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Die Vereinten Nationen in den Händen der Kriegstreiber (2/3)

Die Vereinten Nationen in den Händen der Kriegstreiber (2/3)

Das Völkerrecht und die Unparteilichkeit der Vereinten Nationen sind in großer Gefahr.

In Teil 1 dieser Artikelreihe hatten wir uns mit Art, Ergebnis und Auswertung von Ermittlungen der OPCW, speziell zu den Vorfällen in den zur syrischen Provinz Idlib gehörenden Gemeinden Talmenes und Kafr Zitar, befasst. Wir stellten fest, dass die OPCW „Fernaufklärung“ betrieb, wenn es um Ereignisse in Rebellengebieten ging. Die „moderate Opposition“ in jenen Gebieten, bestehend aus den jihadistischen al-Qaida Milizen Jabhat al-Nusra und Ahrar al-Sham verhinderte mit Waffengewalt den Zugang zu den tatsächlichen oder vermeintlichen Tatorten.

Der vorerst letzte Resolutions-Entwurf der drei westlichen Staaten, welche ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sind, wurde am 12.April 2017 eingebracht. Und der „ersparte“ sich Ermittlungen jeglicher Art zum am vierten des Monats gemeldeten Giftgas-Angriff in Khan-Sheikhoun dann sogar ganz. Um es ironisch auszudrücken: Für die Politiker dieser Staaten ist eigentlich die OPCW (inzwischen) überflüssig, „ihre Aktivisten vor Ort“ sind glaubhafte Quellen genug.

Ein OPCW-Bericht und seine zweite Edition

Im folgenden werde ich rückwärts gehend (und dabei Fakten aus Teil 1 wiederholend) eine Kausalitätskette auf zeigen.

Erinnern wir uns:

Am 7. April 2017 fand (außerplanmäßig) die 7919.Sitzung des UN-Sicherheitsrates statt. Anlass war der in der Nacht zuvor verübte Angriff der USA mit Marschflugkörpern auf einen syrischen Fliegerhorst. Die USA hatten das mit dem tatsächlichen oder angeblichen Vorfall mit Giftgas in der Ortschaft Khan Sheikhoun begründet, den sie der syrischen Armee unterstellten. Im Laufe der Sitzung warf ihr Sonderbeauftragter Jeffrey Feltman Russland vor, UN-Resolutionen durch deren Veto wiederholt blockiert zu haben, welche den syrischen Konflikt lösen sollten. Speziell meinte er aber diesen Entwurf.

Am 28. Februar 2017 legten die westlichen Großmächte im UN-Sicherheitsrat einen Resolutions-Entwurf vor, der politische -, wirtschaftliche – und militärische Sanktionen gegen Syrien vorsah. Begründet wurde dieser Entwurf damit, dass Syrien gegen die UN-Resolution 2218 aus dem Jahre 2013 verstoßen habe. Diese UN-Resolution definierte u.a. die Arbeit der OPCW zur Vernichtung chemischer Kampfstoffe, welche Syrien bis dahin als strategische Abschreckung gegen seinen südwestlichen Nachbarn Israel hielt.

Die UN-Resolution 2218 ist genau in dem Ton verfasst, den wir von westlichen Politikern kennen. Freiheitliche, demokratische Grundwerte des Westens sind die allein seelig machenden und man ist sich sicher, dass die ganze Menschheit – also auch Syrien – in den Genuss dieser demokratischen Grundwerte gelangen müssen. Ausgenommen natürlich solche strategisch und wirtschaftlich wertvollen Partner(!) wie Saudi-Arabien und Katar; mit diesen „Problemstaaten“ ist man durchaus in der Lage respektvoll um zu gehen. Auch die Resolution 2218 ist also ein Dokument der Macht. Man kann erahnen, wie sauer einigen Kriegstreibern, vor allem in Washington, London und Ankara das Abwenden des offenen Krieges gegen Syrien im Frühherbst 2013 aufstieß.

Dass ein Verstoß gegen diese UN-Resolution vorlag, entnahmen die Vertreter der führenden westlichen Demokratien einem Bericht, der ihnen per Brief am 24.August 2016 vom damaligen UN-Generalsekretär BAN Ki-moon zugespielt wurde. Der OPCW-Bericht S/2016/738 (mit unterzeichnet von dem Deutschen Eberhard Schanze) nahm u.a. Bezug auf einen weiteren älteren Bericht; das Dokument S/2015/138. Aus diesem älteren Dokument wird nicht zitiert, es ist verlinkt. Aber sehr viele Passagen aus diesem werden in weiten Teilen unverändert noch einmal wider gegeben.

Gerade erwähntes Dokument enthält in Beilage II, Annex II einen Report der OPCW, mit dem wir uns im ersten Teil schon ausgiebig befasst hatten; den hier:

1

Dieser Report S/1191/2014 aus dem Mai 2014 (erstellt im Juni 2014) beschreibt ausführlich die Bemühungen des im Auftrag der UN eingesetzten FFM-Teams der OPCW, Zugang nach Kafr Zitar zu bekommen, um Untersuchungen zum möglichen Einsatz von Giftgas in dieser Ortschaft durch zu führen. Man stellt fest, dass dieser Report in ausgesprochen sachlicher, bewertende Sätze vermeidender Manier verfasst wurde. Auch im Dokument S/2015/138 ist zumindest das Bemühen sichtbar – natürlich nur im Rahmen des ihm vorgelegten und verarbeiteten Materials – einem Anspruch an Objektivität unter Vermeidung von Schuldzuweisungen gerecht zu werden; aber:

Haben Sie bereits eine Ahnung, auf welche Art und Weise schon damals die Leute von der OPCW in das schmutzige Machtspiel der führenden westlichen Staaten hinein gezogen wurden? FFM wie UN ließen sich missbrauchen; bewusst oder unbewusst oder über eine Mischung aus Beidem.

Ich fasse noch einmal die gerade erstellte Zeitleiste rückwirkend zusammen:

  1. 7.4.2017: Feltman greift Russland wegen seiner Vetos zu UN-Resolutionen gegen Syrien an und bezieht sich speziell auf die vom Februar des gleichen Jahres >>>
  2. 28.2.2017: GB, die USA und Frankreich bringen einen Resolutionsentwurf gegen Syrien in den Sicherheitsrat und beziehen sich auf Verletzung UN-Resolution 2218 und den Report S/2016/738 der OPCW an die UN >>>
  3. 24.8.2016: UN-Generalsekretär BAN Ki-moon übergibt dem Sicherheitsrat den Report S/2016/738; das Datenmaterial des Reports stammt zu großen Teilen aus dem älteren Report S/2015/138 >>>
  4. 25.2.2015: UN-Generalsekretär BAN Ki-moon übergibt dem Sicherheitsrat den Report S/2015/138; das Datenmaterial des Reports stammt aus den Untersuchungen der Fact Finding Mission (FFM) im Jahre 2014

Was fällt Ihnen auf?

