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Atemberaubende Kindheit

Atemberaubende Kindheit

Sollen unsere Kinder in Corona-Zeiten nicht ernsthaft Schaden nehmen, brauchen sie Schutz vor ihren „Beschützern“.

Die rote Linie ist überschritten

Als erfahrene Sprachtherapeutin, ehemalige Sonderschullehrerin und als Heilpraktikerin für Psychotherapie beobachte ich in den letzten Monaten mit Sorge, was die Corona-Maßnahmen und die Gesetze der „neuen Normalität“ insbesondere für die Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft bedeuten.

Ein aktuelles Geschehen, das mir im August 2020 von einem Lehrer aus Baden-Württemberg zugetragen wurde, gab den endgültigen Anlass, mich hierzu öffentlich zu äußern. Es geht dabei um eine erzwungene Isolationsquarantäne für Kinder aus zwei Grundschulklassen, die Unterricht bei einer Lehrerin mit positivem Corona-Testergebnis hatten (1). 46 gesunde Kinder mussten nach der Testung der Lehrerin in eine Isolations-Quarantäne gehen.

Im Schreiben des Gesundheitsamtes, das mir vorliegt, heißt es:

„Infektionsschutzrechtliche Maßnahmen
— unter anderem häusliche Isolation —

I. Ihrer Tochter gegenüber wird eine Isolation in sog. häuslicher Quarantäne in Ihrer Wohnung (...) angeordnet. Es ist ihr untersagt, die Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes (...) zu verlassen, es sei denn, es ist für die Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben erforderlich. Ferner ist Ihnen untersagt, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht Ihrem Haushalt angehören.
Ist ein Kontakt mit anderen Personen (auch mit den im Haushalt lebenden Personen) unumgänglich, ist ein Mund-Nasen-Schutz (Mindeststandard FFP1) eng anliegend zu tragen und eine Händedesinfektion vorzunehmen.

II. Die Isolation dauert (... → 2 Wochen), soweit bezogen auf die akute COVID-19-Erkrankung (...) Symptomfreiheit besteht.“

Gesunde Kinder sollen von ihren Familienmitgliedern isoliert werden, weil sie eventuelle Verdachtsfälle sein könnten. Noch zu Beginn des Jahres hätte ich mir ein solches Szenario in unserem Land nicht ausmalen können. Begründet wird dies folgendermaßen:

„Die Maßnahmen stehen in Ihrer Wirkung auch nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Schutzzweck, (...). Der rechtlich eingelegte Ermessensspielraum wurde dahingehend ausgelegt, dass die häusliche Absonderung das mildeste Mittel darstellt, um den geforderten Schutzzweck zu erfüllen. (...)

Sollten Sie den die Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nachkommen oder ist aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens anzunehmen, dass Sie der Anordnung nicht ausreichend Folge leisten, ist eine abgeschlossene Absonderung aufgrund des Bevölkerungsschutzes in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung erforderlich. Dies stellt für Sie demnach keinen Nachteil dar, da Sie die Möglichkeit haben, vor der Festsetzung Ihrer Verpflichtung nachzukommen.“

Ein Einzelfall? Nein. Ähnliche Anordnungen werden von verschiedenen Gesundheitsämtern in unterschiedlichen Bundesländern verschickt. Auch im Kreis Offenbach wurde bereits für 60 Kinder wegen des Kontaktes mit einer Corona-testpositiven Person diese Isolationsquarantäne verhängt. Im Märkischen Kreis wird mit Zwangsmitteln, notfalls auch mit körperlicher Gewalt gedroht, sollten die Quarantäne-Bedingungen für betroffene Kinder seitens der Familie nicht eingehalten werden. Doch obwohl Psychologen (2), „Ärzte für Aufklärung“ (3) und auch der Kinderschutzbund (4) warnen, gibt es keine mildernde Stellungnahme seitens der Ämter beziehungsweise der Politik.

Die häusliche Absonderung stelle das „mildeste“ Mittel dar ... Und tatsächlich: Kürzlich fand ich eine entsprechende Stellenausschreibung der Diakonie. Gesucht wurde eine Pädagogische Fachkraft für die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen in Quarantäne (5). Der Fokus der pädagogischen Tätigkeit liege in der Umsetzung von Quarantänemaßnahmen, wofür den Kindern großzügige Angebote gemacht werden sollen, was die Nutzung von Handys und anderen Medien betrifft. Tatsächlich hatte auch die WHO, konkret Mike Ryan, bereits im April 2020 thematisiert, dass eine vorübergehende Herausnahme von Familienmitgliedern im Rahmen der Corona-Schutzmaßnahmen notwendig werden könnte (6).

Ich frage mich, wo das hinführen soll? Was macht es mit Familien, allein ein solches Schreiben zu bekommen?

Wie weit gehen wir im Namen des unbedingten Schutzes der Gesundheit? Und welches Verständnis von Gesundheit entwickeln wir hier — beschränken wir sie allein auf die Abwesenheit einer Corona-Infektion?

Was passiert vor allem mit der seelischen Gesundheit der Kinder und der ihrer Familien in Corona-Zeiten?

Klundt gab am 9. September 2020 vor dem Bundestag folgende Einschätzung dazu ab:

„Der Kindeswohlvorrang ist nicht nur ignoriert worden, das Kindeswohl ist nicht nur ignoriert worden, sondern es wurde plötzlich aus dem Kinderschutz eigentlich nur der Schutz VOR Kindern. Weil Kinder galten ja von Anfang an — auf welcher fragilen wissenschaftlichen Basis auch einfach nur — (...) sie waren die Hauptspreader, die Virenverbreiter. Und sie wurden wie Objekte sozusagen behandelt, die man nicht weiter (...) fragen muss, sondern die müssen irgendwie weg. (...) Man muss sich fragen: Wie kann das sein, dass wir so mit unseren Kindern umgegangen sind (...)? Diese (...) verobjektivierende Form von Kindern betrachte ich auch als eine Form von Kindeswohlgefährdung“ (7).

