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Der große Coup

Der große Coup

Der Berliner Senat plant einen der spektakulärsten Raube der Geschichte.

Denk-Zettel zum Thema „Zeit“

Vor nunmehr einem Jahr hat der Berliner Senat (im April 2017) seine Schulbauoffensive öffentlich vorgestellt. Dieser Ankündigung sind bislang noch keine größeren Taten gefolgt, was der Senat gerne dem Auftreten seiner Kritiker/innen anlastet. In Wirklichkeit hat es der Senat mit selbst verschuldeten Problemen zu tun, zu denen besonders der Mangel an (Bau-)Fachkräften gehört, die in den zurückliegenden Jahren in großer Zahl "eingespart" worden sind.

Trotzdem hält der Senat unbeirrt an seinen Plänen fest, drei parallele Bau- und Planungsstrukturen (einmal bei den Bezirken, einmal bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge und einmal als eigene zentrale Geschäftsstelle in Spandau) aufbauen zu wollen, wobei die Wohnungsbaugesellschaft (also die Howoge) noch nicht einmal auf Erfahrungen im Bau von Schulen zurückgreifen kann.

Zeitverluste anderer Art sind auch dadurch eingetreten, dass der Senat die eigenen Bezirke lange im Unklaren gelassen hat. Erst im Februar 2018 ist ihnen ein dürres sechsseitiges "Eckpunktepapier" vorgelegt worden, was zu der Frage führt, wie viel Zeit bis zur Erarbeitung der naturgemäß viel umfangreicheren Ausführungsbestimmungen noch vergehen mag.

Dessen ungeachtet scheint der Senat zu glauben, die Zeitprobleme - zumindest hinsichtlich der Neubauten - durch einen verstärkten Einsatz vorgefertigter Module bis hin zu einer Halbierung der Bauzeit (Fertigstellung in fünf statt in zehn Jahren) in den Griff bekommen zu können. Aber auch diese Annahme könnte sich - nicht zuletzt in Anbetracht der oft unterschiedlichen Beschaffenheit der Baugrundstücke - als falsch erweisen.

Denk-Zettel zum Thema „GmbHs“

Soweit sich der Senat überhaupt dazu herablässt, die Öffentlichkeit mit Informationen zu versorgen, zeichnen sich diese oftmals durch eine arge Widersprüchlichkeit aus. Was gestern noch galt, gilt heute nicht mehr und auch deshalb wird es für Außenstehende immer schwerer, die zur "Schulbauoffensive" entwickelten Pläne überhaupt noch nachvollziehen zu können.

Das in diesem Zusammenhang bekannteste Beispiel sind die Schul-GmbHs, von denen am Ende nur noch die bei der Howoge anzusiedelnde GmbH übrig geblieben ist. Nach dem neuesten Stand der Dinge ist auch diese Auskunft schon wieder überholt, da nicht mehr eine eigene Tochter, sondern eine Howoge-Abteilung mit dem Schulbau betraut werden soll.

Diese Wendung ist besonders interessant, da sich die Aufgabe der letzten noch verbliebenen Schul-GmbH auf einen eigentlich schon abgeschlossenen Vorgang bezieht, der in einer von der Howoge am 14. 09. 2017 herausgegebenen Pressemitteilung wie folgt dargestellt worden ist:

"Die HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH hat die Geschäftsanteile der KRAMER + KRAMER Bau- und Projektmanagement GmbH erworben. Zum 1. Januar 2018 soll das Unternehmen als Tochtergesellschaft in den HOWOGE-Konzern eingegliedert werden. Die Mitarbeiter von KRAMER + KRAMER werden übernommen; der Geschäftsführende Gesellschafter Peter Kramer wird Geschäftsführer der HOWOGE-Tochter, die auch zukünftig unter dem Namen KRAMER + KRAMER firmiert. Über die finanziellen Hintergründe der Transaktion haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart."

Hinter der "Verabschiedung" des letzten noch verbliebenen GmbH-Modells steckt vermutlich die zwischenzeitlich vom Senat gewonnene Erkenntnis, dass sich - unter besonderer Berücksichtigung des europäischen Fiskalpakts - auch dieses Konstrukt nicht für eine Umgehung der Schuldenbremse eignet. Das bedeutet aber nicht, dass die von GiB (Gemeingut in BürgerInnnenhand) vorgetragenen Bedenken nunmehr hinfällig geworden wären, da die Howege selbst eine GmbH bleiben wird.

