Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Schwerter zu Malerpinseln

Schwerter zu Malerpinseln

Ein Künstler protestierte mit kreativen Mitteln gegen ein Heldenmonument aus der Nazizeit — und gegen den wiedererstarkenden Kriegswahn.

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

im Namen der Gruppe Kleve der DFG-VK (das ist die Deutsche Friedensgesellschaft — Vereinigte Kriegsdienstgegner, Anmerkung der Redaktion) begrüße ich euch ganz herzlich an diesem Ort. Für mich als bildender Künstler hat in meinen Arbeiten die kritische Auseinandersetzung mit Militär und Rüstung immer eine zentrale Rolle gespielt. Ich heiße euch willkommen in der Stadt Kalkar mit ihren ganz besonderen Örtlichkeiten.

Fangen wir mal direkt an hier mit dieser Örtlichkeit: In idyllischer Lage auf dem Beginenberg, so heißt diese Endmoräne inmitten der schönen niederrheinischen Landschaft, befinden sich seit 50 Jahren die Kasernenanlagen der Bundeswehr. Dieser Militärstandort wurde über Jahre hinweg systematisch ausgebaut zum heutigen sogenannten Zentrum Luftoperationen. Zusammen mit den unterirdisch verbunkerten Gefechtsleitstellen auf dem Paulsberg bei Uedem ist hier eine Luftwaffenkommandozentrale von NATO und Bundeswehr entstanden, in der über 1500 Soldaten und Zivilangestellte tätig sind.

Von hier aus werden alle NATO-Luftoperationen über dem Baltikum und der Grenze zu Russland gesteuert. Die Leitzentrale für alle Kriegseinsätze der deutschen Luftwaffe — wie die in Syrien — befindet sich ebenfalls hier.

Im Rahmen der sogenannten „Nuklearen Teilhabe“ werden jeweils 20 US-Atombomben in Büchel in der Eifel, im von hier nur 35 Kilometer entfernten Volkel in den Niederlanden und im belgischen Ort Kleine-Brogel bereitgehalten. Diese sollen dann im NATO-Einsatz von deutschen, niederländischen und belgischen Kampfflugzeugen ins Ziel geflogen werden. Und wo befindet sich die Leitzentrale für den Einsatz und die Übungsflüge dieser Atombomber? Ja: hier! In Kalkar und Uedem!

Der atomare Massenmord wird eingeübt in den unterirdischen Gefechtsleitstellen auf dem Paulsberg in Uedem bei dem jetzt anstehenden NATO-Atombombenmanöver „Steadfast Noon“ vom 14. bis 18. dieses Monats. Bei diesem Manöver wird der Atombombenabwurf trainiert mit Jagdbombern von NATO-Staaten mit nuklearer Teilhabe.

Die Militäranlagen hier in Kalkar und in Uedem werden zurzeit für 150 Millionen Euro weiter ausgebaut. Diese Anlagen sollen für künftige Luftoperationen an der Ostgrenze der NATO optimiert werden. Militärische Planer verfolgen das Ziel, zukünftige Kriege auch mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen, mit Cyberattacken und Kampfdrohnen und unter Einbeziehung des Weltraumes führbar und gewinnbar zu machen. Die entsprechende Denkfabrik, das „Joint Air Power Competence Centre“, ist ebenfalls hier in Kalkar hinter diesen Zäunen angesiedelt.

Nach dem Austritt der USA und Russlands aus dem INF-Vertrag sind letzte Beschränkungen für ein atomares Wettrüsten in Europa weggefallen. Die Waffensysteme, die jetzt in den USA und Russland für einen neuen atomaren Rüstungswettlauf in Europa entwickelt und produziert werden, erhöhen durch extrem kurze Vorwarnzeiten auch das Risiko eines „versehentlichen“ Atomkrieges. Das Risiko der atomaren Vernichtung der Zivilbevölkerung steigt weiter und wird dabei billigend in Kauf genommen.

In nächster Zeit sollen die in Deutschland, Holland und Belgien bereitgehaltenen US-Atombomben ausgemustert werden. Etwa eine begrüßenswerte Abrüstungsmaßnahme? Weit gefehlt! Sie sollen durch neue ersetzt werden, die, ähnlich wie Raketen, zielgenau lenkbar sind.

Die Bundeswehr will dazu neue amerikanische Kampfflugzeuge mit einer Tarnfunktion anschaffen. Diese sollen dann die neuen Atombomben unbemerkt durch die gegnerische Luftüberwachung zum Ziel fliegen können. Auch diese neuen Bomber sollen dann von den Gefechtsleitständen in Uedem aus gesteuert werden.