Eine Studie der pronova BKK zeigt die Beobachtungen von 150 niedergelassenen Kinderärzten und -ärztinnen auf:

„89 Prozent beobachten vermehrt psychische Probleme. 37 Prozent diagnostizieren eine Zunahme körperlicher Beschwerden“ (8).

Zu nennen seien hier vor allem Verhaltensänderungen wie Antriebslosigkeit oder Rückzug, Reizbarkeit, Angststörungen, vermehrt aggressives Verhalten, Schlafstörungen. Ebenso seien Bauchschmerzen, Depressionen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten häufiger geworden. Auch Traumatherapeuten äußern sich kritisch zu den Auswirkungen der aktuellen Geschehnisse insbesondere auf die Kinder (9).

In diesem Artikel analysiere ich, wodurch aus meiner Sicht die psychische Belastung zustande kommt. Mein Anliegen ist es, Menschen zum Nachdenken darüber anzuregen, welche Verantwortung jeder Einzelne in diesem Geschehen hat und wie wir insbesondere dazu beitragen können, die Kinder in dieser Krise so gut wie möglich zu stärken und zu schützen.

Essentiell für jeden Menschen: Ein „sicherer Ort“

Ein Schwerpunkt meiner beruflichen Tätigkeit ist die therapeutische Arbeit mit selektiv mutistischen, das heißt schweigenden Kindern und Jugendlichen. Das sind Kinder, die in bestimmten Situationen und gegenüber einigen Menschen schweigen, obwohl sie grundsätzlich in anderen Situationen sprechen können (10). Zumeist gelingt das Sprechen im engen Kreis der Familie, manchmal im Freundeskreis — wenn es einen gibt — aber häufig nicht im Kindergarten, in der Schule, beim Arzt und überhaupt mit fremden Menschen.

Die meisten mutistischen Kinder oder Jugendlichen haben Ängste, die sich unter anderem auf der Grundlage von belastenden Lebenserfahrungen entwickelt haben. Sie fühlen sich nicht stark genug, diesen Ängsten zu begegnen. Das Schweigen bildet einen unbewussten Schutz und eine Abgrenzung gegenüber der „bedrohlichen“ Außenwelt.

Gleich im ersten Kontakt zwischen dem schweigenden Kind und mir geht es um die Herstellung des sogenannten Safe Place (11). Wir bieten uns als Therapeuten in der Beziehung zum Kind in einer Weise an, die ihm ein Gefühl eines „sicheren Ortes“ vermittelt. Methodisch eignet sich dafür bei jüngeren Kindern ein Setting, welches das Bauen von „Häusern“ beinhaltet. Aus Schaumstoffelementen, Seilchen, Kissen und Tüchern baut sich das Kind ein Haus, eventuell mit Unterstützung eines Elternteils. Ein weiteres Haus baue ich mit meiner Therapeutenhandpuppe Schnecki.

Die Spielidee besteht darin, Besuchskontakte anzuregen. Dabei können die Kinder jeweils selbst entscheiden, ob sie mir die „Tür“ ihres Hauses öffnen, um Schnecki und mich herein zu lassen oder ob sie die Tür noch geschlossen halten. Wir beobachten seit vielen Jahren, dass die Kinder sich über dieses Spielgeschehen rund um das Häuserbauen entspannen und sich in ihrem eigenen Tempo für die Kommunikation mit einer zunächst noch fremden Person wunderbar öffnen.

Der Schlüssel besteht darin, dass die Kinder sich der Welt nicht mehr ausgeliefert fühlen, sondern durch ihr „Haus“ einen eigenen Schutzraum mit gesicherten Grenzen erleben. Sie gelangen von der gefühlten Ohnmacht in die erlebte Selbstwirksamkeit, indem sie Nähe und Distanz zu einer zunächst noch fremden, angsteinflößenden Person nun selbst steuern können. Einige Kinder öffnen schnell ihre Tür, andere zögern und beobachten länger, wieder andere spielen mit der Grenze, indem sie Schnecki und mich als Besucher zum Beispiel durch Geräusche anlocken und dann testen, ob wir tatsächlich „draußen“ bleiben und die Grenze wahren, solange sie uns nicht hereinlassen.

Das Szenario, das wir für die schweigenden Kindern herstellen, skizziert etwas Grundsätzliches, etwas Übergreifendes, was bestenfalls alle Menschen in ihrem Leben erfahren und entwickeln können: Es gibt einen eigenen inneren Raum, in den niemand eindringen darf, wenn ich es nicht erlaube. Und dann gibt es das Außen, eine soziale Welt, an der ich teilhaben kann. Ich kann über Nähe und Distanz selbst mitentscheiden. Eine wichtige Lebensaufgabe besteht darin, ein gesundes Maß zu finden zwischen der Möglichkeit des Rückzugs und der des Miteinanders, zwischen dem individuellen und dem sozialen Raum. Dieser Safe Place lässt mich stabil im Leben stehen, gibt mir Halt und Kraft, fördert Mut, Aktivität und Teilhabe. Gleichzeitig schützt er mich vor Grenzüberschreitungen.

Angriff auf den Safe Place

Denken wir uns das Szenario des Häuserbauens in Zeiten von verordneten Corona-Hygienemaßnahmen. Die Kinder bauen ein Haus, ich ebenfalls. Ich klingle beim Kind, es öffnet, aber ich könnte bei exakter Beachtung der Abstandsregeln nicht in das Haus hinein, weil es zu klein ist. Alternativ würde man uns empfehlen, eine Maske zu tragen oder eine Scheibe zwischen uns zu stellen.

Die Idee des Safe Place würde so ad absurdum geführt, denn das, was ich eigentlich erreichen möchte, würde beim Kind zu Verwirrung führen. Ich möchte dem Kind eigentlich vermitteln:

  • Die Welt ist sicher! Ich bin sicher und verlässlich für dich! Unser Kontakt ist verlockend — wenn du möchtest, kannst du mich hineinlassen oder herauskommen. Wir können etwas Tolles zusammen spielen!
  • Du bist toll und attraktiv für mich! Ich freue mich auf dich! Ich werbe um den Kontakt zu dir.

