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Die Weißwurst-Klimaschützer

Die Weißwurst-Klimaschützer

Wer über die Fleisch- und Milchwirtschaft nicht reden will, sollte beim Thema Klimakatastrophe schweigen.

Fleisch ist nicht das Problem. Jedenfalls finden das die hoch gelobten Schülerinnen und Schüler der Fridays for Future-Bewegung. Die Kids waren lange von graumelierten Klimakatastrophen-Aussitzern dafür gerügt worden, dass sie immer nur meckerten, aber keine konstruktiven Vorschläge vorzuweisen hätten. Ende April nun haben streikende Schüler in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern fünf Hauptziele erarbeitet, die sie für nicht verhandelbar halten. Diese Ziele sind:

  • Abschaltung von 25 Prozent aller Kohlekraftwerke bis Ende 2019,
  • Komplettausstieg aus der Kohlekraft bis 2030,
  • Umstellung der Energieversorgung bis zum Jahr 2035 auf 100 Prozent erneuerbare Energien,
  • Einführung einer CO2-Steuer, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen,
  • Einstellung der Subventionen für fossile Energieträger.

Diese Maßnahmen betreffen überwiegend die Energieerzeugung. Sie sind kontra fossile Energieträger und pro erneuerbare konzipiert. Nicht zu den dringlichsten Sofortmaßnahmen gehört laut den Schülern und sie unterstützenden Wissenschaftlern die drastische Reduktion des Konsums von Fleisch und Milchprodukten. Allenfalls die Einführung einer CO2-Steuer lässt diesbezüglich hoffen.

Auf ähnliche Weise am Fleisch vorbei argumentierten die Nachdenkseiten in ihrem Artikel „Verlust der Artenvielfalt — massives Umsteuern ist angesagt“ vom 7. Mai). Hier werden überwiegend Verkehrsvermeidung, ein Verzicht auf Chemie in der Landwirtschaft und sehr allgemein eine „Änderung der Energiepolitik“ gefordert. Auch der eventuell auf unser Essverhalten abzielende Programmpunkt „Massive Veränderung des Einkaufsverhaltens, Verpackung etc.“ bleibt erstaunlich vage.

Den Ton gibt schon das Bundesumweltministerium vor, in dessen „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ das Wort „Fleisch“ nicht vorkommt und alles, was im weitesten Sinn mit Viehhaltung zusammenhängt, unter ferner liefen rangiert beziehungsweise sehr „global“ ausgedrückt wird:

„Im Sektor Landwirtschaft resultieren die bisherigen Minderungen in erster Linie aus den Umweltanforderungen der gemeinsamen EU-Agrarpolitik, einem verbesserten Düngemittelmanagement und einer stärkeren Kopplung von Viehdichten an die Fläche. Zusätzliche Minderungsoptionen bestehen beispielsweise durch die Ausweitung des Ökolandbaus und die Erhöhung der Effizienz beim Stickstoffeinsatz.“

Letztlich läuft es darauf hinaus, dass eine zu starke „Konzentration“ von Tieren auf engem Raum abgemildert werden soll. Für den Tierschutz sicher ein Fortschritt. Aber keine Rede ist davon, dass sich die Bundesregierung mit allen Mitteln der Gesetzgebung und der Volksaufklärung für eine drastische Verminderung tierischer Lebensmittel einsetzen wolle.

Wurstsalat und Lederhose für Habeck

Sicher, es geht hier „nur“ um die Bundesregierung. Wer würde von dieser auch Großtaten in puncto Tierschutz und CO2-Vermeidung erwarten? Julia Klöckner, die Bundeslandwirtschaftsministerin, wird im kollektiven Menschheitsgedächtnis wohl vor allem durch ihren Kuschelkurs mit Nestlé sowie wegen der Verlängerung der Erlaubnis für Küken-Schreddern und betäubungslose Ferkel-Kastration in Erinnerung bleiben.

