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Die Corona-Nostalgie

Die Corona-Nostalgie

Ganz egal, ob wir gerade das Ende oder eine Verschnaufpause der Corona-Krise erleben — sie muss aufgearbeitet werden, und das geht auch humorvoll.

Die Corona-Krise ist vorbei. Jedenfalls für mich. Ich bin einfach zu beschäftigt damit, aus anderen Gründen vor Angst zu schlottern oder mich dumm und dämlich zu ärgern. Dennoch wallt in mir zuweilen die Sehnsucht nach unserer absurden C-Zeit auf. Darum gönne ich uns nun einen nostalgischen Blick zurück, damit wir uns die letzten C-Reste von der Seele lachen können, um dann klaren Blickes auf die nächste Propaganda hereinzufallen.

Im Frühjahr 2020 musste ich in Quarantäne. Wie die meisten Menschen auf der Welt. Gesunde, kranke und erkältete.

Und nun? Was tun? Arbeiten ging ja nicht, denn Yoga war plötzlich ungesund. Durfte ich nicht mehr unterrichten. Aber allein für mich — natürlich hinter herabgelassenen Rollläden, damit keiner mich erwischen und melden konnte — habe ich es dann aber doch gemacht. War nur leider keine tagesfüllende Beschäftigung. Aber meditieren. Das kann ich länger. Auch im Liegen, damit der Popo keine Schwielen kriegt. Und die äußeren Bedingungen waren ideal: keine Kinder auf dem Spielplatz, keine Fußballspiele gegenüber, nur ein paar systemrelevante Autos oder Flugzeuge unterwegs.

Hach, was für eine himmlische Ruhe!

Und ich musste mir keine Gedanken machen, ob ich mal wieder eine Veranstaltung besuchen sollte — war ja alles dicht. Oder dieses oder jenes Teil noch kaufen — außer Lebensmitteln gab’s ja nichts. Oder mal wieder einen Menschen treffen — die waren alle quarantänisiert.

Ich hatte also die wunderbare Chance, die höchsten Höhen yogischer Vollkommenheit zu erklimmen bis hinauf in den Himmel von Sat-Chit-Ananda — Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit. Wie neulich erst nach einer lebensbedrohlichen und sehr anhänglichen Erkrankung. Da wähnte ich mich schon auf der Zielgeraden des Lebens, widmete mich der Meditation — zu anderem war ich eh nicht fähig — und hatte eine saumäßig gute Zeit.

Die wollte ich nun wieder haben. Aber nicht allein. Also meldete ich mich bei einem spirituellen Portal an. Da gab‘s haufenweise Präsentationen, Live-Veranstaltungen und Chat-Gruppen.

Allerdings wurde hier nicht nur über Spiritualitäten diskutiert, sondern über alles Mögliche. Auch über die angeordnete Massenquarantäne. Und wann immer jemand diese kritisierte, gab‘s gleich einen Link zum Bundeskrankheitsministerium und einen längeren Post der Betreiber, die meinten, wir sollten doch brav alles mitmachen.

Nun gehört Brav-Sein nicht zu meinen Parade-Disziplinen. Besonders nicht das Brav-Sein um des Brav-Seins willen oder zur Ego-Speichelung von Lehrern, Chefinnen oder Politiker-Sternchen. Selbst dann nicht, wenn sie sich vor die Kamera stellen und uns beschwören:
„Glauben Sie nur uns“, und: „Nehmen Sie bloß kein Vitamin D.“

Da frage ich doch mal gerne nach.

Und meine erste Frage war: „Wie gefährlich ist das Virus wirklich?“ „Und ist es nicht sogar gesund?“

Gesund deshalb, weil die an Covid-19 Verstorbenen — Gott hab sie selig! — älter geworden waren als der Durchschnitt der Bevölkerung. Und das meist bei zwei oder mehr Vorerkrankungen. Das nenne ich jetzt mal sportlich. Darum wollte ich unbedingt wissen, wo ich mir ein Corönchen holen könnte.

