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Der gescheiterte Dialog

Der gescheiterte Dialog

Die Leipziger Volkszeitung tat, was Medien sonst selten tun: Sie sprach mit der Demokratiebewegung — ohne jedoch irgendetwas daraus zu lernen.

Leipzig hat genau eine lokale Tageszeitung, die Leipziger Volkszeitung (LVZ). Aufgrund dieser Alleinstellung trägt die LVZ eine besondere Verantwortung, den lokalen Diskurs abzubilden und im Optimalfall auch zu fördern. Daher freuten wir uns bei der BewegungLeipzig, als zwei unserer Mitglieder am 2. Dezember 2020 zu einem Gespräch in den Hauptsitz der Zeitung eingeladen wurden.

Anlass für die Einladung war ein Brief von Mitgliedern und Sympathisanten unserer Bewegung an die Zeitung. Darin warfen sie der LVZ eine unzureichende und einseitige Berichterstattung zur Demo am 7. November 2020 in Leipzig vor. Obwohl die Demoteilnehmer überwiegend friedlich waren, aus der Mitte der Gesellschaft kamen und gegen die Unverhältnismäßigkeit der Coronamaßnahmen sowie die schrittweise Aushöhlung der demokratischen Grundrechte demonstrierten, lag der Fokus der LVZ auf gewalttätigen Ausschreitungen, die eine bedauerliche Randerscheinung darstellten und vor allem von organisierten Störern ausgingen.

Leider stellte die LVZ dies jedoch nicht so differenziert heraus. Insbesondere wiesen die Autoren des Briefes auf die Konsequenzen der tendenziösen Berichterstattung hin: „Das führt zur Spaltung und erhöhtem Gewaltpotenzial innerhalb der Gesellschaft.“

Leider hat sich dies bewahrheitet. Am 9. November wurden die etwa 25 Teilnehmer einer unserer Friedensdemos in der Leipziger Innenstadt eine Stunde lang von Hunderten Gegendemonstranten aus der Antifaszene umstellt, angebrüllt und als Nazis beschimpft, bevor sie mithilfe der Polizei entkommen konnten. Bei einer weiteren Demonstration am 21. November ereignete sich eine ähnliche Situation, als Kritiker der Grundrechtseinschränkungen über Stunden von Gegendemonstranten aus der Antifaszene bedrängt und diffamiert wurden.

Ein Demonstrationsteilnehmer wurde dabei am Boden liegend von mehreren Vermummten getreten, laut Polizei sprangen die Angreifer sogar auf seinen Kopf. Erst nach dem Warnschuss eines Polizisten flohen die Angreifer, und das Opfer wurde zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht.

Die Soko LinX ermittelt in diesem Fall nun wegen versuchten Totschlags.

Im Dialog

Im Gespräch mit zwei Mitarbeiten der LVZ bekräftigten wir unsere Unzufriedenheit mit ihrer Berichterstattung. Sie verteidigten sich damit, es sei selbstverständlich, sich aufgrund der gewalttätigen Ausschreitungen am 7. November in der Berichterstattung vor allem auf diese zu konzentrieren. Zudem würden sie alle Seiten zu Wort kommen lassen; beispielsweise habe es vor einigen Monaten ein Interview mit zwei Initiatioren der BewegungLeipzig, Karsten Wolf und Angelika Eysermans, gegeben. Wir entgegneten, dass bei diesem Interview kleine Boxen mit „Faktenchecks“ hinzugefügt wurden, um den Aussagen der Interviewten nachträglich zu widersprechen. Auf diese Weise die Deutungshoheit zu beanspruchen ist bei Interviews nicht üblich; das war eine Form der unfairen Sonderbehandlung, zumal die Interviewten keine Gelegenheit hatten, sich zu diesen nachträglich hinzugefügten Behauptungen zu äußern.

Die Mitarbeiter der LVZ wollten sich diesen Vorwurf nicht gefallen lassen und wiesen darauf hin, dass es in der Wissenschaft einen Konsens zur Corona-Pandemie gebe. Nun sei es ihre Aufgabe, ihre Leser über diesen Konsens zu informieren und vor abweichenden Informationen zu schützen. Es sei wichtig, sich in der Gesellschaft auf gewisse Fakten und Gesetze zu einigen. Aktuell seien dies unter anderem die von der Regierung vorgeschriebenen Maßnahmen, die darüber hinaus auch evidenzbasiert seien. Wir entgegneten, dass das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. in diesem Punkt widerspricht. Dabei handelt es sich um eine renommierte Institution. Beide Mitarbeiter der LVZ gaben an diesem Punkt jedoch zu, noch nie vom Netzwerk Evidenzbasierte Medizin gehört zu haben, jedoch sei klar, dass dies eine Minderheitenmeinung sei.

