Zum Inhalt:
Unterstützen Sie Manova mit einer Spende
Unterstützen Sie Manova
Die Perfektions-Suggestion

Die Perfektions-Suggestion

Die mediale Dauerbeschallung gaukelt uns eine vollkommene Welt vor und setzt uns so unter Druck.

Die Frage, was Realität ist, füllt ganze Werke — nicht nur der bedeutenden Philosophen. Sie kann nie und nimmer in einem kurzen Artikel wie diesem durchdekliniert werden. Daher wollen wir uns auf wenige, ganz simple Prämissen einigen. Erstens: Unsere Wahrnehmung wird von unserer Umgebung beeinflusst. Zweitens: In der westlichen Welt besonders — und in der Zivilisation im Allgemeinen — sind Medien fester und omnipräsenter Bestandteil unserer Umgebung. Drittens: Alles ist ein Medium (McLuhan)!

Der Begriff der Medien muss für das Verständnis wesentlich weiter gefasst werden, als das im Allgemeinen üblich ist. Medien sind weitaus mehr als nur ein Radio- oder Fernsehgerät, der Computer, das Smartphone oder die Zeitung. So ziemlich alles ist ein Medium. Jede Verpackung, jedes Kleidungsstück mit einer Aufschrift, der Werbegeschenk-Kugelschreiber auf dem Schreibtisch, Gebrauchsanweisungen, Hausfassaden und auch Verkehrsschilder.

Mit diesen Annahmen im Hinterkopf wenden wir uns der Problematik dieses Artikels zu: Die nicht-existente, aber von uns allen als mehr oder minder real wahrgenommene perfekte Welt der Werbung und der visuellen Alltagskommunikation. Ein Phänomen, das vor allem auf Instagram in Erscheinung tritt, lässt sich in unserem gesamten Alltag wiederentdecken.

Ästhetisierung der Welt

Permanent wird, ohne dass wir es merken, um uns herum eine perfekte Parallel-Realität kreiert. Seien es Werbeplakate oder -spots, die Landschaftsaufnahmen in der Gemüseabteilung der Discounter, die einen vermeintlich regionalen Anbau des Gemüses implizieren sollen, Fachzeitschriften oder Behörden-Broschüren.

Überall um uns herum scheint die Welt perfekt und ein lebensfroher Ort zu sein. Doch irgendwie gelingt es uns nicht, darin unsere eigene Realität zu wiedererkennen. Wir sind häufig müde, wir sind oft total gestresst. In unserem Privatleben fehlen uns die Glücksmomente, die bei den überglücklichen Menschen aus der Werbung augenscheinlich zur Normalität gehören. Allerdings halten die sich auch stets an den schönsten Orten auf.

Selbst die unscheinbarsten Orte werden als Paradies inszeniert. Haben Sie schon mal etwas von den Kleinstädten Sömmerda, Löfflingen, Iphofen oder Olching gehört? Vermutlich nicht. Diese Orte verbindet — wie viele weitere auch –, dass sie trotz ihrer Unscheinbarkeit über einen Imagefilm verfügen. Auf all diesen Imagefilmen präsentieren sich die jeweiligen Orte, wie nicht anders zu erwarten, ausschließlich von ihrer Schokoladenseite. Durch Detailaufnahmen, die das (schöne) Bildfeld einrahmen und vom „hässlichen“ Äußeren abtrennen.

Und bei Drohnenaufnahmen, die den Blick für das Detail verlieren lassen und die unschönen Aspekte aussparen. Man gewinnt bei diesen Imagefilmen den Eindruck, ein jeder der dort Lebenden besucht Zeit seines Lebens Volksfeste und Kulturveranstaltungen, arbeitet in harmonisch regionalen Familienunternehmen und verbringt seine freie Zeit im immer währenden Sommer am heimischen Badesee. Idyllisch, oder?

Nicht nur Vororte und Kleinstädte werden zum „Place to be“ hochstilisiert. Das geschieht mit der ganzen Welt! Jeder größeren Stadt der Welt wird, entgegen aller Alltags-Realitäten, der „Empire State of Mind“ angedichtet, also das Image verpasst, diese Stadt sei der Ort, an dem jeder seine Träume verwirklichen könne.

Imagefilme über Großstädte zeigen häufig schöne Menschen, die in luxussanierten Altbauwohnungen erwachen und beim morgendlichen Aufziehen der Vorhänge von warmen Sonnenstrahlen begrüßt werden, die zwischen den Wahrzeichen der Stadt hindurchscheinen.