Die Vorgänge der beiden ältesten Daten sehen sich ähnlich. Und ich meine: BAN Ki-moon hat den Report S/2015/138 – nur verpackt in einen anderen – ein weiteres Mal an den Sicherheitsrat gesendet. Der Report von 2016 gibt im Prinzip den anderthalb Jahre zuvor übermittelten Report noch einmal wieder und verweist auf diesen. Wenn Sie sich beide Dokumente anschauen, sehen Sie das!

Textuell ähneln sich viele Passagen beider Dokumente daher wie ein Ei dem anderen. Aber nicht alle. Und die Unterschiede sind wirklich interessant – wir landen mal wieder beim Thema Propaganda. Zwei derer wichtigsten Eigenschaften sind die Selektion und die Methodik des Framings. Und eine weitere ist die des bewussten Verschweigens. Die Dinge verlieren so im Auge des Betrachters ihren ursächlichen Zusammenhang und werden Teil einer neuen Geschichte, eines Narrativs.

Was ist in beiden Dokumenten identisch?

Das sind die Befragungen (Interviews) von angeblichen oder tatsächlichen Zeugen der gemeldeten Giftgas-Vorfälle durch die FFM an einem unbekannten Ort, sowie die Analyse des erhaltenen Bild- und Filmmaterials. Diese Passagen wurden einfach in das Dokument S/2016/738 übernommen und durch weitere Befragungen aus dem Jahre 2015 ergänzt.

Was wurde nicht übernommen?

Im zweiten Dokument wurde weg gelassen, was VOR diesen Befragungen im August und September 2014 der ersten fehl geschlagenen FFM widerfuhr. Das einzige was darauf hinwies, war ein unauffälliger Link auf das Erstdokument. Die exakte Beschreibung der Ereignisse, die aufzeigte, dass die „moderaten Oppositionellen“ von al-Nusra und al-Sham keinerlei Interesse hatten, OPCW-Leute vor Ort ermitteln zu lassen, wurde, im Gegensatz zu den Ermittlungen, nicht erneut wider gegeben. Das ist jedoch wichtig, um verstehen zu können, warum die Ermittler überhaupt auf den zweifelhaften Weg von Interviews und Video-Auswertungen auswichen.

Und was kam hinzu?

Im Dokument S/2016/738 wurden plötzlich die Ereignisse des Jahres 2014 angereichert mit „Schlussfolgerungen“! Plötzlich wurde tatsächlich die Syrische Arabische Armee (SAA) für Vorfälle verantwortlich gemacht, deren Hergang und Existenz zuvor äußerst fragwürdig untersucht wurden.

Und nach dem gleichen Muster wurde nun der Fall vom 16.März 2015 in Sarmin bearbeitet. Die OPCW war nicht vor Ort, weil sie es nicht konnte, denn in dem ebenfalls in der Provinz Idlib gelegenen Gebiet tummelte sich „die bewaffnete Oppositionin allen Schattierungen. Inzwischen war auch der OPCW völlig aus dem Bewusstsein entschwunden, wen sie da als „bewaffnete Opposition“ im Report erwähnte: Jaish al-Fatah, Failaq al-Sham und Ahrar al-Sham; letztere ja schon aus Talmenes (in trauter Eintracht mit Jabhat al-Nusra) bekannt. Also interviewte die OPCW Zeugen an einem anonymen Ort, analysierte wie gehabt die zu gespielten Videos und konnte danach zweifelsfrei feststellen, dass die SAA Giftgas gegen die Bevölkerung eingesetzt hatte, dabei den Offenbarungseid leistend, nicht einmal zweifelsfrei feststellen zu können, was das überhaupt für eine chemische Substanz war. Wie in Talmenes so auch hier: Keine Ermittlungen vor Ort, keine Blutproben, keine forensischen Untersuchungen.

Glauben Sie, dass diese Beweislage vor einem ordentlichen Gericht den Richter überzeugen würde? Welche Absurdität: Terroristen verklagen die syrische Regierung bei der UNO und verweigern deren Untersuchungs-Teams den Zutritt zum Tatort. Und die UN lässt diese Klage zu und spricht ein Urteil im Sinne des Klägers. Und nun frage ich mich: Für wen spricht die UNO Recht? Die ist weder dämlich noch blind; nein, sie gehorcht der Macht!

Die Manipulation die quasi am ersten Bericht über seine Zweitauflage vorgenommen wurde, ist kaum durchschaubar. Zumal man ihr auch noch Ereignisse des Jahres 2015 hinzu fügte und in den Schlussfolgerungen auch dem Islamischen Staat (IS) vorwarf, Giftgas nachweislich eingesetzt zu haben. Das füttert die Seriösität des Berichts, da er ja offenbar alle Kriegsteilnehmer unvoreingenommen in seiner Untersuchung würdigt.

Erkennen Sie die perfekte Bestätigung des von Politikern und Massenmedien verbreiteten Musters: „Assad schlachtet sein eigenes Volk mit Giftgas und Fassbomben ab und hat das Land ins Chaos geführt, was zum Erstarken des IS in Syrien führte.“? Das wird übrigens mit beiden hier untersuchten Reports zelebriert. Der Krieg in Syrien wird auf eine simple Gut-Böse-Diktion herunter gebrochen. Die Netzwerke im Hintergrund sind verschwunden; nicht mehr existent. Sie und ich bekommen ein völlig deformiertes Bild der Wirklichkeit angeboten.

Wie lesen heutzutage Politiker und Medienleute einen OPCW-Bericht? Noch dazu, wenn in ihnen ein Bild fest verankert ist, das sie gern bestätigt haben möchten? Die graben sich nicht durch einfach verlinkte Dokumente, wo doch das vorliegende schon 98 Seiten stark ist. Was als Text völlig im zweiten Report vernebelt wurde, war die Tatsache, dass ein Großteil der Vorfälle in den vorrangig von den Terrororganisationen Jabhat al-Nusra und Ahrar al-Sham beherrschten Gebieten angezeigt – und von diesen der Zugang zu den Tatorten (?) mit Gewalt verwehrt wurde. Und dazu bediente sich die OPCW vollständig des etablierten Wordings der Meinungsführer, in dem sie ständig von „bewaffneten Oppositionsgruppen“ berichtete. Das sind sie nicht – das ist al-Qaida! Und weiterhin fiel völlig unter den Tisch, dass, aus Erstem folgend, eine unabhängige, wissenschaftlichen Anforderungen genügende und damit zu belastbaren Ergebnissen führende Untersuchung in diesen Gebieten niemals möglich war.

Anfang Januar 2015 hatte sich die OPCW mit dieser – wenn auch erzwungenen – Arbeitsweise selbst in Frage gestellt, aber immerhin noch jeder Schuldzuweisung enthalten. Und das hat Gründe, denn erstens war das ja auch nicht ihre Aufgabe und zweitens wusste sie wohl selbst um die Dürftigkeit der veröffentlichten Ermittlungsergebnisse. Bemerkenswerter Weise wurden diese damals vor Übergabe an den UN-Generalsekretär den Medien zugänglich gemacht. Und die selektierten aus dem 123-seitigen Bericht S/2015/138 umgehend die entscheidenden Trigger zur Manipulation ihres Publikums: Helikopter, Fassbomben, giftige Chemikalien. Auch wenn damit nicht offiziell Schuld zu gewiesen wurde; im Unterbewussten der Menschen kam es so an. Und so war es auch gewollt.