Aber bei den Grünen — quasi dem geistigen Heimatraum jeglichen ökologischen Bewusstseins — sollten die Dinge doch ein bisschen anders laufen, oder?

Wissen Sie, was man auf einer Veranstaltung mit Robert Habeck, dem smarten Grünen-Vorsitzenden, zu essen bekommt? Ich kann das so genau sagen, weil ich bei seinem Bierzelt-Auftritt am 24. Juni im bayerischen Peißenberg anwesend war. Es gab Wurstsalat, Haxen, Hendl, Emmentaler — vom reichlich fließenden Bier abgesehen ausschließlich klimaschädliche Produkte, vermutlich aus nicht biologischer Qualtierhaltung.

Der grüne Star hat sich zwar an anderer Stelle als Vegetarier geoutet und überraschend Achtsames zur Massentierhaltung gesagt. Aber bei seinen Veranstaltungen zu verlangen, dass das Ernährungsprogramm klimafreundlich „angepasst“ wird, das hat er denn doch nicht im Kreuz. Zu groß ist wohl die Angst vor dem geballten Volkszorn der Schweinshaxen-Majorität.

Habeck trat dann in Peißenberg auch noch in Lederhose auf und ließ seine Rede von volkstümlicher Musik umrahmen. Wohl gemerkt: eine Lederhose, ein Produkt aus Tierhaut. Bei seinem interessanten Exkurs über Landwirtschaft, Bienenschutz und die Nöte der Bauern: kein Wort über die durch Fleisch verursachten Klimaschäden.

Die ökologischen Verwerfungen sind aber mittlerweile so weit fortgeschritten, dass es keinen Sinn mehr macht, um den heißen Brei herum zu reden — es geht um die Wurst.

Ist Habeck bei den Grünen ein bedauerlicher Einzeltäter? Ich muss bei dieser Gelegenheit ein paar Lowlights aus der Grünen-Geschichte erzählen. Die Schauspielerin, Vollkorn-Köchin und Tierschützerin Barbara Rütting war von 2003 bis 2009 für etwas mehr als eine Legislaturperiode Abgeordnete des Bayerischen Landtags. Im Laufe der Zeit wuchsen jedoch ihre Differenzen mit einer Partei, die noch immer Weißwürste als unverzichtbaren Bestandteil jedes Pressetermins betrachtete und der grausamen Hubertusjagd ihren Segen gab.

Rüttings ernüchterndes Resümee in ihrem Buch „Wo bitte geht’s ins Paradies?“ (2010): „Tierschutzthemen interessieren die Grünen nicht.“ Als dann im Herbst 2009 Renate Künast vor der Fernsehkamera einen Fisch erschlug, brachte dieses Ereignis das Fass zum Überlaufen. In der Sendung „Maischberger“ erklärte Barbara Rütting daraufhin ihren Austritt aus der Partei.

Der blinde Fleck

Weißwürste sind aber bei bayerischen Grünen — und nicht nur bei diesen — eher der Regelfall als die Ausnahme. So luden in den letzten Jahren unter anderem die Grünen in Ludwigsburg, im Bottwartal und in Vaihingen zu Weißwurstfrühstücken ein. Das Image der Tofu kauenden überkorrekten Verbotsfetischisten existiert wohl nur in der Fantasie von Alexander Dobrinth, der anlässlich der Koalitionsverhandlungen mit den Grünen äußerte: „Jetzt ist uns Tofu in die Fleischsuppe gefallen.“ Da hätte sich der weißblaue Witzbold nicht solche Sorgen machen müssen. Das Symbol-Nahrungsmittel der Grünen ist definitiv nicht der Tofu, sondern die Weißwurst.

Vor den „realpolitisch“ gewendeten Grünen muss kein Schnitzel-Freund und auch kein Schnitzel-Produzent Angst haben.