Vielleicht bei unseren lieben älteren Mitbürgerinnen, Mitbürgern und Mitsternchen? Die aus meinem privaten Umfeld waren gesund, weshalb ich sie nicht um eine Ansteckung bitten konnte. Manche hätten das auch zynisch gefunden, denn sie hatten große Angst vor dem Virus. Andere vertrauten auf ihre gute Gesundheit und unterstützten sie durch gesunde Ernährung und Bewegung, Gebet und Vitamin D. Meine Ansteckungs-Absicht aber fanden sie abartig und schwangen die moralische Keule:

„Ja, willst du denn all unsere lieben Alten und Kranken ermorden?“
Natürlich nicht. Nur mit ihnen reden wollte ich und mich, wenn möglich, anstecken.

Ging aber nicht, denn in den Heimen saßen alle in Einzelhaft. Früher nannte man das Isolationsfolter: eingesperrt in einem kleinen Zimmer. Immer allein. Ohne Hofgang. Ohne Besuch. Auch nicht von den Mithäftlingen. Nicht mal der Pfarrer durfte rein. Oder er traute sich nicht. Und die Wärter kamen nur noch maskiert, in Plastik gehüllt und mit der Panik-Peitsche:

„Sie dürfen jetzt nicht nach nebenan. Das ist viel zu gefährlich.“

„Warum?“

„Wegen Corona.“

„Aber ich habe doch gar kein Corona.“

„Sie könnten sich aber anstecken und dann qualvoll ersticken.“

„Wo denn anstecken?“

„Bei Ihrer Nachbarin.“

„Aber die hat doch auch kein Corona.“

„Sie könnte es aber kriegen.“

„Von wem?“

„Und dann qualvoll ersticken. Wollen Sie das?“

Natürlich nicht. Nur mal wieder miteinander reden, essen, basteln, tanzen, lachen …

Wenn du glaubst, demente Personen hätten es besser gehabt, weil sie nichts mitkriegten, dann irrst du dich. Sie waren nun doppelt verwirrt: von innen und von außen.

In freier Wildbahn lebte es sich besser.

Oma Steckenhuber zum Beispiel war richtig in ihrem Element, wie sie mir in einem Interview verriet.

„Und dass niemand dich mehr besuchen kommt?“, fragte ich, „findest du das nicht schlimm?“

„Gar nicht.“

„Wirklich nicht?“

„Früher sind sie doch auch nicht gekommen“, sagte sie. „Jetzt dürfen sie nicht. Weil sie mich so liebhaben und schützen wollen. Die ganze Welt hat mich jetzt lieb und will mich schützen. Sowas hatte ich noch nie.“

„Und du fühlst dich beschützt, wenn die Kinder nicht mehr spielen und lernen dürfen?“

„Sollen sie doch auch mal sehen, wie es ist, wenn man nicht mehr raus kann.“

„Wegen Corona?“

„Die Beine wollen nicht mehr.“

„Und vor Corona hast du gar keine Angst?“

„Ach, Liebchen“, sagte sie. „In meinem Alter verliert der Tod seinen Schrecken.“

„Aber an Covid-19 sterben, das ist doch so entsetzlich qualvoll.“

„Woher weißt du das?“

„Aus dem Fernsehen“, sagte ich. „Da zeigen sie doch immer die Intensiv-Stationen und ...“

„Ach, da liegen sie doch alle im Koma.“

„Aber keine Luft mehr kriegen und qualvoll ...“

„Da verlierst du gleich das Bewusstsein, und die Lichter gehen aus. Krebs ist schlimmer.“

Tscha, wo sie recht hat, da hat sie recht.

Nun aber zurück zu dem eingangs erwähnten spirituellen Portal, wo meine Karriere als Staatsfeindin begann. In den Chat-Gruppen steppte der Bär, wann immer jemand etwas gegen die Maßnahmen postete. Das gefiel dem Betreiber gar nicht, denn wenn der Protest gegen die Massenquarantäne Erfolg hätte, würden sie Kunden, -innen und Sternchen verlieren. Und zwar all die vorsintflutlichen Menschen, die lieber analog zusammenkamen. Die mussten schleunigst umerzogen werden.

