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Polens politischer Polsprung

Polens politischer Polsprung

Die PiS-Partei ließ jahrelang die Wirtschaft Polens prosperieren und genoss dadurch die Gunst ihrer Wählerschaft — mit ihrer restriktiven Coronapolitik hat sie den Rückhalt in der mittlerweile tief gespaltenen Bevölkerung verloren.

In Polen finden tiefgreifende Veränderungen statt. Von den einen bejubelt, wird das, was auf das Land zukommt, von großen Teilen der Bevölkerung mit Argwohn beäugt. Die Wahlbeteiligung lag bei 74,38 Prozent und gilt als die höchste seit 1989. Selbst in Berlin konnte man lange Schlangen vor den Wahllokalen beobachten, da es den in der deutschen Hauptstadt lebenden Polen ermöglicht wurde, ihre Stimme abzugeben, ohne ins Heimatland reisen zu müssen.

Die vorherige Amtszeit der Partei PiS als dominante Regierungsmacht war von Spannungen und Konflikten geprägt, wobei die Partei kaum Kompromisse einging und sich infolgedessen wenig Freunde machen konnte. Das rächt sich nun: Obwohl sie die Wahlen gewonnen hat, fand sie niemanden, der mit ihr eine mehrheitsbildende Koalition eingehen wollte. Somit hat die Opposition nun das Ruder übernommen und begann ihre Arbeit, strategisch durchdacht, rasch mit der Umgestaltung der öffentlich-rechtlichen Medien. Diese wurden zuvor von der PiS-Partei geprägt, was sich durch eine tendenziöse Berichterstattung bemerkbar machte, trotz ständiger Beteuerungen, neutral berichten zu wollen — das kennen wir aus Deutschland. Es bleibt jedoch fraglich, ob die laufenden Veränderungen in den Strukturen der öffentlich-rechtlichen Medien zu einer verbesserten Informationslage führen werden.

In der Zentrale des polnischen Fernsehens TVP in der Woronicza-Straße in Warschau erschien der neue Leiter des TVP-Aufsichtsrats. In der Folge wurde das Signal der Sender TVP Info, TVP1, TVP3 und TVP World am 20. Dezember 2023 nach 11 Uhr abgeschaltet. Auch die Website von TVP Info funktionierte nicht mehr. Taktisch gesehen ist dieser Zug nachvollziehbar, da sich eine bedeutende Anzahl polnischer Bürgerinnen und Bürger über die Sender informiert und diese bisher die Meinungen insbesondere der Anhänger der PiS ansprachen. Derzeit werden Diskussionen geführt, um die rechtliche Legitimität der gesamten Aktion zu bewerten.

Doch nicht nur diese Ereignisse standen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesseses. Für Schlagzeilen sorgte auch Grzegorz Braun von der rechten Partei „Konfederacja“. Am 12. Dezember fand in der Vorhalle des Sejms eine jüdische Feier statt, nämlich das Chanukka Fest. Zu diesem Ereignis wurden Kerzen auf einer Menora angezündet. Der Abgeordnete nahm daraufhin einen Feuerlöscher, um die Kerzen zu löschen, wobei er große Teile des Raumes in eine weiße Staubwolke hüllte. Zwar wurde er noch am selben Tag vom Sejmmarschall mit einer Geldstrafe belegt, und es werden auch weitere rechtliche Schritte gegen den Abgeordneten geprüft, doch erntete er in den Kommentaren auf YouTube überwiegend positive Reaktionen.