Die Realität wäre jedoch, und davon darf man ausgehen, dass — egal in welcher Stadt — die Menschen von den meisten Wohnungen aus wohl kaum die Wahrzeichen der jeweiligen Stadt erblicken können. Die Protagonisten dieser Clips sind, wie gesagt, überwiegend schöne, junge, erfolgreiche Menschen. Die durch Gentrifizierung vertriebenen „Ureinwohner“ und die gescheiterten Existenzen, die den Graffiti-besprühten Brückenpfeilern Gesellschaft leisten, kommen schlicht nicht vor.

Dieses Phänomen lässt sich beobachten, wenn man noch weiter zurück zoomt. Hierzu eine persönliche Erfahrung: Vor wenigen Jahren bereiste ich Peru. (Anmerkung in Bezug auf meinen Artikel „Die Öko-Heuchler“: Mittlerweile bereue ich es, diese Reise — auch aufgrund des hohen CO2-Verbrauchs — per Flugzeug unternommen zu haben. Heute würde ich das nicht mehr tun.) Obwohl ich keinen Slum besuchte, lernte ich in Lima und Cusco die bittere Armut der dort lebenden Menschen kennen. Die Straßen waren kaputt und an den Seiten stapelte sich der Müll, ja ganze Plastikschichten überzogen die Berge wie Schnee. Ich erinnere mich noch gut an beißwütige Straßenhunde und schwer bewaffnete Polizisten in den Straßen, unfertige Backsteingebäude, wohin das Auge reichte, öffentliche Toiletten in einem katastrophalen, unhygienischen Zustand und regelmäßige Wasserausfälle.

Als ich dann auf dem langen Rückweg nach Hause während eines innerperuanischen Flugs vor mir auf dem Monitor einen Image-Film für Touristen über Peru sah, fiel mir die Kinnlade runter. Was dort gezeigt wurde, hatte nichts, aber auch wirklich gar nichts mit meinen Erfahrungen der letzten Wochen gemein. Und das, obwohl ich viele der in diesem Clip gezeigten Orte besucht hatte. Nur wurden diese mit allen Tricks des filmischen In-Szene-Setzens bis zur schönen Unkenntlichkeit „aufgepimpt“.

Ob nun ein Vorort, eine Großstadt oder ein ganzes Land — wird ein Ort in einer Pracht und Herrlichkeit präsentiert, die allenfalls in Ansätzen und auch nur zeitweise und ausschließlich im Bereich des Kamerawinkels existiert, entsteht ein Druck.

Es entsteht ein Druck sowohl bei den Bewohnern dieses Ortes als auch bei denen, die diesen Orten fremd sind.

Bei der erstgenannten Gruppe entsteht dieser Druck, da sie das Gefühl beschleicht, die Potenziale ihrer Heimat nicht auszunutzen, dass sie es einfach nicht schafft, alle Kulturveranstaltungen zu besuchen, alle Privilegien, die dieser Ort bietet, auskosten zu können. Das beklemmende Gefühl kommt hoch, weil sich die Menschen außerstande sehen, an der Schönheit der eigenen Heimat teilhaben zu können. Plötzlich empfinden sie nicht nur den Rasen des Nachbars als grüner, sondern den aller Bewohner im Ort.

Drastischer ist dies bei der beschönigten Darstellung von Großstädten, haben die meisten in ihrer alltäglichen Hast des „Big City Lifes“ doch gar nicht die Zeit, sich an den Besonderheiten ihrer Stadt zu erfreuen — das übernehmen zumeist nur die durchreisenden Touristen. Gingen die Literaten und Maler während der Epoche des Expressionismus mit dem Phänomen der Entfremdung in urbanisierten Gebieten noch ganz offen um, versucht man heute, diese Entfremdung wegbügelnd zu negieren.

Und in Ländern wie Peru sind solche Image-Polierungen blanker Hohn, da nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der Bevölkerung auf der Schokoladenseite des Landes lebt. Wahrscheinlich wird die Bevölkerung jener Länder bereits die Orte, an denen diese Image-Polierungen gezeigt werden — Tourismus-Zentren, Flugzeuge etc. — äußerst selten, vermutlich sogar überhaupt nicht aufsuchen können.

In der zweiten Gruppe, die nicht an den angepriesenen Orten lebt oder diese bereist, entsteht der Druck, diese Orte unbedingt besuchen oder dort leben zu müssen, da sie ihr Leben andernfalls als unvollständig empfinden. Natürlich kommt es hier zu einer totalen Wahrnehmungs-Verzerrung, da das Bild der Realität in diesen Fake-Views ausgespart wird.