Die Partei ist in einer Realität angekommen, in der weiter geschlachtet und gegessen wird, als ginge das Schicksal des gesamten Ökosystems die Schlachtenden und Essenden nichts an — als lebten sie auf einem ganz anderen Planeten oder hätten schon ein Raumschiff-Ticket zu einem neuen, ökologisch intakten Weltraumstandort in der Tasche.

Kein Zweifel: Tierische Nahrungsmittel sind der blinde Fleck in der Klima-Debatte. Auch sehr gutwillige und wohl informierte Klimaschützer blicken großzügig über das Thema hinweg oder an ihm vorbei.

Positive Ausnahmen gibt es natürlich. Da wir Anfangs über die Fleischblindheit der Fridays for Future-Bewegung gesprochen hatten: für deren Schutzheilige, Greta Thunberg, gilt das nicht. Die lebt vegan mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie aufs Fliegen verzichtet.

Die Argumente für eine vegane Ernährung, speziell auch mit Blick auf den Klimaschutz, haben den Vorteil, dass sie auf Anhieb ziemlich logisch und einleuchtend sind. Niemand ist also nur darauf angewiesen, bestimmten Büchern, Artikeln oder Webseiten zu glauben. Jeder kann selbst überlegen, was er für plausibel hält.

Umwelt-Sau Fleisch

Die Seite VegPool fasst zusammen: „Vegan: Nicht der einzige, aber der wichtigste Schritt gegen den Klimawandel.“ Warum? Dazu einige Punkte in Kürze, Zitate von www.vegpool.de:

  • Für Tierprodukte werden viele Ressourcen verschwendet. „Tiere verwandeln das Futter vor allem zu Gülle und Wärme. Das heißt: Man füttert große Mengen Futter aus Soja oder Getreide — und bekommt dafür fast nur Gülle und Wärme. Nur ein kleiner Bruchteil der investierten Futtermenge wird von den Tieren zu Tierprodukten wie Fleisch, Milch oder Eiern umgewandelt. Für ein Kilo Fleisch braucht man etwa so viel Anbaufläche, wie für 10 Brote. Wer Fleisch isst, verbraucht damit etwa das Zehnfache an Anbaufläche wie jemand, der keine Tierprodukte isst (also vegan lebt).“
  • Tiere, besonders Rinder, produzieren viele Methangase, die besonders klimaschädlich sind. Die berühmten Kuhpfürze.
  • Für industriell hergestelltes Tierfutter werden auch entsprechend viel giftige Subtanzen eingesetzt: „Wenn für Tierprodukte die 10-fache Menge an Ressourcen benötigt werden, heißt das auch, dass 10 Mal so viele Pestizide, Herbizide und Düngemittel benötigt werden.“

Und wie ist das Ausmaß der durch tierische Nahrungsmittel verursachten Umweltschäden im Vergleich zu anderen negativen Klimafaktoren zu bewerten? Dazu eine Aussage aus Kreisen der Grünen (Grüne Ebersberg):

„Bereits im Sommer haben britische und Schweizer Wissenschaftler für das Fachblatt ‚Science‘ über 500 Studien zum Thema Klima und Ernährung ausgewertet. Ihr Fazit: Selbst die umweltverträglichste Produktion von Fleisch, Fisch und Milch belastet unseren Planeten mit Flächenverbrauch, klimaschädlichen Gasen, Überdüngung und sauren Böden um ein Vielfaches mehr als der Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel. Dazu Studienleiter Joseph Poore, Universität Oxford: ‚Eine vegane Ernährung ist wahrscheinlich die wirksamste Maßnahme, mit der jeder Einzelne seinen Einfluss auf unseren Planeten reduzieren kann, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Treibhausgase, sondern auch auf die globale Versauerung von Meeren und Böden, Eutrophierung sowie Land- und Wasserverbrauch. Sie ist viel wirksamer als die Einschränkung von Fluggreisen oder der Kauf eines Elektroautos.‘“

Fazit also: Eine Studie, die ihrerseits ein Resümee aus 500 Einzelstudien zieht, hält eine vegane Ernährung für die wirksamste Maßnahme, die der Einzelne gegen den Klimawandel ergreifen kann — noch vor dem Verzicht auf Reisen mit Flugzeugen oder Autos mit Verbrennungsmotoren.

