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Die Macht der Seele

Die Macht der Seele

Innere wie äußere Bilder sind wirkmächtige Instrumente der Realitätsformung — umso mehr, wenn sie von tiefen Gefühlen getragen sind.

von Gönül

Ich glaube, dass Bilder, die sich der Wahrheit zu nähern suchen, eine vielfach größere Wirkmacht haben als Bilder, die der Täuschung und Irreführung dienen. Denn nur Erstere resonieren in der Tiefe mit unserem Wesen, Letztere reden uns im Laufe der Zeit zwar vieles erfolgreich ein, das unserem Wesen zuwiderläuft, doch sie erzeugen damit auch eine tiefe Dissonanz und resonieren nur sehr begrenzt mit uns. Unsere tiefen Sehnsüchte entspringen dem echten Wollen unserer Seele, nicht dem durch „zivilisierte Sozialisation“ konditionierten Wollen. Die Macht dieser erbaulichen Bilder drückt sich wie Musik aus und lädt unsere Seele zum Tanzen ein; daran erkennen wir sie auch.

Wir wollen wieder tanzen und wann, wenn nicht jetzt? Jetzt, da die schreckliche Fratze des Faschismus uns aus nächster Nähe hungrig anstiert, uns restlos bange und gefügig machen will und sich allmächtig gibt; gerade inmitten dieses Fortissimos des Grauens ist es Zeit, wieder zu tanzen, durch alle Täler und dunklen Schluchten, an jedem Abhang, über jedem Abgrund und hinauf in jede Höhe. Tanzen wir mit allem, das uns auffordert, herausfordert und überfordert. Geben wir uns jedem Tanz zur Gänze hin, ohne uns aufzugeben und abzugeben. Jedem Tanz wohnt eine eigene Schönheit inne, wenn wir zu seinem Wesen vordringen und ihn mit Hingabe zu Ende tanzen.

Der Mensch, so schön

Der ursprüngliche Mensch ist durch und durch gut, er trägt eine unverbrüchliche Schönheit in sich, die meist nur verdeckt wird von teils entstellenden Deformationen durch systematische Störungen seiner Natur. Der ursprüngliche Mensch ist für mich der, der sich zeigt, nachdem er sich aus all seinen „Fremdstörungen“ herausgeschält hat. Seine Perfektion, wie auch die aller übrigen Natur, ist unübertroffen und auch über jede zukünftige Technologie erhaben. Mag sie noch so raffiniert und unglaublich erscheinen, sie kann von den menschlichen Fähigkeiten und der Kraft der Natur nur in den Schatten gestellt werden, dessen bin ich gewiss.

Zugegeben, gerade in dieser Zeit aller Zeiten ist es alles andere als einfach, sich nicht zu einem vernichtenden Urteil über das grundsätzlich Makelhafte des Menschen hinreißen zu lassen.

Doch Bewertungen dieser Art sind allesamt Sackgassen, weil sie auf der wesentlichen Ebene unzutreffend sind. Sie beziehen sich auf ein Phantom, nicht den echten Menschen. Wir blicken auf eine lange Ära unzähliger destruktiver Einflüsse zurück, die uns zunehmend degeneriert und fragmentiert haben. Lassen wir uns nicht täuschen.

Im Menschen wirken jene Kräfte, die ganze Universen erschaffen, er atmet den Puls der Schöpfung. Er braucht keine Optimierung, kein Update, keine Hilfsmittel und keine Bedienungsanleitungen. Er muss nur in Ruhe gelassen werden, sein dürfen, wer er ist, um sich vollends zu entfalten in all seiner Herrlichkeit. Und wenn man ihn nicht in Ruhe lässt, so trägt er doch immer das Potenzial der vollständigen Regeneration in sich. Was nach Überhöhung klingen mag, ist vielmehr die Nichtigerklärung aller defizitgeprägten Erzählungen über ihn. Hoch lebe der Mensch!

Das echte Leben

Wir wollen leben, nicht irgendwie, sondern gut, nein, besser denn je. Wir wollen das echte Leben, wollen an seinem Puls sein, durchtränkt von Lebendigkeit. Wir wollen das Ufer unserer Neuen Welt erreichen, so unversehrt wie möglich. Wir wollen nicht irgendwie dort ankommen, sondern kraftvoll und aufrecht. Wir wollen von der unsagbaren Erleichterung durchströmt werden, den unmöglichsten aller Stürme hinter uns zu wissen. Wir wollen an diesem Ufer nach vorne blicken und sehen, wie unsere Welt uns zu Füßen liegt, wie alles in ihr pulsiert und von uns nur gelebt werden will. Wir wollen unser Fest aller Feste feiern, tagelang, trunken vor Glück, einander in den Armen liegend. Wir wollen nichts Geringeres als das volle, satte Leben als ganze, echte Menschen.

Die Intensität unseres Wollens wächst analog zur Epidemie der Lügen, eine alte Sehnsucht bricht sich immer machtvoller Bahn, die Sehnsucht, deren Namen wir vielleicht lange suchten.

