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US-Schlag gegen die Meinungsfreiheit

US-Schlag gegen die Meinungsfreiheit

RT wurde zum „ausländischen Agenten“ erklärt.

Die Registrierung als "ausländischer Agent" erfolgt bei der Kriminalabteilung des US-Justizministeriums. Das dazugehörige Gesetz, der "Foreign Agents Registration Act" (FARA), stammt aus dem Jahre 1938 und richtete sich gegen die Propaganda des Nazi-Regimes. Dass nun ausgerechnet ein russisches Medium, dessen antifaschistische Grundhaltung unbestritten ist (wie immer man zu seiner sonstigen Berichterstattung stehen mag) unter dieses Gesetz fällt, ist mehr als eine historische Ironie. Es zeigt, wohin sich US-amerikanische Justiz und Politik in den vergangenen Jahren bewegt haben: in Richtung eines autoritären Staatsverständnisses, dem alle Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen recht sind.

Die Folgen dieser Registrierung sind tiefgreifend. Der "ausländische Agent" handelt per Definition im Auftrag einer ausländischen Regierung und wird dementsprechend behandelt. RT ist ab sofort verpflichtet, diese Kennzeichnung auf allen seinen Sendeformaten anzubringen, sämtliche Publikationen innerhalb von 48 Stunden der justizministeriellen Zensurbehörde in Kopie zuzustellen und Aufzeichnungen aller journalistischen Aktivitäten zugänglich zu machen. Zuwiderhandelnden Redakteuren drohen Haft und/oder hohe Geldstrafen. Eine permanente Überwachung von RT ist die Folge. Von einem freien Medium kann also nicht mehr die Rede sein, wenn es einmal als "ausländischer Agenten" registriert und damit stigmatisiert ist.

Die Stigmatisierung von RT war von langer Hand vorbereitet. Bereits im Januar 2017 veröffentlichte der US-Geheimdienst CIA einen Report über die russische TV-Anstalt, dem monatelange Recherchen vorangegangen waren. Darin wird der in den USA auch über Kabel zu empfangende Sender als "die staatliche Propagandamaschine Russlands" bezeichnet, die in den US-Präsidentschaftswahlkampf eingegriffen hätte. Im September kam dann die Aufforderung des Justizministeriums, sich als "ausländischer Agent" registrieren zu lassen, widrigenfalls das Vermögen konfisziert würde. Begleitet wurden diese staatlichen Zwangsmaßnahmen von feindseligen Geschäftspraktiken der Internetriesen Twitter und Facebook. Beide strichen RT ohne vorherige Kontaktaufnahme im Oktober von der Liste der Inserenten und verunmöglichten RT damit Werbemaßnahmen. Staat und Privatwirtschaft arbeiten in den USA Hand in Hand, wenn es gegen Russland geht.

Ungewöhnlich heftig fiel in den USA der Protest gegen die erzwungene Registrierung von RT als "ausländischer Agent" aus. In Journalistenkreisen regt sich Widerstand. Das "Komitee zum Schutz von Journalisten" mit Sitz in New York spricht von einem "beunruhigenden Präzedenzfall" und einer "schlechten Idee". Dass diesem Komitee auch russophobe KollegInnen wie CNN-Chefkorrespondentin Christiane Amanpour, NBC-Moderator Tom Brokaw oder Huffington Post-Gründerin Arianna Huffington angehören, zeigt die tiefe Verunsicherung, die das RT-Bashing in die Journalistenriege geschlagen hat. "Wenn einmal staatliche Zensurmaßnahmen zur Normalität werden", so der Pulitzerpreisträger Chris Hedges, wird es über kurz oder lang auch gefälligere Medien (als RT, d.A.) treffen." Im Grunde geht es, so Hedges weiter, nicht um die Verbreitung russischer Propaganda, sondern darum, Kritik am amerikanischen Imperialismus und Kapitalismus zum Schweigen zu bringen."