Tödliche Pfürze

„CO2 online“, die Plattform einer seriösen Beratungsgesellschaft für Klimaschutz, hebt in ihrer Analyse vor allem drei Punkte hervor:

  1. Die extrem energieaufwändige Herstellung von Fleisch und Milchprodukten gemessen am Ertrag,
  2. Emissionen von Methan und Lachgas durch Rinderhaltung,
  3. Umweltschädigung durch Rodung von Urwäldern für den Anbau von Soja als Futtermittel.

Letzteres wird ja absurderweise teilweise den Veganern zur Last gelegt, die den Soja direkt, das heißt als „langweilig“ schmeckende weißliche Masse verzehren. Dies ist aber eine extrem energieeffiziente Ernährungsweise im Vergleich zum indirekten Sojakonsum — etwa dem Verzehr von Rindern, die ihrerseits mit Soja gefüttert wurden.

Das Umweltbundesamt — eine „konservative“ Quelle also, die nicht im Dienste einer „fanatischen“ Veganer-Lobby stehen dürfte — ordnet die Schädlichkeit der Nutztierhaltung in präzisen Zahlen ein:

„Rund 60 Prozent der gesamten Methan (CH4)-Emissionen und 80 Prozent der Lachgas (N2O)-Emissionen in Deutschland stammen aus der Landwirtschaft. Im Jahr 2017 war die deutsche Landwirtschaft somit insgesamt für 66,3 Millionen Tonnen (Mio. t) Kohlendioxid (CO2)-Äquivalente verantwortlich. Das sind 7,3 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen des Jahres. Die Emissionen aus der Landwirtschaft tragen somit nach den energiebedingten Emissionen aus der stationären und mobilen Verbrennung (84,5 Prozent) und vor den prozessbedingten Emissionen der Industrie (7,1 Prozent) einen höheren Anteil an Treibhausgasen in Deutschland bei.“

7,3 Prozent klingen zunächst nicht sehr gefährlich. Vergessen wir aber nicht, dass Methangas-Produktion nur einer der Bereiche ist, in dem sich die Produktion tierischer Nahrungsmittel klimaschädlich auswirkt. Das Umweltbundesamt erinnert vor allem an die Verseuchung von Böden und Luft durch Tier-Exkremente.

„2017 machte das Wirtschaftsdüngermanagement (Lagern und Ausbringen von Gülle und Festmist) 19 Prozent der gesamten Methan-Emissionen aus der deutschen Landwirtschaft aus. Der größte Anteil des Methans aus Wirtschaftsdünger geht auf die Exkremente von Rindern — und in geringerem Maße von Schweinen — zurück.“

Was das Insekten- und Bienensterben betrifft, so ist der Zusammenhang mit Fleischkonsum eher ein indirekter — aber es gibt ihn. Für die Ernährung von Millionen „Nutztieren“ braucht es um ein Vielfaches mehr Ackerfläche, als wenn nur Menschen zu ernähren wären. Dies führt dazu, dass die industrielle Landwirtschaft unter Einsatz giftiger Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat nur sehr bedingt durch biologischen Anbau abgelöst werden kann.

Dazu schreibt die Süddeutsche Zeitung:

„Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die ökologisch bewirtschafteten Flächen auf 20 Prozent auszudehnen. Kritiker befürchten allerdings, dass die Produktivität dann nicht mehr reicht, um zum Beispiel den hohen Fleischkonsum der Deutschen abzusichern.“

Wir töten also erst die großen Tiere und dann — indirekt — die kleinen, indem wir ihnen Lebensraum nehmen, für sie geeignete Pflanzen entweder zerstören oder vergiften. Und nicht zu vergessen: das Vogelsterben ist eine direkte Folge des Insektensterbens.

