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Die Welt als Truman-Show

Die Welt als Truman-Show

Wir leben in einer simulierten und manipulierten Welt.

Die Welt als Truman-Show
von Otto Teischel

Es gibt einen großartigen Spielfilm, der den Zusammenhang von Entfremdung und Manipulation des Einzelnen durch die herrschenden Mächte der Gesellschaft thematisiert und veranschaulicht: Die Truman Show von Peter Weir (1998).

Unsere mediale Gegenwart und deren globale Konstruktion virtueller Realität erweist täglich mehr die visionäre Kraft dieser beunruhigenden Filmerzählung von der Entmenschlichung einer seelenlos inszenierten Gesellschaft, die nur noch am Erhalt ihrer eigenen Fassade interessiert ist und die Künstlichkeit des schönen Scheins zu ihrem einzigen Lebensinhalt gemacht hat.

Der Protagonist in dieser rund um die Uhr und rund um den Globus übertragenen Livesendung, Truman Burbank, ist der einzige Mensch, der (zunächst) nichts davon weiß, dass er Teil einer lebenslang dauernden Fernsehsendung ist, in deren Kulissen er vor den Augen der Zuschauer als Kind von Schauspielereltern geboren wurde und bereits seit dreißig Jahren lebt. Und der Film bezieht seine Spannung, seinen absurden Witz und seine existenzielle Kraft daraus, uns – und, im Film innerhalb des Filmes, auch die Zuschauer der Livesendung – daran teilhaben zu lassen, wie Truman allmählich die Lüge(n) seines Lebens durchschaut, wie die Sehnsucht nach seinem eigenen Selbst aufscheint hinter der Sucht nach Bestätigung durch eine Gesellschaft, die ihn nur für ihre Zwecke benutzt, und wie er zuletzt eine Tür aus der virtuellen in die wahre Welt findet.

Bild

Filmplakat: Die ganze Welt beobachtet Truman Burbank.

Die Entwürdigung des Einzelnen zur bloßen Funktion für die herrschende gesellschaftliche Ideologie wird in dieser Filmgeschichte auf eine absurde Spitze getrieben und erschüttert den bewussten Betrachter umso nachhaltiger: die Inszenierung einer „Persönlichkeit“ vor den Augen und zur Unterhaltung eines Publikums, das einerseits um diese Künstlichkeit – und die Ohnmacht des Protagonisten – weiß und doch durch die Teilnahme an der Inszenierung als Publikum – oder auch als mitwirkende Schauspieler – ebenso um die Freiheit eines eigenständigen Lebens betrogen wird.

Darin besteht die doppelte Entfremdung und besondere Perfidie der Geschichte: Während die Einnahme einer Droge im Bewusstsein der Einnahme noch als „Künstlichkeit“ offenkundig ist, lässt doch ihre Wirkungsweise allmählich den „schönen Schein“ zur vermeintlich besseren Wirklichkeit werden. Und sich diese nach Bedarf erzeugen zu können, hält der Drogenkonsument obendrein für den Ausdruck seiner Freiheit. Lange glaubt er, jederzeit von seinem „Stoff“ lassen und den Fernseher abstellen zu können. Doch tatsächlich hängen seine Gefühle schon ganz von der Scheinwelt ab. Nach dieser inneren Logik „funktioniert“ jede Sucht.

Als Truman, dessen Sehnsucht im Film durch die flüchtige Liebe einer abtrünnigen Schauspielerin beflügelt wird, die Lüge durchschaut und seinem „Schöpfer“ Christof – dem Regisseur und Autor seines Filmlebens – entkommt, versucht dieser ihn noch ein letztes Mal vom Schritt in die Freiheit abzuhalten.

Der Film erscheint wie ein modernes „Höhlengleichnis“, in dem der Mensch, nachdem er die Fesseln seiner Blindheit abgelegt hat, zuerst mit mehr oder weniger subtiler Gewalt und zuletzt mit Überredung, die ebenso manipulativ ist, am Weg zum Licht gehindert werden soll, nur dass die Fesseln hier ganz unmerklich angelegt sind, weil Truman sich ja zunächst als frei und eigenständig erlebt, bis er die Künstlichkeit seiner Welt erkennt und begreift, dass er in einem gigantischen Fernsehstudio gefangen ist.

