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Die schreibenden Toten

Die schreibenden Toten

In seinem neuen Buch entblößt Marcus Klöckner das Treiben der Leitmedien als „Zombie-Journalismus“ — Michael Meyen hat es rezensiert.

Vielleicht muss ich vorwegschicken, dass ich hier eigentlich über mein Buch schreiben wollte, „Die Propaganda-Matrix“, im Juli erschienen bei Rubikon. Such dir regelmäßig was Aktuelles aus der Medienwelt, hat der Verleger gesagt, damit wir das Thema auch in der Zeitung am Laufen halten.

Dann kam das nächste Rubikon-Buch. Schon der Titel hat es in sich: „Zombie-Journalismus“. Es geht um „die Freiheit der Gedanken“, sagt Marcus Klöckner, weil sich die Zombies aus den Medien auf alle Bürger stürzen, „die die vorherrschenden Erzählungen kritisch hinterfragen“. Und überhaupt. Die „sogenannte Berichterstattung“. Eine seelenlose leere Hülle. Ein Zombie eben. Der Untertitel setzt dann noch eins drauf: „Was kommt nach dem Tod der Meinungsfreiheit?“ Das ist These und Programm zugleich. Die Meinungsfreiheit ist längst „plattgewalzt“, sagt Marcus Klöckner. Und dann seziert er das, was wir alle täglich sehen, hören, lesen (müssen).

In gewisser Weise ist dieses Buch der zweite Teil der „Propaganda-Matrix“, viel böser allerdings und viel lustiger, auch wenn sich das auf den ersten Blick zu widersprechen scheint. Hollywood hätte dieses Sequel nicht besser planen können. Bei mir geht es um Strukturen. Um das große Ganze, wenn man so will. Um den Raum des Sagbaren. Um die Ketten, die Politik und Wirtschaft den Leitmedien anlegen. Um die Macht, die aus Ressourcen wächst, und um ein journalistisches Feld, das eng verzahnt ist mit den urbanen kreativen Milieus und so fast zwangsläufig zur Partei wird in den Klassen- und Kulturkämpfen der Gegenwart, wo sich Stadt und Land gegenüberstehen, Akademiker und Nichtakademiker, West und Ost.

„Die Propaganda-Matrix“ zeigt, warum wir der Realität der Leitmedien selbst dann nicht entkommen können, wenn wir die rote Pille schlucken, alles durchschauen und den Fernsehapparat aus dem Fenster werfen. „Freiheit ist möglich“, steht auf dem Klappentext, „braucht aber einen vollkommen neuen Journalismus.“

Marcus Klöckner liefert dafür jetzt all die Beweise, die bei meiner Draufsicht aus dem Blick geraten sind. Textanalyse vom Feinsten, geschöpft aus dem Fundus der Fehlleistungen, die wir seit anderthalb Jahren beobachtet haben. Nena und #allesdichtmachen. Das WDR-Interview mit Jan Josef Liefers. Die Kampagnen gegen „Impfvordrängler“, „Schwurbler“, „Maskenverweigerer“.

Menschen, die plötzlich „umstritten“ sind oder Nazis und damit in der Schmuddelecke stehen — mindestens. „Brauner Dreck: Ei, wie gerne Journalisten damit werfen“, heißt ein Kapitel. Später geht es auch um KenFM und um Rubikon. Querfront, Verschwörungsideologien, vielleicht sogar Antisemitismus. Wer hier schreibt oder mitliest, der weiß, worum es geht, und kennt sicher auch die Debatten, die sich immer wieder an einzelnen Beiträgen, Überschriften, Teasern entzünden.

Was Marcus Klöckner dagegen vorzubringen hat, ist so gut, dass es wenigstens auszugsweise zitiert sei — auch um Lust auf MEHR zu machen:

„Rubikon ist ein Medium ‚zum Mitmachen‘. Der Kreis der Rubikon-Autoren ist ziemlich groß. Reputierte Persönlichkeiten mit akademischer Laufbahn schreiben neben Jugendautoren, die ihre ersten Laufversuche in Sachen politischem Journalismus machen und über ein waches politisches Bewusstsein verfügen. Dazwischen finden sich Beiträge in schillernden Farben und, auch das gehört zur Wahrheit, von unterschiedlicher Qualität.“

Weiter im Text:

„Manches ist mir zu marktschreierisch, manches zu schrill, manche rufen Widerspruch hervor. Aber, so wie ich das verstehe, hat Rubikon auch nicht den Anspruch, ‚perfekt‘ zu sein. Es geht darum, eine Art inhaltlich anarchistisches Medienprojekt weiterzuentwickeln, das mit voller Lautstärke Macht- und Herrschaftskritik übt und Eliten in aller Deutlichkeit kritisiert. Rubikon ist meiner Wahrnehmung nach ein Medium, das sich wie die Antithese zu einem weichgespülten ‚Mainstream-Journalismus‘ verhält, weil man in diesem echte, fundierte Macht- und Herrschaftskritik allenfalls noch mit dem Elektronenmikroskop finden kann.“

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das Buch „Zombie-Journalismus“ lebt nicht nur von Fallbeispielen und Meinungsstärke. Ganz nebenbei schiebt Marcus Klöckner immer wieder das ein, was er sich auf einem breiten Fundament schon früher in aller Ausführlichkeit erarbeitet hat. Wer diesen Autor kennt, der weiß, wovon ich spreche: „Bilderberg & Co.“ (1). Charles Wright Mills (2). Ein Journalismus, der vom „Habitus der Mittelschicht“ dominiert wird — „auf Anpassung ausgerichtet“, programmiert auf „die Akzeptanz der Herrschaftsverhältnisse“ (3).