Am 7. Januar 2015 berichtete die Tagesschau:

2

Bedenken wir: Nicht eines der ausgewerteten Bild- und Filmdokumente hatte die OPCW selbst erstellt. Sie griff auf zweifelhaftes Material Dritter zurück. Und musste sich bei ihren Untersuchungen Selbstbeschränkungen auferlegen, die mir fast Mitleid ins Gesicht treiben. Hier ein Bilddokument aus einem Interview zur „Aufklärung“ des Giftgasvorfalls in Talmenes, welches im Report S/2015/138 Platz gefunden hat:

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Dieses Material ließ sich die OPCW durch gleich geartetes Material bestätigen, womit sie glaubte, Erkenntnisse untermauern zu können:

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Fotomaterial im Report S/2015/138. Fragen auch Sie sich, welche Aussagekraft solch ein Foto haben kann?:

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Und welche Leser haben schon einmal eine Fassbombe gesehen? Über das pausenlose Befeuern mit den Geschichten von Fassbomben auf unschuldige Zivilisten, wurde Ihnen nachhaltig das besonders Perfide dieser Waffe eingeimpft – was Blödsinn ist. Welche Waffe, eingesetzt zur Tötung ist denn nicht perfide? Ich halte es für möglich, dass die syrische Armee Bomben wie diese tatsächlich eingesetzt hat (was sie allerdings dementiert); aber gezielt gegen Zivilisten? Warum sollen wir so etwas glauben?

6

Wenn wir fest an etwas glauben, blenden wir Erkenntnisse aus, die diesem Glauben zuwider laufen. Weil Glauben dann in Dissonanz läuft und die ist unangenehm für unser Ego. Wie groß ist der Anteil der Bevölkerung welcher jemals davon Kenntnis genommen und das für sich bewusst verarbeitet hat, dass die syrische Armee als Urheber eines wie auch immer gearteteten Giftgasanschlags in Ghouta im August 2013 bereits rein technisch nicht in Frage kommen kann?!

Die fotografierte Munition lag in einem Gebiet, dass von terroristischen Kämpfern besetzt war und bis heute (Frühjahr 2017) ist. Fänden Sie das nicht hirnrissig, wenn die Syrische Arabische Armee (SAA) statt ihren Gegner ihre eigene Bevölkerung angreift? Wen würde sie damit schwächen, wen stärken? Wir brauchen gar nicht die ethische Komponente ins Spiel bringen, rein praktische Gründe verhindern solche Kriegsmethoden – von seiten der Regierung. Dass solch Fotomaterial niemals als Nachweis für den Einsatz chemischer Munition in Fassbomben der Regierung taugen kann, weiß die OPCW selbst am besten:

Ob es die Fact Finding Mission der OPCW begriff? Sie bekam ganz gezielt das Material, was sie zu entsprechend passenden Erkenntnissen, Schlussfolgerungen führen sollte. Das Ganze lief auf ein Skript hinaus, dessen Ende die Schuld der syrischen Regierung am Einsatz von Giftgas gegen die eigene Zivilbevölkerung feststellen musste. Das Ergebnis der Ermittlungen war nicht offen, es war vorbestimmt. Aber von wem? Die Denkweise, den eigenen Wahn der Gemeinschaft über zu helfen, ist übrigens einem bestimmten Menschenschlag tief inne wohnend…

Letztlich läuft es auf die folgende Frage hinaus:

Warum wurde der OPCW-Report aus dem Februar 2015 anderthalb Jahre später von deren FFM, angereichert, „aufgehübscht“ und vor allem mit „Schlussfolgerungen“ versehen, was die freundliche Umschreibung einer Schuldzuweisung an Syriens Armee und Regierung bedeutete, nochmals dem UN-Sicherheitsrat zugestellt?

Auf der Suche nach Motiven

Um diese Frage zu beantworten, könnte uns die Einordnung in den zeitlichen Kontext helfen. Was war eigentlich im Zeitraum zwischen dem April 2014 und August 2016 in und um Syrien geschehen? Es ist an der Zeit auf eine Zäsur im Syrien-Krieg hin zu weisen und das ist die massive Aufstockung der russischen Unterstützung für Syrien; und zwar auf der politisch-diplomatischen – wie auch auf der militärischen Ebene.

Diese Unterstützung ist radikal verschieden von dem, was der Westen bis dahin in Syrien betrieb. Seine massive Einmischung in die Belange des Landes, unter Ausnutzung von dessen spezifischen Problemen, hatten erst das Chaos herbei geführt, was nun von den gleichen Politikern und Medien scheinheilig beweint wurde. Scheinheilig vor allem deshalb, weil für eine extrem einflussreiche, Länder übergreifende Kaste von Politik, Wirtschaft, Ideologen, Militärs und Medien bis zum Sommer 2015 in Syrien die Dinge sich ausgesprochen gut entwickelten!

Als der OPCW-Report S/2015/138 an den UN-Sicherheitsrat ging, drohte Syrien zermahlen zu werden von dutzenden radikal islamistischen Milizen, die mit zehntausenden aus der ganzen Welt in das Land strömenden Kämpfern bemannt und mit modernster Logistik und Waffentechnik ausgestattet wurden. Während die Massenmedien vom „Fassbomben gegen sein Volk einsetzenden Regime“ faselten, entfachten diese Jihadisten einen Stellvertreterkrieg in Syrien, der nur deshalb nicht zum Untergang des Landes führte, weil Russland und China vehement die Einrichtung von Flugverbotszonen und humanitären Korridoren (nach dem Duktus des Westens) blockierten, wofür sie ihre Rolle als Veto-Mächte im Sicherheitsrat nutzten.

Insbesondere die USA und die Türkei trieben jedoch ein Spiel des Teile und Herrsche, um hinter den Kulissen „ihre“ angeblich zum Schutz der Zivilbevölkerung notwendige Flugverbotszone zu implementieren. Im August 2015 wähnten sie sich stark genug, dies im Norden Syriens durchsetzen zu können. Das und die massiven Gebietsgewinne in wichtigen Regionen Syriens durch die islamistisch gefärbten Terror-Milizen brachten Syrien im Sommer 2015 an den Rand des Untergangs. Tausende dieser Terroristen waren aus den Gebieten des Kaukasus und Mittelasiens nach Syrien gegangen. Russland begriff diese Vorgänge als direkte Bedrohung seines eigenen Staates und fing Syrien im letzten Moment auf.

