Direktor: Ihren Text habe ich gelesen. Die bunten Fäden, die Sie da zusammenspinnen, sind für mich ein wirres Knäuel. Der passt so nicht in unser ehrenwertes Haus (1).
Dichter: Vielleicht stelle ich die Personen des Stücks vor. Das mag Klarheit bringen.
Direktor: Ich bitte darum.
Dichter: Zuerst tritt ein Freund von mir auf, ein gutbürgerlicher Babyboomer, ein lieber Mensch und Christ, den der Mainstream auf Kriegskurs gebürstet hat, obwohl er selbst vermutlich nie eine Waffe in die Hand genommen hat. Dann komme ich, ein zorniger, alter Starrkopf, der immer zweifelt, wenn alle ins gleiche Horn stoßen. Im Anschluss treten zwei Soldaten auf, die im letzten großen Krieg gefallen sind.
Direktor: Warum lassen Sie die beiden nicht in Frieden ruhn?
Dichter: Albert Schweitzer war der Meinung, die Zeugnisse von Opfern des Krieges könnten „das Friedensbewusstsein der Völker“ stärken und so dem Frieden dienen (2). Im Angesicht des Todes entdecken die Menschen unter ihrer erkalteten, harten Schale das, was sie als Menschen ausmacht. Das wollen sie ihren Lieben mitteilen, bevor sie für immer gehen. Ihre Worte sollen uns mahnen, die wir am wohlgedeckten Tisch die großen Strategen spielen.
Direktor: In Ordnung. Aber warum müssen Sie am Ende den Nazarener auftreten lassen? So mancher hier bei mir im Publikum zweifelt, ob es ihn gegeben hat.
Dichter: Jesus oder nicht Jesus, das ist hier nicht die Frage. Auch bei Shakespeare weiß man nicht genau, ob er der Verfasser aller Werke war. Dem Hamlet tut das keinen Abbruch. An Jesus mag man zweifeln — die Bergpredigt gibt es. Wenn wir dem folgten, was da Schwarz auf Weiß geschrieben steht, wär nicht so vieles faul in unsrem Staat (3).
Direktor: Nun gut, was soll's? Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Der Worte sind genug gewechselt (4), nun fangen Sie mit Ihrem Vortrag an. Die Zeit ist knapp, ich will nicht kleckern, sondern Clicks.
Dichter: Verehrter Herr, habt vielen Dank. Und nun gebt acht.
Neulich war ein befreundetes Ehepaar auf ein Glas Wein bei uns. Wir hatten „Wizard“ (5) gespielt, ein abwechslungsreiches Kartenspiel, das über viele Runden geht. Politik war aus guten Gründen tabu. Ganz am Ende, als sie schon aufbrechen wollten, fiel dann doch das Wort „Putin“. Unser Freund hielt ihn für den größten Verbrecher und schlug die Hände vor das Gesicht, als ich dagegenhielt. „Ein Mann, der seinen Zorn nicht zurückhalten kann, ist wie eine offene Stadt ohne Mauern“ (Sprüche, 25,28). So war ich. Wir waren alle aufgewühlt. Aber er nahm das Manuskript meiner Rede beim Ostermarsch in Fulda (6) mit, wenn auch nur widerwillig. Er schrieb mir dann, er schätze mein Engagement, aber ein Land könne sich nicht einfach vier Regionen seines Nachbarn schnappen. Ich erwiderte, die Dinge lägen anders, verwies dabei auf den verstorbenen Papst Franziskus sowie General a. D. Harald Kujat, schickte ihm dazu einige Links und bat ihn, sie zu prüfen (7). Volksabstimmungen, die die Hegemonie unserer Eliten gefährden könnten, stehen gar nicht erst zur Diskussion, oder sie werden diskreditiert oder — sofern es möglich ist — verboten oder annulliert.
