In diesem Monat feiert Singapurs „Central Provident Fund“ (CPF) seinen 70. Geburtstag. Eingeführt 1955, als die britische Kolonie noch erheblich unter den Kriegsschäden und verbreiteter Armut litt, war die Gründung des CPF ein erster Versuch, etwas gegen die verbreitete Altersarmut zu unternehmen. Wer nicht mehr arbeiten konnte, war darauf angewiesen, dass die Familie ihn durchfütterte, vor allem die erwachsenen Kinder. Nach der Unabhängigkeit 1965 begann die neue Regierung sehr schnell mit dem Ausbau des CPF und ständigen Anpassungen und Nachbesserungen. Schon 1968 wurde es um die Eigentumsbildung durch öffentlichen Wohnungsbau erweitert und 1984 durch eine integrierte Krankheitsvorsorge. Diese dreifache Wirkung unterscheidet den Erfolg des CPF radikal von den separaten Lösungen in Deutschland. Sie verbindet einen hohen Grad von Eigenverantwortung mit Subventionen, aber nur dort, wo sie nachvollziehbar notwendig und dem sozialen Frieden dienlich sind.
Der CPF als Altersvorsorge
Aus Arbeitseinkommen werden vom Arbeitnehmer 20 Prozent und vom Arbeitgeber 17 Prozent in das persönliche CPF-Konto eingezahlt. Auf diese Weise sammelt der Arbeitnehmer bis zum Ruhestand mehrere hunderttausend Dollar an, die Gutverdiener auch über die Millionengrenze.
Nach Vollendung des 65. Lebensjahres und wenn die Mindestansparsumme erreicht ist, zahlt das CPF je nach Kontostand einen festen monatlichen Betrag bis zu 3.300 Dollar und bis zum Lebensende. Wer in der Ansparphase Geld zur Seite legt, kann zusätzliche Beiträge auf sein Konto einzahlen und damit die Auszahlung erhöhen.
Zuzahlungen sind auch auf das Konto von Familienmitgliedern möglich, um deren spätere Auszahlung zu erhöhen. Als soziale Komponente wird ein Basisbetrag bis zu 60.000 Dollar höher verzinst, wobei die Habenzinsen ohnehin über dem Marktniveau bei den Banken liegen. Der Wechselkurs liegt zurzeit knapp unter 1,5 Singapur Dollar pro Euro.
Der CPF hilft beim Wohnungskauf
Die hohe Singapurer Eigentumsquote von 90 Prozent ist entscheidend dadurch ermöglicht worden, dass der CPF auch als eine Art Sofort-Bausparkasse genutzt werden kann. Die Anzahlung wird aus dem angesparten Guthaben finanziert, Abzahlungen und Tilgung des Kredits, den auch der CPF ausreicht, folgen aus den monatlichen Beiträgen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Dazu kommt für Ersterwerber eine nennenswerte Subvention, sodass auch viele junge Paare schnell eine eigene Wohnung beziehen können und je nach Guthaben im CPF-Konto auf eine geringe oder zumindest tragbare monatliche Belastung kommen.
Dies gilt für Wohnungen aus dem Angebot des „Housing & Development Board“ (HDB), einer Institution, die seit 1960 die Mehrheit der Singapurer immer besser und komfortabler mit Eigentumswohnungen versorgt. Die ersten aus den 1960er Jahren sind längst abgerissen, Design und Ausstattung werden laufend verbessert. In den letzten Jahrzehnten sind die Preise für neue HDB-Wohnungen deutlich, aber vergleichsweise moderat gestiegen, die für gebrauchte dagegen massiv. Viele Besitzer, die mehr verdienen, verkaufen ihre Wohnung mit Gewinn und kaufen eine neue – allerdings ohne Subvention. Mit Verkaufsgewinn und gutem Einkommen steigen dann etliche in den privaten Wohnungsmarkt um, meist in sogenannte Kondominien, die inzwischen kaum unter der Millionengrenze angeboten werden. Einfamilienhäuser werden immer unerschwinglicher und häufig vom Käufer aufgestockt und ausgebaut, was sie oft noch teurer macht als die Hochhaus-Kondominien.