In einer denkwürdigen Rede vor der 70.UN-Vollversammlung am 28. September 2015 sagte damals der russische Präsident Wladimir Putin:

„Es scheint jedoch, dass einige, statt aus den Fehlern anderer zu lernen, es vorziehen, sie zu wiederholen und weiter Revolutionen exportieren, nur sind es diesmal „demokratische“ Revolutionen. Man sehe sich nur die Lage im Nahen Osten und in Nordafrika an […] Natürlich haben sich in dieser Region die politischen und sozialen Probleme über eine lange Zeit aufgehäuft, und die Menschen dort wollten Veränderung. Aber was ist das tatsächliche Ergebnis? Statt Reformen zu bringen, zerstörte das aggressive Eingreifen unbedacht die Regierungsstrukturen und die örtliche Lebensweise. Statt Demokratie und Fortschritt sind dort jetzt Gewalt, Armut, soziale Katastrophen und völlige Missachtung der Menschenrechte, eingeschlossen das Recht auf Leben. […] Es drängt mich, jene, die diese Lage geschaffen haben, zu fragen: begreift ihr wenigstens jetzt, was ihr getan habt? Aber ich fürchte, diese Frage wird ohne Antwort bleiben, denn sie haben ihre Politik nie aufgegeben, die auf Arroganz, Außergewöhnlichkeit und Straflosigkeit beruht.“

An diesem Tag rief Russland eine veränderte Außenpolitik aus und hielt den westlichen Nationen den Spiegel vor:

„Es ist gleichermaßen unverantwortlich, extremistische Gruppen zu manipulieren und sie zu nutzen, um politische Ziele zu erreichen, in der Hoffnung, dass man später einen Weg finden wird, sie loszuwerden oder irgendwie auszulöschen. […] Ich würde jenen, die damit befasst sind, gerne sagen: meine Herren, die Leute, mit denen Sie zu tun haben, sind grausam, aber nicht dumm. Sie sind so schlau wie Sie. Also, das ist die große Frage: wer benutzt hier wen? Die jüngsten Ereignisse, als die „gemäßigste“ Oppositionsgruppe ihre Waffen an die Terroristen übergab, ist ein deutliches Beispiel dafür.“

Putin machte deutlich, dass sein Land die Destabilisierung auch des eigenen Staates durch die Ausbreitung des im Nahen Osten entfachten Chaos, nicht hinnehmen würde:

„Wir meinen, dass jeder Versuch, mit Terroristen zu flirten, schlimmer noch, sie zu bewaffnen, kurzsichtig ist und brandgefährlich. Das macht die weltweite terroristische Bedrohung weit schlimmer, verbreitet sie in neue Gebiete rund um die Welt, insbesondere, weil dort Kämpfer aus vielen verschiedenen Ländern sind, auch europäischen, die mit dem Islamischen Staat Kampferfahrung sammeln. Unglücklicherweise ist Russland hier keine Ausnahme. Und es ist so, dass wir den gegenwärtigen Stand der Dinge auf der Welt nicht länger hinnehmen können.“

Umgehend begann der massive Einsatz der russischen Luftwaffe gegen Stellungen, Stützpunkte und Versorgungswege der Jihadisten. Aber was hat das alles mit den OPCW-Reports und der UNO zu tun?

Nun, es ist wichtig zu erkennen, dass es ein davor und ein danach gibt. OPCW-Report S/2015/138 ging davor an den Sicherheitsrat und OPCW-Report S/2016/738 danach. Letzterer berücksichtigte auf bemerkenswerte Weise die in der Zwischenzeit erfolgte Kräfteverschiebung in Syrien!

Die islamistischen Gruppen waren in ganz Syrien innerhalb weniger Monate entscheidend geschwächt worden und hatten die strategische Initiative an die syrische Armee abgeben müssen. Zug um Zug wurde auch die Hoheit in der Luft wieder zurück gewonnen, wobei die russische Politik geschickt die Handlungszwänge der verschiedenen Interessengruppen, die auf Kosten Syriens in und über dem Land agierten, berücksichtigte. Der Traum vom „Sturz des Diktators Assad“ begann sich in den Köpfen Jener, die den Traum zur Wirklichkeit machen wollten, aufzulösen.

Und zu jenen gehört zweifellos und ganz entscheidend der Kreis um – Jeffrey Feltman. Mehr noch ist Feltman sogar ein Schlüsselspieler in der geopolitischen Auseinandersetzung, die sich wie in einem Brennglas in Syrien fokussiert. Jene Leute wurden nun erneut auf der politischen Ebene aktiv, um die Verhältnisse in ihrem Sinne wieder gerade zu rücken. Und da sind Chemiewaffen geradezu ideal und zwar als sehr wirksamer manipulativer Hebel; um Menschen zu motivieren, „die Verbrecher, die Giftgas gegen ihr eigenes Volk einsetzen, nicht ungestraft davon kommen zu lassen“.

Jeffrey Feltman, die Neocons und die Vereinten Nationen

Als überzeugter Vertreter des US-amerikanischen neokonservativen Establishments arbeitete Feltman seit vielen Jahren stramm an der Durchsetzung derer Interessen; das verborgen hinter der Maske vom Kampf für weltweite Demokratie und Freiheit. Er repräsentiert jene Schicht, welche aktiv in die Umsetzung der Konzepte eines Neuen Nahen Ostens und des Greater Middle East eingebunden waren, um so die breiten, freien Wege für die Globalisierer schaffen zu können. Wobei Globalisierung als die unbedingte und vollständige Schaffung weltweiter freier Märkte zu verstehen ist.

Er ist also einer Jener, die der UNO den Stempel eines Hegemons aufdrücken, der das Recht hat, besondere Interessen über die Weltgemeinschaft hinweg vertreten und durch setzen zu dürfen. Dass es so ist, wird über zeitliche Ebenen hinweg, wie in einem Puzzlespiel sichtbar.

Was wir von Feltman bislang wissen, ist, dass er einer der stärksten Befürworter des UN-Resolutions-Entwurfs vom 28.Februar 2017 war und ob dessen Vetos gegen den Beschluss vehement Russland in der Sicherheitsrats-Sitzung am 7.April desselben Jahres angriff. Wie ausgeprägt sein Hass außerdem gegen die syrische Führung ist, dafür greife ich erneut auf das Protokoll jener Sicherheitsrats-Sitzung zurück und empfehle Ihnen auf die Gefühle zu achten, die beim Lesen dieser Sätze in Ihnen auf kommen:

„The representative of the United States emphasized that the Assad regime had murdered hundreds of thousands of people, broken international law and committed criminal acts that had shocked humanity’s conscience. The use of chemical weapons against civilians was one occasion when the United States would not stand by, she said, adding that the Russian Federation also bore responsibility, having made it known that it would use its veto to cover up for Assad. The world was waiting for the Russian Federation to reconsider its misplaced alliance with that regime, she said, stressing that it was time for all nations to stop the horrors taking place in Syria and demand a political solution.“

Mit Rationalität und nüchterner Betrachtung lassen Feltmans Worte sich nicht ergreifen. Wie wollen Sie hier argumentieren? Wir haben nun bereits ausführlich die Ungereimtheiten um das Thema Giftgas in Syrien behandelt (und werden das noch weiter vertiefen). Aber Feltman ignoriert all diese Fakten. Er ist selbst gefangen in seinem Feindbild und er will unbedingt, dass alle dieses sein Feindbild mit ihm teilen. Und uns versucht man, dafür emotional zu vereinnahmen. Diese Emotion wird Ihnen - wenn reflektiert - unangenehm bewusst fühlbar; hier die Übersetzung:

