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Von der Freiheit zu gehen

Von der Freiheit zu gehen

Die Sterbehilfe pendelt zwischen Freiheitsakt und digitalen Dienstleistungsketten.

Meine Mutter, sie nähert sich dem hohen Alter von 90 Lenzen, hält seit Jahren die Hand von Menschen, die nur noch lächeln, einige röcheln und manche können nichts mehr. Sie hält deren Hand, einige jünger als sie, viele abhängig von Apparaturen, von Medikamenten, und schneidet als gelernte Coiffeuse gelegentlich deren schütteres Haar. Ein letzter Liebesdienst. Meine Mutter ist keine Ideologin und als 2020 Abstand als neue Liebesdevise ausgegeben wurde, fand sie das einfach nur bescheuert. Es war innerer Antrieb, der sie in die Alten- und Pflegeheime ihres Wohnortes und der Umgebung führte, es waren persönliche Geschichten. Nicht Anstellung, nicht Lohn, nicht Abstand.

Und blitzschnell war sie eine Externe, eine Unberechtigte. Blitzschnell hatten ihr die Gutmenschen, die sie alle kannten, den Zutritt zum Alten- und Pflegeheim verwehrt. Den „Blätz“, wie sie die Maske in ihrem Dialekt nennt, klebte sie sich dann ins Gesicht, wenn sie dadurch, selten genug, eine wartende Hand doch noch erreichen konnte, eine Hand, die ohne Gegendruck meiner Mutter ins Leere hing. Angst um sich selbst hatte meine Mutter nie, Viren hin oder her. Denn Sterben ist für meine Mutter nur in einer Hinsicht ein Problem: dass viele, die es wollen, nicht können.

Vermächtnis der Freiheit

Darf der Mensch entscheiden, wann er geht? Und setzt, wer dies befürwortet, sich nicht zu denen mit ins Boot, die das ganze Leben steuern, überwachen und manipulieren wollen? Wäre solches „Recht“ am Ende also nicht Ausdruck des Machbarkeitswahns und Anmaßung einer „kranken“ Zivilisation, einer seelenlosen Apparatur, die bereits auch mit Corona gewütet hat und nebenbei auch Schwangerschaft und Geburt ― sozusagen lästige biologische Überreste ― dienstleistungskettenmäßig steuert? Sind Sterbehilfebefürworter zu Ende gedacht also nichts weiter als Jünger Klaus Schwabs und des Great-Reset-Ordens oder ist der bewusste Entscheid, aus dem Leben zu scheiden, nicht vielmehr und ganz im Gegensatz dazu das letzte Vermächtnis eines autonomen Subjekts im Kampf gegen eine zur seelenlosen digitalen Apparatur gewordenen Menschheit, ein Vermächtnis der Freiheit?

„Und dann, so eingeschränkt er ist, hält er doch immer im Herzen das süße Gefühl von Freiheit, und dass er diesen Kerker verlassen kann, wann er will“ (1).

So sagt es Werther. Und eine Zombiewelt, angefüllt mit Klaus Schwabs, als Kerker wahrzunehmen: Das kann so falsch nicht sein.

Es gilt die Angelegenheit zu entknäueln. Von der Schwere einer Erkrankung, von den Aussichten auf eine Heilung, beurteilt durch Instanzen, die machtpolitisch eingebunden sind, kann die Antwort, ob ein Recht bestehen soll, das Leben selbstbestimmt zu beenden, nicht abhängen, weil eine solche Abhängigkeit die Beantwortung der Frage unterläuft. Eine grundsätzliche Frage verlangt eine Antwort, die nicht schon Ausdruck von Machtverhältnissen ist, denen sich Lebensmüde mit dem Entscheid entziehen möchten.

