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Der Kampf der Erzählungen

Der Kampf der Erzählungen

Jeder Mensch kann immer nur einen Teil der Realität erfassen und sollte es deshalb unterlassen, diesen allen anderen aufdrängen zu wollen.

Eine mögliche Antwort

Menschen nehmen die Welt und sich selbst nicht vollumfänglich wahr. Die Fülle aller uns umgebenden, schnell wechselnden Eindrücke würde uns schlichtweg überfordern. Unser physisches Gehirn mit seinen verschiedenen Filtern bewahrt uns so vor einem ungehinderten Eindringen dieser Informationsflut, gleichsam wie uns unsere körperliche Barriere vor einem Eindringen materieller Entitäten bewahrt. Wir verstehen die Welt in Begriffen, erschaffen sie uns durch unsere Wörter, unsere Bilder, unsere Theorien. Unser Bild von der Welt ist dabei mehr als etwas nur Visuelles, es ist die Geschichte, die wir selber spinnen. Wir verleihen den von uns wahrgenommenen Informationen um uns herum Sinn durch ebendiese Geschichte.

Es sind unsere Vorstellungen von der Welt, es ist unsere Art, Dinge zu betrachten, zu verstehen, zu bezeichnen, zu erklären. Doch sind all diese menschliche Schöpfungen, es sind Modelle. Wir verständigen uns so miteinander, in miteinander geteilten Begriffen und Vorstellungsbildern. Die Existenz des Modells — oder einer Vorstellung — sagt nichts darüber aus, ob das Modell „richtig“, der Begriff oder die Vorstellung „allumfassend“ sind. Sie sind lediglich zum gegebenen Moment in der jeweiligen Situation, der Kultur, dem Kontext zweckdienlich. Ziemlich sicher bilden sie nur einen Teil der Wirklichkeit, der Möglichkeiten ab, erfassen nur einen bestimmten Aspekt unter einem spezifischen Blickwinkel.

Es ist eine Illusion zu meinen, dies sei die absolute Wahrheit oder das ganze Bild. Womöglich sind Teile davon falsch, da nicht mehr aktualisiert seit ihrer Entstehung oder da auf falschen Annahmen beruhend.

In der Wissenschaft sagte man einmal, vor der Corona-Entblödung, Theorien und Modelle seien immer vorläufig und nur so lange gut und zweckmäßig, wie wir keine anderen Theorien und Modelle haben, welche den Sachverhalt besser zu erklären verstehen. Kommt eine bessere Theorie, die zum Beispiel mehr Aspekte erklärt, Widersprüche auflöst et cetera, so sollte man die alte, korrigierte oder widerlegte Theorie verwerfen. Theorien und Modelle sind vom Verstand geformt, von der Sprache, und damit von unserer Konditionierung, unserer spezifischen Kultur, unserem bisherigen Erfahrungshorizont, inklusive unserer Bildung. Es bleibt etwas Künstliches, das für Zeit, Raum und Kultur spezifisch ist. Nicht mehr und nicht weniger.

Was unsere Intuition sagt, diese Weisheit des Herzens, ist womöglich eine ganz andere Geschichte. Das Herz will nicht argumentieren, es fühlt. Es ist nicht isoliert, nicht starr, sondern lebendig, verbunden, interagierend. Es überwindet die Schranken unseres normierten, sprachbasierten Vorstellungskäfigs.

Die Folgen

Wenn wir uns dies vergegenwärtigen, kann uns das entlasten. Wir können anerkennen, dass es zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Räumen, für verschiedene Kulturen und damit für verschiedene Individuen verschiedene „Wahrheiten“ geben kann — solange wir uns dabei auf diese menschengemachten Kopf-Kreationen beziehen.

Ich kann Sprache, meine Vorstellungen, meine Geschichten, als ebendies wertschätzen — als kreative Akte. Die eine Funktion haben und benutzt werden können. Sie vereinfachen mir das Verstehen, teilen die Welt ein in gut und böse, in richtig und falsch, geben Orientierung. Ich schaffe mir ständig eine Geschichte über mich selbst und über andere, eine Geschichte vom Innen und vom Außen. Ich erkläre, warum ich so handeln musste und warum das gerecht und gut war.