Stattdessen würde ich — implizit — vermitteln:

  • Die Welt ist gefährlich. Ich bin potentiell gefährlich für dich. Halte Abstand. Du musst dich vor mir schützen.
  • Wenn ich eine Maske trage: Du kannst mich nicht gut kennenlernen, du kannst mich nicht lesen. Meine Mimik ist verborgen. Ich bin nicht einschätzbar für dich.
  • Du bist potentiell gefährlich für mich. Ich darf dir nicht zu nah kommen. Ich muss mich vor dir schützen!

Was wird hier bei den Kindern evoziert? Einmal ist es Angst, sich anstecken zu können. Und des Weiteren ist es Schuld. Es geht um die Schuld, ständig ein potentieller Seuchenüberträger zu sein.

Angst vor Infektion, Krankheit und Tod

Wie wir mittlerweile wissen, sind Kinder durch das Coronavirus in Bezug auf ihre körperliche Gesundheit wenig gefährdet (12). Dennoch erzeugt diese permanente nicht sichtbare und nicht greifbare Gefahr Ängste bei vielen Kindern, wie zahlreiche Kinderärzte sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten berichten. Auch mir persönlich wurde von Kindern berichtet, die nach einem Corona-Stuhlkreis im Kindergarten weinten, Bauchschmerzen bekamen und nachts nicht mehr schlafen konnten.

Eines meiner Therapiekinder geht aus Angst vor Ansteckung kaum noch aus dem Haus, möchte sich nicht verabreden, nicht schwimmen gehen, hält so viel Abstand wie möglich zu allen Menschen. Einer meiner jugendlichen Klienten geht aus Angst vor Ansteckung nicht mehr in die Schule. Auch eine daraus resultierende Zunahme an zwanghaftem Verhalten wie Hände waschen lässt sich bei einigen Kindern beobachten.

Kinder orientieren sich bei der Einschätzung von Situationen stark an den Bewertungen und Emotionen ihrer Eltern und auch ihrer pädagogischen Bezugspersonen in der Kita oder Schule. Da sich viele Erwachsene derzeit „anders“ verhalten, sind Kinder enorm irritiert.

Wenn die Erwachsenen selbst besorgt wirken, wenn sie Kontakte zu anderen Menschen einschränken, so übernehmen Kinder diese Ausrichtung. Werden die Eltern von Sorgen und Existenznöten gequält, so färbt auch das auf die Kinder ab. Die Welt ist nicht mehr sicher.

Kinder, die die Gesichter ihrer Eltern, der Erzieherinnen und Lehrer wegen der Maske nicht mehr vollständig lesen können, können in ihrer emotionalen Orientierung stark verunsichert werden. Wie wichtig diese für alle — und insbesondere für sehr kleine Kinder — ist, zeigt das Still Face Experiment (13). Wenn Bezugspersonen im Kontakt mit sehr jungen Kindern keine Mimik zeigen, reagieren Kinder mit massivem Stress und negativen Gefühlen — so schnell und so ausgeprägt, dass das Forschungsexperiment seinerzeit aus ethischen Gründen bereits nach zwei Minuten abgebrochen werden musste.

Die Masken schüren weiterhin Angst, da sie den Kindern das Vorhandensein einer Gefahr kontinuierlich vor Augen halten. Nur zu Hause scheint es „sicher“ zu sein.

Welche nachhaltigen Folgen können sich aus aktuellen Corona-bedingten Ängsten der Kinder entwickeln? Eine mögliche Angstreaktion ist Flucht. Vermeidung kennen wir auch von anderen Ängsten — wenn ich Angst vor dem Fliegen, vor Spinnen, vor dem Zahnarzt habe, meide ich diese Dinge so gut es geht. Im Falle von Corona haben wir die Schwierigkeit, dass die Gefahr aber nicht so punktuell, sondern in der Gestalt anderer Menschen — mögliche „Virusträger“ — allgegenwärtig ist. Den potentiellen Kontakt mit dem Virus kann ich im Grunde nur meiden, wenn ich Menschen generell meide. Jeder kann sich ausmalen, wohin diese Vorstellung und dieses Erleben bei Kindern dauerhaft führen können.

Eine weitere Angstreaktion ist Zwang. Zwangshandlungen — etwa übertrieben häufiges Händewaschen — sind Versuche, die Angst — etwa vor Verunreinigung/Infektionen — beherrschbar zu machen. Zwangsgedanken und -handlungen werden auch vom Betroffenen selbst entweder als sinnlos oder zumindest übertrieben empfunden (14). Dies trifft auch auf einige der Schutzmaßnahmen zu, die eine kognitive Dissonanz erzeugen. Welchen Sinn soll es haben, wenn ein Kind auf seinem Platz in der Klasse sitzend keine Maske trägt, aber dann doch eine aufsetzen muss, sobald es während der Unterrichtsstunde allein über den Gang in der Schule zur Toilette geht?

Auch fragen sich Kinder, wie es sein kann, dass sie nicht mit Kindern aus der Nachbarklasse spielen dürfen, mit denen sie aber beim Abholen dann in einem Auto sitzen. Da eine zwanghafte Einhaltung von Regeln dem Kind aber das Gefühl gibt, zumindest irgendetwas zu tun — und sei es nur ein „magisches“ Ritual — hält es sich daran. Kinder verlassen sich auf „die Großen“, die werden es schon wissen. Und sie haben Angst vor Ärger, wenn sie etwas so Wichtiges hinterfragen.

Irgendwann sind viele Kinder unbewusst überzeugt, dass nur aufgrund der Regeln die befürchtete Katastrophe bisher ausgeblieben ist. Dies kann mit der Realität nicht mehr abgeglichen werden. Hierdurch ist längerfristig mit einer Automatisierung und Verselbstständigung auch von schädlichen Verhaltensregeln zu rechnen. So lässt sich beispielsweise von einer Zunahme von Waschzwängen beziehungsweise auch einer Neigung zu Zwangsstörungen im Allgemeinen ausgehen.