Mit den Hightech-Kriegsführungsanlagen in Kalkar und Uedem sind wir hier am Niederrhein zur Zielscheibe russischer Atomwaffen geworden. Das Leben von uns allen wird durch den militärischen Wahn aufs Spiel gesetzt. Für diesen Wahnsinn benötigt die Bundeswehr ständig neues Menschenmaterial.

Systematisch werden Schulklassen in die Militäranlagen nach Kalkar und Uedem eingeladen. Praktikumsplätze für 15-jährige Schüler und Schülerinnen werden angeboten. Die Tätigkeit des Soldaten wird den Kindern und Jugendlichen dann als normaler Dienstleistungsberuf verkauft mit faszinierender Technik und einem gehörigen Schuss Abenteuer. Und selbstverständlich dürfen sich die Jugendlichen dann auch in voller Kampfmontur als stolze Soldaten fühlen.

Junge Menschen sollen für einen Beruf geködert werden, der das Töten anderer Menschen beinhaltet und bei dem man das eigene Leben aufs Spiel zu setzen hat. Schließlich will die Bundeswehr den erhöhten Bedarf an Soldaten insbesondere für Kriegseinsätze im Ausland decken. Es ist ein Skandal, dass die städtische Realschule in Kalkar — entgegen jeder pädagogischen Verantwortung — ihre Schülerinnen und Schüler in sogenannten Projektwochen diesem Missbrauch durch die Bundeswehr ausliefert.

Was wäre Kalkar ohne seinen mittelalterlichen Marktplatz? Ein historischer Ort für besondere Anlässe. So für den großen Zapfenstreich der Bundeswehr am 25. September letzten Jahres. Geehrt wurde in historischer Kulisse ein ganz besonders strammer Bursche von rechter „teutscher“ Gesinnung.

Feierlich als Pensionär verabschiedet wurde der Drei-Sterne-General Joachim Wundrak, langjähriger Kommandeur des Zentrums Luftoperationen in Kalkar und Uedem, seit Januar 2018 AfD-Mitglied und nun Spitzenkandidat der AfD für die Oberbürgermeisterwahl in Hannover: Ein smarter Vernichtungstechnokrat in Uniform mit der Befehlsgewalt über Atombomber und Aushängeschild einer rassistischen, menschenverachtenden Partei des rechten Randes. Soldatentum und Faschismus sind in ihrer Menschenverachtung eng verwoben.

Damit wären wir auch schon bei der dritten Örtlichkeit.

Vom zentralen Kreisverkehr in Kalkar deutlich sichtbar steht sie in einer öffentlichen Parkanlage: die in Stein gehauene, kriegsverherrlichende Nazipropaganda in Form des 1936 errichteten Kriegerdenkmals für „UNSERE HELDEN“ 1914-1918, Anfang der 80er-Jahre erweitert durch die Jahreszahlen 1939-1945. Über einem 4 Meter langen und 1,25 Meter hohen Quader hockt ein martialischer deutscher Adler auf einem Schwert. Die Rückseite ziert folgender Text:

„Mögen Jahrtausende vergehen, man wird nie von Heldentum reden können, ohne des deutschen Soldaten im Weltkrieg zu gedenken.“

Spätestens seit 2014 ist bekannt, dass es sich um ein Zitat aus Hitlers „Mein Kampf“ handelt.

Die gefallenen Soldaten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges mit einem Hitlerzitat als „Helden“ zu ehren, stellt nicht nur eine ungeheure Verhöhnung der Opfer dar, sondern ist auch eine Glorifizierung des verbrecherischen Vernichtungskrieges der deutschen Wehrmacht.

Die Frage, was denn nun mit diesem unsäglichen Machwerk zu geschehen habe, beschäftigte den Kalkarer Stadtrat 2015 und 2016.

Passiert war seitdem … nichts! Das Ding stand weiterhin da als Monument des Militarismus. Eine nicht weiter hinzunehmende und meines Erachtens strafbare Duldung nationalsozialistischer Kriegsverherrlichung durch die Stadt Kalkar und für mich als Pazifist und Künstler eine Herausforderung an meine Kreativität.

In den Morgenstunden des 27. Juli, einem Samstag, war es dann so weit. Mit mehreren Farbspraydosen bewaffnet begann ich, das Nazi-Monument zu einem Friedensmahnmal umzugestalten. So prangte jetzt vorne auf dem Quader zentral über dem reliefartigen Schriftzug „UNSEREN HELDEN“ das Peace-Zeichen und rechts und links davon der zeitlose Slogan der Antikriegsbewegung „MAKE LOVE — NOT WAR“.