Die neue Regieung

Zum Sejmmarschall (polnisch: Marszałek Sejmu) — eine der höchsten Positionen in der polnischen Regierung — wurde Szymon Hołownia gewählt, der Bekanntheit als TV-Moderator erlangt hatte, aber zuvor auch als Journalist für renommierte Zeitschriften in Polen tätig gewesen war. Donald Tusk wurde nach 9 Jahren wieder zum Premier gewählt. In den vergangenen Jahren hat er unter anderem als Präsident des Europäischen Rates aktiv sein Netzwerk innerhalb der führenden Kreise Europas ausgebaut, was dazu führte, dass seine Gegner ihn geringschätzig als ein Werkzeug dieser Klasse bezeichnen. Wahrscheinlich nicht zu Unrecht. Seine erste Reise ging zu Ursula von der Leyen, um die blockierten Gelder aus der Europäischen Union zu freizugeben. Vertreter der öffentlich-rechtlichen Sender wollte er aber auf seine Reise nicht mitnehmen. Außenminister wurde auch ein alter Bekannter, nämlich Radoslaw Sikorski, der schon in den Jahren 2007 bis 2014 das Amt bekleidete und vor nicht allzu langer Zeit Schlagzeilen von sich machte, als er nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipeline „Thank you, USA“ twitterte. Im durch antirussische Propaganda geprägten Polen ein Affront gegen die herrschende Meinung.

Die Spaltung der Gesellschaft

Als Beobachter sollte man im Hinterkopf behalten, dass sich während der Regierungszeit von PiS ein tiefer Riss durch das Land gezogen hat, durch die ganze Gesellschaft hindurch bis in die Familien hinein, und sogar Freundschaften zerbrechen ließ.

Auf der einen Seite stehen nun die konservativen Polen, die zum Teil durch ihre Religiosität geprägt sind, aber nicht nur. Nationale Stimmen bilden ebenfalls eine Teilmenge, die größtenteils ihre Unterstützung der PiS gibt. Ihre Identität ist von der Geschichte Polens geprägt, das über Jahrzehnte hinweg für sein Existenzrecht und seine Souveränität kämpfte.

Auf der anderen Seite kann man die linksliberalen Kräfte verorten, die sich hauptsächlich am westlichen Schein der Progressivität orientieren. Sie sehen einen zu starken Einfluss der Kirche in Polen, wollen die Abtreibung legalisieren, unterstützen die ständig wechselnden, „bunten“ Minderheitenbewegungen und sehen die Regierung auch sonst als autokratisch an. Bei ihrem Kampf gegen die Regierung wurde der Ton immer rauer und leider auch vulgärer. Dies erreichte ein anstößiges Ausmaß, bei dem die weitverbreitete, vulgäre Äußerung „jebać PiS“ (deutsch: „fick“ beziehungsweise „schlag PiS“) in zensierter Form auf Plakaten und auf T-Shirts von Teilnehmern von Kundgebungen und Demonstrationen gegen die Regierung präsent war.

Die Ära PiS

Es lässt sich nicht leugnen, dass die PiS-Regierung während ihrer Amtszeit in einigen Bereichen positive Entwicklungen vorangetrieben hat. Beispielsweise hat man das Kindergeld eingeführt, was die Opposition mit der Begründung verdammte, dass der Staat dadurch pleitegehen würde. Das Projekt wurde auch mit menschenfeindlichen Argumenten torpediert, indem man behauptete, dass die ungebildete Unterschicht damit ihren Alkoholkonsum finanzieren werde. In Wahrheit war diese Einführung eine große Hilfe für die prekär Beschäftigten in einem Land, in dem der Mindestlohn nur die Hälfte des Mindestlohns in Deutschland beträgt, die Lebenshaltungskosten aber in vielen Branchen in etwa gleich hoch oder sogar höher sind.

Mit regelmäßigen Rentenerhöhungen sowie Bonuszahlungen für Rentner hat sich PiS ebenfalls viele Wählerstimmen gesichert. Auch der wirtschaftliche Erfolg spricht Bände. Das stetige Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahrzehnte ließ sich selbst durch die Corona-Pandemie nicht bremsen. Obwohl man anmerken muss, dass die jährliche Wachstumsrate auch stieg, wenn die Partei nicht an der Macht war, und seit 1992 fast immer über der deutschen lag. Der Staat unterstützte die Bürger auch mit günstigen Krediten für das erste Wohneigentum und baute mit beachtlicher Geschwindigkeit das Autobahnnetz aus. Der Rückhalt aus großen Teilen der Bevölkerung kommt also nicht von ungefähr.

