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Säubern und bleiben

Säubern und bleiben

Eine Talkshow bei Markus Lanz enthüllte, wie schwer sich etablierte Politiker damit tun, das Großmassaker der israelischen Armee als Kriegsverbrechen zu bezeichnen.

„Menschen 70 Tage lang abzuriegeln, von jeder Hilfslieferung. 50.000 Tote. Zwei von drei Häusern stehen da nicht mehr. So gut wie alle Felder zerstört. Tiere tot. Wie nennen Sie das?“

Diese Frage richtete der Moderator Markus Lanz am 14. Mai 2025 an den CDU-Abgeordneten Jürgen Hardt. Er war von 2014 bis 2018 Koordinator für die Transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt und ist nun der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion.

Der gut ernährte CDU-Mann legt seine verschränkten Hände über den prall gefüllten Bauch und antwortet:

„Das ist eine der grauenhaftesten humanitären Katastrophen, die wir gegenwärtig erleben (..)“

Markus Lanz grätscht — wie wir das kennen — sofort in diesen absehbaren Politikerbrei:

„Stopp. Das klingt, als sei das ein Naturereignis. Ich frage noch einmal ganz konkret nach: Ist das ein Kriegsverbrechen?“

Jürgen Hardt geriet sichtlich ins Straucheln und verwies darauf, dass Israels Methoden „unvermeidlich“ seien „angesichts der Tatsache, dass die Hamas sich unter Zivilisten (...) verschanzt und sich durch menschliche Schutzschilde entsprechend schützt.“

Lanz ließ dennoch nicht locker:

„Ich frage Sie nochmal: Ist das ein Kriegsverbrechen?“

Hardt flüchtet ins ganz Allgemeine und ins Konditionale:

„Es wäre ein Kriegsverbrechen, wenn man durch Vorenthaltung von Hilfsgütern eine Zivilbevölkerung nachhaltig schädigt.“

Abermals verweist Lanz auf eine rasant ansteigende Realitätsverleugnung:

„Das passiert da gerade — oder wollen wir das bestreiten? Ich frage sie nochmal: Ist das ein Kriegsverbrechen?“

Der CDU-Atlantiker bleibt gelassen und entspannt und antwortet:

„Es wäre ein Kriegsverbrechen, wenn man durch Vorenthaltung von Hilfsgütern eine Zivilbevölkerung nachhaltig schädigt und das ist die Frage, die wir an die israelische Regierung richten …“

Markus Lanz unterbricht den Singsang und wirft ein:

„Sie müssen doch auch eine Antwort haben …“

„Die israelische Regierung sagt, wenn sie die Hilfslieferungen reingeben, dann kommen sie nur der Hamas zugute und nicht der Zivilbevölkerung, die wir schützen wollen. Diese These …“

Der gut genährte CDU-Mann schafft es, seine Hände Richtung Lanz zu erheben, um dann ohne Atemnot zu dem Schluss zu kommen:

„Diese These muss erst widerlegt werden, von uns.“

Der ebenfalls eingeladene Nahostexperte Daniel Gerlach reagierte darauf wütend:

„Nein! (...) Diejenigen, die sie aufstellen, müssen sie beweisen!“

Lassen wir diesen Irrsinn einen kurzen Moment wirken und wenden ihn widerspruchslos an:

Nehmen wir einmal an, Israel wird wochenlang von allem lebensnotwendigen Mitteln abgeschnitten, mit der Begründung, dass sich das israelische Kriegskabinett hinter der Zivilbevölkerung verschanzt und diese als menschliches Schutzschild benutzt.

Die Blockade müsse und werde durchgeführt, weil sich dort nachweislich international gesuchte Kriegsverbrecher befinden, wie zum Beispiel der vom internationalen Strafgericht (ISGH) in den Haag gesuchte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Wer ein solches Szenario „ins Spiel“ brächte oder gar für erwägenswert halten würde, wäre sofort weg vom Fenster. Denn man hätte dabei völlig unzulässig außer Acht gelassen, dass Israelis eben etwas ganz anderes sind als Palästinenser, die etwas anderes verdienen.

Ich gehe davon aus, dass dem außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion diese Logik der Entmenschlichung als Wertebasis gar nicht auffällt. Sein menschliches Schutzschild steht jedenfalls: Er wird von seinem Chauffeur abgeholt und wenig später von seinen Kollegen und Chefs für diese „ausgewogene“ Antwort gelobt.

Wenn man „From the river to the see“ ruft oder als Spruch auf einem T-Shirt trägt, wird man festgenommen und bekommt wegen „Volksverhetzung“ oder wegen verdeckter antisemitischer Codes oder wegen staatsgefährdeten Augenzwinkerns eine Anzeige. In Berlin schafft es gar die Polizei, eine Demonstrantin dazu zu zwingen, in aller Öffentlichkeit das T-Shirt auszuziehen, das diese wahnsinnige gefährliche Idee als Aufdruck enthält.