„Der Vertreter der Vereinigten Staaten hob hervor, dass das Assad-Regime hunderttausende Menschen ermordet hätte, internationales Recht gebrochen hätte und kriminelle Aktivitäten unterstützte, die das Gewissen der Menschheit geschockt hätten. Die Anwendung chemischer Waffen gegen Zivilisten wäre eine Angelegenheit, der die Vereinigten Staaten nicht gleichgültig gegen über stehen können, sagte er; hinzufügend dass die Russische Förderation dafür mit Verantwortung trägt, darauf verweisend, sie würde das Veto-Recht nutzen, um Assad zu decken. Die Welt wartete auf die Russische Förderation ihre Haltung zur unpassenden Allianz mit dem Regime zu überdenken, sagte er; betonend, dass es Zeit für alle Nationen wäre, den Horror der Besitz von Syrien ergriffen hätte zu stoppen und forderte eine politische Lösung.“

Feltman im Kriegsmodus, das lässt sich hier hervorragend heraus lesen – und eben auch fühlen. Der US-Diplomat wollte unübersehbar unbedingt „seinen“ Resolutions-Entwurf umgesetzt haben und er nutzte alle psychologischen Methoden, um seine Kollegen um zu stimmen.

Noch einmal rekapituliere ich: Auf welcher Grundlage basierte jener geblockte Resolutions-Entwurf hinter dem vor allem Feltman stand? Er nahm den Bericht der OPCW mit dem Kennzeichen S/2016/738 zum Vorwand. Ein großer Teil jenes Berichts war, bezugnehmend auf die Ereignisse im Frühjahr 2014, schon einmal an den Sicherheitsrat gegangen, als Dokument S/2015/138 – damals ohne Schuldzuweisung. Die gleichen Daten erlaubten anderthalb Jahre später plötzlich den Bericht mit Schuldzuweisung.

Versetzen wir uns in das Denken und Fühlen der Teilnehmer der Fact Finding Mission in Syrien. Sie führen ihre Untersuchungen unter denkbar ungünstigen Umständen durch – was die Vorfälle in den von den Rebellen besetzten Gebieten betrifft (in den Regierungsgebieten gibt es ja diese Hindernisse nicht). Es gelingt ihnen niemals vor Ort Ermittlungen anzustellen. Sie müssen sich durchweg auf Informationen aus dritter Hand beschränken. Wer das ist, wer jene Dritte geschickt hat, ob diese unter Druck gesetzt wurden, ob sie parteiisch sind und der Regierung Assad feindlich gegenüber stehen; all das können die Ermittler nicht wissen. Wissenschaftlern, Menschen die etwas von ihrem Fach verstehen, sind die Hände gebunden.

Diese Leute sind deshalb mit Sicherheit unzufrieden mit der Situation, aber versuchen das beste daraus zu machen. Sie führen also ihre Befragungen und Auswertungen nach bestem Wissen und Gewissen durch, achten so gut es geht auf Neutralität. Die Widersprüche in den Aussagen, die fehlenden Werkzeuge zur Ermittlung profunder Ergebnisse; sie sind ihnen ganz sicher bewusst. Sie übergeben ihre Informationen an den Generalsekretär der Vereinten Nationen BAN Ki-moon. Und ihr Bericht weist auf das Problem hin, dass durch mit Gewalt verhinderten Zugang an die tatsächlichen oder vermeintlichen Tatorte eine andere Ermittlung nicht möglich war.

Wir schreiben den Februar 2015, die Dinge in Syrien laufen auf eine Übernahme des Landes durch salafistische Milizen hinaus, das Szenario was Jahre zuvor im Schnelldurchlauf in Libyen in die Realität überführt wurde, scheint sich zu wiederholen. Der Bericht der OPCW spielt nicht die überragende Rolle, auch nicht in den Medien, die sich zu jener Zeit eh auf das Thema „Fassbomben durch das Regime“ eingeschossen haben. Syrien steht vor dem Zerfall.

Was würde Sie – als Ermittler der OPCW – dazu treiben, über ein Jahr später diesen Report wieder aus zu graben, dessen Inhalte in einen neuen Report zu gießen und nun mit „Schlussfolgerungen“, sprich Schuldzuweisungen an die syrische Regierung zu versehen? Wo Sie als Ermittler ja doch genau wissen, dass diese Ermittlungen von Schuld weder von ihnen verlangt werden können, noch Sie – durch die Umstände bedingt – technisch dazu überhaupt in der Lage waren.

So etwas tun Sie nicht, weil Ihr Gewissen plötzlich nagt oder Sie übermäßig mit Freizeit versorgt sind. Nein, Sie tun es, weil es eine entsprechende Anforderung gegeben hat und diese durch Sie – Ihr Gewissen, Ihre Skrupel unterdrückend – umgesetzt wurde! Die Auswertenden tun das, was wir so ziemlich alle immer wieder in dieser Gesellschaft machen und was sich unter dem Begriff Opportunismus zusammen fassen lässt. Wenn die OPCW so gehandelt hat, wovon ich ausgehe, kann sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Die Frage ist jedoch: Wer stellte diese Anforderung?

Die OPCW arbeitet im Auftrag der UNO. Und die OPCW-Reports wurden explizit im Auftrag des Generalsekretärs der Vereinten Nationen BAN Ki-moon angefertigt. BAN Ki-moon, so meine Schlussfolgerung, hat von der OPCW verlangt, die Ergebnisse aus der FFM vom Jahre 2014 nochmals aufzuarbeiten und „Schlussfolgerungen“ im Dokument hinzu zu fügen.

Aber warum?

Sie wissen, wer im Jahre 2012 praktisch als zweithöchster Vertreter der UN von BAN Ki-moon höchst selbst auf jenen Posten berufen wurde?

Es war Jeffrey Feltman.

Die Position, welche Feltman seit dem bei den Vereinten Nationen ausfüllt, ist die eines Unter-Generalsekretärs für Politische Angelegenheiten (Under-Secretary-General for Political Affairs). In dieser steht er dem Department of Political Affairs (DPA) vor. Feltman’s Aufgabenspektrum definiert sich so:

"As Under-Secretary-General and head of the Department of Political Affairs, Mr. Feltman advises the Secretary-General on peace and security issues globally, while overseeing “good offices” initiatives and field-based political missions carrying out peacemaking, preventive diplomacy and peace-building activities in Africa, the Middle East and Central Asia. He also oversees the United Nations electoral assistance provided to dozens of its member states each year.“

Dass BAN Ki-moon sich in freier Wahl für Feltman als grauer Eminenz der UN entschied, brauchen wir uns nicht ein zu bilden. Ahnen Sie, in welch schwergewichtige Position Jeffrey Feltman im Jahre 2012 gehoben wurde, in welcher er auch nach Abdankung BAN Ki-moons verblieben ist?:

"Als Unter-Generalsekretär und Leiter der Abteilung Politische Angelegenheiten berät Mr. Feltman den Generalsekretär umfassend zu Friedens- und Sicherheits-Angelegenheiten, der fortlaufenden Überwachung von Initiativen zu guter Verwaltung und politischer Vorort-Missionen zur Förderung friedens-stiftender, präventiver Diplomatie und friedens-konsolidierenden Aktivitäten in Afrika, dem Mittleren Osten und Zentralasien. Er überwacht zudem jedes Jahr die UN-Unterstützung zur Betreuung [von Wahlen] in Dutzenden seiner Mitglieds-Staaten.“

Mal davon abgesehen, dass seine (w.o. zitierte) Rethorik diametral entgegen zu seinem (Feltmans) Aufgabenfeld steht, zeigt uns diese Beschreibung eines: Aktivitäten des UN-Generalsekretärs laufen im Prinzip nie ohne Abstimmung mit seinem DPA-Untersekretär.