Kurz zusammengefasst: Wir sehnen uns nach Orten, die in der dargestellten Weise gar nicht existieren, und fühlen uns selbst in unserer eigenen, vergleichsweise „unperfekten“ Heimat fremd.

Der Smoothie im Abwasserkanal

Der Mechanismus, den wir soeben bei der Betrachtung von Orten erkannt haben, lässt sich auch bei abgebildeten Individuen und Objekten erkennen. Hierbei wollen wir jetzt nicht die Akten über Fitness- und Schönheitswahn, „Germany‘s next Topmodel“, Magersucht und die magische Wirkung von Photoshop aufrollen. Das wurde bereits im öffentlichen Diskurs lang und breit durchdekliniert. Die Techniken der Bildmanipulation, mit denen unerreichbare Schönheitsnormen kreiert werden, sind beispielsweise nur ein Mittel zum Zweck, den Zustand der permanenten Unzufriedenheit des homo consummatio aufrecht zu erhalten.

Hier soll es jedoch um die Folgen gehen. Die Folgen, die wir innerlich davontragen, wenn wir permanent konfrontiert werden mit der Bizarrheit der sich diametral gegenüberstehenden wahrgenommenen und der medialen Realität. Hier sei noch einmal auf die obige Weiterfassung des Medienbegriffs verwiesen. Etwa wenn wir in den Tiefen des Großstadtdschungels an regnerischen Tagen Autowerbung auf riesigen Reklameplakaten sehen, auf deren Fläche glänzende SUVs durch unberührte Landschaften brausen, während im nächsten Augenblick ein vergleichbares Modell samt seinem Fahrer verzweifelt versucht, sich laut hupend durch die engen, verstopften Straßen durchzuquetschen.

Denken Sie an Bierwerbung auf Plakaten, die geselliges Beisammensein bewirbt, während unter selbigen Plakaten mittellose Rentner die leeren Hüllen — Glasflaschen — aus dem Mülleimer fischen.

Überall um uns herum Werbeplakate mit vermeintlich witzigen Wortspielen, die uns in Wahrheit kein müdes Lächeln abzuringen vermögen, oder mit pseudo-philosophischen Sprüchen, die decodiert schlicht eine einzige plumpe Aufforderung beinhalten: Kauf mich!

Oder denken Sie an schrill-bunte Smoothie-Werbung, die einen gesunden Lifestyle anpreist, während die darum herum wuselnden Menschen so ziemlich alles tun, was von einer gesunden Lebensführung entfernt ist. Nicht unerwähnt sollten auch sämtliche Lebensmittelverpackungen bleiben, deren Aufdruck regionale Produktion suggeriert, während die genormte und industrielle Plastikverpackung das exakte Gegenteil hinausschreit.

Ebenso vermitteln Medien, die nicht primär ein Produkt bewerben, den Schein einer allgegenwärtigen Perfektion. Glaubt man beispielsweise den Titelcovern der Apotheken Umschau, sind Rentner stets mit Nordic-Walking-Sticks in den Bergen oder mit einem über die Schulter gebundenen Pullover in sandigen Nordsee-Dünen unterwegs. Und vermeintlich kranke Menschen schaffen es auf wundersame Weise, trotzdem wie ein Topmodel aussehend zu niesen, zu husten oder sich mit künstlich gequältem Blick an Kopf, Hals und Bauch zu fassen, um auf ihre Schmerzen hinzuweisen.

Ja selbst auf wirklich rein informellen Abbildungen wird der Schein erzeugt, alles sei in bester Ordnung. So bemerkt Tyler Durden im Film Fight Club mit einem Hauch von Spott, dass auf den in Flugzeug-Sitzen hinterlegten Info-Karikaturen, die den Passagier darüber aufklären soll, wie dieser sich im Falle eines Flugzeugabsturzes verhalten solle, fröhlich dreinblickende Menschen abgebildet sind. Absurd!

Alternde Gesellschaft? Nicht in der Welt der Werbung!

„Diese Welt von heute /
ist doch designed für ewig junge Leute“

— Prinz Pi, Moderne Zeiten, (2013).

