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Pseudolinke Linkspartei

Pseudolinke Linkspartei

Es ist an der Zeit, sich von linken Überheblichkeitsgefühlen zu verabschieden, Teil 4.

Nun hatten wir es ja reichlich von den Befindlichkeiten im linken Spektrum, bei denen dort, die sich als Lordsiegelbewahrer des richtigen linken Geistes verstehen. Dass sie dem Narzissmus frönen, mit ihrer guten Moral schlechte Moral erzeugen und so unpolitisch wie esoterisch sind, haben wir herausgearbeitet.

Eine Frage ist daher nach drei Teilen natürlich erlaubt: Wem nutzt denn diese Kolumne? Die, die es betrifft, sind ja nun nicht für ihre Einsichtigkeit berühmt, jedes Vorhalten ihres Verhaltens führt eher noch zu verschärfender Weltabgewandtheit. Da sind sie wie fromme Evangelikale, die sich stets noch leidenschaftlicher ins Gebet stürzen, wenn man sie wegen ihrer Frömmlerei angreift. Der religiöse Eifer wurde offenbar gar nicht durch atheistische Infiltration ausgemerzt, er hat sich nur andere Nischen gesucht.

Warum also diese bisweilen drei Teile kurze Analyse der linken Befindlichkeit? Weil sie nicht einfach bloß eine Randerscheinung ist, die Auswirkungen dieser Irrläufer trifft uns alle. Als Linke wie als Gesellschaft. Jürgen zum Beispiel, ein ehemaliger Arbeitskollege von mir, der pflichtete der Linkspartei schon vor Jahren bei. Umverteilung sei notwendig, Steuererhöhungen für Reiche dringlich.

Dass auch Arbeit in unteren Einkommenssegmenten anständig entlohnt werden muss, sah er als Ehrensache an. Denn jeder mache einen wichtigen Job, auch die Putzfrau oder der Lieferant. Den Niedriglohnsektor sah er skeptisch. Seine Eltern wählten schon in den Fünfzigern die Sozialdemokraten, von Anfang an war er also auf soziale Themen konditioniert. Und er, wählt er sie auch? Nein, die könne man ja nicht mehr wählen, daher wähle er die … Linkspartei? Nein, dies nun auch nicht. Er wählt seit Jahren die Union, spricht sich für Merkel aus.

Überlinke: Der Anfang vom Ende der Deutungshoheit

Wie geht das zusammen, einerseits für soziale Themen sensibilisiert zu sein und trotzdem seit Jahren einer Regierung seine Stimme aussprechen, die für sozialen Abbau angetreten ist? Wäre denn nicht gerade jetzt, da die Sozialdemokratie als linker Vertreter innerhalb der kapitalistischen Ordnung weggefallen ist, nicht die Bühne frei für ihre rote Nachfolgerin, die Linkspartei? Müsste Jürgen nicht seine Stimme dorthin verlagern? Zumal er ja immer wieder von Wagenknecht, Gysi und Lafontaine schwärmt?

Wenn Sahra Wagenknecht in einer Talkrunde analytisch auffährt: Das findet er doch immer stark. Aber die Partei dieser Linken: Das sei nun mal keine Option. Aus vielen Gründen freilich. Jürgen pflichtet dem Mainstream bei, der jahrelang darlegte, dass diese Partei ja eigentlich die neue SED sei, damit verantwortlich für die Mauer und deren Tote. Und dann gibt es noch etwas, was ihm missfällt. Und was ihn dazu bringt, diese Partei für unwählbar zu halten: Die Linken selbst.

Er hat was gegen diese Besserwisser, die lauten Schreihälse, die nur konstruktiv in ihrer Destruktivität sind und gefallsüchtig intellektuelle Verachtung für alle übrig haben, die nicht ganz ihrer Meinung entsprechen. Diese Frauen und Männer, die dann auch mal in Wort und Tat militant werden, die vor Zentralbanken randalieren oder in Hamburg ganze Stadtteile stürmen: Mit denen könne man doch nichts erlangen.

Das sei doch nicht das, was er sich unter Menschen vorstellt, die einem Gemeinwesen vorstehen sollten. Hier habe man es doch nicht mit Gestaltern zu tun, sondern mit rechthaberischen Fanatikern, die einem wie ihm ja schon Faschismus unterwerfen, weil er halt nun mal nicht der Ansicht ist, dass eine neue planwirtschaftliche Organisierung alles besser machen würde.

Jürgens Ablehnung dieser Leute kann man nachvollziehen. Und andersherum steht er ja auch für fast alles, was diese Sorte von Linken grundsätzlich ablehnt: Er hat ein Häuschen, lebt in der Provinz, ist Genderdebatten gegenüber null aufgeschlossen und findet schon auch, dass Arbeit noch keinem geschadet habe. Einen wie ihn, können diese Linken so ab, wie er diese Linken. Das bedingt sich wohl.