Für die im Zusammenhang mit Geldanleihen wichtigsten Fragen nach Art der Schuldentilgung und Bereitstellung von Sicherheiten ist nach derzeitigem Stand der Dinge (also bezogen auf den "Alleinverbleib" der Howoge als GmbH) vorgesehen, dass die von der Howoge aufgenommenen Schulden durch die an sie von den Bezirken abzuführenden Mieten zurückgezahlt werden sollen und dass dieser Gesellschaft für die Laufzeit der Kredite das Erbbaurecht an den Schulgrundstücken als Sicherheit übertragen wird. In einer noch aktuelleren Überlegung werden die mit einem Einredeverzicht kombinierten Mietverträge als Sicherheiten erwogen.

Denk-Zettel zum Thema „Einredeverzicht“

Zu der jetzt ins Spiel gebrachten Idee eines "beschränkten Einredeverzichts ggü. finanzierender Bank" dürfte es gekommen sein, weil inzwischen auch der Senat nicht länger die Augen vor der (zuvor stets bestrittenen) Tatsache verschließen kann, dass private Anleihen immer deutlich höher verzinst werden als öffentliche Anleihen.

Mit dem Angebot eines Einredeverzichts soll nun erreicht werden, dass die Banken ihre Zinsforderungen auf "kommunalkreditähnliche Konditionen" herunterschrauben. Das mag auf den ersten Blick wie ein schlechtes Geschäft für die Banken aussehen, ist aber in Wirklichkeit eine von ihnen heiß begehrte Option, da diese mit einer Zahlungsgarantie verbunden ist. Das heißt in diesem Fall, dass die Mietzahlungen auch dann nicht eingestellt werden dürfen, wenn gravierende Baumängel auftreten.

Somit wird den Banken ermöglicht, Risiken einfach abzuwälzen. Da es am Ende ohnehin immer die Steuerzahler/innen sein werden, die für alle Fehlentwicklungen gerade stehen müssen, kommt der vom Senat geplante freiwillige Verzicht auf sein letztes großes Druckmittel (d. h. auf die Einstellung von Mietzahlungen) einem Vabanque-Spiel gleich, das im Hinblick auf die langen Zeiträume und die schon jetzt absehbaren Mietsteigerungen eine erneute Verarmung Berlins zur Folge haben könnte.

Denk-Zettel zum Thema „Transparenz“

Ein Senat, der selten, spät und dann auch noch widersprüchlich informiert, kann nicht für sich in Anspruch nehmen, einen an den Interessen der Bevölkerung orientierten Dialog zu führen. Da wird auch die kürzlich von der Steuerungsgruppe Schulbau in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie ausgeschriebene (und mit A14 / E14 TV-L dotierte) Stelle "Öffentlichkeitsarbeit in der Steuerungsgruppe Schulbau" kaum Abhilfe schaffen.

Eher ist mit dem Gegenteil zu rechnen, da zu den Anforderungen eine mindestens dreijährige Erfahrung in der Steuerung der Öffentlichkeitsarbeit von Projekten gehört. Mit anderen Worten steht zu befürchten, dass anstelle von Transparenz und Bürgerbeteiligung jetzt noch stärker auf Propaganda gesetzt werden soll.

Dabei ist der "Klärungsbedarf" nach wie vor hoch, zumal zu jeder "großen" Frage immer auch etliche "kleinere" Fragen gehören wie z. B.:

  • Warum hat der Senat (trotz vorhandener Alternativen) von Anfang an die Howoge als Projektpartner bevorzugt?
  • Ist Kramer + Kramer jetzt wieder eine "normale" GmbH und welche konkreten Veränderungen ergeben sich aus dem (wie auch immer vorgenommenen) Neuzuschnitt?

Denk-Zettel zum Thema „Geheimverträge“

Spätestens seit den großen Auseinandersetzungen um das Freihandelsabkommen TTIP ist einer größeren Öffentlichkeit bekannt, dass Geheimverträge im Bereich der Privatwirtschaft gang und gäbe sind. Doch während ein auf die Höhe von Kaufsummen bezogenes Stillschweigen (wie im Falle des Ankaufs von Kramer + Kramer durch die Howoge) vielleicht noch als tolerabel gelten kann, sieht es bei den viel weiter gehenden Absprachen nachfolgender Verträge schon ganz anders aus.