Auf der anderen Seite hat die Regierung PiS während ihrer Amtszeit den Staat in einem vielleicht unheilvollen Maße gestärkt, da er inzwischen auch den Bürgern aggressiver entgegentritt. Strafen für Vergehen wurden erhöht und haben ein Maß erreicht, das einen erzittern lässt.

Beispielsweise haben sich im Jahr 2023 Bußgelder für Ordnungswidrigkeit oder Vergehen im Straßenverkehr teilweise verzehnfacht. Es gilt die Devise „Abschreckung durch hohe Strafen“. Unternehmer berichten mir, dass die Unschuldsvermutung sich in eine Annahme der Schuld umgewandelt hat. Das Misstrauen gegenüber dem Bürger hat sich erhöht — und auch umgekehrt.

Ferner wird der früheren Regierung vorgeworfen, Macht auch innerhalb staatlicher Institutionen gesichert zu haben, indem Schlüsselpositionen besetzt oder mit mehr Befugnissen ausgestattet wurden. So hat der Sejm noch vor den Wahlen eine Bestimmung verabschiedet, die dem Landesstaatsanwalt einen Teil der Befugnisse des Generalstaatsanwalts überträgt. Nach Ansicht der Opposition sicherte die „Vereinigte Rechte“ damit ihre Einflüsse in einer wichtigen Institution im Falle einer Wahlniederlage. Die Staatsanwaltschaft ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, Regierungen unter Druck zu setzen oder selbst nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden.

PiS und die „Pandemie“

Warum hat sich der Rückhalt innerhalb der Bevölkerung verringert? Ein Grund könnte das Verhalten der Regierung während der COVID-19-Pandemie gewesen sein, in der sie zu denselben Maßnahmen griffen wie der Rest der Welt. Lockdowns, Maskenpflicht und das aggressive Bewerben von „Impfungen“ hat das Misstrauen gegenüber der Regierung erheblich erhöht. Insbesondere in alternativen Medienkreisen wurde im Vorfeld der Wahlen dazu aufgerufen, die Ereignisse während der Pandemie nicht zu vergessen und gemahnt, misstrauisch gegenüber der Regierung zu sein.

Die Pandemie erzeugte einen großen Bruch zwischen der Regierung und Teilen ihrer eigenen Wähler, was dazu führte, dass viele auf Parteien wie PJJ (Polska Jest Jedna, deutsch: Polen ist eins) auswichen, die sich während beziehungsweise nach der Pandemie aus dem Widerstand heraus bildeten.

Die Teilnahme von Präsident Duda und Premier Morawiecki am Weltwirtschaftsforum in Davos sowie die enge Verbindung anderer Regierungsmitglieder zu bestimmten einflussreichen Gruppen haben bei vielen Bürgern Zweifel an den politischen Zielen genährt.

Fazit

Am Ende vermochte die Regierung den Bürgern kein alternatives Lebensmodell anzubieten und agierte im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und öffentlichem Sektor nicht wesentlich anders als andere Länder, wobei sie scheinbar versuchte, polnische Interessen durchzusetzen. Scheinbar deswegen, weil beispielsweise der aggressive Kurs gegenüber Russland und das naive Vertrauen in die USA definitiv nicht im Interesse Polens liegen.

Schlussendlich mag uns Polen als Beispiel dafür dienen, was passieren kann, wenn sich zwei politische Fronten verkeilen. Einerseits ist es interessant zu beobachten, wie echte politische Rivalität aussieht und wozu sie führen kann, andererseits ist es deprimierend zu beobachten, wie viel Energie für den Kampf verschwendet wird, anstatt sie in die Zusammenarbeit und den Wohlstand zu investieren.

Letztlich sind es Machtkämpfe, die auf den Schultern der arbeitenden Bevölkerung ausgetragen werden.


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