Es ist die Sehnsucht des Menschen nach sich selbst, danach, das zu sein, was er ist. Es ist die Sehnsucht nach Kongruenz mit unserem Ursprung, nach Deckungsgleichheit mit dem Wollen unserer Seele. Dieses Wollen ist wie die makellose Lotusblume, die sich ihren Weg durch den Morast bahnt; es ist unsere unaufhaltsame Natur, die durch die tiefe Dunkelheit wieder zum Leben erweckt wurde. Und weil wir wollen, was wir wollen, müssen und können wir auch mehr denn je. Und doch müssen wir gar nichts, dürfen wir auch einfach nichts schaffen und bleiben auch dann ebenso bedeutsam. Diese Form des Müssens ist eher ein dem Wollen innewohnender Drang, eine sich daraus ergebende konstante Vorwärtsbewegung.

Wir müssen die engen Korridore des Schmerzes, des Traumas, der Verzweiflung, der unbändigen Wut, der Angst und Erschöpfung, der Zermürbung und Trauer durchschreiten, gleichsam im Eiltempo; dieses Mal ohne langen Halt, es gibt kein Verweilen, und doch können wir nichts überspringen. Der Zusammenbruch der Welt, wie wir sie kennen, hilft uns, neue Räume und Ressourcen in uns zu öffnen und zu erschließen, denn er aktiviert eben zugleich alles tiefe Wollen in uns, das eine große Kraft birgt. Es könnten Räume sein, in denen die Anschauung der Liebe durch nichts mehr getrübt werden kann. In denen wir Fähigkeiten entdecken, die wir nie für möglich gehalten hätten und unverrückbar geglaubte Parameter unserer Existenz überwunden werden können.

Die neue alte Kraft in uns

Es wächst diese ungekannte und doch uralte Kraft in uns, beständig und beharrlich, ganz so, als hätten wir allem zum Trotz auch Rückenwind. Sie ist Teil des natürlichen Gegengewichts, denn alles Leben ist unaufhörlich ein Suchen und Finden von Gleichgewicht. Die Kraft, nach jedem inneren Kollaps zügig wieder aufzustehen, nach jedem destruktiven Ausbruch ungewohnt rasch wieder zurückkehren zu können auf unsere Zielgerade, die Kraft, uns immer wieder zu sammeln und neu auszurichten. Ich habe den Eindruck, dass es vielen von uns so geht, daher empfinde ich die Formulierung in Wir-Form als eine wirklichkeitsgetreue Widerspiegelung. Es sind kollektive Phänomene, und ich glaube, noch nie waren so viele Menschen gleichzeitig bereit für eine Transformation im Ausmaß eines Quantensprungs.

Es geschieht alles simultan, in uns und um uns herum, neu sind daran vielleicht nur das Ausmaß und die Geschwindigkeit. Wir sind aufgespannt zwischen ungeheuerlichen Extremen, vor uns die Gelegenheit, die kollektive Entfremdung des Menschen von seinem Ursprung endlich zu überwinden. Nichts will ich hier schön- oder kleinreden, keinen Aspekt des aktuellen Geschehens negieren, im Gegenteil. Ich meine nur, dass wir sehenden Auges durch alles hindurchgehen und dabei eine innere Stärke und Fähigkeiten entwickeln können, die auch über unsere herkömmlichen Betrachtungen von Traumabewältigung, dem Verlauf innerer Konflikte und inneren Prozessen im Allgemeinen hinausgehen. Auch das sind letztlich Rahmen, durchaus valide zum Teil, doch eben auch relativ und sprengbar.

Natürlich werden viele bei der Überquerung dieses reißenden Flusses auch scheitern, wobei es nur ein vordergründiges Scheitern ist.

Das Scheitern ist ein Konzept der Welt, die wir gerade verlassen. Andere werden fliegen lernen oder sich wunderschöne Boote bauen.

Doch wir alle sollten mit der reinen Möglichkeit, dass unser Wollen womöglich nicht auf die von uns gewünschte Weise gelingen könnte, bewusst unseren Frieden schließen und uns das Scheitern auch erlauben. Jeder Tanz hier könnte unser letzter sein, und das ist wirklich vollständig okay; das sollten wir tief verinnerlichen.

Das Fest

Vor meinem inneren Auge sehe ich in einiger Entfernung eine sattgrüne, hügelige Landschaft mit Weitblick und vielen alten Bäumen, die Sonne scheint, und es ist angenehm warm. Überall stehen Menschen im Schatten der Bäume beisammen, andere sitzen an Tischen, einige lauschen der Musik, den Blick in die Weite gerichtet. So weit mein Auge reicht, sehe ich Menschen, sie reden, essen, lachen und tanzen zusammen. Ihre Stimmen verweben sich zu einer herrlichen Melodie, die von der Schönheit des Menschseins erzählt. Die Stimmung ist gelöst und getragen von Leichtigkeit. Ich nähere mich und sehe, dass alle da sind, alle, die je mein Herz berührt haben, und auch viele, die ich noch nicht kenne. Ich begrüße und umarme alle mir bekannten Menschen nach und nach, und wir feiern gemeinsam das Leben in all seiner Pracht. Dieses Bild begleitet mich seit längerer Zeit. Es zieht mich zu sich und löst immer wieder eine Vorfreude aus und auch die Gewissheit, dass alles gut ausgehen wird. Wir sehen uns dort.


Gönül, zeitlebens Suchende durch alle Gezeiten und zunehmend auch Findende, glaubt immer weniger an zertifizierte Kompetenzen und daraus abgeleitete Bedeutsamkeiten und Identitäten im „System‘schen Komplex“, dafür seit 2020 wieder an die grundsätzliche Güte des Menschen und daran, dass eine wahrhaft schöne Welt nicht nur möglich, sondern unausweichlich ist.


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