Der Theoretiker Klöckner (Bourdieu) und scharfzüngige Kritiker von mächtigen Netzwerken, die vor unser aller Augen tagen und trotzdem in den Leitmedien nicht zu sehen sind, ist in diesem neuen Buch einen Schritt zurückgetreten, um dem Bürger und Medienbeobachter Klöckner Platz zu machen, der Ärger, Wut und Unverständnis nicht länger zügeln mag.

„Zombie-Journalismus“ ist dabei fast tagesaktuell. Sogar Joshiko Saibou hat es noch ins Buch geschafft, der Basketball-Nationalspieler, der mit seiner Freundin, der Leichtathletin Alexandra Wester, und Thomas Berthold bei der Berliner Demonstration vom 29. August 2020 auf einer Bühne stand, anschließend seinen Bundesliga-Job verlor — er spielt inzwischen in Frankreich — und dann trotzdem — Skandal! Skandal! — in das deutsche Olympiateam berufen wurde. Dass diese Mannschaft in Tokio mitspielen durfte, war eine Sensation, die allerdings unterging im Chor der Sportreporterklagen über diesen „Fall“.

Marcus Klöckner nimmt sich das vor, was Marco Plein auf Focus Online geschrieben hat, pars pro toto gewissermaßen, auf sechs Buchseiten. Von dieser Akribie lebt sein Buch. Der Puls bleibt oben, klar. Man kann nicht ruhig bleiben, wenn man diesen Sport mag und noch mehr diesen Spieler, der schon lange vor Corona auffiel in den Hallen. Klöckners Analyse hilft aber zu verstehen, warum ein Text wie der von Marco Plein so aufwühlend ist.

Es ist nicht so, dass Marcus Klöckner den deutschen Journalismus in Bausch und Bogen verdammt. Er findet Perlen, immer wieder. Den Nordkurier zum Beispiel, eine kleine Regionalzeitung im fernen Nordosten, wo Reporterin Simone Schamann und Jürgen Mladek, ihr Chefredakteur, zur „Beute“ des Zombie-Journalismus wurden. Oder Julian Reichelt, Kopf und Gesicht der Bild-Zeitung. Klöckner würdigt einen Text vom 27. Mai 2021: „Weil die Bundesregierung es nicht macht: Bild bittet Kinder um Verzeihung.“ Auch dieser Text steht pars pro toto. Ich untersuche gerade die Medienresonanz zur Schauspieleraktion #allesdichtmachen. Arbeitstitel: „Ablehnung im Chor“. Nur die Bild schlug hier eigene Töne an, vom Urgestein Franz-Josef Wagner („Ich bin ein #allesdichtmachen-Fan“) bis zu Schwergewicht Ralf Schuler, dem Leiter der Parlamentsredaktion („Großes Kino“).

Was tun, wenn das Geld nur für ein Buch reicht? „Die Propaganda-Matrix“ kaufen oder doch besser den „Zombie-Journalismus“? Oder sogar warten und schauen, was dem Rubikon-Verlag als Nächstes einfällt? Vielleicht reicht ja diese Rezension, um die beiden Medienbücher abzuhaken? „Freiheit“, so zitiert Marcus Klöckner seinen Leitstern Charles Wright Mills, „ist nicht nur die Möglichkeit zu tun, was man will; auch nicht bloß die Gelegenheit, zwischen Alternativen zu wählen. Freiheit ist vor allem die Möglichkeit, die verfügbaren Alternativen zu formulieren und über sie zu streiten — und dann eine Wahl zu treffen.“ Kommentar Klöckner: „Recht hat er, der Mills.“ Besser kann so eine Rezension nicht enden.


Im August erscheint das neue Buch von Marcus Klöckner. Hier können Sie das Buch bestellen: als Taschenbuch oder E-Book.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Björn Wendt, Marcus B. Klöckner, Sascha Pommrenke, Michael Walter (Herausgeber): Wie Eliten Macht organisieren. Bilderberg & Co.: Lobbying, Thinktanks und Mediennetzwerke. Hamburg: VSA 2016
(2) Vergleiche Charles Wright Mills: Die Machtelite. Herausgegeben von Björn Wendt, Michael Walter und Marcus B. Klöckner. Frankfurt am Main: Westend 2019
(3) Marcus B. Klöckner: Sabotierte Wirklichkeit. Oder: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird. Frankfurt am Main: Westend 2019, Seite 33


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