Falls es also eine Anforderung an die OPCW gegeben hat, erneut ihre syrischen Ermittlungs-Ergebnisse des Jahres 2014 in einen Report zu gießen und nun auch zusätzlich im Sinne von Schuld zu bewerten, dann ist das auf jeden Fall in Abstimmung zwischen BAN Ki-moon und Feltman passiert. Das bedeutet: Jeffrey Feltman, der seit Jahren aktiv in Planungen und Aktivitäten zur Zerschlagung des syrischen Staatswesens verwickelt ist, hat direkt über die UN Vorwände konstruieren lassen, um das voran zu treiben. Es gab also ein klares Motiv, der syrischen Regierung die Giftgas-Vorfälle anzulasten.

Wenn das Department for Political Affairs (DPA) dem Feltman vorsteht, seine Aufgabe in Maßnahmen sieht, die der Konfliktverhütung und Beilegung dient, wie verträgt sich das mit den parteiischen, hasserfüllten Ansichten Feltmans zur syrischen Regierung? Ohne Verstehen gibt es keine friedliche Konfliktlösung, ohne Verstehen wird die Lösung immer eine Gewalttätige sein! Wie glaubwürdig kann die weltweite Tätigkeit der DPA u.a. in Libyen, Somalia und Afghanistan sein, wenn sie seit fünf Jahren von einem Menschen geleitet wird, der (schon viel länger) klare Feindbilder lebt?

Dabei ist die DPA, deren schiere Existenz vielleicht einem Prozent der deutschen Wähler überhaupt bekannt ist, allein durch ihre finanzielle Aufstellung auch eine politische Kraft, von der viele Menschen leben. Ihr Jahres-Budget beträgt mehr als 250 Millionen US-Dollar und über nicht weiter benannte Zuschüsse erhöht sich ihr finanzieller Spielraum auf bis zu einer Millarde US-Dollar im Jahr. Feltman, u.a. Chef dieser Behörde, wird uns in dieser Artikelreihe wieder begegnen.

Die Zeitreise geht weiter: Doppelmoral beim Thema Kooperation

Mehrfach habe ich ausführlich auf die Sprache hin gewiesen, die der Westen gegenüber Syrien benutzt. Sie ist voller Arroganz, erpresserisch, demütigend wie anmaßend und sich wiederholend in der ständigen Aufforderung, "vollständig zu kooperieren". Die Dokumente der UN sind voll davon. Und der Druck, denen die Menschen der syrischen Regierung – auch deren Vertreter bei der UN – ausgesetzt sind, muss enorm sein.

Es ist an der Zeit etwas mehr heraus zu arbeiten, wer es hier an Kooperation mangeln ließ und lässt. Dazu bewegen wir uns weiter in die Vergangenheit zurück und stoppen im Spätsommer 2013. Das allgemeine Narrativ aus Politik und Medien in diesen Tagen lautete:

Das Assad-Regime hat Chemiewaffen und hat sie wahrscheinlich im Krieg gegen seine eigene Bevölkerung eingesetzt, aber in unserem Bestreben, den Frieden zu sichern, geben wir dem Diktator eine letzte Chance. Unter der Voraussetzung, dass er seine Chemiewaffen vernichtet (vernichten lässt) und endlich mit der Völkergemeinschaft vollständig kooperiert, lassen wir – ein allerletztes Mal – Gnade vor Recht ergehen. Denn unsere Geduld ist erschöpft.

Es ist die ewige Wiederholung aus der sagenhaften Geschichte von den Guten im Kampf gegen das Böse; tagtäglich den Menschen eingetrichtert und durch emotionale Trigger in die "richtige" Richtung gelenkt. Wer jedoch im Kampf gegen das Böse ist, der hat ein Feindbild. Und die Sprache verrät es: Wer Überlegenheit und Macht ausspielt, sich als ethisch rein sieht und diese Reinheit anderen überhelfen will – der ist im Krieg!

Wie aber stellte sich die Realität in den dramatischen Tagen Ende August 2013 in Syrien wirklich dar? Was war der Grund, dass die Obama-Administration in letzter Minute ihren Befehl eines Bombardements Syriens zurück zog? Was die Hintergründe, Nutznießer und auch unsere Rolle selbst in Bezug auf die Ereignisse von Ghouta ausmacht, da belasse ich es an dieser Stelle beim Verweis auf diesen Beitrag und dessen unten aufgeführte Links.

Wir sollten aber vielleicht nicht nur dem Wissen glauben, das andere uns mundgerecht servieren, auf dass wir es nur noch zu konsumieren brauchen. Konsumieren ist unreflektiert und es beruht auf Emotionen. Und die sind es nun mal, die uns etwas glauben lassen – und unsere Emotionen werden eben deshalb zielgerichtet getriggert, damit wir bestimmte Dinge glauben. Vielleicht wäre es daher gut, wir erarbeiten uns selbst Wissen, reflektieren es und glauben mehr an uns. Dazu gehört dann auch das eigene Entwickeln und Formulieren von Fragen.

Wir sollen z.B. glauben, dass ein Regime so skrupellos und dumm ist, Chemiewaffen einzusetzen, obwohl Ermittler der OPCW in Damaskus nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt weilen. Die Menschen hier zu Lande diskutieren nun, warum ein Regime Giftgas eingesetzt haben könnte, obwohl doch die OPCW im Lande war.

Wie wäre es statt dessen mit der folgenden Frage?:

Warum war eigentlich die OPCW im August 2013 in Syrien?

Die OPCW war auf inständiges monatelanges Bitten der syrischen Regierung in das Land gekommen. Das erste Ersuchen um unabhängige Ermittler stellte Syrien bei den Vereinten Nationen am 20.März 2013.

Nicht bloß das; Syrien war über seinen ständigen Vertreter bei der UNO sogar direkt bei dessen Generalsekretär BAN Ki-moon vorstellig geworden und hatte die Dringlichkeit einer Untersuchung durch die UN bei diesem nachdrücklich angemahnt!