Ich schütze mein Selbstbild und mein Weltbild, ich stabilisiere beide. Ich spare Ressourcen. Ich kann Verantwortung auslagern, mich an vorgegebene Weltbilder angliedern, meine Wahl vor mir selber und vor einem Gegenüber legitimieren. Aber es bleibt etwas Künstliches und Zweckdienliches. Es bleibt immer meine Schöpfung, selbst wenn ich nur etwas übernehme: Es ist meine Entscheidung. Ich kann mich entscheiden, meinen Horizont zu weiten, mein Weltbild infrage zu stellen, es eben nicht als die einzig mögliche Wahrheit zu betrachten. Dies kann im ersten Moment ängstigen. Aber es ist möglich, es ist aufgregend, es ist lebendig. Wenn mein Boden ins Schwanken gerät, ist es allerdings von Vorteil, wenn ich gut verwurzelt und in mir selber stabil bin.

Was kommt dann? Mehr Erfahrungen. Mehr Erleben. Mehr Offenheit. Ich nähre nebenbei meine Intuition und stärke die Wahrnehmung meiner eigenen Souveränität und meine Selbst-Kohärenz.

Ich unterliege nicht länger dem Zwang, etwas verteidigen, überzeugen, missionieren, kämpfen zu müssen. Ich bin bei mir und bin. In dieser Welt, inmitten der Eindrücke, der Möglichkeiten, des umgebenden, tosenden Seins. Nicht isoliert, sondern inmitten von Sein.

Und jedes Sein erschafft seine eigene Welt, ist selbst kreativ. Ich kann meine Welt, meine Schöpfung als solche annehmen, wie die der anderen. Keine Konkurrenz. Kein Kampf. Keine Gewalt.

Das ist kein Schweigen, keine Kapitulation, keine Passivität. Es ist eine andere Einstellung, ein anderer Grundmodus. Ich lebe immer noch im alten Hier, aber auf andere Art: bewusster, offener, entspannter. Ich äußere mich noch immer, aber nicht mehr im Modus des Dominierenmüssens. Ich interagiere nun im Modus des Miteinanderseins. Ich schaue nach Innen, bin, kommuniziere in und mit dem Außen. Meine Wahrnehmung wird ganzheitlicher und freier. In diesem Modus kann ich aktiv entscheiden, bewusst meine Aufmerksamkeit lenken, achtsam kommunizieren, Vorstellungen wahrnehmen und einsetzen. Mich von etwas distanzieren. Oder einfach hinausgehen, aus dem linkshemisphärischen Verstand, hinein in die Ruhe oder in die Intuition. Ich kann die Spannweite des mir Möglichen erweitern und nutzen. Und schreibe sie dabei weiter, meine eigene Geschichte.

Fazit

Wenn ich akzeptiere, dass meine Welt eine individuelle ist, deren Geschichte ich selbst schreibe und deren Wahrnehmung von meinen Filtern beeinflusst ist, bleibt kein Argument mehr für Gewalt. Ich bin bei mir und erlaube dir, bei dir zu sein. Ich kann den Verstand bewusst nutzen, wo es sinnvoll oder notwenig ist, ohne ihn überzubewerten. Und kann meine Intuition nutzen und die Weisheit meines Herzens, wo der Verstand alleine nicht reicht oder wo er, alte Muster wiederholend, nach Dominanz und Gewalt ruft. Kampfbegriffe verlieren dann ihre Macht: Spalter, Leugner, Heuchler, Untertan, Feind, Wohltäter ..., es bleiben Begriffe, die mein Verstand zerlegen, umstellen, umformen kann, aber denen ich nicht mit dem Herzen und in meinem Tun folgen muss. Wenn wir diesen Weg wählen, diesen akzeptierenden Grundmodus des achtsamen Bewusstseins um die eigene Begrenztheit, können wir tatsächlich über alle Lager und Positionen friedvoll und konstruktiv miteinander umgehen.


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