Dass die Frage nach dem Recht zu sterben nicht die gleiche ist wie die Frage nach den Mitteln, die zur Verfügung stehen sollen, dieses Recht wahrzunehmen, versteht sich, immerhin: Werther erschießt sich, er wird nicht betreut dabei, es finden keine Arztgespräche im Voraus statt und es werden ihm keine Pillen in die Hand gedrückt, auf dass er den Entscheid in fast sedativer Weise vollziehen kann. Hätte es solchen Sterbedienst bereits gegeben, Werther als derjenige, der er war, hätte ihn nicht in Anspruch genommen. Und doch sind die beiden Aspekte miteinander verhängt. Ob der Tod als Freiheit nur den Mutigen, Scharfsichtigen und womöglich deshalb an der Welt und den Menschen Verzweifelnden zusteht? Und denen, die wissen, wie einen Revolver bedienen?

Schwabs Agenten?

Meine Oma ist mit Exit (2) aus dem Leben geschieden. Mutter und Vater meines lebenslangen und von der Landeskirche mit dem Aufbau einer Sterbeberatungsstelle beauftragten Freundes haben sich mit Exit verabschiedet. Meine Mutter hat mehrere Menschen beim Abschied mit Exit als persönlicher Beistand begleitet, von der Einnahme der Pillen bis zum Aufhören des Pulsschlages. Sie tat dies in der Meinung, dass das Leben manchmal keinen Sinn mehr ergibt und der Wille des Betreffenden bis zuletzt zählt. Diese Meinung ist kein theoretisches Konstrukt, sondern hat sich vielmehr durch die Betreuung alter Menschen herausgebildet und verstärkt. Viele dieser Menschen leiden nicht nur körperlich.

Es ist der Verlust von Sinn, es ist Einsamkeit, es ist bestimmt auch das Gefühl, nur noch verwaltet zu werden, wie Material, Biomasse, Abfall, was ihren Lebenswillen löscht.

Für manche ist meine Mutter der letzte Sonnenstrahl, der ihren Wunsch, endlich gehen zu können, aus tiefstem Herzen versteht.

Ist meine Mutter, ist meine Großmutter, sind die Eltern meines lebenslangen Freundes einer menschenfeindlichen Ideologie anheimgefallen? Einer Seitenlinie der Eugenik, der Euthanasie gar? Einer Depopulationsmaßnahme verwandt nicht zuletzt mit der Genderideologie, die ebenso mittels technologischer Apparatur ― und dem damit verhängten Kapital ― biologische Bestimmungen ausglättet und außer Kraft setzt? Pfuscht sie der Vorsehung ins Werk, dem Schicksal, Gott?

Sieg über Biologie

An vielen Ecken im Spiel um Leben und Tod kann gedreht werden. Und wird gedreht, dreht sich auch die Freiheit: Ist Freiheit in Wirklichkeit die Macht, mit Technologie die Natur zu überwinden? Macht nicht erst diese Überwindung den Menschen frei? Wäre es das, was Werther mit Freiheit meint (vielleicht ohne es zu wissen), wenn er davon spricht, dem Kerker zu entrinnen? Ist also allein ein Mensch, der über Geburt, Tod und Geschlecht verfügt, wirklich frei?

Schillers Tell würde wohl sagen: Nicht über Geburt und Tod, nicht über das Geschlecht, sind dies doch die Bedingungen, ohne die das Leben nicht ist. Sehr wohl aber über die Macht, die sich, sei’s mit Hut, sei‘s mit Wahlpapier, aufspielt. Der Sieg über die Biologie jedenfalls ― und das lässt sich empirisch sagen ― bedeutet nicht Freiheit. Vielmehr bedeutet er den irreversiblen Übertritt in die technologische Abhängigkeit. Warenwerdung, Cyborg, Biomasse. Ende der Metaphysik inbegriffen. Das sagt nicht Schillers Tell, nicht Werther, das sage ich. Doch Werther sagt es im Grunde auch. Als Freiheit verkauft wird die Überwindung von Biologie, um die mit dieser Überwindung vollzogene Repression und Verstümmelung unkenntlich zu machen. Werther verweist darauf, wenn er von den bescheuerten Beschäftigungen der Bürger spricht, welche ― salopp gesprochen: Volldeppen gleich ― alles annehmen, was man ihnen vorhält.

