Manchmal gibt es Erfolgserlebnisse. Ich erinnere mich an eine Frau, über die ich schrieb, Hartz-IV-Empfängerin, die nach dem Tod ihres Mannes in ein Finanzdesaster gestürzt wurde. Nachdem der Bericht erschienen war, rief mich ein Leser an und sagte: „Kommen Sie, ich hab 1.000 Euro für die Frau.“ Ich werde das nie vergessen. Es war ja sozusagen eine dissidente Aktion. Man darf einer Hartz-IV-Empfängerin kein Geld geben. Das würde sofort abgezogen. Ich ging zu dem Mann. Und nahm ein Kuvert mit 1.000 Euro entgegen.
Solche Sachen kommen vor. Nicht allzu häufig. Aber immer mal wieder. Wegen eines Berichts, erfahre ich, erscheinen plötzlich viel mehr Leute als erwartet bei einer Veranstaltung. Oder in einer Beratungsstelle. Einmal erhielt eine Frau, eine finanzschwache, kranke Frau, die dringend Spezialschuhe benötigte, diese aber nicht zahlen konnte, ebendiese Schuhe aufgrund eines Berichts von mir von einer Leserin geschenkt. So etwas kommt vor. Es fühlt sich — keine Frage — auch immer sehr gut an.
Den journalistischen Alltag muss man sich allerdings anders vorstellen. Der Alltag schaut eher so aus, dass ich stundenlang alleine vor dem Computer sitze. Recherchiere. Denke. Schreibe. Telefoniere. Online konferiere. Fakten suche. Checke. Mir Annahmen anhöre. Dann werden die Artikel in den Orkus geschickt. Kritische Artikel. Anprangernde Artikel. Artikel, die Missstände aufzeigen. Die Entsetzen transportieren. Man denke an die Kriegsvorbereitungen. Und es gibt null Resonanz. Nicht das kleinste Feedback. Geschweige denn Bekundungen von Solidarität. Dennoch stelle ich mir nie die Frage: Hat das alles eigentlich einen Wert? Lohnt es sich?
Das, was „da draußen“ geschieht, trägt mitunter dämonenhafte Züge. Es ist so unglaublich viel Böses in dieser Welt. Wer könnte das leugnen. Das kann man nur, wenn man nicht genau hinschaut. Ich habe immer schon ganz genau hingeschaut. Schon als Kind hab ich genau hingeschaut. Das betraf damals Ungerechtigkeiten in meiner eigenen Familie. Es setzte sich in der Schule fort. Als Jugendliche war ich dann auch sehr stark im Tierschutz engagiert. Dass meine Engagements immer so intensiv waren, stieß auf Verwunderung. „Warum machst du das? Warum reibst du dich so auf? Warum hast du nicht mehr Fun?“ Wobei ich denke, dass wir damals noch nicht „Fun“ gesagt haben.
Fern der Wahl
Auf dem Sofa liegen und mich berieseln lassen, war noch nie meins. Mein ehemaliger Akupunkteur fragte mich einmal: „Warum glauben Sie eigentlich, immer kämpfen zu müssen?“ Fragen. Anfragen. Anfragen an das, was ich tue. Wie ich es tue. Natürlich stellt man sich, angefragt, diese Fragen schließlich selbst.
Ich kam dahinter: Mein Impetus ist dieses Lutherische „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“ Seit langem weiß ich, dass dies mein Naturell prägt. Die Erkenntnis hatte etwas Befreiendes.
Anfragen an mich, ob ich nicht lieber weniger kämpfen wolle, werden dadurch absurd. Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Es liegt fern meiner Wahl.
Mein Kämpfen hatte auch immer wenig zu tun mit jenen Menschen, die jeweils um mich herum waren. Es war zwar schön, phasenweise Gleichgesinnte zu haben. Eine relativ lange Zeit war ich in der Gewerkschaft engagiert. Bis ich merkte: Gott im Himmel. Jede Organisation verkrustet nach einer Weile. Gewerkschaften sind inzwischen völlig verkrustet. Wer, der objektiv draufschaut, könnte das in Abrede stellen. Da müsste inzwischen sehr viel aufgebrochen werden. Damit neues Leben knospen könnte. Neue Lebendigkeit. Doch das will man nicht. Vor allem die, die es hier nach oben gebracht haben, wollen das nicht. Sie wollen aufrechterhalten, wovon sie profitieren.