Nummer Eins unter den Klimakillern

Die Seite www.simply-live-consciously.com betrachtet die Fleisch- und Milchindustrie sogar als „Mehrheitseignerin“ der Klimakatastrophe und sieht sie verantwortlich für 51 Prozent der klimaschädlichen Gase.

„2009 wurde der Beitrag der Tierindustrie zum Klimawandel vom renommierten World-Watch-Institute in der Publikation ‚Livestock and Climate Change‘ nach oben korrigiert. Demnach werden mindestens 51 Prozent aller klimaschädlichen Gase (CO2-Äquivalente) durch die Tierhaltung verursacht. Die effektivste Methode, um den CO2-Ausstoß und den damit verbundenen Klimawandel aufzuhalten, wäre also eine Ernährung ohne Tierprodukte.“

Die Webseite nennt auch einen Grund, warum Politik und Presse die Tierindustrie trotz erdrückender Beweise für ihre Schädlichkeit in der Regel mit Samthandschuhen anfassen:

„Trotz allem wird der größte CO2-Verursacher — die Tierindustrie — nie als solcher gesehen. Denn hier gilt die alte Binsenweisheit ‚Geld regiert die Welt‘. Tierindustrie und Landwirtschaft sind riesige Maschinerien, welche Milliarden an Subventionen beziehen. Der Industrie und Politik ist viel daran gelegen, diese Wirtschaftssektoren aufrecht zu erhalten. Deswegen werden alle damit hergehenden Probleme totgeschwiegen oder schöngeredet.“

Geld könnte also eine Rolle dabei spielen, dass sich Überlegungen, die Klimakatastrophe zu verhindern, sehr häufig scheinbar gezielt um die Fleischfrage herumbewegen — Überraschung! Der andere Grund für die Hartnäckigkeit, mit der die Zusammenhänge zwischen Klima und Fleisch- beziehungsweise Milchkonsum geleugnet werden, liegt auf der Hand. Wenn die Produzenten Fleisch essen, die Händler Fleisch essen, wenn die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft und selbst in den Umweltämtern sowie in der für Umweltschutz eigentlich „zuständigen“ Partei Fleisch essen — wie wahrscheinlich ist es da, dass es eine breite Kampagne zu drastischer Reduzierung tierischer Produkte gibt?

Der Elefant im Raum

Fleisch ist in der Klimadebatte der Elefant im Raum: das Offensichtlich, erdrückend Große, das sich niemand zu benennen wagt — aus welchen Gründen auch immer. „Das Klima“ ist — stärker noch als „Die Umwelt“ — ein stark generalisierender und dadurch verschleiernder Begriff. Tier-Folter kann man, wenn man sie sich in ihrer ganzen Drastik vor Augen führt, schwer ertragen, „Die Klimaerwärmung“ dagegen relativ leicht. Man schwitzt an extrem heißen Tagen, wie zuletzt im Juni, ein bisschen in seinem Bett und muss mehr trinken — na und?

Die Debatte um die Klimaerwärmung lenkt die Aufmerksamkeit weg von der außergewöhnlichen emotionalen Kälte, mit der Menschen Tiere behandeln, hin zu etwas wohlig Anmutendem wie „Wärme“. Zugleich wird die Verantwortung vom Einzelnen weg hin zu politischen Großentscheidungen gelenkt. Die Politik sollte eben eine CO2-Steuer einführen und Kohlekraftwerke abschalten; man selbst muss allenfalls manchmal unnötige Fahrten mit dem Auto vermeiden.

Die Ministerin, Julia Klöckner, müsste da einfach mal was tun. Tut sie es nicht, bleibt dem machtlosen Konsumenten nur übrig, beim Eierlikör auf dem Sofa über die Grausamkeit des Küken-Schredderns zu klagen.