Die spirituelle Sicht oder wenn das Subjekt schon tot ist

In Beiträgen auf dissidenten Kanälen ― vor allem, wenn sie sich spirituell begreifen ― wird die „Krankheit“ dieser Zivilisation ― so auch die Muster, die mit Corona durchgeschlagen haben ― mit einem Abfall (Verlust, Distanz) von der Natur in Verbindung gebracht und dagegen ein Leben in Harmonie mit Natur und Kosmos und infolgedessen des Menschen mit sich selbst herausgestellt ― auch als politische Botschaft. Und aus dieser Harmonie fällt nicht nur das Herummanipulieren am biologischen Geschlecht, auch die Vorstellung, der Mensch könne in einem dienstleistungskettenmäßigen Sinne das Leben selbst „abbestellen“, passt da nicht hin. Vor allem die Ideologie der unbegrenzten Verfügbarkeit über das Lebens in jeder Hinsicht ist mit einem spirituellen Bewusstsein schlecht vereinbar, setzt die Verfügung doch Trennung, Isolation und Atomisierung voraus, was das Spirituelle als holistisches Konzept ja gerade überwinden will.

Verfügen bedeutet Diktieren, bedeutet Diktat, bedeutet Diktatur und die ist selbstredend vom Kapital gespeist, welches per se alles zur Ware beziehungsweise zur Zahl macht ― auch das Spirituelle.

Dass an dieser Verfügungsideologie die Massen teilhaben im Glauben, Subjekte innerhalb der Verfügung zu sein, dass exakt dabei aber in der Tat über sie verfügt wird und sie als Subjekte gelöscht werden: Das ist ein strategisch stimmiges Paradox, das im neuen Endlager, der Digitalisierung, ihre Vollendung findet.

Es lässt sich debattieren, ob der Technologie ― wie Gilles Deleuze in seiner scharfen Bemerkung, sie sei die Schwester der Diktatur impliziert ― die Zerstörung der Subjekte und der an diese gekoppelten Werte wie Würde und Freiheit immer schon eingeschrieben sei. Ganz bestimmt aber ist dies ab jenem Moment der Fall, wo Technologie Subjekte und also ihre Erzeuger in Daten zerlegt. Das macht die Digitalisierung nicht bloß zu einer nächsten Etappe der Bündelungstechnik (also der Faschisierung, fascis = Rute, Bund), sondern zur finalen Figur, nachdem zuvor das Leben noch in analogen Lagern zerlegt und gebündelt wurde. Dass bei damaligen Stempelungs- und also Bündelungstechniken bereits gleiche Firmen beteiligt waren, die nun heute die ganze Menschheit in die digitale Endform gießen, darauf macht Birgit Naujeck aufmerksam (3). Gilles Deleuzes Hinweis auf die der Technologie als solcher eingeschriebenen Diktatur kann jedenfalls gar nicht genügend herausgestellt sein.

Im Rahmen einer solchen Endfigur, also einer digitalisierten Gesellschaft, das Sterberecht zu thematisieren, bedeutet im Grunde Paradoxes, insofern das Subjekt ja bereits auf dem Weg ist gelöscht zu werden (Warenwerdung, QR-Codisierung), noch bevor es über seinen Tod entscheidet. Dieser zivilisatorische Tod qua Löschung des Subjekts könnte die Sterberechtsfrage gänzlich obsolet machen. Ware stirbt nicht. Doch kann ein Beharren eines Menschen auf seinem Sterberecht ― er stellt durch dieses Beharren seine bündelungsstörende Autonomie und also noch nicht gänzlich erfolgte Digitalisierung unter Beweis ― gerade als Form der Wiederauferstehung des Subjekts begriffen werden. Allerdings unter bestimmten Bedingungen.