Was hat man uns nicht für eine Heidenangst vor der alternden Gesellschaft eingejagt? Landauf, landab hörten wir in den vergangenen Jahrzehnten unablässig, die Gesellschaft würde altern, der Generationenvertrag nicht mehr ziehen, man müsse nun unbedingt privat vorsorgen und riestern. Das exakte Gegenteil zeigt uns die Welt des Marketings! Eigentlich müssten in der Werbung und auf illustrierten Informationsmedien doch überwiegend alte Menschen abgebildet sein, um die Gesellschaft demographisch korrekt zu repräsentieren.

Dem ist aber natürlich nicht so: Statt Rollatoren sehe ich Longboards und Roller! Statt Nordic-Walking-Sticks sehe ich Selfie-Sticks! Statt beigefarbenen Anoraks sehe ich bunte Windbreaker! Und statt Urin-Beuteln sehe ich Jute-Beutel!

Machen Sie selbst einmal folgenden Test: Besuchen Sie wahllos irgendwelche Internetseiten von Behörden oder Firmen und suchen sie nach diesen zwei Personen: a) Ein junger, gut aussehender Mann Anfang dreißig mit Vollbart, häufig mit einem Holzfällerhemd; b) Eine junge Frau Ende zwanzig, Anfang dreißig mit einem strahlend koksweißen Lächeln und einer makellos perfekten, ja gerade zu glatt polierten schneeweißen Haut.

Durchforsten Sie die Seiten nach diesen zwei Personen und machen Sie im Geiste jedes Mal einen Haken, wenn Sie auf sie stoßen. Machen Sie das auch zukünftig, wenn Sie sich durch den öffentlichen Raum bewegen. Suchen Sie die Werbeanzeigen in Innenstädten, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Supermärkten und anderen Shopping-Palästen nach diesen beiden Personen ab. Auch auf den Produkt-Verpackungen werden Sie des Öfteren auf Herrn und Frau Jung-und-Sexy stoßen.

Menschen, die entweder älter sind oder weniger Glück mit dem vererbten Genpool hatten, kommen in dieser medialen Parallelwelt einfach nicht vor. Den wenigen Ü40-Personen gewährt man — und das auch nur Alibi-mäßig — in dieser Welt allenfalls Asyl, wenn sie optisch einem Apotheken-Umschau-Titelcover-Model entsprechen.

Ansonsten bleibt der Eindruck aufrecht erhalten, die Welt bestehe aus jungen, erfolgreichen, mit ihrem digitalen Endgerät körperlich verwachsenen Leuten, die niemals altern.

Damit wird der Masse der Eindruck suggeriert, dies sei das wahre, erfüllte Leben. Wer nicht an diesem zuckersüßen Dolce Vita teilhaben kann, wer seine Blütejahre nicht dementsprechend nutzt, der hat etwas im Leben falsch gemacht. Wessen Essen auf dem Teller nicht so instagram-reif aussieht wie in der Werbung, der kann einfach nicht kochen. Wer nicht der Wagen aus der Werbung vor der Tür stehen hat, der hat den falschen Job oder ist die Karriereleiter noch nicht weit genug nach oben geklettert. Wessen eigene Fotos im Bilderrahmen nicht so aussehen wie aus dem TUI-Katalog, dem fehlt etwas. Wer schlicht und ergreifend diesem perfekten Ideal aus der medial vermittelten Welt nicht gerecht wird, der trägt einfach selbst die Schuld daran! Das spielt der neoliberalen Ideologie in die Hände, nach welcher jeder seines eigenen Glückes Schmied ist.

Makellos ist steril. Steril ist Tod!

Aber die allseits propagierte Makellosigkeit — ob die Haut der Frau oder die Oberfläche des neuen iPhone drölfzehn: Eine sterile, glatte Fläche; ist tot! Auf ihr lebt nichts! Sie ist nicht natürlich! Botox — ein Gift — ermordet die Zeugen vielen Lachens — Falten! Was sagt es über eine Gesellschaft aus, dass sie es für erstrebenswert hält, Lachfalten mit Gift zu straffen? Die die emotionalen Sehnsüchte der Menschen missbraucht, um ein Produkt in einem (moralisch) besseren Licht erscheinen zu lassen? Die generell jede Unzulänglichkeit und jeden Fehler als etwas Unnatürliches deklariert?