Am Ende ließ der Online-Guru darüber abstimmen, ob dieses Thema überhaupt noch diskutiert werden durfte. Und damit alle ihr Häkchen an die richtige Stelle setzten, sollten wir uns vorher sein Video anschauen. Tat ich aber nicht, obwohl es sicher genauso schön war wie all seine Videos, denn er war ein wirklich schöner Mann mit langem, lockigem Haar und einer Stimme wie warmes Öl. Und das Schönste: Er hatte eine kleine, pummelige Frau mit kurzem Stachelhaar. Da konnte frau schon ins Schwärmen geraten. Genauso heiß und folgenlos wie in den besten pubertären Zeiten.

Leider war ich aus dem Alter raus und klickte lieber die verdächtigen Links an. Heimlich natürlich und bei heruntergezogenen Rollläden, denn sie führten zu den bösen Jungs. Zu Dr. Wodarg zum Beispiel. Okay, seine Frisur entsprach nicht dem neuesten Schrei. War einfach nicht lila genug. Dafür hatte er aber mächtig Ahnung von Epidemiologie und grippalen Infekten.

Und Professor Dr. Bhakdi. Der wurde, als er seinen offenen Brief an Frau Merkel verlas, als zu pastoral gebrandmarkt, obwohl es da eine Bedarfslücke gab, denn die meisten Pastoren hatten ihre Kirchen geschlossen und sich in den Keller verkrochen. Allerdings hatte Professor Bhakdi gar keine pastörlichen Ambitionen. Lieber schrieb er zusammen mit seiner Frau ein Buch über das Corönchen und wie man menschlich vernünftig damit umgehen könnte.

Zu meinen heimlichen Helden gehörte auch Dr. Schiffmann, ein renommierter Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der fast täglich zum RKI einlud.

Professor Dr. Homburg analysierte Statistiken. Und Professor Dr. Ioannidis von der Stanford University, einer der meistzitierten Wissenschaftler weltweit, kam in einer Studie zu dem Ergebnis, dass dieses Virus nicht gefährlicher sei als die Influenza-Grippe, die es noch immer nicht geschafft hatte, die gesamte Menschheit auszurotten. Aber das durfte man damals noch nicht sagen. Sonst war man gleich eine egomane Oma-Mörderin und ein staatsgefährdendes Subjekt. Trotzdem gefielen mir die bösen Jungs. Sie verlangten saubere Daten und vernünftige Entscheidungen, beleidigten keine Andersdenkenden und hatten nichts gegen Vitamin D.

Darum beschloss ich, mich ihnen anzuschließen. Sowieso musste ich mir einen neuen Job suchen. Yogeln, entspannen, meditieren gefährdete ja die Gesundheit und war darum verboten. Gefährlicher war nur singen, lachen, tanzen, lieben. Und würde es wohl noch lange bleiben.

Warum also nicht auf Staatsfeindschaft umsatteln?

Das stellte ich mir herrlich aufregend vor. Heimlich den Feindsender hören. Mich in konspirativen Wohnungen treffen. Flugblätter verteilen. Immer wieder eingekesselt und eingesperrt werden wie die Staatsfeinde in Berlin, die beim Spazierengehen ein Grundgesetz mitnahmen.

Ja, nie war es leichter, Staatsfeindin zu werden. Dazu musste man nicht mal Bomben basteln. Nur ein bisschen rechnen, denken und darüber reden.

Allerdings war das auf besagtem spirituellem Portal inzwischen verboten und alle entsprechenden Posts wurden gelöscht. Ich loggte mich dort nie wieder ein. Stattdessen recherchierte ich mir einen Wolf.

Leider war das kontraproduktiv, denn mit Daten, Zahlen, Fakten bewies man nur, dass man sich seiner Sache nicht ganz sicher war. „Bleiben Sie ganz einfach bei unseren markigen Sprüchen und wiederholen Sie sie wieder und wieder und immer wieder“, hieß es in den Sitzungsprotokollen des Katastrophen-Teams. „Und wieder und wieder und immer wieder. Sie verstehen?“

Ja, er verstand was von Mantra-Meditation, obwohl das ja Yoga war. Und eigentlich gefährlich …


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