Naturrecht, Emanzipation und Eugenik

Das selbstbestimmte Sterben und die Hilfe dazu müssen als „Naturrecht“ genommen und dürfen nicht von einer Staats- oder Konzerninstanz vergeben sein.

Im Rahmen eines Menschenrechts oder eines Naturrechts ist entscheidend, dass es keine Instanz gibt, die das Recht oder die Macht hätte dem diesbezüglichen Entscheid eines Einzelnen im Weg zu stehen. Weder Staat noch Konzern noch die in diese beiden Gefäße eingegangene Kirche. Das ist die einzige nicht faschistische Haltung, die mir möglich scheint.

Gleiches gilt für den selbstbestimmten Entscheid zur Hilfe. Der selbstbestimmte Entscheid zu sterben und der selbstbestimmte Entscheid, einem Menschen, der diesen Entscheid gefällt hat, dabei zu helfen, fallen naturrechtlich und ethisch zusammen. Die Frage nach der „Richtigkeit“ des Entscheides bleibt indes offen. Und dieses Offenbleiben und das Aushalten dieses Offenbleibens ― die Nichtideologisierung dieses Raums sozusagen ― ist die einzige gewaltfreie Option. Nicht nur bei der Sterbefrage.

Das Subjekt, durch die Digitalisierung vom Aussterben bedroht, aufersteht ― wie bereits angesprochen ― just dann nicht, wenn die Hilfe institutionalisiert und dadurch systemisch eingebunden und also auch schon digitalisiert ist. Insofern gibt es Fragezeichen zu Unternehmungen wie Exit, ganz unabhängig davon, mit welcher Intention einzelne Menschen dort wirken. Ausgehend vom Gegebenen und in der (zuweilen nur mit Aufwand aufrechtzuerhaltenden) Perspektive auf eine andere Zivilisation sind Organisationen wie Exit jedoch im pragmatischen Hinblick auf Würde und Autonomie des Menschen mindestens zu dulden, eher aber zu unterstützen, auch wenn sie in Schichten mit dem Gegebenen überlappen beziehungsweise diese Gegebene verfestigen. Das politische Ziel, Individualentscheidungen gänzlich den Einzelnen zuzuführen, liegt ― im Hinblick auf das selbstbestimmte Sterben und ausgehend vom Gegebenen ― mit Exit wohl eher doch etwas näher als mit einem Verbot der Sterbehilfe.

Sterberecht und Sterbehilferecht, als Auferstehung des Subjekts begriffen, bedeuten also nichts Weiteres als die Wiederaufnahme der Emanzipation, bedeuten Rückbesinnung auf eine immaterielle Freiheit. In institutionalisierter Form indes ist der Übergang des Sterbens zum Dienstleistungsereignis und damit zur Optimierung und Warenwerdung beruhend auf Automatismen ― die KI wir dann bald schon den Entscheid fällen ― gesetzt. Und damit der nahtlose Anschluss eben doch an Projekte der Eugenik und/oder Euthanasie. Diese krassen Gegensätze, vereint im Thema, gilt es herauszustellen.

Über Differenzen hinweg

Es sind alte Menschen, denen meine Mutter die Hand hält. Indes, dank Apparatur überleben auch immer mehr Menschen bei der Geburt mit schwersten Behinderungen, Menschen, die ohne Apparatur sterben würden, zuweilen bereits in der Zeit der Schwangerschaft selbst. Dass Menschen nur über technologische Eingriffe ― jede Handlung greift ein, das ist nicht zu vergessen ― am Leben bleiben beziehungsweise zur Welt kommen und andere Subjekt an ihrer Stelle entscheiden, ist ein bedeutsamer Aspekt, der jedoch am Naturrecht auf Selbstbestimmung nichts ändert. Es ergibt sich aus der Biologie (solange die noch ist), dass die Mutter die erste Instanz ist, der eine Entscheidung „anstelle von“ zukommt.

