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Die Linsenkrise

Die Linsenkrise

Lieferungen von Hülsenfrüchten aus Kanada sind für die Ernährung der Inder lebenswichtig — im September 2023 eskalierte ein Streit mit vielleicht katastrophalen Folgen.

Es sieht so aus, als würde Kanada die Agrarschraube gegenüber Indien anziehen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wurden die Linsenimporte aus Kanada „verlangsamt“, nachdem der kanadische Premierminister Justin Trudeau indische Geheimdienstagenten beschuldigt hatte, einen kanadischen Sikh-Aktivisten auf kanadischem Boden ermordet zu haben. Dies hat Auswirkungen auf die inländischen Preise für Hülsenfrüchte, während Indien auf die Wahlen zusteuert.

Seitdem Trudeau seine Anschuldigungen öffentlich gemacht hat, befinden sich Indien und Kanada in einem heftigen diplomatischen Streit. Die indische Regierung bestreitet diese Anschuldigungen.

Aber was hat das mit den kanadischen Linsenexporten nach Indien zu tun?

Kanada verfügt nicht nur über große Bodenschätze, sondern auch über eine boomende Agrarwirtschaft. Kanada verfügt über Überschüsse in allen Bereichen, von Speiseölen über Linsen bis hin zu Futterpellets, und ist der wichtigste Lieferant von Masroor-Linsen, weißen und gelben Erbsen und so weiter. Die kanadischen Importe waren vor allem bei der Bekämpfung der Arhar-Dal-Krise von großem Nutzen. Sie haben in vielen Fällen dazu beigetragen, die Preise zu stabilisieren und eine wichtige Quelle für vegetarisches Eiweiß zu schaffen. Als die Preise für Kichererbsen aufgrund des knappen Angebots stiegen, wurden kanadische weiße/gelbe Erbsen eingeführt. Kichererbsen wurden auch im Rahmen der COVID-19-Nahrungsmittelhilfe verteilt, die bis zum letzten Jahr dauerte.

Insgesamt ist die Einfuhr von Linsen aus Kanada für die indische Ernährung lebenswichtig.

Rapsöl und Futterpellets tragen zur Deckung des Mangels an Speiseöl sowie an Geflügel- und Rinderfutter bei.

Betrachtet man also das gesamte Agrarimport-Szenario, so kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Kanada einen großen Einfluss auf die Versorgungssicherheit Indiens mit Linsen und Speiseöl hat.

Dies gilt insbesondere, wenn man das Szenario der indischen Agrarproduktion betrachtet. Seit einigen Jahren, auch in der laufenden Kharif-Saison, sind die Niederschläge unregelmäßig, was zu erheblichen Störungen in der Landwirtschaft führt. Überschwemmungen und Dürreperioden haben Indien in der einen oder anderen Form geplagt. Nordindien meldete einen dürreähnlichen August, und auch der September erweist sich in zu vielen Teilen des Landes als trocken. Die Linsen- und Ölsaatenproduktion ist zurückgegangen, und das US-Landwirtschaftsministerium schätzt sogar, dass die Reis-Ernte in dieser Saison um 3 Prozent zurückgehen wird. Auch unsere strategischen Nahrungsmittelreserven sind gering.

Da die Probleme zwischen Russland und der Ukraine nicht so bald enden werden, ist ein großer Teil der weltweiten Getreideversorgung blockiert. Indien meldet bereits geringe Ernten, sodass Kanada eines der wenigen Länder ist, die die Welt beliefern können. Das Land hat die indische Lebensmittel- und Klimasituation sehr genau beobachtet. Wenn wir keine gute Kharif-Ernte einfahren, wird es eine zusätzliche Nachfrage nach Nahrungsmitteln geben.

Dies ist der Zeitpunkt, an dem die Bedeutung Kanadas zunimmt.

Da in wenigen Monaten Wahlen anstehen, muss Indien die Lebensmittelpreise niedrig halten. Ohne billige Einfuhren wäre dies nahezu unmöglich. Kanada hofft, Linsen und andere Lebensmittel als Druckmittel nutzen zu können.

Exporte und eine Trumpfkarte

Aber die Agrar-Machtdemonstration endet hier noch nicht. Indiens Agrarexporte nach Kanada könnten die nächsten sein. Kanada hat möglicherweise bereits damit begonnen, die indischen Lebensmittelexporte zu begrenzen oder besonders genau zu prüfen. Im Idealfall wollen die Kanadier Zölle auf indische Importe erheben und diese einschränken. Zweifelsohne wird Indien versuchen, dies zu erwidern, aber Indien schadet sich möglicherweise selbst mehr, wenn es kanadische Lebensmittelimporte verbietet oder einschränkt. Die Leidtragenden dieser Entscheidungen werden die Menschen sein.

Es gibt noch einen Trumpf, den Kanada im Ärmel versteckt. Es handelt sich um den sehr wichtigen industriellen Agrardünger Muriate of Potash (MOP, deutsch: Kaliumchlorid). Kanada verfügt über die weltweit größten Reserven an Kaliumchlorid, etwa 30 Prozent. Das Land ist auch der größte Produzent dieses Düngemittels.

Kanada war neben Russland, Weißrussland und so weiter Indiens wichtigster Exporteur von MOP. In Anbetracht der Tatsache, dass die Preise für agrochemische Düngemittel in die Höhe geschnellt sind und Diammoniumphosphat (DAP) um 25 Prozent gestiegen ist, hat Indien nur noch wenige Möglichkeiten, billiges MOP zu bekommen, und deshalb haben sich die indischen Behörden und Indian Potash Limited dafür eingesetzt, dass Kanada die Kaliumchlorid-Lieferungen nicht stoppt. Der Grund dafür ist einfach, dass die indische Ernährungssicherheit davon abhängt. Sollte Kanada seine Kaliliumchlorid-Lieferungen einstellen, hätte dies katastrophale Folgen für die Rabi-Aussaat und -Ernte.

Da Kanada den ersten Angriff auf die Landwirtschaft gestartet hat, sollten die politischen Entscheidungsträger in Indien rasch eine Bestandsaufnahme der Linsen und anderer lebenswichtiger Güter vornehmen – ein Schritt, den die Regierung bereits unternommen hat, indem sie Bestandsobergrenzen festlegte, Ausfuhren verbot und Verarbeiter und Einzelhändler strikt aufforderte, ihre Bestände zu melden.

Sollte Indien eine schlechtere Rabi-Weizenernte 2023/24 einfahren, könnte es auch ein Auge auf kanadischen Weizen werfen.

Wenn dieser Streit eskaliert, werden Lebensmittel möglicherweise als Drohkulisse benutzt. Indien sollte sich darauf konzentrieren, mehr Vorräte im eigenen Land anzulegen oder bilaterale Abkommen für Lebensmittel abzuschließen, bevor die Kornkammern leer sind.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst am 30. September 2023 unter dem Titel „Are Food Grains Going to Emerge a Chokepoint if the India-Canada Spat Escalates?“ zuerst auf The Wire. Er wurde von Elisa Gratias übersetzt und vom ehrenamtlichen Manova-Korrektoratteam lektoriert.


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