Nicht die „Weltgemeinschaft“ hatte Druck auf Syrien ausgeübt, um unabhängige Inspektoren in das Land entsenden zu können. Es war genau umgekehrt; Syrien hatte Druck auf die UN ausgeübt, um diese Inspektoren in das Land zu holen! Das Bemühen um eine weitgehende Kooperation ging also von Syrien aus – nicht von der institutionellen Vertretung der Völkergemeinschaft.

Was machte Syrien so besorgt, dass es mit einer solchen Vehemenz auf einer Präsenz unabhängiger Ermittler der UN im eigenen Land pochte? Ironischerweise gibt uns der Untersuchungs-Bericht zu Ghouta darauf Antwort:

„Nach unserer Ankunft in der Arabischen Republik Syrien am 18.August 2013 waren wir am 21.August in Damaskus und bereiteten die Durchführung von Inspektionen vor Ort im Zusammenhang mit unserer Untersuchung von Vorwüfen in Bezug auf den Einsatz chemischer Waffen in Khan al-A[s]sal und in Sheik Maqsood und Saraqueb vor.“

In Khan al-Assal fand am 19.März 2013 ein Angriff statt, in dessen Folge 18 syrische Soldaten und mindestens ein weiteres Dutzend Zivilisten durch die Freisetzung einer chemischen Substanz nach einem Granateinschlag getötet wurden. Die syrische Regierung war zutiefst beunruhigt und reagierte umgehend. Lassen wir Baschar Dschaafari, den Ständigen Vertreter Syriens bei der UNO zu Wort kommen:

„Es war so, daß ich nach dem Angriff auf Khan al-Assal noch am selben Tag Instruktionen dazu erhielt, und acht Stunden nach dem Vorfall suchte ich das Büro des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon auf. Ich bat ihn darum, der syrischen Regierung dabei zu helfen, a) zu verifizieren, ob in Khan Al-Assal tatsächlich chemische Waffen eingesetzt wurden oder nicht, und b) die Täter zu identifizieren. Darum habe ich Ban Ki-Moon an dem Tag ersucht.“

Ermittler der Vereinten Nationen sind niemals in Khan Al-Assal aufgetaucht. Dabei ist die Sinnhaftigkeit von Ermittlungen bei der Untersuchung flüchtiger Substanzen entscheidend an den Faktor Zeit gekoppelt! Je mehr Zeit vergeht, desto weniger auswertbare Erkenntnisse können gewonnen werden. Das wusste die syrische Regierung.

Und es kann aus meiner Sicht absolut keinen Zweifel daran geben, dass auch die Ansprechpartner bei den Vereinten Nationen genau das wussten. Warum also kamen sie nicht nach Khan al-Assal? Erkennen Sie das Muster wieder? Es ist das Gleiche wie ein Jahr später in Talmenes und im Jahre 2017 in Khan Sheikhoun. Das Prinzip dahinter lautet: Verhindere auf jeden Fall, dass vor Ort ermittelt werden kann, denn ansonsten kippt das Narrativ vom „Giftgas-Diktator“.

„On March 20, the day after Khan al-Assal and Al-Otaybeh attacks, the Syrian government requested the UN Secretary-General (UNSG) to launch an official investigation under the auspices of the „Secretary-General’s Mechanism“ – an authority to investigate alleged uses of chemical or biological weapons conferred by UN General Assembly Resolution 42/37C and reaffirmed in 1988 by UN Security Council Resolution 620."

Das ist zitiert aus einem Bericht des US-amerikanischen Stockton Center für das Studium Internationalen Rechts und bestätigt das umgehende Ersuchen der syrischen Regierung zur Einleitung einer offiziellen Untersuchung unter der Ägide des UN-Generalsekretärs. [sinng. Übers. PA]. Offiziell wurde seitens der UN Bereitschaft gezeigt. Die britische Time notierte:

„The U.N. has acquiesced to a Syrian government request to send an investigation team to Khan al-A[s]sal; it is expected to arrive on site this week. The team will be headed by Ake Sellstrom, a veteran chemical-weapons inspector from Sweden who was instrumental in investigating and dismantling Iraq’s chemical- and biological-weapons programs in the 1990s.“

„Die UN haben einem Ersuchen der syrischen Regierung zur Entsendung eines Untersuchungs-Teams nach Khan al-Assal zu gestimmt; seine Ankunft wird noch diese Woche erwartet [erste Aprilwoche 2013]. Das Team wird geleitet von Ake Sellström, einem erfahrenen schwedischen Inspekteur für chemische Waffen, der bei der Untersuchung und Abwicklung des irakischen Programms zur Entwicklung chemischer – und biologischer Waffen in den 1990ger Jahren eingesetzt war.“

Doch ihr Mandat war durch die UN von Anfang an limitiert; ganz im Gegenteil zu jenen Mandaten die man von der syrischen Regierung zur „vollständigen Kooperation“ einforderte:

„It is not yet clear if the U.N. team will investigate other accusations of chemical-weapons use in Syria, nor is it clear how much access it will have. The final details for the trip will be worked out in the coming days. The team’s mandate is limited to a technical investigation, which means it will only be able to ascertain whether or not chemical weapons were used, not who used them — a frustrating outcome for those seeking clarity. Nevertheless, the findings could be a strong indication of who might have been behind the attacks.“

„Weder ist klar ob das UN-Team andere Verdachtsfälle vom Einsatz chemischer Waffen in Syrien prüfen wird, noch ist klar, in wieweit ihm Zugang gewährt wird. Die endgültigen Details für die Mission werden in den kommenden Tagen ausgearbeitet. Das Mandat für das Team ist eingeschränkt auf technische Untersuchungen, mit dem Ziel heraus zu finden, ob chemische Waffen eingesetzt wurden oder nicht, aber nicht wer sie einsetzte – ein frustrierender Ausgangspunkt bei der Suche nach Aufklärung. Dennoch kann diese Mission belastbare Indizien darüber sammeln, wer hinter den Attacken stecken könnte.“

Damit die Leser mich nicht falsch verstehen: Ich bemühe mich hier nicht, die syrische Regierung „rein zu waschen“. Wozu auch; ist sie doch so wenig rein, wie es z.B. unsere deutsche Regierung ist. Was ich hier aufzeige, ist die Verstrickung internationaler Institutionen, mit der UN an der Spitze, um Kriege gegen souveräne Mitgliedsstaaten zu entfachen, zu führen und vor allem in den Köpfen der Menschen zu legitimieren! Es ist ihr Andienern an Macht, der Missbrauch ihres Mandats und der Missbrauch des Vertrauens, dass sie bei den Menschen genießen.

Um zwei Dinge hatte der syrische UN-Gesandte im Namen seiner Regierung den UN-Generalsekretär BAN Ki-moon persönlich gebeten;

a) zu verifizieren, ob in Khan Al-Assal tatsächlich chemische Waffen eingesetzt wurden oder nicht, und b) die Täter zu identifizieren.