Weiter nicht unterschieden habe ich bislang zwischen einem Werther, der für Veränderung noch Potenziale hätte, und alten oder sehr kranken Menschen mit Sterbewunsch. Bei Ersterem kann der Suizid auch als gegen innen gewandter Terroranschlag verstanden sein, der vielleicht auch gegen außen, dann idealerweise indes nicht als Gewaltakt, zu wenden wäre, während im Falle alter Menschen mit Sterbewunsch der politische Aspekt nicht oder nicht im gleichen Ausmaß gegeben ist (auch der Verzicht auf medizinische Technik und auf Pharmaerzeugnisse ist allerdings machtpolitisch relevant).

Gleichwohl setzt auch dieser Unterschied die bisherigen Überlegungen bezüglich des Menschenrechts auf Selbstbestimmung nicht außer Kraft, zumal auch psychisch erschöpfte Menschen für den aktiven politischen Kampf ausfallen. Ihnen aufgrund der Erschöpfung ein Entscheidungsrecht abzusprechen mag verständlich sein, ist aber in grundsätzlicher Hinsicht mit dem Recht auf Autonomie nicht vereinbar. Ob ein Werther ― man mag ihn als Depressionspatienten einstufen oder als politisch-philosophischen Dissidenten ― die Pistole gegen sich richtet oder gegen die Welt, ist sein Entscheid, der ihm naturrechtlich gesehen keine systemisch organisierte Instanz, kein Therapeut, kein Sozialamt abnehmen kann und darf.

Einfache Lösung statt politische Veränderung

Bleibt das Argument, die Möglichkeit, selbstbestimmt zu gehen und bei diesem Gehen Hilfeleistungen in Anspruch zu nehmen, würde den Druck, politisch-gesellschaftliche Verhältnisse in Richtung Emanzipation und Selbstbestimmung zu verbessern, vermindern und spiele insofern der Macht in die Hand. Als Argument gegen ein selbstbestimmtes Sterben kann aber auch das nicht zum Anschlag kommen: Die Selbstbestimmung in letzten Dingen schränkt die Möglichkeiten zum selbstbestimmten Widerstand in keiner Weise ein, auch wenn das Hinscheiden eines Menschen, zumal basierend auf freiwilliger Entscheidung, politisches Handeln im Umfeld des abgetretenen Menschen vorübergehend lähmen kann. Darüber hinaus aber ist einem Druck, eine gerechtere Zivilisation aufzubauen, nicht zu trauen, wenn dieser auf einem systemischen Verbot des selbstbestimmten Sterbens fußt. Nicht zu trauen ist dem, weil die Erfahrung der Coronazeit zeigt: Unter Druck geht die Subjektlöschung noch schneller voran.

Es gilt nämlich: Entscheidungen, zumal Letztentscheidungen über sich selbst, müssen beim Subjekt bleiben, soll es überhaupt noch ein Subjekt sein, um das es bei der Sterbefrage ― und jeder weiteren Frage nach der Würde ― geht.

Das Argument aber, dass es dieses autonome Subjekt schon jetzt womöglich nicht mehr gäbe, sondern bloß noch Restbestände, stellt insofern keinen ernsthaften Einwand dar, als nur im Subjekt Freiheit und Würde überhaupt verwirklicht werden können. Einer Apparatur gegenüber bleibt Freiheit fremd. Mit dem Subjekt steht und fällt somit jede soziale Ordnung, jeder Dialog, jede Kommunikation, die zwischen und mit Subjekten zustande kommt. Ist die Würde und Freiheit aus den Subjekten weg ― treten Subjekte also in/zu Zahlen gebündelt auf (fascis: Rute, Bund) ―, ist sie aus allem weg, was folgt. Damit ist auch die Debatte tot. Geist sowieso.