Aggression sind weitere typische Angstreaktionen. Ständige Angst führt zu einer erhöhten Reizbarkeit — bei Kindern und möglicherweise auch bei ihren Eltern. So lässt sich unter anderem das vermehrt aggressive Verhalten bei einigen Kindern erklären, das im Rahmen der eingangs genannten Studie der Kinderärzte beobachtet worden ist. Dauerhafter Stress kann außerdem zu psychosomatischen Beschwerden führen.

Schuldgefühle

Das Schuldgefühl ist in diesen Zeiten nach meiner Einschätzung und Erfahrung bei vielen Kindern noch ausgeprägter als die Angst, da eben die gesundheitliche Gefahr für sie selbst nicht groß ist, sie aber über lange Zeit als besonders gefährliche „unerkannte“, weil symptomlose oder symptomarme Seuchenüberträger galten beziehungsweise noch gelten. Es gibt hierzu widersprüchliche Studienergebnisse, mit denen das Übertragungsrisiko von Kindern entweder bestätigt (15) oder widerlegt wird (16).

Die Erzeugung von Schuldgefühlen nicht nur bei Kindern erfolgte gezielt und wird weiter aufrechterhalten. Hierzu ein Auszug aus dem Corona Strategiepapier des Bundesinnenministeriums, verfasst und verteilt Mitte März 2020:

„Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müüssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden:
1) (...)
2) (...) Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen, z. B. bei den Nachbarskindern. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, schuld daran zu sein, weil sie z. B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann“ (17).

Schuldgefühle werden geweckt, um eine Disziplinierung herbeizuführen.

Der Psychotherapeut Ruppert spricht in diesem Zusammenhang von „Erpressung“ (18). Kinder verlieren ihre gesunde Intuition dafür, was ihnen guttut und was nicht. Eigenes Denken, Fühlen, persönliche Bedürfnisse werden unterdrückt. Kinder verlieren die Fähigkeit, sich ihren persönlichen Raum, ihren „Safe Place“ zu bewahren und verteidigen. Aufgrund einer nicht greifbaren Schuld wird ihnen das Recht abgesprochen, sich vor Übergriffen auf ihre natürlichen Bedürfnisse zu schützen.

Ich möchte hier einige Beispiele nennen, die mir aus persönlichen Kontakten berichtet wurden:

Eine Freundin erzählte, dass ihre 3,6 Jahre alte Tochter sich sehr freute, endlich wieder in den Kindergarten zu dürfen. Sie habe im Kindergarten dann ein Mal geniest und sei sofort für zwei Wochen vom Kita-Besuch befreit worden. Das habe sie vollkommen verwirrt — sie habe nicht verstehen können, warum sie auf einmal nicht mehr zur geliebten Kita habe gehen dürfen.

Eine Kollegin berichtete, dass sie mit ihrem 9-jährigen Sohn auf der Straße einen Bekannten traf. Als dieser auf sie zukam, raunte der Sohn ihr zu, dass er wisse, was er jetzt zu tun habe: „Mama, ich atme einfach nicht!“ Frau Müller, die Klassenlehrerin, habe ihnen erklärt, sie sollten einfach die Luft anhalten, wenn jemand nahekommen würde. Die Mutter erklärte ihrem Sohn klugerweise, dass er weiter atmen solle und dass sie mit Frau Müller sprechen werde.

Ein weiterer Kollege berichtete, dass es in der Schule seiner 9-jährigen Tochter Warnhinweise zum Tragen der Maske gegeben habe, obwohl rechtlich gesehen keine Grundlagen für eine Maskenpflicht in Grundschulen in dem betreffenden Bundesland existierten. Auch habe die Klassenlehrerin des Mädchens von ihren Schülern im Unterricht eingefordert, dass sie immer dann eine Maske tragen sollten, wenn sie sich ihr näherten. Der Vater suchte das Gespräch mit der Schulleitung und der Lehrerin, um klarzustellen, dass es keine Maskenpflicht für Grundschüler im Unterricht gebe. Er bat darum, diese falschen Hinweise zu korrigieren und seine Tochter niemals zum Tragen einer Maske zu nötigen, wenn diese das nicht wolle. Am folgenden Tag erklärte die Lehrerin ihren Schülern pflichtgemäß, dass sie rechtlich gesehen keine Maske tragen müssten. Dann stimmte sie in der Klasse ab, wer von den Kindern dafür sei, sie als Lehrerin zu schützen, indem alle die Maske tragen ... es war die Mehrzahl. Wie soll ein Kind es schaffen, in dieser Situation für seine Bedürfnisse einzustehen?

Eine Freundin, selbst Grundschullehrerin, berichtete, dass ein Kind in ihrer Klasse zu Hause geweint habe, weil ihre Lehrerin es nicht mehr liebhabe. Sie würde sie nicht mehr in den Arm nehmen.

Beispiele wie diese sind keine Ausnahme. Von Lehrerkollegen sowie über die Initiativen „ElternStehenAuf“ (19) und „Pädagogen für Aufklärung“ (20) erfährt man täglich von neuen Fällen, in denen Kinder mit Maskenattesten entweder gar nicht zur Schule gehen dürfen oder in den Pausen allein in einem Raum sitzen müssen und von anderen getrennt werden. Einige Schüler diskriminieren die betreffenden Kinder, und Lehrer machen sie darauf aufmerksam, dass sie alle anderen anstecken und damit töten könnten, weil sie keine Maske tragen.

Kinder dürfen nicht singen, denn ihr Atem könnte schon gefährlich sein.

Sie sollen nicht mit Kindern aus anderen Gruppen spielen. Lehrer und Eltern berichten mir, dass Unterricht in vielen Schulen im Sinne der Kontaktminimierung nur noch frontal und bewegungsarm stattfindet. Im Beitrag der Stiftung Corona-Ausschuss „Die Lage der Kinder“ finden sich zahlreiche anschauliche Beispiele für Situationen, in denen Schuldgefühle bei Kindern im Schulalltag und darüber hinaus evoziert werden (21).