Derartige Inhalte bleiben sowohl der Öffentlichkeit als auch den Parlamenten verborgen, was schlicht und einfach heißt, dass nicht einmal mehr die "einfachen" Abgeordneten kontrollierend Einsicht nehmen können. Dem entsprechend laufen Privatisierungen immer auch auf eine ungeheure Verschiebung der Machtverhältnisse hinaus: Die daran beteiligten Vertragspartner können tun und lassen, was sie wollen, während alle anderen in die Rolle der ohnmächtigen Zuschauer gedrängt werden, die zwar alles bezahlen dürfen, aber über keinerlei Gestaltungs- und Mitbeteiligungsrechte mehr verfügen.

Wie selbstverständlich das auch für die Howoge ist, haben die Journalisten Kai Schlieter und Martin Klesmann erfahren, die dazu in einem für die Berliner Zeitung geschriebenen und am 08. 03. 2018 veröffentlichten Artikel feststellten: "Wenn in Zukunft also etwas schiefläuft im Schulbau, erfahren die Gründe dafür wohl nicht einmal Bezirksvertreter. Die Howoge ist zwar Tochter des Landes, doch sie beruft sich bereits jetzt bei Fragen der Berliner Zeitung auf ihr Geschäftsgeheimnis."

Denk-Zettel zum Thema „Beschwichtigungen“

Beschwichtigungsversuche aller Art hat es im Laufe der letzten Wochen und Monate immer wieder gegeben. Dazu gehört das von der Berliner Abgeordneten Stefanie Remlinger (Bündnis 90/Die Grünen) am 16. 03. 2018 veröffentlichte Schreiben, das darauf angelegt ist, die Gemüter gleich in mehrfacher Hinsicht zu beruhigen.

Schon im einleitenden Satz wird diese Absicht deutlich herausgestellt: "Seit einigen Monaten geistert das Gerücht durch Berlin, wir als rot-rot-grüne Koalition planten die Privatisierung der Berliner Schulen." Einmal abgesehen davon, dass der zitierte Satz in dieser verallgemeinernden Form gar nicht stimmt, wird in dem Schreiben betont, dass eine GmbH wie die Howoge nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch zur Entlastung der Bezirke mit an Bord geholt worden sei. Das klingt ganz so, als ob die Bezirke ausreichend Grund hätten, sich über diese Beteiligung zu freuen.

Selbst der Einredeverzicht wird von Remlinger ganz locker - wie eine nun einmal hinzunehmende Begleiterscheinung - gesehen. Noch beschwichtigender fällt die Aussage zu den Mietzahlungen aus, die - nach Zuweisung durch das Land - doch nur noch durchgebucht werden müssten.

Regelrecht begeistert äußert sich Remlinger zu den "erheblichen Beschleunigungseffekten", mit denen "gerade auch aufgrund der privatrechtlichen Gesellschaftskonstruktion der HoWoGe" zu rechnen sei. Mit anderen Worten wird der privatrechtliche Charakter der Howoge einerseits nicht länger geleugnet, während andererseits gleichzeitig der Eindruck vermittelt wird, dass die hiermit verbundenen Risiken durch entsprechende politische Lenkungsbemühungen (z.B. durch das "selbst auferlegte gesetzliche Verbot von ÖPPs") gut beherrschbar seien und dass sowohl alle Parlamentarier/innen als auch der im Rahmen der Schulbauoffensive einberufene Beirat darauf achten würden.

Hier wird etwas versprochen, was gar nicht eingehalten werden kann: Einerseits ist der "Landesbeirat Schulbau" (wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen) nicht entscheidungsberechtigt und andererseits - was noch wichtiger ist - können die in Geheimverträgen ausgehandelten (Kauf-)Beschlüsse nicht von außen kontrolliert bzw. gesteuert werden. Somit ist der Glaube an das Vorhandensein von Eingriffs- und Verhinderungsmöglichkeiten ebenso naiv wie die Annahme, dass "Private" den "Öffentlichen" (zumindest hinsichtlich der Schnelligkeit) grundsätzlich überlegen sind. Schließlich bleibt noch die Frage, worauf sich das "selbst auferlegte gesetzliche Verbot von ÖPPs" eigentlich bezieht. Ist damit die Koalitionsvereinbarung gemeint?

Denk-Zettel zum Thema „Musterbauprogramm“

Bezüglich der Innengestaltung von Schulen hat der Senat ein Musterbauprogramm entwickeln lassen. Dabei sehen die bereits vorliegenden Entwürfe erst einmal sehr viel versprechend aus: Schulen mit viel Licht, vielen Extra-Räumen und einer als "Compartment" bezeichneten Anordnung, die - im Gegensatz zu den herkömmlichen "Flurschulen" - etliche in Innenbereichen stattfindende Nutzungen vorsieht.