Politischer Blick auf Leadership

Exekutiven qua Exekutiven ― das wäre Grund, das Politische überhaupt zur überwinden ― steuern Lust wie Leiden, legen Schutz und Begrenzungen fest. Das ist im Hinblick auf die naturrechtliche Autonomie jedes Einzelnen selbstredend problematisch und wird hochproblematisch, wenn es darum geht, über Lust und Leiden zu „exekutieren“, also zu bestimmen, wann Lust beginnen, wann Leiden enden darf. Die beiden Komponenten sind ― zumal unter der Zielvorgabe, dass die Biologie qua störanfälliger Faktor zu überwinden sei ― aufs Engste miteinander verwoben. Lasse ich den Aspekt der Lustdirektive weg, von denen die akribischen Regelungen zur Sexualität Zeugnis ablegen, so bleiben die Fragen: Wird diese Macht bei legalisierter Sterbehilfe mit Pillenabgabe angetastet? Werden damit autonome Räume geschaffen?

Man mag das als philosophische Sophisterei betrachten, da es pragmatisch scheinbar doch nur darum geht, unnötiges Leiden zu verhindern. Aber es ist keine Sophisterei, denn damit ist die Machtfrage verknüpft. Konkret: Trachten Exekutiven beziehungsweise dahinter stehende Machtapparaturen nicht danach, das Sterben ― gegen außen humanistisch eingefärbt ― zu systematisieren? Das wiederum rückt die Angelegenheit nah an Eugenik und Euthanasie. Bestimmt, es ist nicht nur einfacher, Pillen zu verabreichen als lebenswerte Bedingungen zu schaffen, es ist vielmehr und spätestens seit dem Jahr 2020 und dem milliardenfachen Überzug der Weltbevölkerung mit gentherapeutischen Injektionen auch viel einfacher als noch bis vor Kurzem gedacht, institutionalisierte Abläufe im Sterbebereich zu implementieren. Biomüll unter der Fahne der Freiheit zu entsorgen, ist raffiniert, zumal mit dem Verschwinden von Menschen der Druck, etwas zu ändern, wohl tatsächlich eher schwindet, denn wächst.

Fazit

„Man erzählt von einer edlen Art Pferde, die, wenn sie schrecklich erhitzt und aufgejagt sind, sich selbst aus Instinkt eine Ader aufbeißen, um sich zum Atem zu helfen. So ist mir‘s oft, ich möchte mir eine Ader öffnen, die mir die ewige Freiheit schaffte“ (4).

Die Klärung der Frage, ob freiheitliche, „edle“ Menschen, beziehungsweise eine Gesellschaft bestehend aus solchen, Sterbehilfe zulassen muss oder soll, ist komplex. Die grundsätzliche Antwort auf der Ebene dessen, was ich als Naturrecht bezeichne, schiebt eine kritische Sicht mit Fokus Institutionalisierung nicht beiseite. Die kritische Sicht auf die Instrumentalisierung wiederum verändert die naturrechtlichen Zusammenhänge nicht. Leben bedeutet Eingriff. Der Eingriff als solcher ― und bezieht er sich auch auf das Ende, das ja fraglos zum Leben gehört ― kann nicht das Kriterium sein für die Klärung einer Zulässigkeit von Handlung. Und im Rahmen des Gegebenen ― die pragmatische Sicht ― kann ein Abtreten mehr bewirken als ein Weiterexistieren. Selbst der Verzicht auf Lebensverlängerungstechnologien ist ein politischer Entscheid. Das letzte Kriterium ist deshalb allein die Autonomie, gerade wenn es um das Ende eines Menschenlebens, also erkenntnistheoretisch eines Subjekts geht.

Damit aber rückt die Machtfrage unweigerlich ins Zentrum. Wer entscheidet was? Welche Machtanbindung besteht dabei? Wer setzt die Bedingungen, in die hinein und aufgrund derer entschieden wird?