Selbstverständlich müssen Kinder Solidarität und soziale Rücksichtnahme lernen. Sie müssen etwa verstehen, dass sie bei ernsthafter Erkrankung mit Fieber beispielsweise nicht zur Oma gehe, damit diese sich nicht ansteckt. Das ist für Kinder fassbar, denn sie spüren selbst: Das Kranksein fühlt sich nicht gut an, das soll die Oma nicht bekommen. Es ist begrenzt, es ist vorübergehend. Aktuell sind Kinder jedoch ohne irgendwelche für sie spürbaren Anhaltspunkte in der Dauersituation, potentielle Virus-Überträger zu sein.

Der Journalist Lehrich berichtete bei Fair Talk über seinen Sohn, dass dieser beim ersten Einkauf mit Maske geäußert habe: „Papa, das fühlt sich irgendwie so an, als hätte ich etwas Schlimmes getan!“ (22) Dieses Grundgefühl, über längere Zeit erlebt, wird Spuren hinterlassen. Insbesondere dann, wenn jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis irgendwann erkranken oder sterben würde, könnten Kinder immer das diffuse Gefühl haben, möglicherweise schuld daran zu sein.

Wenn Schuldgefühle überhandnehmen, verlieren sich die eigenen Empfindungen — oder sie dürfen nicht mehr sein. Kindern wird daher häufig implizit die Erlaubnis abgesprochen zu empfinden: „Ich vermisse Oma und Opa. Sie sollen mich in den Arm nehmen“ oder „Ich möchte so gerne mit meiner Freundin aus der anderen Klasse spielen“ oder „Die Maske fühlt sich blöd an. Ich bekomme schlechter Luft. Es ist warm und stickig. Es ist anstrengender, damit zu spielen und zu sprechen. Nach längerer Zeit bekomme ich Kopfschmerzen.“

Stattdessen gehorchen die Kinder derzeit in einem ungewöhnlichen Ausmaß, sie halten sich an Regeln, verzichten auf Kontakte. Sie handeln dauerhaft ihrer Natur zuwider. Einige empfinden paradoxerweise sogar Masken als „entlastend“ — denn mit deren Gebrauch „kaufen“ sie sich sozusagen von ihrer Schuld frei. Kontakt, Spontaneität, Forschungsdrang und Lebensfreude werden geopfert, um Schuldgefühle einzudämmen. Daher schalten viele Kinder um und akzeptieren, was für sie einfach nicht zu ändern ist. Sie freuen sich dann eben über möglichst nette Motive auf den Masken. Hierin liegt längerfristig eine Gefahr:

„Die Kinder verlieren den Bezug zu ihrer inneren natürlichen Quelle, die dafür sorgen kann, dass sie für ihr eigenes inneres Wohlbefinden verantwortlich sind und dass sie dafür auch eintreten können. Das wird einfach unterdrückt, betäubt, und wenn das langfristig so geschieht, sind das Menschen, die den Bezug zu sich selbst verloren haben und die dann auch tatsächlich schwere psychische Störungen (...) erleiden“, so die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Sternbeck (23).

Wie groß muss das Schuldgefühl erst sein, wenn Kinder im Fall einer Quarantäne „weggesperrt“ werden, weil sie so gefährlich für die Welt sind?

So gefährlich, dass sich sogar ihre eigene Familie vor ihnen schützen muss?! Über das Schuldgefühl, ein potentieller Todesüberbringer zu sein, verlieren Kinder all ihre grundlegenden Rechte und werden de facto grenzenlos erpressbar.

Mangelnde Verlässlichkeit

Wir wissen, wie wichtig Verlässlichkeit und Rituale für die kindliche Entwicklung und den Aufbau von Urvertrauen sind (24). Durch den Lockdown wurde der gewohnte Kita-, Schul- und Freizeitalltag abrupt unterbrochen. Grundsätzlich muss so eine Unterbrechung nicht unbedingt negativ sein. Die individuellen Voraussetzungen in den jeweiligen Familiensystemen — die Arbeitsgegebenheiten der Eltern, die Wohnsituation, die psychischen Ausgangsbedingungen der Familienmitglieder — haben jeweils großen Einfluss darauf gehabt, ob man diese ersten Wochen als belastend, überwiegend neutral oder sogar als bereichernd erlebt hat.

Einige Familien haben berichtet, durch den Wegfall aller Termine sogar entlastet gewesen zu sein. Das sei wirklich heilsam gewesen. Familienbeziehungen hätten sich verbessert durch die Konzentration auf das Kernsystem, den Zusammenhalt und die viele Zeit, die man intensiv miteinander verbracht habe.

Andere Familien hatten mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es gab Sorgen und Nöte durch Ängste der Eltern vor dem Virus. Ängste übertragen sich auf Kinder. Und Angst führt nicht zu einer echten Solidarität. Mir ist ein Fall bekannt, bei dem eine 19jährige Tochter von der Mutter quasi aus der gemeinsamen Wohnung „geworfen“ wurde, da die Mutter Angst hatte, sich möglicherweise bei ihrer Tochter zu infizieren, die das Virus aus der Schule nach Hause bringen könnte.

In einigen Familien gab und gibt es Existenznöte: Kurzarbeit, plötzliche Arbeitslosigkeit, Insolvenz. In anderen Familien führte die dreifache Belastung durch berufliche Tätigkeit, Kinderbetreuung und Homeschooling für oftmals mehrere Kinder zu einer zeitlichen und psychischen Überlastung der Eltern bis hin zum Burn out. Der Safe Place der Eltern — und damit auch der der Kinder — wurde hierdurch massiv beeinträchtigt. Corona-Regeln verstärken Depressionen und führen zu posttraumatischen Belastungsstörungen, so das Ergebnis einer Studie aus Niedersachsen (25). Man kann sich vorstellen, wie sich hier Eltern-Kind-Beziehungen eben genau nicht entspannen und an Qualität gewinnen.