Wo bleiben in dieser nie enden wollenden Hedonismus-Orgie Raum und Zeit für unser Unwohlsein und unsere Schmerzen? Wir bekommen in den letzten Jahrzehnten nicht nur im physisch-gesundheitlichen Sinne Allergien! Vereinfacht ausgedrückt: Allergien rühren häufig daher, dass wir in der die Natur zurückdrängenden Zivilisation immer weniger mit „Schmutz und Dreck“ in Berührung kommen und entsprechend für gewisse bakterielle Eindringlinge nicht mehr desensibilisiert genug sind. Dasselbe geschieht mit unserem Inneren. Werden wir unentwegt mit den vermeintlichen Schönheiten und Vergnügsamkeiten des Lebens beschallt, verlernen wir, mit den unschönen Seiten des Lebens, mit Leid, mit Schmerz, mit Trauer umzugehen.

Wer wagt es denn schon, in dieser Utopie der schönen, bunten Warenwelt, in diesem Event-Hopping-Schlaraffenland, dem materiellen Wohlstands-Paradies eine Träne zu vergießen? Das ist ja eine Unverschämtheit! Wir müssen doch aus Dankbarkeit für unsere Privilegien emotional stubenrein sein! Wie viele Depressionen wohl allein aus diesem Gruppenzwang der emotionalen Unterdrückung entstehen?

Die Natur — Das Einzige, was sich nicht selbst vermarktet!

Auch wenn die Natur Ihnen nichts vormacht und auch nicht versucht, sich zu vermarkten, wurde sie doch schon des Öfteren für Marketingzwecke in Geiselhaft genommen. Zahlreiche Menschen der „Zivilisation“ dürften unberührte Natur bereits mit Marken wie „Jack Wolfskin“ oder „Globetrotter“ assoziieren.

Die wenigen unberührten Flecken Natur sind noch die letzten Zufluchtsorte, die für die Klauen der oben skizzierten Parallel-Medien-Welt nahezu unerreichbar sind. Manche Menschen machen sich leider in der Natur — statt sie auszukosten und zu genießen — zu Dienern dieser Welt, indem sie sich selbst — für Instagram — inmitten dieser Schönheit ablichten, um anderen Menschen in quadratischen Räumen Neid einzujagen: Um zu zeigen, wo man selbst sich gerade befinden und wo der Betrachter sich eben nicht befindet.

Wer die Natur allerdings „richtig“ besucht, kann für eine kurze Zeit der Hypnose der Zivilisation entfliehen und an einen Ort der schonungslosen Ehrlichkeit fliehen. Die Natur wird einem nichts vormachen! Der in den Blättern der Baumwipfel raschelnde Wind flüstert keine Euphemismen, keine Werbeslogans, keine kaufmännisch geschickten, schlagkräftigen Kaufargumente. Die Wolkenformationen über uns buhlen nicht um unsere Aufmerksamkeit, auch wenn sie mit so manchen Formen den Anschein erwecken. Die Blätter bepinseln sich im Herbst nicht mit grüner Farbe, um ihre Vergänglichkeit zu kaschieren. Die Natur offenbart sich uns so, wie sie ist — unverhohlen, ungeschönt und trotzdem phantastisch.

Wieder im Einklang mit der Natur zu leben, würde am Ende auch bedeuten, die Säulen dieser medial vermittelten Parallelwelt, in der vermeintliche Perfektion herrscht, einzureißen und wieder Mut zur Realität zu entwickeln. An unberührten Orten der Natur kann — wenn wir den richtigen Zugang finden — ein Schutzraum entstehen, in dem wir wieder zu uns selbst finden. Das ist jedoch ein langer Prozess. Ein Waldspaziergang ist kein Behördengang, bei dem wir uns etwas abholen können. Es bedarf einer andauernden Arbeit an uns selbst und einer Öffnung gegenüber der Natur. Doch es ist die Mühe wert: Mit der Zeit entwickelt sich eine Immunität gegenüber den Einflüssen der Fake-Views. Wir lernen, abzuschalten. Und wir lernen, etwas Ureigenes wieder zu schätzen: die Verbindung zur Natürlichkeit.


Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.

Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.

VG-Wort Zählpixel
Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.

Weiterlesen

Von Mücken und Elefanten
Thematisch verwandter Artikel

Von Mücken und Elefanten

Angesichts der wahren Probleme von Frauen in Deutschland ist die Debatte über ein paar Transfrauen völlig irrational. Teil 2 von 2.

Die unerkannten Herrscher
Aktueller Artikel

Die unerkannten Herrscher

Im Manova-Exklusivgespräch erklären die homöopathische Arzneimittelforscherin Ramona Kufert und der Körperarbeiter und Choreograf Benjamin von Mendelssohn ihre Erkenntnisse aus mehrjähriger Arbeit für einen Systemwandel.