Was Punkt b) betrifft, erzählte Dschaafari:

"Der Mann war sehr höflich, Sie kennen ihn. Er bat mich um etwas Zeit, um mit den „Guten“ im Sicherheitsrat Rücksprache zu halten. Er besprach sich mit den „Guten“ und kam zwei oder drei Stunden später zurück, um mir folgendes zu sagen: „Herr Botschafter, sagen Sie Ihrer Regierung, daß ich Ihrem Land bei einer Verifizierung helfen werde, um zu beweisen, ob in Aleppo chemische Waffen eingesetzt wurden oder nicht. Aber ich kann Ihnen leider nicht dabei helfen, die Täter zu identifizieren.“ Er wußte vom ersten Tag an, wer es gewesen war. Aber sie wollten die Identität der Täter nicht offenlegen.“

Erkennen Sie den Widerspruch? Syrien bat über die UN die OPCW, vor Ort zu untersuchen und so bei der Identifizierung der Täter zu helfen, das schlug BAN Ki-moon (nicht die OPCW!) nach ganzen drei Stunden „Bedenkzeit“ aus. Als die OPCW jedoch später „aus der Ferne“ ihre Untersuchungen zu angezeigten Giftgasvorfällen durch führte, da war es ihr plötzlich möglich, die Identifizierung von Tätern.

Und wie sah es mit Punkt a) aus?

"Wir sagten: „Ja, wissen Sie was, Herr Generalsekretär, helfen sie uns dabei, zu verifizieren, ob Chemiewaffen eingesetzt wurden oder nicht.“ Er brauchte vier Monate und elf Tage, um uns ein Ermittlerteam zu schicken, geleitet von einem bekannten schwedischen Wissenschaftler namens Dr. Sellström. Er und der Sicherheitsrat brauchten ganze vier Monate und elf Tage, um ein Team zu entsenden, das untersuchen sollte, ob in Aleppo Chemiewaffen eingesetzt wurden. Sie wissen, daß solche Waffen [Kampfstoffe] verdunsten. Nach ein paar Tagen kann man sie nicht mehr nachweisen, sie sind weg.“

Den Rest kennen Sie, liebe Leser; oder vielleicht doch nicht? Noch einmal Dschaafari:

"Noch wichtiger, nach vier Monaten und elf Tagen war Dr. Sellström in Damaskus, und Präsident Obama hielt seine Rede, in der er die „rote Linie“ zog, am 20. August. Dr. Sellström war genau zu der Zeit in Damaskus, auf dem Weg nach Aleppo, um zu untersuchen, was in Khan al-Assal geschehen war. Er stand noch vor dem Eingang zum Hotel in Damaskus und wollte gerade in seinen Wagen steigen. Da hörten wir plötzlich von einem anderen Chemieangriff in Vororten von Damaskus. Zufällig geschieht plötzlich genau in dem Augenblick ein anderer Chemieangriff in Vororten von Damaskus! Das diente dazu, die Aufmerksamkeit von Khan al-Assal auf einen anderen Ort abzulenken. Denn anfangs wollte niemand überhaupt untersuchen, was in Khan al-Assal geschehen war. Und die beste Möglichkeit, die Aufmerksamkeit abzulenken, bestand darin, an einem anderen Ort Aufmerksamkeit zu erregen!“

Und ich gehe noch weiter. Die Inszenierung hatte die Untersuchung in Ghouta gar nicht eingeplant. Niemals war jemals eine ehrliche, unparteiische Untersuchung in Syrien vorgesehen. Das Skript sah Ende August 2013 den vernichtenden Militärschlag auf Syrien vor und das Skript schuf die Voraussetzungen dafür. Deshalb musste der False Flag von Ghouta auch so monströs ausgeführt werden. Die Leute sollten auf einer emotionalen Welle in den Krieg gegen das „unmenschliche Regime“ getragen werden. Und für dieses Skript gab sich die UNO her, vorn weg mit Leuten wie BAN Ki-moon und Geffrey Feltman.

Dass auch in Ghouta die Ermittler rasch an ihre Grenzen stießen, zeigt anschaulich ihr Bericht. Allein fünf Tage dauerte es, bis sie das Rebellengebiet betreten durften – obwohl sie sich faktisch in Sichtweite zum Tatort befanden. Und das lag keinesfalls an der syrischen Regierung. Warum also verhinderte die „bewaffnete Opposition“ in Ghouta fünf Tage lang den Zugang für die OPCW-Ermittler? Es ging um Sarin; um ein hochflüchtiges Gas. Danach wurden dem Team über drei Tage jeweils fünf Stunden für Untersuchungen zu gestanden.

"Einschränkungen: Die für eine detaillierte Untersuchung beider Orte und für die Entnahme von Proben erforderliche Zeit war äußerst knapp bemessen. Die Orte wurden vor und während der Untersuchung von einer erheblichen Zahl von Menschen betreten. Bruchstücke und andere mögliche Beweisgegenstände waren vor Eintreffen des Untersuchungsteams eindeutigt gehandhabt/bewegt worden.“

Sie, die „moderate Opposition“ war doch hier der Kläger! Wenn die Dinge so waren, wie sie, die „moderate Opposition“ vorgab, hätte sie doch spätestens am Tag danach den OPCW-Ermittlern den roten Teppich ausrollen müssen und diese bis zum Umfallen ermitteln lassen können. Das, was die syrische Regierung zuließ, hätte sie, die „moderate Opposition“ doch in diesem Fall auch tun können. Allein, sie tat es nicht. Der OPCW-Untersuchungsbericht schreibt deshalb auch nicht, dass er seine Untersuchungen zu einem Abschluss bringen konnte, weil ihn etwa die „moderate Opposition“ tatkräftig unterstützte, sondern:

"trotz der zeitlichen Einschränkungen und wiederholten Bedrohungen, darunter ein tatsächlicher Angriff auf den Konvoi durch einen nicht identifizierten Heckenschützen am 26. August [...]."

Damit sind wir nicht am Ende unserer Betrachtungen zum Handeln der UN und der OPCW in Bezug auf Syrien angelangt. Sie wissen nun um die nachweisbaren Aktivitäten der syrischen Regierung; um ihre Bemühungen Aufklärung kooperativ mit den Vereinten Nationen zu betreiben. Und Sie wissen jetzt, wie die Vereinten Nationen damit umgingen. Um das „Gemeinschaftswerk“ zu verstehen, über welches das kooperative Bemühen Syriens torpediert wurde, müssen wir uns allerdings noch die Reaktionen von Politikern und Medien in jener Zeit anschauen und u.a. auch das erfolgt im nächsten Teil dieser Artikelreihe.

Wenn ich außerdem die Rolle der OPCW bereits im Jahr 2013 genau betrachte, erscheint mir doch die Vergabe des alternativen Friedens-Nobelpreises fragwürdig, mehr noch sehe ich da eine wohl kalkulierte Entscheidung, die Glaubwürdigkeit dieser Organisation in den Augen der Menschen hoch zu stilisieren. Denn es war die OPCW, wenn auch nur als Befehlsempfänger der UN, die sich über vier Monate Zeit ließ, um Syrien, das sie um Hilfe gerufen hatte, zu besuchen. Wir werden, um hierzu mehr Wissen und Verständnis für das Verhalten der Akteure erarbeiten zu könne, im nächsten Teil weiter in die Vergangenheit zurück reisen.


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