Die Einfamilienhäuser sind begehrt, weil der Grundbesitz, wie in Deutschland auch, nicht zeitlich begrenzt ist. Die HDB-Wohnungen sind dagegen alle auf eine Art Mietkauf („leasehold“) für 99 Jahre begrenzt. Die Differenzierung von „freehold“ und „leasehold“ ist von den ehemaligen britischen Kolonialherren übernommen worden, wie das gesamte Singapurer Rechtssystem. Für ältere Wohnungsbesitzer, die oft mehr Jahre „leasehold“ vor sich haben als finanzielle Reserven, bietet das eine besondere Chance. Sie können je nach Lebenserwartung einen Teil der Laufzeit an das HDB gegen eine Abfindung verkaufen. Bis Mitte 2024 hatten 12.656 Besitzer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und zwischen 200.000 und 300.000 Dollar ausgezahlt bekommen.
Der CPF als eigenfinanzierte Krankheitsvorsorge
Seit 1984 kann ein Teil der CPF-Ersparnisse für Krankheitskosten benutzt werden. Ein Teil des CPF-Kontos wird als „Medisave“ geführt und je nach Einkommensgruppe, Familiengröße und Alter dynamisch subventioniert. Private Ärzte und Krankenhäuser sind teuer und oft von Medizintouristen aus der Region überlaufen. Öffentliche Polykliniken und staatliche Krankenhäuser sind deutlich erschwinglicher und bieten für alle Krankheiten Spezialabteilungen an. Die Behandlung wird ebenfalls erheblich subventioniert, einschließlich der ausgegebenen Medikamente.
Das System ist weitestgehend digitalisiert: Terminvereinbarung, Bezahlung einer Behandlung und die Bestellung von Medikamenten nach Hause lassen sich per Telefon-App erledigen. Aus einer deutschen Perspektive werden die medizinischen Leistungen für Senioren auf Traumpreise heruntersubventioniert.
Wie bei Altersvorsorge und Wohnungskauf gilt die Regel, dass niemand wegen unverschuldetem Geldmangel benachteiligt werden soll.
Wie lässt sich ein solches System überhaupt finanzieren?
Das CPF-System wird zusätzlich zu den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen vor allem durch spezielle Staatsanleihen finanziert, die ausschließlich für diesen Zweck zusammen mit anderen Staatsfonds von der „Government of Singapore Investment Corporation (GIC)“ verwaltet werden. Die Regierung garantiert die Verzinsung und damit die Möglichkeit, ihren Bürgern, die solche Hilfe brauchen, in den existenziellen Bereichen Altersvorsorge, Wohnraumversorgung und Krankheitskosten mit Subventionen zu helfen. Als erfolgreicher Exporteur, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit niedriger Einkommensteuer bleiben die öffentlichen Finanzen Singapurs stabil. Die politische Stabilität mit einer dominierenden Regierungspartei ermöglicht eine langfristige Planung für alle Bereiche, wie sie in Europa nicht einmal im Ansatz denkbar ist. Dadurch genießt die Regierung ein hohes Vertrauen in die Verlässlichkeit ihrer Politik und eine breite Akzeptanz für manchmal einschneidende Änderungen in Planung und Durchführung, falls sie notwendig werden.
Das Vertrauen in die Sicherheit des CPF war nicht immer so hoch wie heute. In den 1980er und 1990er Jahren wollten viele Bürger so früh wie möglich ihre angesparten Gelder abheben und privat investieren oder ausgeben. Die Regeln dafür sind mehrmals angepasst worden; einerseits um zu große Abflüsse zu vermeiden, aber auch um die Sparer vor unbedachten Ausgaben zu schützen und Sozialfälle zu verhindern. Im internationalen Vergleich dürfte Singapur ohne Frage eine Spitzenstellung bei der sozialen Absicherung seiner Bürger einnehmen. Welche positiven Auswirkungen das auf die Menschen und gleichzeitig auch die Wirtschaft hat, dürfte in Deutschland trotz oder gerade wegen Bürgergeld und Grundsicherung zum Nachdenken anregen. Denn gleichzeitig wurden mögliche Anreize, das System auf Kosten der Allgemeinheit auszunutzen, systematisch ausgeschlossen.

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