Tatsächlich hält der russische TV-Sender den westlichen Gesellschaften einen Spiegel vor. Wo zuvor durch die unheilige Dreierallianz von Reuters, Associated Press und Agence France Press die westliche Diskurshegemonie -– nur kurzfristig unterbrochen vom katarischen Al Jazeera – total war, öffnet RT ein neues Fenster. Erstmals dringen die Verbrechen des US-amerikanischen Imperialismus weltweit in fernsehende Haushalte; neben dem gewohnten Hollywood-Bild der amerikanischen Gesellschaft gibt es Reportagen über die tiefen sozialen Risse vermeintlich vorbildhafter westlicher Gesellschaften; und das gewohnte Narrativ über aktuelle oder historische geopolitische Großereignisse erhält eine Gegenerzählung. Um nicht missverstanden zu werden: RT ist auf dem russischen Auge blind und eine propagandistische Schlagseite ist für kritische Medienkonsumenten unverkennbar. Seine Meriten allerdings werden dadurch nicht geschmälert. RT hat es geschafft, Gegenbilder zum "There is no alternative"-Gerede neoliberaler Think Tanks zu entwerfen und die westliche Propaganda zu demaskieren. Deshalb ist der Sender ins Visier der US-Justiz geraten; und deshalb hat sie ihm die Punze "ausländischer Agent" aufgeklatscht. Mit den vermeintlichen Manipulationen des US-Wahlkampfes, die am Anfang der geheimdienstlichen Untersuchung gegen das russische Fernsehen standen, hat das alles nichts zu tun.

Brüssel hinkt in puncto Angriff auf die Meinungsfreiheit nur wenig hinter Washington hinterher, wenn es um russische Medien geht. Bereits am 23. November 2016 beschloss das EU-Parlament eine Resolution gegen den „propagandistischen Druck auf die EU von Seiten Russlands und islamischen Terroristen“, wie es in der begleitenden Presseaussendung hieß. Medien wie RT oder Sputnik „zielen darauf, die Wahrheit zu torpedieren, Angst zu verbreiten, Zweifel zu provozieren und die EU auseinanderzudividieren“, so weiter im Text. Ganz abgesehen von der Ungeheuerlichkeit, den Islamischen Staat und Russland in einem Atemzug auf die selbe Ebene zu stellen, dient diese Resolution dazu, eine „strategische Task-Force einzusetzen“, um russische Medien gezielt zu schädigen und, wenn möglich, auszuschalten. Das EU-europäische Verständnis von Meinungsfreiheit ist – wenig verwunderlich – dem US-amerikanischen nicht unähnlich.

So sehr die Wächter dieser selektiven Meinungsfreiheit bei jedem Verdacht, eine von Brüssel oder Washington nicht adaptierte mediale Stimme könnte bei einer erklecklichen Anzahl von Menschen Gehör finden, Alarm schreien, so wohlwollend agieren sie gegenüber politischen Einflussnahmen westlicher Oligarchen. Der schon stereotyp gewordene Vorwurf gegen russische Medien, sie würden Wahlen in den USA, in Deutschland, in Frankreich oder – demnächst – in Katalonien manipulieren, wirft neben seiner Unsinnigkeit auch ein besonderes Licht auf die Schwäche der liberalen Demokratien. Sie fürchten sich vor Information, die nicht von den eigenen Eliten kontrolliert wird. Die Angst davor schlägt in Hysterie um. Es blieb dem rechtskonservativen EU-Abgeordneten Nigel Farage von der britischen UKIP vorbehalten, die Relationen zwischen der als feindlich wahrgenommenen russischen Seite und dem medialen und gesellschaftlichen Einfluss US-amerikanischen Großkapitals zurechtzurücken. In einer Rede vor dem Straßburger EU-Parlament am 14. November 2017 erinnerte er an die „großzügige Spende“ des ungarisch-stämmigen Spekulanten und Philanthropen George Soros an seine von ihm selbst gegründete NGO-Plattform „Open Society“. Mit sagenhaften 18 Mrd. US-Dollar stattete Soros sein politisches Steckenpferd aus, um der EU-Supranationalisierung unter die Arme zu greifen und eine Generation von Liberalen heranzuziehen, die Demokratie nur mehr im Kontext eines konstitutionellen Liberalismus verstehen.

Angst geht in EU-europäischen und US-amerikanischen Medienkreisen freilich auch vor russischen Gegenmaßnahmen zur Zwangsregistrierung von RT um. Diese sind zu erwarten und könnten von Radio Free Europe über CNN bis zur Deutschen Welle viele in Russland sendende Medien treffen; und groß wird dann das Geheule sein über den Kreml, der die Meinungsfreiheit mit Füssen tritt.


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Feindbild Russland


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