzdem ist kein Ende der Abwärtsspirale in Sicht. Der Politik scheint dies allerdings egal zu sein. „Vater Staat“ kümmert sich nicht um uns. Ganz im Gegenteil: Es scheint sogar gewünscht zu sein. Denn eine psychisch kranke Gesellschaft kann sich auch nicht wehren. So werden wir immer weiter gespalten, isoliert, atomisiert und sind uns mehr und mehr selbst überlassen — der ideale Nährboden für totalitäre Politik.
Der einzige Weg daraus ist es, dass wir wieder zu uns selbst finden und uns nicht mehr von uns selbst entfremden. Wir müssen also erst mal als Individuum „gesund“ werden, bevor wir es als Gesellschaft sein können. Dazu ist es notwendig, dass wir uns mit uns selbst und unseren individuellen Bedürfnissen beschäftigen und dann gemeinsam neue gesellschaftliche Werte und Ziele schaffen, die unseren tatsächlichen menschlichen Bedürfnissen auch entsprechen.
Es ist also wichtig, sich Zeit für sich zu nehmen, sich zu reflektieren, sich etwas Gutes zu tun und sich selbst gut zu behandeln. Das klingt einfach, ist aber in meiner Erfahrung als Psychotherapeut für die meisten Menschen eine riesige Herausforderung.
Doch wenn wir das nicht mal schaffen können, dann werden wir uns als Gesellschaft niemals spürbar weiterentwickeln.
Das Positive fördern und das Negative begrenzen
Das grundsätzliche Prinzip lautet, das Positive in unserem Leben zu fördern und das Negative zu begrenzen. Wie schaffen wir das? Beginnen wir mit dem Negativen. Das, was uns nicht guttut, sollten wir so weit wie möglich von uns fernhalten. Damit meine ich beispielsweise, dass wir uns nicht ständig mit negativen Nachrichten und angstmachenden Medien konfrontieren sollten. Viele Dinge in unserem Leben belasten uns im Alltag und natürlich können wir nicht alles einfach beseitigen, doch ist es schon ein wichtiger Punkt, überhaupt darüber nachzudenken, was uns beschäftigt und belastet. Wir müssen uns nur häufiger die Frage stellen: „Was tut mir nicht gut?“ Danach sollten wir uns überlegen, warum wir die Dinge tun, obwohl sie uns nicht guttun, und ob es mögliche Alternativen gibt. Ich weiß, dass das alles nicht leicht zu beantworten ist und uns oft noch mehr überfordern kann. Allerdings weiß ich auch, dass viele Menschen sich unbewusst ein individuelles System geschaffen haben, in dem sie tief unglücklich sind, und der einzige Weg daraus ist es, das eigene Leben zu reflektieren und zu prüfen, ob es Möglichkeiten der Veränderung gibt.
Veränderungen können Angst machen, da wir in der Regel den Status quo nur ungern aufgeben, selbst wenn die Alternative rational von Vorteil ist. Das spiegelt sich auch in der Gesellschaft wider.
Wie können wir in unserem Leben das Positive fördern? Wie bereits beschrieben vor allem dadurch, dass wir uns selbst mehr Gutes tun. Das Stichwort lautet Selbstfürsorge. Es fängt damit an, wie wir uns selbst behandeln, wie wir innerlich mit uns sprechen und uns selbst bewerten. Selbstfürsorge heißt, für sich selbst zu sorgen. Fragen Sie sich selbst: „Was tue ich für mich?“ Es sind die einfachen Dinge im Leben: Gönnen Sie sich ein schönes Essen, schauen Sie sich einen guten Film an oder lesen Sie ein interessantes Buch. Verwöhnen Sie sich selbst. Nehmen Sie sich Zeit für sich, für Ihre Hobbys. Sie haben keine Hobbys? Probieren Sie etwas Neues aus und finden Sie heraus, was sich gut anfühlt. Treffen Sie sich mit guten Freunden, tauschen Sie sich aus und philosophieren Sie über das Leben. Erfüllen Sie sich kleine oder auch große Träume. Diese Dinge sind es, worauf es im Leben ankommt! Ich kann Sie nur einladen, sich mit sich selbst und Ihren Bedürfnissen mehr zu befassen. Wenn Sie das nicht tun, werden Sie kein erfülltes Leben führen können. Ich muss das in aller Deutlichkeit sagen.
Es lohnt sich, nicht die Hoffnung aufzugeben
Zusammenfassend ist es also wichtig, dass wir erst einmal an uns und unser Wohlbefinden denken. Nicht im egoistischen Sinne, sondern in Bezug darauf, dass wir uns selbst verstehen und versorgen müssen, damit wir überhaupt eine gemeinsame Basis als Gesellschaft aufbauen können. Wenn wir als Individuum herausgefunden haben, was uns guttut und was uns wichtig ist, können wir uns mit anderen verbinden und darüber austauschen. So wächst die Gesellschaft von innen heraus und entwickelt sich irgendwann zwangsläufig zu etwas Positivem. Natürlich klingt das utopisch — und sicher ist es das auch —, doch lohnt es sich, nicht die Hoffnung aufzugeben. Ich meine: Was ist die Alternative?

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Quellen und Anmerkungen:
(1) YouTube: Erich Fromm — Ein Gespräch (1977), https://www.youtube.com/watch?v=sVd4dKH3vng&t=32m24s.
(2) Fromm, E. (1955/2015): Wege aus einer kranken Gesellschaft. München. Open Publishing Rights GmbH.
(3) Fromm, E. (1955/2015), ebenda, Seite 19.
(4) Statista (2025): https://de.statista.com/infografik/18813/krankschreibungen-wegen-psychischer-erkrankungen-in-deutschland/.