Kinder aus Familien in Armut haben die Maßnahmen am härtesten getroffen, so das Ergebnis der Schulstudie (26). Familien mit Kindern in beengten Wohnsituationen, ohne Garten, haben einen massiven Verlust an Lebensqualität erlitten. Häufig gab es keine Tagesstruktur, schulisches Lernen konnte nicht unterstützt werden, der Medienkonsum war stark erhöht. Individueller Stress und Konflikte haben stark zugenommen, was vielfach zu Gewalt in Familien und zu einer Erhöhung der Selbstmordrate führte (27). Die Seite CIDM online zeigt Berechnungen für die Zunahme der „Kollateralschäden“ auf; die Zahlen sind verheerend (28).

Eine enorme Belastung, der alle Familien und damit auch die Kinder ausgesetzt waren und noch sind, ist das völlige Fehlen einer zeitlichen Begrenzung der derzeitigen Situation und einer Vorhersagbarkeit der künftigen Entwicklung. Lange Zeit wusste niemand, wann der Lockdown beendet sein würde. Wann kann ich wieder in die Kita, wann in die Schule? Wann wieder Freunde sehen? Wann wieder zum Sport? Kann Papa seine Arbeit behalten? Diese fehlende Begrenzung und Vorhersagbarkeit entzieht allen Menschen, besonders Kindern, das Gefühl von Selbstwirksamkeit. „Alles macht Pause“, so hat es meine Freundin wunderbar ihrer 3-jährigen Tochter erklärt. Aber wie lange dauert die „Pause“?

Auch jetzt noch hängt kontinuierlich das Damoklesschwert neuer Ge- und Verbote über den Kindern, über allen Menschen. Die Kinder freuen sich, wieder zur Kita oder zur Schule zu gehen. Die Leipziger Schulstudie zeigte, dass Dreiviertel aller Kinder dringend wieder in die Schule gehen möchten (29). Aber dann: einmal Niesen bei einem gesunden Kind — schon wieder mehrere Tage Unterbrechung. Schule startet, erst in kleinen Gruppen, jetzt wieder in großen. Erst ohne Maske, dann teilweise mit. Die Schule startet, dann schließt sie wieder wegen einer positiven Testung unter den Schülern oder in der Lehrerschaft.

Quarantäne — und jetzt stellenweise sogar die vom Amt kontrollierte Isolationsquarantäne für Kinder — stellt eine Bedrohung für die Kinder und ihre Eltern dar. Fast nichts ist in der Lebenswelt mehr verlässlich, und selbst das Zuhause ist in einigen Fällen nicht mehr sicher geschützt. Dies führt zu einem dauerhaften Gefühl des Kontrollverlustes und stellt einen klaren Angriff auf den Safe Place dar.

Was kann helfen? Ideen für den Umgang mit Kindern in Familie, Kita und Schule

Sicher sind von den genannten Beobachtungen und Erhebungen die Kinder sehr unterschiedlich betroffen. Ich kenne auch zahlreiche Kinder, die bisher psychisch gesund durch die Krise gehen. Diese Kinder bringen selbst gute Ressourcen mit und haben in der Regel ein stützendes Umfeld. Was lässt sich also tun, um weniger resiliente Kinder in diesen Zeiten zu stärken und zu schützen?

Eigene Haltung: Kinder als potentielle Seuchenüberträger?

Einige wichtige Fragen, die sich jeder Erwachsene im Umgang mit Kindern zunächst stellen könnten, sind aus meiner Sicht die folgenden: Wie ist meine innere Haltung im Kontakt zum Kind? Inwieweit erlebe ich mich als „gefährlich“ für das Kind oder das Kind als „gefährlich“ für mich? Womit bringe ich das zum Ausdruck? Kann ich etwas tun, um die Assoziation einer ständigen Gefahr für mich und damit auch für das Kind zu relativieren?

Eigene Ängste haben Auswirkungen auf meinen Umgang mit dem Kind und entsprechend auf eine Evozierung von Ängsten oder auch Schuldgefühlen. Aus dieser Verantwortung heraus erscheint mir eine Auseinandersetzung mit der eigenen Angst und Sorge zwingend erforderlich.

Was könnte helfen, eigene Ängste zu relativieren? Hierzu gibt es einige beruhigende wissenschaftliche Erkenntnisse und Annahmen, die an anderer Stelle ausführlich nachgelesen werden können:

  • Es ist strittig, ob asymptomatisch Infizierte überhaupt als Überträger des Virus infrage kommen. Laut Bhakdi gibt es dafür keinen Beweis (30), und auch die WHO selbst hat es infrage gestellt (31).
  • „Kinder sind keine Virenschleudern“, so eine Corona-Studie aus Tübingen (32). Ihr gutes Immunsystem wehrt die Viren in der Regel so schnell ab, dass sie sich nicht weiter vermehren können.
  • Die Wahrscheinlichkeit, einen Infizierten zu treffen, lässt sich in Form eines täglichen Risikos berechnen und ist deutlich geringer, als es unser Unterbewusstsein aufgrund der ständigen Präsenz des Themas suggeriert (33).
  • Die Sterblichkeit liegt laut zahlreicher internationaler Studien im Bereich einer saisonalen Grippeerkrankung (34).
  • Ein positiver Test ist noch keine Infektion, da ein PCR-Test zu Laborzwecken, aber nicht zur klinischen Diagnostik geeignet ist und damit nichts darüber aussagt, ob ein positiv getesteter Mensch wirklich krank ist (35). Eine Infektion bedeutet nicht automatisch eine Erkrankung, und eine Erkrankung ist nicht automatisch schwer oder gar tödlich (36).
  • Über 80 Prozent der Menschen in Deutschland sind auf der Grundlage bisheriger Infektionen mit früheren Corona-Virenformen bereits immun gegen SARS-CoV-2 (37). So lassen sich Verläufe ohne oder mit nur milder Symptomatik erklären.
  • Daher sind die allermeisten Menschen gar nicht gefährdet, und die anfänglich angenommene Gefahr einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems besteht nicht (38).