Das Problem ist an der Stelle nur, dass Jürgen da was zusammenwachsen lässt, was nicht zusammengehört. Die von ihm beschriebenen Fundis sind nicht die Linkspartei, sie bewegen sich nur – oft in kühler Distanz – zu ihr. Diese Fundis halten den Linken aus der Partei ja ganz im Gegenteil vor, dass sie viel zu realpolitisch seien. Unwählbar daher. Zwar beeinflussen fundamentalistische Ansätze auch immer wieder parteiinterne Debatten. Aber eine innige Liebe ist das Verhältnis nicht. Ganz im Gegenteil, denn die Linke ist ja, auch wenn ihr gerne parteipolitische Kontrahenten Koalitionsunfähigkeit vorwerfen, ganz schön kompromissbereit.

Jürgen geht wie viele Menschen davon aus, dass »die Linke« eine homogene Einheit ist. Bei den Rechten unterscheidet man schon eher: Die Union hält kaum jemand für die AfD – dabei kommen beide aus dem rechten Milieu. Nur bei den Linken unterscheidet man nicht. Was auch ein bisschen an den Linken selbst liegt. Als Linker mit realpolitischer Erdung hat man da so ein komisches Verbundenheitsgefühl mit all den Fundis, die es da so gibt. Wenn dann die öffentliche Stimmung beispielsweise linke Randale thematisiert, findet man sich hie und da immer ein loyaler Realo, der so tut, als sei so ein Marodieren durch den Stadtteil ein Jungenstreich, den man verniedlichen darf.

Neuer Name, neue Deutungshoheit

Man muss ja nicht gleich ein Linker sein, um linke Vorstellungen gut zu finden. Manchmal reicht es schon, ein bisschen bei logischem Verstand zu sein. Ein bisschen Gerechtigkeitssinn kann nicht schaden, um manchen linken Gedanken als Bombenidee zu betrachten. Doch leider stehen viele Linke diesen Betrachtern linker Ideen im Wege. Ihr bombastisches Gepränge, die nervös-zuckende Art, der ethische Narzissmus und diese unentspannte Verkrampfung bei mancher Diskussion: Das sind aktive Abschreckungsmechanismen. Besser wäre es frugaler, unaufgeregter und entspannter.

Wenn es aber am linken Rand ein bisschen weniger emsig zuginge, weniger aufgeregt, wenn man sich mit moralischen Bewertungen zurückhielte: Dann wäre ein Andocken von Leuten wie Jürgen durchaus denkbar. Nein, der Mann wird nie ein richtiger Linker, er wird immer Marx als Urvater diverser Massenmorde einschätzen, dazu wurde er zu lange in der alten Bundesrepublik gegen die Verfangstrategien des Klassenfeindes sozialisiert. Das kriegt man nicht mehr so einfach aus ihm heraus. Aber er ist absolut für Gerechtigkeit, für soziale Absicherung und für Frieden.

Als harmonischer Mensch kann er sich einfach nicht vorstellen, so in einen Clinch zu geraten, dass er zu kriegerischen Mitteln greifen könnte. Aber jeder Hardliner von links, dem er begegnet, schreckt ihn wieder ab und lässt ihn die Alternative zur gängigen Politik vergessen. Jeder linke Rechtfertigungsversuch für fundamentalistischen Nonsens festigt ihn in seiner Bestätigung der neoliberalen Alternativlosigkeit.

Aus dem linken Lager kommt regelmäßig die Empfehlung, wie es mit dem Linksruck noch klappen könnte: Mit einem noch schärferen linken Profil nämlich. Damit ist in der Regel nicht gemeint, dass man sich stärker sozialer Themen annimmt, sondern linke Befindlichkeiten noch fester betont. Der Avantgardegedanke muss demnach ausgebaut werden, die Überheblichkeit eine feste Burg werden.

Das Gegenteil trifft aber zu. Für eine Linksalternative braucht es eine Abkehr von überlinken Getue, das mit der Lebensrealität der Menschen gar nichts zu tun hat. Die wollen Lösungen sehen und in Lösungsstrategien nicht gleich den Umsturz aller Werte befürchten müssen. Sie möchten sich nicht als Dummköpfe wahrgenommen fühlen, weil da irgendein eitler Pfau akademisch von einer Metamoral salbadert, die es im Diesseits nun mal leider nicht gibt.

Vielleicht sollte man der Linkspartei etwas anderes mit auf dem Weg geben, quasi das Gegenteil des Vorschlages, sie solle doch mal mehr ihre fundamentalistische Kontur schärfen. Wahrscheinlich wäre ein erster Schritt, den Namen abzulegen und einen neutralen Namen anzunehmen.

Nicht, weil es links und rechts nicht mehr gibt, wie man zuweilen oft liest. Natürlich gibt es da einen Unterschied. Hinter jeder politischen Absicht steckt ein gewisses Welt-, Gesellschafts- und Menschenbild, auf dessen Grundlage man Politik begreift. Mit einer Gleichmacherei der Richtungen wird man dem nicht gerecht.

Aber indem man nicht mehr namentlich für die Linkspartei steht, nimmt man manchem Linken da draußen die überzogene Anspruchshaltung, dass diese Partei für jeden linken Quatsch zu haben sein müsse. Und einem wie dem Jürgen macht man es vielleicht auch leichter. Dann wählt er eben nicht die Linke, er wählt einfach nur eine Vernunftpartei.


Rechts gewinnt, weil Links versagt


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