Ein kleiner Lichtblick

Wer die Talksendung „Markus Lanz“ noch anschaut, der kennt seine Methode: In aller Regel sitzen dort Teilnehmer, die die deutsche Staatsraison durchbuchstabieren und diese mit minimalen Abweichungen festtreten. Bis auf eine Person, die da rausfällt und vorgeführt werden soll. Die Spielregeln sind also klar: Die eingeladenen Gäste und der Moderator stürzen sich auf die Abweichlerin — wie zum Beispiel Ulrike Guérot, die dem Russenkanon mit Blick auf den Krieg in der Ukraine nicht folgte. Das ist bei allen staats- und kriegsertüchtigenden Themen so. Dazu gehört eigentlich auch Israel, also die „bedingungslose Solidarität mit Israel“.

Dass Markus Lanz in dieser Sendung einem Kriegskoalitionär wie Jürgen Hardt so auf die Pelle gerückt war, ist ungewöhnlich und ganz sicher auch dem Umstand zu verdanken, dass es so viele Kanäle, Portale und Nachrichten, so viele Formen des Protestes, trotz Repressionen, gibt, dass sich das Gerede vom „Selbstverteidigungsrecht“ Israels als das bloßstellt, was es ist: Die Beihilfe zum stattfindenden Genozid in einem fast 60 Jahre lang besetzten Land.

Ein Genozid unter Aufsicht

Es ist kein Geheimnis, dass das israelische Kriegskabinett seinen Vernichtungskrieg und seine Pläne zur ethnischen „Säuberung“ in Gaza und im Westjordanland ohne die US-Regierung nicht durchführen könnte.

Am 19. Mai 2025 hat der als Kriegsverbrecher gesuchte Ministerpräsident Netanjahu dieses Zusammenspiel offen ausgesprochen: Nachdem die Kinder in Gaza wie die Kinder in deutschen KZs aussehen, sagte das israelische Kriegskabinett minimale Hilfslieferungen nach Gaza zu.

Die Begründung ist einem Kriegsverbrecher würdig:

„Unsere besten Freunde der Welt — Senatoren, die ich als starke Anhänger Israels kenne, haben gewarnt, dass sie uns nicht unterstützen können, wenn Bilder von Massenhunger auftauchen“, sagte er. „Sie kommen zu mir und sagen: ‚Wir geben Ihnen die Hilfe, die Sie brauchen, um den Krieg zu gewinnen ... aber wir können keine Bilder von Hungersnot erhalten‘, fügte Netanjahu hinzu. Um den Vernichtungskrieg fortzusetzen, behauptete er:

„Wir müssen es so tun, dass sie uns nicht aufhalten.” (dropsitenews.com vom 19. Mai 2025)

Der bekennende Faschist und Finanzminister Bezalel Smotrich stimmt dem zu:

„Smotrich sagte, das Hilfsprogramm würde es unseren Freunden in der Welt ermöglichen, uns weiterhin einen internationalen Schutzschirm gegen den Sicherheitsrat und das Haager Tribunal zu bieten und bis zum Sieg weiter zu kämpfen, so Gott will‘.” (siehe oben)

Säubern und bleiben

Es gehört zu einem Merkmal des Faschismus, dass er die verlogene Verdruckstheit des bürgerlichen Systems enthüllt, um es zu retten. Genau so versteht sich auch der Finanzminister Smotrich, als er in einer Pressekonferenz vom 19. Mai 2025 sagte:

„Der Ansatz dieser Operation ist völlig anders als alles, was bisher gemacht wurde. Keine Razzien oder Blitzoperationen mehr — jetzt erobern wir, säubern und bleiben. Bis die Hamas zerstört ist. Dabei wird auch alles, was vom Gazastreifen übrig bleibt, vernichtet, einfach weil dort alles zu einer einzigen großen Terrorstadt geworden ist. ... Die Bevölkerung wird den Süden des Gazastreifens erreichen — und von dort aus mit Gottes Hilfe nach dem Plan von Präsident Trump in Drittländer umgesiedelt werden. Dies ist eine Wende in der Geschichte. Nicht weniger. Das ist der Kern der Sache. ... In wenigen Tagen wird mit Gottes Hilfe ein amerikanisches Zivilunternehmen im Gazastreifen seine Arbeit aufnehmen, um die minimalen Lebensmittelhilfen direkt an die Zivilbevölkerung zu verteilen — und dabei sicherzustellen, dass kein einziges Korn die Hamas erreicht oder unsere Soldaten gefährdet.“


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Quellen und Anmerkungen:

Markus Lanz: https://www.facebook.com/100002309859298/videos/pcb.9739279062825659/1056992659643741
„Ist das ein Kriegsverbrechen?": Markus Lanz bringt CDU-Mann in Erklärungsnot, web.de vom 15. Mai 2025: https://web.de/magazine/politik/politische-talkshows/kriegsverbrechen-markus-lanz-bringt-cdu-erklaerungsnot-40979286
Offener Brief an Markus Lanz, 2022, Wolf Wetzel: https://wolfwetzel.de/index.php/2022/06/14/offener-brief-an-markus-lanz/
Netanyahu: Gaza Aid Scheme Offers Israel Symbolic Cover to Finish the Genocide, Drop Site vom 19. Mai 2025: https://www.dropsitenews.com/p/netanyahu-trump-gaza-aid-genocide-smotrich-ceasefire-hamas?utm_source=post-email-title&publication_id=2510348&post_id=163923510&utm_campaign=email-post-title&isFreemail=true&r=5fdi8n&triedRedirect=true&utm_medium=email

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