Die Beschäftigung mit relativierenden Informationen kann bei der Reflexion und Abwägung der inneren Haltung hilfreich sein. Wie viel Schutz, wie viel Distanz brauche ich? Wie kann ich die Vorstellung einer von einem anderen Menschen ausgehenden „Gefahr“ loslassen?

Wie dem auch sei: Selbst wenn von gesunden Kindern ein Infektionsrisiko ausgehen sollte, halte ich es für entscheidend, Kinder von der Schuld zu entlasten: „Du bist nicht schuld, wenn jemand krank wird! Das passiert auf der Welt, dass Menschen krank werden, die meisten werden außerdem wieder gesund. Und einige wenige Menschen sterben, das ist traurig, aber das gehört zum Leben dazu.“

Selbstwirksamkeit fördern

Alle Menschen — besonders Kinder — benötigen das Gefühl von Zuversicht und Kontrolle. Gerade in Gefahrensituationen ist es wichtig, dass sie das Gefühl haben, eine Situation positiv beeinflussen zu können.

Hilfreich ist daher nicht das Bild einer „neuartigen“, nicht einschätzbaren, ständig lauernden, permanent anwesenden aber nicht sichtbaren Gefahr, gegen die man nichts auszurichten hat außer sich zurückzuziehen, Abstand zu halten, Masken zu verwenden.

Stärkendes Selbstwirksamkeitsgefühl wird hingegen erzeugt und gefördert, wenn wir uns mit dem besten Schutz beschäftigen, den wir haben: unserem Immunsystem — so auch der Mediziner Luciano (39).

Hierzu gibt es zahlreiche Materialien für Kinder: Kinderbücher, Comics und Videos, die helfen, die Funktionsweise des Immunsystems zu erläutern. Das Immunsystem erfährt eine Stärkung durch: Gesunde Ernährung, wenn nötig zusätzliche Gabe von Vitamin C, D und Zink sowie frische Luft, Bewegung, (Körper-)Kontakt, Lebensfreude, Lachen und Zuversicht.

Angst, Social Distancing und auch die Masken mindern hingegen nachweislich die Leistung des Immunsystems (40). „Traumata kosten Lebenszeit“, so der Psychiater Schubert, ein Experte auf dem Gebiet der Psychoimmunologie (41). Die Psychologin Prousa hat in einer Studie festgestellt, dass die Maskenpflicht das Tragen von Masken bereits jetzt bei circa 60 Prozent der Menschen zu psychosozialen Schädigungen geführt hat (42).

Der Fokus liegt derzeit auf Infektion und potentiellem Tod. Wie wäre es, den Fokus auf Gesundung im Falle einer Infektion zu legen, die auch in den meisten Fällen erfolgt? Gefahren können handgehabt werden, wenn es mögliche Lösungen dafür gibt und nicht, wenn sie einen übermannen. Eltern und pädagogische sowie therapeutische Fachpersonen mit einer zuversichtlichen Haltung können hier stärkende Modelle für Kinder sein: „Wir trinken einen Saft mit tollen Vitaminen — das macht den Körper stark! Wir gehen draußen spielen — frische Luft ist gesund! Lachen ist gesund! Und wenn ein Virus daherkommt, dann sind wir so stark, dass es gar keine große Chance hat!“

Gefühle dürfen sein!

Kinder müssen ein Recht auf ihre Gefühle und Einstellungen behalten und einen Ausdruck dafür finden dürfen. Wenn sie nicht einverstanden sind, dass Mama und Papa sie nicht mehr in die Kitaeinrichtung bringen und dort verabschieden dürfen, dann haben sie ein Recht darauf, nicht einverstanden zu sein.

Wenn sie traurig sind, dass sie keine Abschlussfeier in der Kita oder Schule haben, wenn sie nicht mit Freunden auf dem Schulhof spielen können, dürfen sie traurig, enttäuscht oder auch wütend sein. Beziehung, Nähe und auch Körperkontakt sind zentrale menschliche — kindliche — Bedürfnisse. Wenn es ihnen unter den Masken stickig ist, dann dürfen sie diese unbequem und blöd finden. Wenn sie es anstrengend finden, dass die Erwachsenen ständig über das Thema reden, dann dürfen sie genervt sein. Nicht alles kann man immer ändern, aber die Gefühle dürfen sein.

Respekt und Meinungsfreiheit

Wichtig erscheint mir ebenso, dass Kinder so wenig wie möglich in Loyalitätskonflikte hineingezogen werden. Dies kann erreicht werden, indem ihre Empathiefähigkeit, Respekt und Toleranz angesprochen werden. Sie müssen verstehen lernen, dass es verschiedene Meinungen zu einem Thema gibt und Menschen unterschiedlich damit umgehen.

Der eine hat mehr Angst und wünscht sich mehr Kontrolle. Der andere hat weniger Angst und wünscht sich mehr Selbstbestimmung. Der eine glaubt, dass die Masken helfen. Der andere glaubt es nicht. So lässt sich ein unterschiedlicher Umgang der Erwachsenen mit dem Thema erklären. Der andere ist nicht „blöd“, weil er so denkt oder handelt, wie er das tut, sondern er macht das aus seiner persönlichen Überzeugung heraus.

Humor

Und nicht zuletzt: Humor, Übertreibung und Absurditäten helfen, eine emotionale Distanz gegenüber der Angst zu schaffen, so der österreichische Psychiater Bonelli (43). Das, was ich auf den Arm nehmen, was ich „verulken“ kann, kann nicht mehr so viel Macht über mich haben.

Für kleine Kinder eignet sich hier beispielsweise das Rollenspiel, das Raum für Verarbeitung auch durch Übertreibungen und Absurditäten bietet. So könnte zum Beispiel ein personifiziertes Virus im Spiel bekämpft und eingesperrt werden, um es dann im Gefängnis um ein bisschen Futter oder Freiraum jammern zu lassen. Ältere Kinder und Jugendliche haben auch bereits Freude an Comics und den vielen kreativen beispielsweise über WhatsApp verbreiteten Corona-Witzen.