Das ist der Kern der Debatte ― nicht nur bezüglich Sterberecht und Sterbehilfe. Am Ende lauert insofern ein nicht hintergehbares Paradox, da jeder Eingriff Macht bedeutet. Diese so weit wie immer möglich aus institutionalisierten Verhältnissen herauszuhalten und mit persönlicher, subjektiver Verantwortung zu füllen, ist die „Lehre“, die am Ende unserer Zivilisation und aus dem Scheitern dieser zu ziehen wär, um Neues aufzubauen, eine Lehre völlig gegensätzlich zu dem, was mit der Digitalisierung läuft. Und weil der Übergang vom Einzelnen zur Institution ein unscharfer ist, braucht es das bewusst gesetzte Primat aufseiten der Freiheit, das dem Einzelnen in einer Hinsicht keinerlei Gewissheit gibt: ob er mit seiner Entscheidung richtig liegt. Diese Letztoffenheit ― Anlass für Dialog, für Debatte, nicht für Gesetze ― unterscheidet eine freie Gesellschaft vom Gefängnis, in dem wir leben.

Meine Mutter überlegt sich all dies nicht. Für sie gilt: Es gibt Leben, das keinen Sinn macht, und die Würde will es, dass in all diesen Fällen das Tor zum Abschied offen steht. Selbst dann, wenn dieser Entscheid nicht mehr in einer rechtskräftigen Form ausgedrückt werden kann, weil der betroffene Mensch, zu lange an Medikamenten und lebensverlängernden Apparaturen hängend und also manipulierend behandelt, diesen Entscheid nicht mehr fällen kann. Und wenn ich dagegen hielte, Gott habe so entschieden, so würde sie sagen: ein Mensch, zehn Jahre lang an Kabeln hängend, das sei für sie kein Gottesentscheid.

Meine Mutter hat die Natur im Bauch oder im Herz, sie braucht keinen Text wie diesen. Und sie hätte keinerlei Angst, in einem Jenseits eines Besseren belehrt zu werden. Dass die Möglichkeit zu gehen, den Einsatz für eine bessere Welt beschneide, das aber würde sie erst recht nicht begreifen. Zumal sie mit dem Halten von Händen diese bessere Welt ja gerade herbeiführt (solange die Gutmenschen dies zulassen ― bei Corona haben sie es erfolgreich unterbunden). Dieses Halten der Hand aber könnte für Menschen sogar wieder Grund sein, in ihrem Leiden einen Sinn zu erkennen. Gleichzeitig würde der Apparaturengesundheit der Boden entzogen.

Auch Heinrich von Kleist, von der deutschen Gesellschaft schon damals aufgerieben, hatte keine Gewissheit, als er sich erschoss. Niemand hat Gewissheit. Auf diese zu verzichten, darin besteht die Kunst, keinem Faschismus zu verfallen. Das ist ein nächstes Thema.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Johann Wolfgang Goethe, Die Leiden des jungen Werther, Reclam 2001, Seite 14.
(2) „Seit Jahrzehnten setzt sich EXIT für die Eigenverantwortung in der letzten Phase des Lebens und für leidende Menschen ein. Mit über 155.000 Mitgliedern ist sie eine der größten Vereinigungen der Schweiz. EXIT schützt Sie bei Krankheit und Unfall vor Behandlungswillkür, ist in schwierigen Lebenssituationen für Sie da und unterstützt Sie, sollten Sie dereinst Ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben.“ So steht es auf der Homepage von Exit, einer europaweit bekannten Sterbehilfe-Organisation in der Schweiz.
(3) Birgit Naujeck thematisiert in mehreren ihrer Beiträge auf Rubikon die Verknüpfung von eugenischen und digitalisierten Ordnungskonzepten mit Faschismus. Die bedeutende Beteiligung von IBM bei Stempelung und Codierung von Menschen im Nazi-Faschismus stellt sie hier Johann Wolfgang Goethe, Werther, Reclam 2001, Seite 85.


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