Ich will bei all dem gar nicht leugnen, dass der Einfluss des einzelnen „Normalbürgers“ auch in dieser Frage geringer ist als der mächtiger „Entscheider“ aus Politik, Wirtschaft und Medien. Entsprechend ihrem geringen Einfluss reduziert sich auch die Verantwortung des einzelnen Verbrauchers. Aber gerade hier macht Kleinvieh eben sehr viel Mist. Julia Klöckner könnte die Erlaubnis zum Küken-Schreddern so oft verlängern wie sie will — wenn niemand mehr Eier kaufen würde, wäre es mit dem Schreddern schnell vorbei.

Die Fleisch-Debatte ist entsetzlich unbequem, aber leider trotzdem notwendig. Wenn man sie führt, bekommt man es rasch mit aufwallendem Volkszorn zu tun: „Hältst du dich etwa für was Besseres?“ „Ich lasse mir von dir nicht einreden, dass ich ein schlechter Mensch bin.“ „Ich finde, das soll jeder selbst frei entscheiden dürfen.“ Erstaunt war ich auch, wie viele aufrechte Antifaschisten es trotz des grassierenden Rechtsrucks noch gibt. Nicht selten werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass Adolf Hitler Vegetarier war oder dass Tiertransporte beziehungsweise Schlachthöfe von Tierschutz-Fanatikern in die Nähe des Dritten Reichs gerückt worden seien — was nach dieser Logik gegen die Tierschützer spricht, nicht gegen die Schlachthöfe. Die Wurst-Semmel als antifaschistischer Widerstands-Akt? Wer so denkt, dem empfehle ich die Sichtung von Schlachthof-Videos.

Politischer Selbstverrat

Nun sind sicher nicht alle Parteien verpflichtet, dem Natur- und Tierschutz absolute Priorität einzuräumen. CDU und FDP sind eben passionierte Wirtschaftsparteien. Für die SPD — nun ja — gilt mittlerweile dasselbe. Sie argumentiert nur gelegentlich dafür, die Geringverdiener vor überbordenden Umwelt-Kosten zu schützen. Die Grünen aber wären ihrem Selbstverständnis nach eigentlich ganz dem Umweltschutz verpflichtet. Ein Grüner, der nicht auf‘s Deutlichste die Einschränkung des Konsums von tierischen Lebensmitteln fordert, ist wie ein Rechter, der nicht gegen Ausländer wettert.

Ein Weißwürste frühstückender Grüner ist ein Unding, er begeht politischen Selbstverrat — so als würde ein AfD-Politiker Afrikaner und Araber anflehen, in möglichst großer Zahl ins Land zu kommen.

Da wir schon mal dabei sind, wohl meinende Hoffnungsträger auf ihre blinden Flecken zu untersuchen: Auch der blauhaarige CDU-Zerstörer Rezo hat sich diesbezüglich nicht mit Ruhm bekleckert. In seiner hörenswerten Rede über die Klimakatastrophe vermerkte er zwar noch, dass CO2 und Methan für das Klima gefährliche Gase sind; dann verengte er jedoch gleich seinen Blickwinkel:

„Methan verursachen wir in erster Linie durch unsere industrielle Tierhaltung. Aber ich klammer das mal aus Zeitgründen aus, weil CO2 mit Abstand der größte Faktor für die Erderwärmung ist.“

Rezo spulte diesen Satz hastig ab, als wolle er sich einer lästigen Pflicht entledigen, und begleitete ihn mit einer wegwerfenden Handbewegung.

Vielleicht hatte er dafür ja auch persönliche Gründe: Gegen CO2 müsste Julia Klöckner was tun; bei Methan wäre auch er selbst in der Pflicht. Im Übrigen ist es, wie wir gesehen haben, auch nicht so, dass die industrielle Tierhaltung mit CO2 nichts zu tun hätte.

Mein Rat also: klammern Sie diesen Aspekt nicht „aus Zeitgründen aus“. Klammern sie ihn ein. Wir haben nicht mehr so viel Zeit.


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