Jetzt einmal abgesehen von der Frage, ob sich bei einer Vollnutzung dieser Bereiche nicht auch ein stark erhöhter Lärmpegel ergibt, soll hier kurz angedeutet werden, dass dem Vernehmen nach noch vor der Realisierung dieser Pläne eine Reduzierung der ursprünglich pro Schüler zugestandenen Raumfläche vorgenommen worden ist.

Ein völlig anderes, aber besser belegbares Detail bezieht sich auf die Absicht, dass es schon im Grundschulbereich neben einem Raum für die Schulleitung immer auch einen Raum für die Verwaltungsleitung geben soll. Dieses Konzept erinnert stark an das von wirtschaftnahen think tanks bevorzugte Modell, nach dem auch Schulen wie Geschäftsbetriebe zu führen sind.

Wie weit derartige Pläne tatsächlich schon vorangeschritten sind, ist einem Beitrag des Deutschlandfunks (Wiedergabe eines Interviews) vom 28. 12. 2017 zu entnehmen. Dort äußert sich der thüringische Bildungsminister Helmut Holter wie folgt: "Berlin beispielsweise führt jetzt an großen Schulen auch Verwaltungsleiter ein. Das sind Menschen, die nicht Lehramt studiert haben, um also die Schulleitung zu entlasten."

Somit besteht der einzige Unterschied zu den neoliberalen Wunschvorstellungen darin, dass Berliner Schulleitungen (noch) nicht komplett auf pädagogische Kompetenzen verzichten müssen. Und es kann auch sein, dass die angestrebte Aufspaltung in pädagogische und nichtpädagogische Schulleitungen tatsächlich als Entlastung empfunden wird.

Auf der anderen Seite spricht jedoch vieles dafür, dass wir es hier mit einem weiteren entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer überwiegend nach marktwirtschaftlichen Kriterien gestalteten und mit großen Qualitätseinbußen einhergehenden Umstrukturierung unseres Schulwesens zu tun haben könnten.

Dass diese Sorgen nicht unbegründet sind, ist in ungewöhnlich deutlicher Form in einem von der OECD bereits 1996 verfassten Text (Policy Brief No. 13) nachzulesen: "Wenn Mittel für laufende Kosten gekürzt werden, dann sollte die Quantität der Dienstleistung nicht reduziert werden, auch wenn die Qualität darunter leidet. ... Dabei sollte nur nach und nach so vorgegangen werden, z. B. in einer Schule, aber nicht in der benachbarten Einrichtung, um jede allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung zu vermeiden."

Fazit

Der rot-rot-grüne Senat verhält sich kein bisschen anders als "konservative" Regierungen: Die Öffentlichkeit wird schlecht informiert und mit beschwichtigenden (teils auch verwirrenden) Äußerungen hingehalten, während im Hintergrund die zum Einstieg in die Privatisierung öffentlicher Schulen führenden Weichenstellungen schon längst erfolgt sind. Das gilt auch für die "Binnengestaltung" des Schulwesens.

Trotzdem könnte der Senat sogar jetzt noch einen anderen Weg einschlagen, aber freiwillig wird es das nicht tun. Umso wichtiger ist es, dass sich immer mehr Menschen bereit finden, dem Senat die "rote Karte" zu zeigen und damit zum Ausdruck bringen: Wir brauchen und wollen keinen (uns auch noch teuer zu stehen kommenden) Einstieg in die Privatisierung öffentlicher Schulen.

Diese Aussage könnte um folgende Forderung konkretisiert und ergänzt werden: Wir wollen die Beibehaltung öffentlicher Schulen, die zudem so gestaltet sind, dass die dort lernenden Kinder und nicht die Interessen der Wirtschaft im Mittelpunkt stehen.

Abschließende Hinweise: Ein Eintrag in die GiB-UnterstützerInnenliste ist auch für Nicht-Berliner/innen möglich: unterstuetzen@gemeingut.org .

Berliner/innen können sich darüber hinaus an der aktuellen GiB-Unterschriftensammlung beteiligen. Weitere Informationen hierzu unter www.gemeingut.org.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.rubikon.news/artikel/schulklauoffensive
(2) https://www.rubikon.news/artikel/wenn-berlin-fallt


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