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Orwell 2.0

Orwell 2.0

Im Rubikon-Exklusivinterview erklärt Dr. Milosz Matuschek das Phänomen der Cancel Culture und erläutert, dass sie unserer Gesellschaft mehr schadet als nützt.

Der moralische Gehalt eines Artikels scheint sich wohl wesentlich zu ändern, wenn er auf der „falschen“ Plattform republiziert wird. So erlebte es Milosz Matuschek, als sein Beitrag „Kollabierte Kommunikation: Was, wenn am Ende ‚die Covidioten‘ recht haben?“ aus der NZZ unverändert bei KenFM als Tagesdosis-Podcast zweitverwertet wurde. Nachdem dieser Artikel sowohl im Mainstream als auch gleichermaßen in den Alternativmedien Aufsehen erregte, wurde Matuscheks jahrelange Tätigkeit bei der NZZ beendet.

Solche Vorfälle sind beispielhaft für die immer bizarreren Auswüchse einer Cancel Culture mit Null-Toleranz gegenüber dem, was nicht in die engen, scharfkantigen Schablonen der Political Correctness passt. Statt eine Vielfalt an Meinungen sowie unangenehmen und auch skurrilen Positionen als Bereicherung zu empfinden, sorgt eine kleine Gruppe von Meinungsführern dafür, den Debattenraum von alledem frei zu halten. Die Menschen in diesem Debattenraum dürften bloß nicht — so wohl die geläufige Denkart dieser Kreise — mit den „falschen Gedanken“ in Berührung kommen. Die Menschen werden somit für unmündig erklärt — auch wenn das nicht in dieser Deutlichkeit ausgesprochen wird. Auf paternalistische Weise müsste die Masse der Menschen also an die Hand genommen werden, damit sie sich keine eigenen Gedanken macht, die sie vom rechten Wege der Political Correctness wegführen könnten.

Wenn Menschen in einem derartig verengten Meinungskorridor aufwachsen, stellt sich die Frage: Wie sollen sie die Gesellschaft von Morgen gestalten, eines Tages dazu imstande sein, sich Kraft eigener Gedanken ein Bild von der Welt zu machen? Wie sollen sie Lösungen für akute Probleme entwickeln können?

Ein breites Biotop an Meinungen ist das geistige Immunsystem einer Gesellschaft. Und genau dieses wird gerade zu Tode desinfiziert.

Die Mainstream-Medien konfrontieren die Menschen nicht mehr mit unterschiedlichen Meinungen. Dadurch verlernen die „Konsumenten, eigenständig zu denken, um aus den divergierenden Sichtweisen eine eigene Synthese zu bilden“, wie Matuschek im Interview erklärt. Genau das ist nicht gewollt. Es brauche Klarheit im Sinne der einzigen Wahrheit, wie die Propaganda-YouTuberin maiLaib uns kürzlich erklärte. Daher ist es eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit, diesen Ungeist der Cancel Culture wieder in die Flasche zurück zu verbannen, aus welcher er herausgelassen wurde.

Dabei darf auch niemals vergessen werden, dass die Akteure der Cancel Culture in der Minderheit sind und sie ihre Macht einzig und allein daraus schöpfen, dass wir sie gewähren lassen, dass Veranstalter bei Androhungen einknicken und die Menschen nicht aufbegehren für ihr Recht, selbst zu entscheiden, was sie sehen, hören und lesen möchten. Denn eine klare Linie, was gesagt werden darf und was nicht, ergibt sich aus dem Recht. Beleidigungen und Volksverhetzungen sind tabu und die meisten können sich darauf auch verständigen. Und von daher braucht es selbsterklärend keine Cancel Culture-Paralleljustiz unter der Führung intoleranter, selbstgefälliger und sich moralisch überlegen wähnender Meinungs-Sherriffs, die den Menschen vorschreiben, was diese zu sagen und zu denken hätten.

Flavio von Witzleben von der Jugendredaktion führte mit einem der Mitinitiatoren des Appells für freie Debattenräume, Dr. Milosz Matuschek, ein ausführliches Interview zu diesem bizarren Phänomen unserer Zeit und behandelt auch die Frage, wie wir es überwinden können.




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