Beinahe rührend klingen die Sätze, mit denen sein „Erfinder“ – der tatsächlich wie ein allmächtiger „Schöpfer“ inszeniert ist – Truman zum Bleiben zu bewegen versucht, als er merkt, dass er ihn mit Gewalt nicht aufhalten kann. Christof ruft ihm aus dem Off seiner Kommandozentrale, hoch in den Wolken, zu:

„Truman, du kannst sprechen, ich kann dich hören!“
„Wer sind sie?“
„Ich bin der Schöpfer der Fernsehsendung, die Millionen Menschen Hoffnung und Freude bereitet und sie inspiriert […]“
„Und wer bin ich?“
„Du bist der Star.“
„War gar nichts echt?“
„Du warst echt, deshalb hat man dir so gern zugesehen. Hör mir zu, Truman: Da draußen findest du nicht mehr Wahrheit als in der Welt, die ich für dich geschaffen habe. Dieselbe Lüge, derselbe Betrug. Aber in meiner Welt hast du nichts zu befürchten. Ich kenne dich besser als du selbst.“
„Sie hatten nie eine Kamera in meinem Kopf!“
„Du hast Angst, deshalb kannst du nicht weggehen, Truman, du gehörst hierher, zu mir.“

Mit seiner sanften Stimme und seinem warmherzigen Blick, den er auf den Bildschirm richtet, erscheint der Regisseur wie ein liebevoll treu sorgender Vater, der seinen Sohn zu verlieren droht, der doch sein ganzer Stolz war. Doch wie Eltern, die ihre Kinder nicht zur Selbstständigkeit ermutigen, sondern ihre Lebenswege vorzeichnen wollen, missbraucht auch der Regisseur sein „Kind“ für die eigene Bestätigung, auch wenn das in dem guten Glauben geschehen mag, damit seinem Sohn – und durch ihn dem Publikum – etwas Gutes getan zu haben.

Die „Erziehung“ der Kinder nach den Maßstäben der Leistungsgesellschaft, die heutzutage schon im Kindergarten das Konkurrenzdenken befördert und scheinbar spielerisch möglichst früh eine Fremdsprache zu unterrichten beginnt, um den späteren „Marktwert“ eines erwachsenen „Bewerbers“ zu befördern, mag in der Logik des Systems sogar als „verantwortlich“ gelten – so wie Eltern und Lehrer seit je mit Strenge und Konsequenz hilfreich zu sein und auf die Realität vorzubereiten glaubten.

In Wahrheit aber werden dabei wieder nur die ursprünglich kreativen Potenziale des Menschen und seine Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung ausgebeutet, um sein „Funktionieren“ innerhalb der Gesellschaft sicherzustellen, die in ihrem eigenen Interesse genau dieses Verhalten bestärkt und das „Selbstwertgefühl“ ihrer „Mitglieder“ daran bindet. Wenn sie ihre Ideologie nur früh und konsequent genug vermittelt, wird die gesellschaftlich erwünschte Leistung schließlich mit Freuden erbracht, weil die Droge Arbeit aufgrund ihrer definierten Nützlichkeit jederzeit unmittelbare Bestätigung gewährleistet.

Alle schauen sich Die Truman Show an, die als eine bessere Welt erscheint, und Truman, der in ihr begeistert mitspielt, weil er nie etwas anderes kennengelernt hat, fühlt sich so lange „high“ und am richtigen Platz, bis die Fassade Risse bekommt, durch die wahrhaftige Gefühle seine Seele zu berühren beginnen. Bis die Lichtstrahlen der Sehnsucht in seine Höhle fallen.

Bild

Filmszene: Truman schöpft Verdacht.


Lügen die Medien?


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.rubikon.news/artikel/gemeinsam-verandern-wir-die-welt
(2) https://www.rubikon.news/kolumnen/leser-aktion


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