Auf das Schwert sprayte ich die naheliegende biblische Forderung: „Schwerter zu Pflugscharen“ und darunter die aktuelle Forderung: „Abrüsten statt Aufrüsten“.

Über der Rückseite prangte nun in ganzer Breite: „NIE WIEDER FASCHISMUS — NIE WIEDER KRIEG“. Den Adler begann ich farblich in den Regenbogenfarben umzugestalten.

Doch nach eineinhalb Stunden war erst mal Schluss. Die Polizei kam und machte, was sie wohl für ihre Pflicht hielt: Sie beschlagnahmte meine Ausrüstung und stellte Anzeige wegen des Verdachtes auf Sachbeschädigung. Für mich ein einkalkuliertes Risiko, keineswegs abschreckend. Doch die farbliche Verfremdung des Adlers blieb unvollständig. Von den sieben Regenbogenfarben fehlten noch drei.

Mit ein paar neuen Spraydosen wollte ich dann meine Arbeit an der Farbgestaltung des Adlers im Morgengrauen des nächsten Tages zu Ende führen. Ich traute meinen Augen kaum. Das Nazi-Denkmal war noch am Samstag „gereinigt“ worden. Auf Anweisung der Bürgermeisterin wurden weder Kosten noch Mühen gespart, um noch am gleichen Tag — trotz Wochenendes — das unsägliche Monstrum wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Diese erneuerte Glorifizierung soldatischen Heldentums war allerdings nur von kurzer Dauer.

Unbekannte Menschen hatten erfreulicherweise meine Gestaltungsanregungen aufgenommen und spontan noch am Sonntagvormittag das Nazi-Kriegerdenkmal wieder mit Friedensbotschaften versehen. Das Presseecho war groß und überwiegend positiv, der WDR berichtete in der Aktuellen Stunde darüber. Die Stadt Kalkar kam in Erklärungsnot, weswegen sie das Nazi-Monument ohne sichtbare Distanzierung unverändert jahrelang stehen ließ.

Erst vor vier Wochen wurde das Ding wieder gereinigt, doch am 26. September wurde das kriegsverherrlichende Monstrum nach Jahren wieder zum Thema in der Stadtratssitzung in Kalkar. Es sollen, so der Beschluss, möglichst bald erklärende Tafeln angebracht werden. Wir werden sehen — und falls notwendig, gibt es sicherlich kreative Menschen ...

Beim Kalkarer Nazi-Monument des soldatischen Heldentums reichten zur Umgestaltung ein paar Spraydosen und etwas Kreativität. Gegen die Gefahr eines neuen Krieges, gegen die drohende atomare Vernichtung müssen wir schon etwas mehr tun. Sicherheit lässt sich nur durch Abrüstung, vertrauensbildende Maßnahmen und gewaltfreie Konfliktlösungen erreichen. Druck ist notwendig, damit Deutschland den UN-Verbotsvertrag für Atomwaffen unterzeichnet. Bereits 123 Staaten haben das schon bis jetzt getan. Die Kriegsführungsanlagen in Kalkar und Uedem müssen geschlossen werden.

Statt weiter Unsummen in die Rüstung zu pumpen, wird das Geld dringend benötigt für Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, zur Beseitigung von Fluchtursachen und des Hungers in der Welt, um nur die wichtigsten zu nennen.

Lasst uns zusammen diesen Ort des militärischen Wahnsinns, diesen Ort der Vorbereitung eines atomaren Massenmordes zu einem Ort des Lebens machen, zu einem Ort des kreativen Widerstandes gegen Militär und Rüstung.

Abschließend möchte ich euch noch die Broschüre „WAR GAMES“ empfehlen. Wir, die DFG-VK-Gruppen am Niederrhein, haben darin die militärischen Anlagen in unserer Region in den Fokus genommen. Noch wesentlich ausführlicher als ich das in meiner Rede konnte, wird darin auch die Bedeutung des Standortes Kalkar/Uedem beschrieben. Diese Broschüre ist kostenlos zu haben am DFG-VK-Stand auf dem Kalkarer Marktplatz.


Bild


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.

Weiterlesen

Bilanz der Parteienherrschaft
Thematisch verwandter Artikel

Bilanz der Parteienherrschaft

Nie waren eine Wiederbelebung der Demokratie und eine weltweite grundlegende Neuordnung gesellschaftlicher Prinzipien notwendiger als heute. Exklusivauszug aus „Demokratie versus Parteienherrschaft“.

Das betrogene Volk
Aktueller Artikel

Das betrogene Volk

Das Schicksal der Palästinenser kann man mit dem nordamerikanischer Indianer vergleichen. Wer nicht vertrieben wurde, blieb als „Unterschicht“ im eigenen Land. Teil 3 von 6.