Schlussgedanken

Mit meinen Überlegungen möchte ich nicht verurteilen, sondern zum Nachdenken anregen. Alle Eltern, alle Fachpersonen erleben die aktuelle Situation vor dem Hintergrund ihrer jeweils unterschiedlichen gesundheitlichen Verfassung, ihrer individuellen Persönlichkeit und ihrer Lebensgeschichte. Jeder hat außerdem unterschiedliche Voraussetzungen durch seinen beruflichen Kontext, der mehr oder weniger Freiheiten im Umgang mit den aktuellen Maßnahmen in der Arbeit mit Kindern anbietet.

Ich möchte mit diesem Artikel dazu anregen, die eigene Haltung und den Umgang mit Kindern zu reflektieren. Dies kann sehr wichtig sein, um die negativen Auswirkungen der Corona-Zeit auf das Wohlergehen unserer Kinder in Grenzen zu halten.

Der Begriff der „neuen Normalität“ soll uns suggerieren, dass es sich bei den derzeitigen Beschränkungen nicht um vorübergehende, zeitlich begrenzte Maßnahmen handeln soll, sondern um langfristige Veränderungen. Dies zu wissen wird uns helfen, uns bewusst mit ihnen auseinanderzusetzen und zu entscheiden, wie wir in der Zukunft wirklich leben und miteinander umgehen möchten. Und das entscheiden letztendlich wir Menschen selbst.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.youtube.com/watch?v=8SG_GPW1w44
(2) https://www.rtl.de/cms/kinder-bei-corona-verdacht-isolieren-psychologe-warnt-vor-den-schweren-folgen-4591557.html
(3) https://www.youtube.com/watch?v=UMpwqhkNVHw
(4) https://www.focus.de/familie/eltern/riesen-aufregung-um-briefe-an-familien-trennung-von-eltern-und-kindern-in-quarantaene-behoerden-fuehlen-sich-missverstanden_id_12290254.html
(5) https://jobs.diakonie-michaelshoven.de/job/Köln-Pädagogische-Fachkraft-%28mwd%29-in-einer-Inobhutnahme-für-Kinder-und-Jugendliche-in-Quarantäne/601328601/
(6) https://www.foxnews.com/opinion/tucker-carlson-there-has-to-be-a-more-balanced-course-on-coronavirus-than-the-one-were-on-now
(7) https://www.youtube.com/watch?v=CvalzqBp0HE
(8) https://www.pronovabkk.de/presse/pressemitteilungen/corona-krise-kinder-in-seelischen-noeten.html
(9) https://www.rubikon.news/artikel/die-corona-traumatisierung
(10) Katz-Bernstein, N. (2019): Selektiver Mutismus bei Kindern. Erscheinungsbilder, Diagnostik, Therapie, 5., aktualisierte Auflage
(11) Gahleitner, S. B.; Katz-Bernstein, N. & Pröll-List, U. (2013): Das Konzept des „Safe Place“ in Theorie und Praxis der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Resonanzen-Journal, Ausgabe 2, 165-185
(12) https://www.mdr.de/wissen/mensch-alltag/corona-bei-kindern-wenig-todesfaelle-erste-studie-100.html
(13) https://www.youtube.com/watch?v=apzXGEbZht0
(14) Dilling, H.; Freyberger, H. J. (2016): ICD10. Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 8. Überarbeitete Auflage.
(15) https://www.br.de/nachrichten/wissen/kinder-und-coronavirus-ansteckend-krank-virentraeger,RxS8KbL
(16) https://www.blick.ch/news/ausland/corona-ansteckungsgefahr-durch-kinder-studie-zeigt-dass-drosten-falsch-liegt-id15942904.html
(17) https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid-19.pdf?__blob=publicationFile&v=4
(18) https://www.youtube.com/watch?v=ly_39oid2fk&t=7s
(19) https://elternstehenauf.de
(20) https://t.me/PaedagogenFuerAufklaerung
(21) https://www.youtube.com/watch?v=LDxCUBBrms8
(22) https://www.youtube.com/watch?v=UW0DzNGH7mA&t=21s
(23) https://www.youtube.com/watch?v=LDxCUBBrms8
(24) http://www.gesundheitspsychologin.net/joomla/index.php/blog/kinder/111-warum-rituale-fuer-kinder-wichtig-sind
(25) https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Studie-Corona-Regeln-verstaerken-Depressionen,depression274.html
(26) https://www.youtube.com/watch?v=oXuFN7WpuT4
(27) https://www.tagesspiegel.de/politik/gewalt-gegen-kinder-in-der-corona-krise-verletzungen-wie-bei-autounfaellen/25834490.html
(28) https://docs.google.com/presentation/d/1M-tZ2rxnxv8vCMmX5NwuxeYnNBdfg3lOdZ3Z-rTWluQ/present?slide=id.g878b968058_70_0
(29) https://www.youtube.com/watch?v=oXuFN7WpuT4
(30) Bhakdi, S.; Reiss, K. (2020): Corona Fehlalarm?
(31) https://www.youtube.com/watch?v=afoWxp8nCuU
(32) https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Sie-sind-keine-Virenschleudern-461067.html
(33) https://www.youtube.com/watch?v=L2aKMv_LSJo
(34) https://swprs.org/covid-19-hinweis-ii/
(35) https://www.youtube.com/watch?v=pKllldIiMpI&t=365s
(36) https://www.youtube.com/watch?v=BFcdHi3pn44
(37) https://www.youtube.com/watch?v=0ChGwTrqWBs
(38) https://www.grafbruehl.com/magazin/corona-initiative-mittelstand-cidm/
(39) https://www.youtube.com/watch?v=Vs81K-Y6Wh0&t=237s
(40) https://www.scinexx.de/news/medizin/wie-einsamkeit-die-immunabwehr-schwaecht/
(41) https://www.youtube.com/watch?v=LDxCUBBrms8
(42) https://www.psycharchives.org/bitstream/20.500.12034/2751/1/Studie_PsychBeschwerdenMasken_DP.pdf
(43) https://www.youtube.com/watch?v=N4CxIgypgE4


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