Als wir darauf hinwiesen, dass die Grundrechtseinschränkungen laut dem Netzwerk Evidenzbasierte Medizin allem Anschein nach gravierendere Schäden hervorrufen würden als die Corona-Pandemie, fragten uns die Mitarbeiter der LVZ: „Welche Grundrechtseinschränkungen?“ Wir sprachen die Einschränkungen der Arbeits- und Bewegungsfreiheit an. Vor allem Künstler, die Gastronomie, aber auch viele weitere seien betroffen. „Ah, ja, die Restaurants“, kam daraufhin zurück. Sie versuchten sich dann noch zu retten, indem sie sagten, sie würden auch Betroffene der Maßnahmen interviewen, jedoch wollten sie vermeintlichen Minderheitenmeinungen zur Pandemie eher keine Plattform geben.

Wir wiesen darauf hin, dass bedeutende Durchbrüche in der Wissenschaft stets von Minderheiten ausgingen. Zudem gebe es eine große Zahl renommierter Wissenschaftler, die sich kritisch zu den internationalen Coronamaßnahmen äußerten. Beispielsweise verwiesen wir auf Professor Matthias Schrappe, ein langjähriges Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Auf die Frage, ob sie ihn kennen, antwortete ein Journalist der LVZ: „Nein, ich höre immer den Podcast von Professor Drosten.“ Wir erklärten, Professor Schrappe habe jüngst im ZDF gesagt, dass der ständige Fokus auf Neuinfektionen sinnlos ist, wenn man diese Zahl nicht ins Verhältnis zur Testzahl setzt.

Zudem wiesen wir darauf hin, dass die LVZ ebenfalls stets die Zahl der Neuinfektionen — eigentlich der „Positiv-Getesteten“ — auf der ersten Seite ihrer Zeitung veröffentliche. Wir forderten, die LVZ müsse hierzu mehr Kontext liefern, worauf man uns antwortete, der Kontext sei in den Artikeln. Wir sagten, dass wir konkret darauf bestünden, die Zahl der vermeintlichen Neuinfektionen auf der ersten Seite ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Tests zu setzen. Nach kurzem Grübeln fragte man uns dann, ob wir etwa leugnen wollten, dass es einen Aufwärtstrend gibt. Der sei da, egal wie viel getestet wird.

Wir antworteten, wenn man das mit Blitzern vergleiche, sei das, als würde man die Zahl der geblitzten Autos veröffentlichen. Das mögen heute mehr sein als im April, aber wenn heute zehnmal mehr Blitzer aufgestellt sind, muss man das auch erwähnen. Es wäre sinnlos, einfach nur jeden Tag die Gesamtzahl der geblitzten Autos zu veröffentlichen, wenn sich die Zahl der Blitzgeräte ändert. Wir konnten uns in diesem Punkt letztlich jedoch nicht einigen und gehen leider davon aus, dass die LVZ weiterhin nur die Zahl der Positiv-Getesteten ohne Kontext auf der ersten Seite veröffentlichen wird.

Wir fragten, warum nicht öfter kritische Wissenschaftler zu den Coronamaßnahmen in der LVZ zu Wort kämen. Warum hat es bis heute nirgendwo ein Gespräch mit prominenten Befürwortern wie Christian Drosten, Lothar Wieler und Kritikern wie Wolfgang Wodarg und Sucharit Bhakdi gegeben? Wir erhielten als Antwort, dass kritische Mediziner wie Sucharit Bhakdi oder Wolfgang Wodarg zwar mal respektiert waren, nun aber nachweislich Falschinformationen verbreiten würden und somit keine Bühne bekommen sollten. Wir entgegneten, dass es nicht die Aufgabe einer Tageszeitung sei, zu bestimmen, welche Ansicht in der Wissenschaft die korrekte ist, und dann nur diese abzubilden, sondern die verschiedenen Seiten abzubilden, damit sich die Leser selbst eine Meinung bilden können.

Es muss das Ziel sein, die Argumente von Befürwortern und Kritikern der Grundrechtseinschränkungen so gut und umfangreich darzustellen, dass beide Seiten sich adäquat repräsentiert fühlen.

Das sollte der Mindestanspruch der Zeitung sein. Zusätzlich wäre es wünschenswert, beide Seiten miteinander ins Gespräch kommen zu lassen, um den Lesern und der Öffentlichkeit vorzumachen, wie respektvolle und sachliche Kommunikation funktioniert. Sollten wir dies nämlich verlernen, wird der Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Grundrechtseinschränkungen weiter eskalieren.

Als wir uns verabschiedeten, hatte ich jedoch nicht das Gefühl, dass unser Treffen der Auftakt für weitere Gespräche war. Leider bewahrheitete sich diese Ahnung, als die LVZ am 11. Dezember berichtete, „einer der Mitorganisatoren der ‚Querdenken‘-Demonstrationen in Leipzig soll sich mit Corona infiziert haben — und anschließend auf einer Intensivstation künstlich beatmet worden sein. Das berichten verschiedene Quellen übereinstimmend.“

Tatsächlich gab es bei uns während der gesamten Pandemie keinen einzigen bekannten Coronafall und somit auch niemanden, der auf der Intensivstation beatmet wurde. Warum die LVZ nicht einfach bei uns nachgefragt hat, bevor sie diese Falschmeldung veröffentlichte, ist uns ein Rätsel. Obwohl wir die LVZ auf den Fehler hinwiesen, ist der Artikel weiterhin online. Wir haben daher Beschwerde beim Presserat eingelegt.


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