In vielen Projekten war ich früher engagiert. Nach und nach habe ich mich aus allem herausgezogen. Ich will nicht Teil einer Deputation sein. Ich kämpfe weiter für mich. Redend. Schreibend. Argumentierend. Es gibt keine Wahl. Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Das habe ich für mich erkannt. Es hilft. Mir jedenfalls hilft es. Es hilft, nicht verbittert zu werden. Ich frage mich: Geht das anderen ähnlich? Und stelle erfreut fest: Ja! Das Luther’sche Diktum verbindet. Es gibt auch anderen im Widerstand Kraft. Es hilft auch anderen beim seelischen Überleben.
Ohne jeden Beweis
Da ist zum Beispiel Marcus Fuchs aus Dresden, der sich als Initiator der dortigen Querdenken-Bewegung seit fast fünf Jahren mit allem Nachdruck im Widerstand engagiert. Die erste Ent-täuschung, der erste Absprung liegt bei ihm, erzählt er mir, schon eine ganze Weile zurück. Damals war er noch in der Wissenschaft tätig gewesen. Marcus Fuchs wurde mit einem Professor konfrontiert, der, wie er herausfand, Behauptungen ohne jeden Beweis in die Welt setzte. Und jene, die er begutachten sollte, täuschte.
Der Betrug war in seinen Augen eindeutig. Doch von den rund tausend Wissenschaftlern weltweit, die auf dem speziellen Gebiet des Professors tätig waren, hatten, berichtet Marcus Fuchs, nur fünf den Mut, den Betrug aufzudecken.
Der Dresdner entlarvte Korruption als Ambrosia wissenschaftlicher Karrieren. Und wenn man dann erst mal oben steht, ist man ziemlich sicher. Kann man sich auf die Feigheit der anderen verlassen. Die werden sich hüten, einen so Mächtigen anzumotzen. Und geht es hart auf hart zu, im Falle von Betrug, wird die garantiert Angst anfliegen. Und sie halten das Maul.
Bei anderen hätte es, hätten sie so etwas mitbekommen, nicht gleich ausgehakt. Andere hätten das achselzuckend hingenommen. So also läuft der Hase. Hätten sich angepasst. Hätten fortan mitgemacht. Hätten ihrerseits versucht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um nach oben zu kommen. Marcus Fuchs nicht. Er verließ die Wissenschaft. Das Erlebnis führte bei ihm allerdings noch nicht zur Politisierung. Dies geschah erst Jahre später, im Frühjahr 2020, als er Corona-Studien las. Ihm wurde klar: Was da dermaßen dramatisiert wurde, war nichts weiter als eine mittlere Grippewelle. Dennoch wurde ein Lockdown verkündet: „Damit war meine zweite rote Linie überschritten.“
Alles Lüge
Den bis dato Unpolitischen beamte es plötzlich mitten hinein ins politische Geschehen. Endgültiger Auslöser war die Berlin-Demo am 29. August. Marcus Fuchs fuhr hin, um sich selbst ein Bild zu machen. „Es war eine riesengroße, friedliche Demonstration mit einem wortwörtlich bunt gemischten Teilnehmerfeld quer durch die Bevölkerung“, erzählt er. Die Berichterstattung am nächsten Tag erlebte er als Schock. Was wurden da nicht für unsägliche Berichte produziert! „Damit wusste ich, dass die Altmedien von vorne bis hinten lügen.“
Am 15. September 2020 gründete Marcus Fuchs mit einigen Mitstreitern den Dresden-Ableger von Querdenken. Damit war er endgültig im Widerstand angelangt. „Ich könnte nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, wenn inkompetente Politiker die Menschenrechte, die Freiheit oder das Selbstbestimmungsrecht anderer Menschen mit Füßen treten“, sagt er. Über 200 Demos organisierte Marcus Fuchs mit. Auch er sagt zu mir: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“
Viele Demonstrationen verortet er übrigens deshalb am Dresdner Martin-Luther-Denkmal.