In den Sphären der Führungsetagen des Westens ist „Die Stimme des Menschen“ nur noch Manipulationsmasse und spielt sonst keine Rolle. Von meiner Tante habe ich ein Buch mit diesem Titel geerbt (2). Es enthält Briefe und Aufzeichnungen aus den Jahren 1939 bis 1945 von Menschen aus der ganzen Welt, die im Krieg oder kurz danach gestorben sind. Alun Lewis aus Großbritannien, gefallen im März 1944 in Burma, schreibt einen Monat vor seinem Tod an seine Eltern: „Die Welt härtet einen Menschen ab, er wird kleinlicher, argwöhnischer und vorsichtiger, aber der Junge, dem ihr das Leben schenktet, ist tief im Innersten unter der äußeren Schale des Artillerieoffiziers immer noch, wie er war. Und was auch diesem Offizier geschehen mag, meine Liebe und mein innerstes Selbst werden nicht geringer werden, denn sie waren von Anfang an rein und echt.“
Ein unbekannter jugoslawischer Soldat schreibt an sein noch nicht geborenes Kind:
„Mein Kind, noch schläfst Du im Dunkel und sammelst Kräfte für den Kampf der Geburt; ich wünsche dir alles Gute ... Ich weiß nun, dass ich sterben muss, und Du musst geboren werden, um auf dem Trümmerhaufen meiner Irrtümer zu stehen. Vergib mir. Ich schäme mich, Dir eine unordentliche und unbequeme Welt zu hinterlassen. Aber es muss sein. Ich küsse in Gedanken Deine Stirne, um Dich zum letzten Mal zu segnen. Gute Nacht, mein Kind — guten Morgen und ein lichtes Erwachen.“
Nur wenn wir die Stimme des Menschen hören, werden wir Frieden finden. Historiker Will Durant schreibt über Jesus (8): „Er unternimmt es nicht, die bestehenden wirtschaftlichen oder staatlichen Einrichtungen anzugreifen. Die Revolution, die er erstrebte, ging tiefer (…). Gelang es ihm, das Herz des Menschen von Selbstsucht, Grausamkeit und Wollust zu säubern, dann musste das Idealreich von selber kommen, dann mussten alle Einrichtungen, die wegen der Habgier und Gewalttätigkeit der Menschen notwendig geworden waren, und damit die Notwendigkeit des Gesetzes, verschwinden. In diesem geistigen Sinne war Jesus Christus der größte Revolutionär der Geschichte.“ Ich weiß zwar nicht, was an Lust schlecht sein soll, aber sonst spiegeln diese Worte meine eigenen Hoffnungen wieder.

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Quellen und Anmerkungen:
(1) Udo Jürgens und Michael Kunze (Text) (1975): Ein ehrenwertes Haus. https://www.udojuergens.de/songtexte/ein-ehrenwertes-haus
(2) Walter Bähr (Herausgeber) (1961): Die Stimme des Menschen. Briefe und Aufzeichnungen aus der ganzen Welt, Seite 587, Seite 329, Seite 502. R. Piper & Co: München.
(3) William Shakespeare (1603/1604): Hamlet, Prince of Denmark. Act III, Scene I. Hamlet: „To be, or not to be: that is the question.“ Act I, Scene IV Horatio: „Something is rotten in the state of Denmark.“
(4) Johann Wolfgang von Goethe (1808): Faust. Vorspiel auf dem Theater.
(5) Ken Fisher (1984): Wizard. Kartenspiel. Deutsche Fassung: Franz Vohwinkel (Grafik) (1996) AMIGO GmbH: Dietzenbach
(6) Stefan Nold (19. April 2024): Frieden! Muss! Jetzt! Rede beim Ostermarsch in Fulda. https://overton-magazin.de/kommentar/gesellschaft-kommentar/frieden-muss-jetzt/, bzw: https://globalbridge.ch/die-rede-am-ostermarsch-in-fulda/ und https://zgif.ch/2025/05/02/frieden-muss-jetzt/
(7) Stefan Nold (20. Juli 2024): Kein Frieden — keine Zukunft. Schlagt Brücken und versteht eure Feinde. Die Quellen im Einzelnen, Seiten 132 bis 157. Zu Papst Franziskus: [IV.4]15 und zu Harald Kujat: [III.7] 33, [IV.2] 5 und [V.2] 16. https://overton-magazin.de/wp-content/uploads/2024/07/Nold-KeinFriedenKeineZukunft-24720sN.pdf
(8) Will Durant (1944): The Story of Civilization. Vol. 3: Caesar and Christ. Simon and Schuster: New York. Zitiert nach der deutschen Ausgabe, übersetzt von Ernst Schneider (1949). Kulturgeschichte der Menschheit, 3. Band: Cäsar und Christus, Fünftes Buch: Die Frühzeit des Christentums, 26. Kapitel: Jesus, IV Das Evangelium, Seite 600. A. Francke AG: Bern.