Klarer Kompass
Christoph Lütge gehörte während der Corona-Jahre ebenfalls zu jenen Antagonisten des Systems, die massiv angegriffen wurden. Wegen seiner „Unartigkeit“ musste er den Bayerischen Ethikrat verlassen. Während er den Anfeindungen ausgesetzt war, habe er sich an das Luther-Zitat erinnert, erzählt er: „Es trifft auch auf mich zu.“ Er sei zwar nicht mehr Mitglied einer Kirche. Dennoch sei der Ausspruch für ihn von großer Bedeutung.
„Er drückt aus, dass es Situationen gibt, in denen es nicht darum geht, Nachteile für sich selbst zu vermeiden, sondern in denen man sich an seinen klaren Kompass erinnern und seinen Überzeugungen treu bleiben muss”, betont der Philosoph.
Das Standhaftbleiben ist freilich mit harter Arbeit an sich selbst verbunden. Kostet Nerven. Und schlaflose Nächte. Vor allem dann, wenn es kaum Mitstreiter gibt. Für den, der in den Widerstand geht, ist es mit dem beschaulichen Leben definitiv vorbei. Am Anfang, meint Christoph Lütge, habe auch er ziemlich alleine dagestanden: „Gerade da gab mir der Ausspruch Luthers Mut.” Inzwischen sähen deutlich mehr Menschen viele seiner Punkte ähnlich.
Was die einen lähmte während der Corona Zeit — so groß war die Angst vor dem „Killer-Virus“ —, putschte die anderen auf: Wie kann das alles sein? Zu jenen anderen gehört der Psychologe Dirk Seeling vom Netzwerk „Corona Solution“. Auch seine Widerständigkeit entspringt, fast einem Automatismus gleich, dem Luther-Zitat, mit dem er sich identifiziert: „Es beschreibt ganz gut, wie ich immer zu den wichtigsten Dingen gekommen bin.“ Interessanterweise spricht er, ebenso wie Christoph Lütge, vom „inneren Kompass“. „Wenn ich Zugang zu meinem inneren intuitiven Kompass habe, dann gehe ich meinen Weg, egal, wie steinig er ist“, erklärt der Organisations- und Personalentwickler.
Extreme Verluste
Als solcher war sein großes Thema seit jeher „Veränderung“. Schließlich ist nichts perfekt. Schließlich ist alles verbesserungswürdig. Allerdings: Während der Corona-Zeit artete das Schlechte regelrecht aus. War überhaupt nichts mehr gut. Auch Dirk Seeling blickte von Anfang an durch. Weshalb für ihn klar war: Er würde sich die angepriesene Injektion nicht verpassen lassen. Das erzeugte unglaublichen Druck:
„Ich verlor im Laufe der Zeit 75 Prozent meiner Kunden. Meine Beratungs-GmbH gibt es seit über 20 Jahren, und Kunden, die mich aufgrund meiner Werte eingekauft haben, drehten sich in Corona und setzten ihre Mitarbeiter massiv unter Druck.“
Der Bazillus der Angst besetzte die meisten Menschen. Mit ausgreifenden Schritten preschte die Politik voran. Die allermeisten beteiligten sich. Dirk Seelings Mutter, die plötzlich nicht mehr im Kirchenchor singen, die sich mit niemanden mehr treffen und nicht mehr mit ihren Freundinnen in Urlaub fahren durfte, hielt dem Druck irgendwann nicht länger stand. Sie ließ sich injizieren: „Sechs Monate danach starb sie an Leukämie.“
Etliche solcher Beispiele gab es. Doch nichts rüttelte an der Ausschließlichkeit des Propagierten: Die Spritzen blieben das Alleinseligmachende. Stichhaltiger Begründungen bedurfte es nicht. Das frustrierte. Doch wer sich in den Widerstand begibt, lernt über kurz oder lang Mitstreiter kennen, die Kraft geben. Dies erlebte auch Dirk Seeling. Sein Glaube daran, dass sich irgendwann etwas grundlegend verändern, dass der Bluff erkannt werden wird, ist ungebrochen. Im Beruf erlebte er, wie lange Veränderungen oft auf sich warten lassen:
„Wenn aber dann der erste Ziegel aus der Wand fällt, geht alles sehr schnell im Niederreißen von Brandmauern der Ausgrenzung und Diffamierung.“

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